Kleiner Tonabnehmer-Vergleich

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wameniak
Stammgast
#1 erstellt: 01. Nov 2017, 15:30
Hallo zusammen,

ich wollte mal von meiner Tonabnehmer-Sammlung berichten. Wie so viele habe ich mich ziemlich intensiv mit den unterschiedlichsten TAs im mittleren Preisbereich beschäftigt und mich oft gefragt, wie der ein oder andere im Vergleich klingt. Dabei habe ich viel in Foren und Rezensionen herumgelesen und anschließend wusste ich meist eher weniger, als mehr. Das persönliche Soundempfinden ist ja bei jedem anders und was den einen anspricht, findet der andere u.U. schrecklich. Durch die Leserei wird man also mit Sicherheit nicht schlauer, eher unsicherer (zumindest ich) ... ich hoffe, mein Beitrag trägt nicht dazu bei, ich versuche, einigermaßen neutral zu bleiben :).

Gehört wird übrigens primär Rockmusik, auf diversen Technics (1200Mk2/1300), Dual (621/721/731q) und einem Hitachi-PS48-Dreher. Als Phonovorstufe habe ich einen Musical fidelity v90, einen Cambridge CP1 und zwei Amps (Denon/Yamaha) mit eigenen Phonostufen im Einsatz.

1. Ortofon Vinyl master red

Diesen TA habe ich lange an meinem Technics SL 1200 genutzt und war nie 100% zufrieden. Oft klang es irgendwie harsch und spitz, die Inner groove distortion war auch ein Punkt, der mich immer etwas gestört hat. Ich habe übrigens unterschiedliche Justageansätze getestet - einen Unterschied habe ich nicht gehört.

Ich habe diesen dann nach einigen hundert Stunden dann mit einem 2mblue ersetzt. Ich habe diesen TA allerdings kürzlich reaktiviert und unter einen Dual 621 gepflanzt. Der Verstärker ist der gleiche und auf einmal klingt er viel gefälliger und ausgewogener und in etwa so, wie es viele Rezensionen auch beschreiben. Ist der TA für leichtere Arme besser geeignet? Maybe. Immerhin hat der TA nach 500 Stunden und 14 Jahren Lebenszeit immer noch nicht fertig.

2. Ortofon 2m blue

Hier ging auf dem Technics für mich die Sonne auf. Das Teil ist in erster Linie aber viel lauter, man hat den Eindruck, hier ist ein Loudness-Schalter eingebaut worden. Klanglich auf dem Technics für meine Ohren ausgewogener als das Red, auch IGD ist hier besser. Justiert habe ich auch hier übrigens nur mit der Technics-Lehre. Das 2m blue ist klanglich für mich einer meiner liebsten TAs, hat aber auch einen Nachteil. Der Tonarm des Technics ist relativ schwach gedämpft und fällt schneller, als bei meinen Duals. Dadurch neigt der TA bei LPs mit leicht erhabenem Rand zum "rutschen" beim Needledrop. Ich denke, das ist bauartbedingt, die Nadel ragt nur relativ wenig aus dem Systemkörper raus. Keine Ahnung, ob das was damit zu tun hat. Sybillanten klingen auch sehr weich, die Probleme mit dem VM red sind mit diesem TA Vergangenheit. Das Teil hat ordentlich "Bumms" und ist für Rock/Metal mein liebstes System. Fliegt ansonsten auch bei miesen kleinen Wellen nie aus der Bahn.

3. Shure V15 mit Jico SAS

Klemmt unter einem meiner Duals, klingt fantastisch, deutlich bessere Auflösung,ganz wenig IGD. Durch den Bor-Nadelträger ist das ganze aber sehr weich aufgehängt, daher denke ich (bitte verbessern, falls das falsch ist), dass diese Kombi mit leichten Dual-Armen am besten funzt. Durch die geringe Auflagekraft fliegt die Nadel aber bei welligem Vinyl mit kleinen, harten Verwerfungen etwas leichter aus der Bahn. Ich nutze diesen TA sehr gerne bei meinen besten Pressungen, da hier wirklich jedes Detail aus der Rille geholt wird. Nebengeräusche aber natürlich auch ;).

4. Shure M97xe

Dauernd liest man, dieser TA würde eher dunkel und basslastig klingen. Das war vielleicht die ersten 10-20 Stunden der Fall, das hat sich mittlerweile aber sehr stark relativiert. Klingt bei mir an einem Technics SL1300 sehr ausgewogen, allerdings mit kleinen Schwächen bei der Abtastung im hinteren Bereich. an einem Universum 2095 klang es in der Tat etwas basslastiger, aber für meine Ohren sehr angenehm. Klanglich auf jeden Fall einer meiner Faves. Was bei meinem Exemplar aber auffällt - sobald der Shure-Schnäuzer heruntergeklappt ist, höre ich oft Störgeräusche/Gespratzel durch statische Aufladung. Das Problem hatte ich mit zwei Drehern, daher fahre ich diesen TA nur mit offenem Visier. Daher kann ich dem Lobgesang auf dieses Feature nicht ganz folgen, leider.

5 Shure M70 mit Clerorec-Nadel

Hier höre ich eher den typisch dunklen Shure-Sound. Hing an einem gebrauchten Dreher an und ich wollte einfach mal testen, was das Teil so kann. Also einfach mal eine Nadel von cleorec geordert. Auch liest man oft über die schlechte Qualität der NB-Nadeln. Ich habe den Verkäufer gebeten, mir eine Nadel herauszusuchen, die nicht schief ist (was mir schon einmal widerfahren ist) ... und habe auch eine bekommen. Kann den VK sehr empfehlen, sehr freundlich und kompetent. Klanglich ist das ganz annehmbar, aber im Vergleich zu anderen TAs hapert es etwas an der Feinzeichnung. Hört selbst meine Frau und die ist kein bisschen Hifi-Affin ;). Zum Vergleich habe ich ihr allerdings die SAS-Nadel vorgeführt, das war vielleicht nicht ganz fair. Trotzdem erklingen keine keine harschen Töne, keine Sybillanten-Probleme - ich denke bei einem Blindtest würde es den meisten nicht auffallen, dass hier eine Billig-Nadel am Werk ist. Vermutlich "klingt" der TA für viele deshalb schlecht, weil eine 20 €-Nadel ja einfach schlechter klingen "muss" im Vergleich zum 200 € TA ;).
Mich würde mal interessieren, wer diese Nadeln und unter welchen Bedingungen herstellt, das ist leider ein Rätsel.

6. Nagaoka MP110

Hochgelobt, man liest wenig negatives. Man soll auch wenig Hintergrundgeräusche hören. Das kann ich leider nicht bestätigen, der TA reagiert bei mir auf einem Hitachi PS48 sehr empfindlich und ich höre kleinere Ticks viel stärker heraus, als mit allen anderen TAs in meiner Sammlung. Außerdem ist der TA (bei mir) extrem empfindlich, was statische Aufladungen betrifft. Eine neue LP direkt aus der Papierhülle gezogen knackt und knistert übelst. Nach einer Wäsche/antistatische Hülle kein Problem mehr, aber unbehandelt sehr nervig. Habe ich so bei keinem anderen TA, außer dem Shure mit heruntergeklapptem Bart. Klanglich ist der TA für mich eher Mittelmaß, ohne besondere Stärken oder Schwächen. Ich habe vor Jahren bereits einmal ein Nagaoka an einem Technics 1200 getestet, das war scheinbar damals defekt, da es wie ein Geigerzähler geknackt hat.

Letztlich kann man sich aber an fast jeden Klang "gewöhnen", Unterschiede fallen nur im direkten Vergleich besonders stark auf. Weiter betreiben werde ich auf jeden Fall das Shure M97 und das Ortofon 2m (evtl. mal ein Upgrade auf das Bronze) und solange es SAS-Nadeln gibt, gerne auch das v15. Interessant fände ich im Hinblick auf die Abtastfähigkeit noch ein AT 440, wenn es sauberer klingt, nehme ich den etwas dünneren Klang gerne in Kauf, aber auch hier stellt sich wieder die Frage, ob das jeder so empfindet. Ich vermute mal, eher nicht ;).

So, das war's fürs erste ...

VG
Marcel


[Beitrag von wameniak am 01. Nov 2017, 18:19 bearbeitet]
Marsilio
Inventar
#2 erstellt: 01. Nov 2017, 17:26
Hallo Marcel

Danke für Deinen Erfahrungsbericht. Lese ich immer gerne. Schön finde ich auch, wenn Low-Budget-Lösungen wie das M70 besprochen werden. Auch bei mir spielen neben einem Shure mit SAS- und einem feinen Elac auch solche Günstig-Lösungen.

LG
Manuel
Dan_Seweri
Inventar
#3 erstellt: 01. Nov 2017, 18:43
Danke für den Erfahrungsbericht!

Mich wundern die berichteten Unterschiede zwischen den Vinylmaster Red und dem 2M Blue. Technisch gesehen sind diese beiden Tonabnehmer schließlich weitgehend gleich: Nahezu derselbe Generator und dieselbe Nadel (nackter Stein mit einfachem elliptischen Standardschliff). Ob die von Dir wahrgenommenen Unterschiede und die Verzerrungen zum Plattenende hin an einer suboptimalen Justage liegen könnten?

Beim Shure V15 mit der SAS-Nadel ist meines Erachtens nicht das Borstäbchen für die weiche Nadelaufhängung verantwortlich. Im Gegenteil: Bor ist ein ziemlich steifes Material. Die weiche Aufhängung / hohe Compliance ist durch die Einpunktaufhängung der Nadel mit Spanndraht und mit relativ weichem Gummi bedingt.

Das M97xE habe ich auch und möchte Deine Worte bestätigen, dass es ausgewogen und alles andere als dumpf klingt.
wameniak
Stammgast
#4 erstellt: 01. Nov 2017, 19:22
Die Unterschiede wundern mich auch, aber sie sind definitiv an meinem Technics hörbar gewesen. Justagefehler kann ich natürlich nie ausschließen, ich habe allerdings damals mit verschiedenen Varianten herumexperimentiert.

Aber irgendwie habe ich mit diesem TA nie so richtig begeistert Musik gehört ... der Vinyl-Virus hat mich erst mit dem 2m blue so richtig gepackt. Irgendwas ist an dem TA aber trotzdem technisch anders, ich meine doch, der ist um einiges lauter?
Marsilio
Inventar
#5 erstellt: 01. Nov 2017, 20:31
Die Ausgangsspannung ist bei der 2M-Reihe im Gegensatz zu VM- und OM-Reihe etwas höher. Das macht das 2M einerseits etwas lauter und je nach Empfingen ev. auch druckvoller, andererseits aber auch etwas weniger kapazitäts-unempfindlich als VM und OM.

LG
Manuel
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