Gibt es doch Klangunterschiede beim Tuberolling?

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selbstbauen
Inventar
#1 erstellt: 30. Apr 2015, 20:06
Hallo!

Beim Selektieren von Röhren mit einem Röhrenprüfgerät gibt es immer wieder Kandidaten, die mit ihren Werten völlig aus dem Rahmen fallen. Ist NOS nur Schrott, wenn zwischen 60% und 180% Emission alles vorkommt? Daher habe ich einen kleinen Versuchsaufbau gezimmert, der die konkreten Daten in einer praxisnahen Schaltung vergleichbar machen sollte. Das Experiment hat weitergehende Erkenntnisse zu den vermuteten/unterstellten Klangunterschieden von Röhren unterschiedlicher Hersteller geliefert.

Getestet habe ich die C3g in Triodenschaltung, weil bei mir davon 10 Stück im Einsatz sind. 20 Exemplare der Hersteller
Valvo
Telefunken
Siemens
Lorenz
habe ich in folgendem Versuchsaufbau verglichen – zunächst ohne den Kathodenelko:

C3g Röhrentest

Die Spannung am Anodenwiderstand war immer 300 Volt, die Signalspannung war immer 1 Volt. Gemessen habe ich jeweils die Anodenspannung und den Anodenstrom, die Signalspannung am Ausgang und den Klirrfaktor.

Erste Erkenntnis: Alle Röhren eines Herstellers hatten eine ähnliche Ausgangssignalspannung: Lorenz um 16,5V, Telefunken um 18V, Siemens um 19,5V, Valvo um 20,5V.

Zweite Erkenntnis: Auch die Ausreißer nach oben und unten bei der Prüfung mit dem RPG hatten die gleiche Signalspannung.

Dritte Erkenntnis: Bei jeder Röhre hat sich eine andere Anodenspannung/anderer Anodenstrom eingestellt – dieser konnte aber anhand der Prüfergebnisses mit der RPG vorausgesagt werden. Die Anodenspannung schwankt zwischen 162Volt (14,3mA) und 191Volt (11,2mA). Demzufolge war der Arbeitspunkt jeweils ein anderer.

Vierte Erkenntnis: Der Klirrfaktor schwankt zwischen 0,28% und 0,85%, unabhängig welcher Hersteller die Röhre gefertigt hat. Ein Bezug zum Hersteller oder der Signalspannung war nicht erkennbar. Jeder hatte solche und solche im „Portfolio“.

Fünfte Erkenntnis: Hebt man die Anodenspannung auf die 200 Volt an, die für diese Röhre als Betriebsspannung im Datenblatt angegeben ist, dann sinkt der Klirrfaktor um 0,1% bis 0,2%, ohne dass sich die Signalspannung ändert. Wenn man eine Schaltung entwirft, tut man also gut daran, immer die volle Betriebsspannung zu erreichen.

Sechste Erkenntnis: Fügt man den Kathodenelko ein, dann erhöht sich die Signalspannung auf 28 Volt (Lorenz) bzw. 41 Volt (Valvo) – die anderen dazwischen – und der Klirrfaktor steigt auf 1,3% bis 2,1% (Hersteller egal). Bei Anhebung auf 200 Volt senkte sich der Klirrfaktor um etwa 0,5 % - bei allen.

Erstes Fazit: Die Hersteller haben eigene Spezifikationen, nach denen sie Röhren fertigen – allerdings muss ich einschränken, dass ausweislich der Herstellernummer es sich jeweils um eine Charge handelt. Nur Lorenz prägt die Röhren mit dem eigenen Logo, die anderen haben sie nur gelabelt. Da sie damals auch für die Wettbewerber Röhren gefertigt haben, kann es sein, dass die Typen von Siemens und Valvo vielleicht auf der gleichen Maschine gefertigt wurden – immerhin liegen ihre Ergebnisse in Bezug zur Signalspannung dicht beieinander. Eine entkleidete Telefunken sieht im Inneren etwas anders aus als die Valvo oder Siemens.

Zweites Fazit: Tauscht man nun eine Lorenz gegen eine Valvo (insbesondere mit Kc), wird man eine deutliche Anhebung der Lautstärke feststellen. Tauscht man eine mit hohem Klirrfaktor gegen eine mit geringem K, dann wird sich der Klangeindruck verändern.

Drittes Fazit: Hat die zu tauschende Röhre auch eine Gegenkopplung an ihrer Kathode, wird sich der Gegenkopplungsgrad deutlich verändern, wenn eine schwache Röhre gegen eine starke getauscht wird. Denn auch bei gleicher Signalspannung verändert sich der Arbeitspunkt und damit auch der anteilige Aufschlag durch die GK an der Kathode.

Nun aber zum entscheidenden Fazit: Hat denn der Röhrentausch den Klang verändert? Nein! Getestet habe ich mit einem Phonovorverstärker mit passiver RIAA-Entzerrung, weil ich angenommen habe, dass das Klangregelnetzwerk sicherlich den deutlichsten Unterschied hervorrufen wird. Lorenz gegen Siemens – Lorenz leiser, war klar. Klangeindruck völlig gleich – aber lauter wird oft subjektiv auch als besser wahrgenommen.

Nach der Messung haben sich in dem Verstärker die dB-Abstufungen zwischen 20 Hz, 1 kHz und 20 kHz jeweils exakt immer gleich eingestellt, egal welcher Hersteller die Röhre geliefert hat. Die Unterschiede im Klirrfaktor waren nicht wahrnehmbar – aber sicherlich vorhanden.

Es kann nun durchaus sein, dass sich Klangunterschiede bei einer Röhre mit Gegenkopplungsfunktion deutlicher zeigen – wovon ich durchaus ausgehen würde, weil sich ja der GK-Grad ändert. Es kann daher auch sein, dass man all diese Klangunterschiede bei bestimmten Geräten tatsächlich bemerken kann, von denen häufig beim Tuberolling die Rede ist. Es kann auch sein, dass sich der spezifische Unterschied zwischen (in diesem Fall) Lorenz und Valvo regelmäßig so einstellen wird – ich hatte ja jeweils nur eine Charge. Dann könnte man auch sagen, die Röhren von XYZ sind die besseren.

Das bezweifle ich aber. Die Röhren werden auf Maschinen gefertigt, die Toleranzen haben und die sich stetig verändern. Es wird auf eine Charge ankommen, nicht auf einen Hersteller. Man kann Glück haben – sollte daraus aber kein Herstellerranking ableiten.

Gruß
sb
Anro1
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 01. Mai 2015, 12:37
Hallo SB

mir wäre nicht bekannt das Siemens / SEL(Lorenz) als tranditionelle Telecom Ausrüstungshersteller
die C3g eigengefertigt haben ? denke die Röhren kommen von Philips/Valvo-iTT oder Telefunken/AEG, und wurde für die beiden Telco Ausrüster selektiert, markiert, gelabelt, verpackt... aber da kann ich mich auch täuschen.
Habe auch einen kleinen Vorrat gebrauchter C3m / C3m im Fundus, auch einige die mir in der Verpackung als NOS ??? verkauft wurden, mit der Erkenntnis das auch diese vermeindlichen NOS Post Röhren streuen,
von den "gebrauchten" mal ganz abgesehen. Arbeitspunkt, Einsatzweise / Beschaltung denke ich hat weit mehr Einfluss auf den Klang/Klirr als das beliebte "Tuberolling", ausser man setzt halt völlig abgebrannte Exemplare ein, deren "feines, seidiges, filligranes, und hochauflösendes Klangbild" bei
manchen selbst erklärten Highend Enthusiasten dann oft besonders geschätzt wird.
Was habe ich da schon erlebt.
Hoch lebe das Pärchen Telefunken E803CC NOS gematched für 600Eu
Die erhabene Raute unten im Glaskörper haben wir bei vielen hochpreisig gekauften vermeindlichen Telefunken ECC Röhren dann leider vergeblich gesucht.
selbstbauen
Inventar
#3 erstellt: 02. Mai 2015, 09:21
Hallo Anro,

die Lorenz sind in das Metall mit dem Logo geprägt, also nicht gelabelt. Gefertigt in dem Werk in Esslingen. Ein einfacher Farbaufdruck wird auch in Lizenzfertigung gemacht. Aber ein Logo in Metall eindrücken? Vielleicht wollten sie sich als Lieferant bewerben und haben eine Serie gefertigt. Immerhin hat damals ein Karton mit 50 Stück genausoviel gekostet wie ein kleines Auto.

Gruß
sb
Anro1
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 02. Mai 2015, 09:35
Ja, da könnte schon sein, in Esslingen gab es ja auch ein Bildröhrenwerk. Guter Hinweis.
Grüsse
ZeeeM
Inventar
#5 erstellt: 02. Mai 2015, 10:53
Es kommt auch darauf an, wie man eine Röhre betreibt. Tut man das so, das Fertigungstoleranzen sich auf das Signal auswirken, dann kann es klingen.
pragmatiker
Administrator
#6 erstellt: 03. Mai 2015, 12:21

Anro1 (Beitrag #4) schrieb:
Ja, da könnte schon sein, in Esslingen gab es ja auch ein Bildröhrenwerk

Richtig - ex Nokia / Panasonic. Da wurden in der Produktion zum Schluß wichtige geometrische Parameter für jede einzelne Bildröhre per Bildverarbeitung vermessen, damit die Toleranzen so klein wie nur irgend möglich blieben - und auch Laser wurden in der Fertigung eingesetzt. Das war ein hochmodernes Werk im alten Lorenz-Gebäude - wenn auch die von einem Hungerstreik einiger Mitarbeiter begleitete Schließung des Werkes nicht gerade das war, was man ein rühmliches Ende nennen kann.

Grüße

Herbert
selbstbauen
Inventar
#7 erstellt: 06. Jun 2015, 19:09
Nun konnte ich die Herkunft der LORENZ Versionen der C3g aufklären. Habe meinen Vater gefragt, der seinerzeit bis zu seiner Rente in Esslingen bei LORENZ, dann SEL, dann ITT Fersehgeräteröhren entwickelt hat. Er meint, die C3g wurden von Valvo gefertigt.

Dazu gab es auch einen Prozess gegen Philips. Die haben diese LORENZ-Prägung ohne Auftrag angefügt. LORENZ wollte das damals dann nicht bezahlen. Der Richter hat dann zugunsten von Philips entschieden, denn seiner Mainung nach wurden durch die Prägung die Röhren hochwertiger.

Gruß
sb
EL3010
Stammgast
#8 erstellt: 08. Jun 2015, 04:55

selbstbauen (Beitrag #7) schrieb:
Nun konnte ich die Herkunft der LORENZ Versionen der C3g aufklären. Habe meinen Vater gefragt, der seinerzeit bis zu seiner Rente in Esslingen bei LORENZ, dann SEL, dann ITT Fersehgeräteröhren entwickelt hat. Er meint, die C3g wurden von Valvo gefertigt.


Hallo sb ,
das ist etwas merkwürdig , denn gerade die C3g ist in keinem , mir bekannten Valvo "Spezialröhren" Datenbuch vertreten und ich habe einige davon aus unterschiedlichen Jahrgängen .
Da ist immer nur als erste Röhre die C3m drin , C3g habe ich da noch nie gefunden auch nicht in den Valvo Taschenbüchern .Bei Telefunken ( Handbuch Spezialröhren 1966 ) findet man beide , C3m und C3g , sehr merkwürdig .
MfG , Rudolf .
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