Technikerthread: Welche Erfahrungen habt ihr mit DC-gekoppelten Röhrenverstärkern?

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pragmatiker
Administrator
#1 erstellt: 04. Okt 2005, 16:36
Nachdem das Thema "Kondensatoren" in all seinen Schattierungen ja immer wieder hohe Wellen schlägt, wäre es natürlich das (theoretisch) Beste, diese Dinger vollständig aus dem Signalweg zu verbannen. Deswegen würde mich mal interessieren, was für Erfahrungen ihr mit voll gleichspannungsgekoppelten Röhrenleistungsverstärkern habt. Wie sieht's mit der Langzeitkonstanz der Gleichspannungsparameter und der Symmetrie aus? Was gibt's für schaltungstechnische Kniffe, um die (ggf. unterschiedliche) Röhrenalterung zu kompensieren? Gibt's funktionierende Konzepte, die über die Röhrenlebensdauer ohne jeden manuellen Abgleichvorgang auskommen?

Bin schon sehr gespannt auf Eure Antworten.

Grüße

Herbert
richi44
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 05. Okt 2005, 08:28
Ich habe damit zwei Erfahrungen:
Erstens gabs in meiner Lehrfirma (vor 45 Jahren) einen kleinen Verstärker mit EL84 und EF86 mit direkter Kopplung der beiden Röhren. Das Ding war nicht besser und nicht schlechter als ein konventionelles Teil.
Und die zweite Erfahrung habe ich mit einem Tektronix Röhrenoszilloskop gemacht. In DC-Stellung musste man halt ein paar mal am Tag den Offset nachregulieren.

Die Frage ist, was ein dc-gekoppelter Röhrenverstärker soll. Erstens kommt man ja kaum ohne einen Ausgangstrafo aus. Somit ist der Klang schon mal im Eimer. Und zweitens wird von vielen Fachleuten (bei Transistorschaltungen) die These vertreten, die Nwtzteilelkos trügen mmit zum Klang bei, weil sie ja irgendwie in Reihe mit dem Lautsprecher lägen. Das ist zwar richtig, nur liegen da zuerst mal die Endtransistoren, sodass die Elkowirkung erst zum Tragen kommt, wenn die Endstufe voll durchgesteuert (Klirr-Anfang) ist. Bis zu diesem Punkt wirkt der hohe Ri (Ic/Uce) des Transistors und die Gegenkopplung.

Also ganz ohne Kondensatoren geht es nicht.
Und wenn man sich eine mehrstufige Schaltung ansieht, müsste das Netzteil schon recht kompliziert werden. Da sind pro Röhre eine eigene Anodenversorgung UND eine eigene Heizspannung nötig, welche mit der jeweiligen Kathode verknüpft ist.
Und dann kommt noch der Entzerrverstärker für den Plattenspieler, der nun nicht ohne Kondensatoren funktioniert,
und davor ist das Aufnahmestudio mit seiner Elektronik und dummerweise noch Kondensatormikrofonen...

Es gibt bessere und schlechtere Kondensatoren (oder das gabs zumindest mal), aber wenn man die Dinger nach ihren Einsatzgebieten entsprechend auswählt, wüsste ich nicht, was gegen die Kondensatoren sprechen sollte.
TSF
Stammgast
#3 erstellt: 05. Okt 2005, 11:24
Da könnte ich ebenfalls Erfahrungen mit einem Oszilloskop beisteuern (DuMont, 1957). Vertikalablenkung: vier- oder fünfstufiger Verstärker (müsste das Ding mal wieder öffnen) aus Trioden ECC82 und einer Pentode EL90. Das ganze natürlich zweimal. Der Heizstrom der ersten Triodenstufe wird mit einer Amperite Regelröhre stabilisiert, die Anodenspannungen mindestens der ersten beiden Trioden sind aus stabilisierten 110 V abgeleitet (einfach mit OB2). Die Ua der Pentoden von ca. 300 V ist nicht stabilisiert.

Schwankungen der Nullinie im Betrieb kann ich keine feststellen (jedenfalls nach einer halben Stunde Vorheizen nicht).

Langzeitkonstanz der Nullinie? Kann ich nichts zu sagen, da ich die Nullinie je nach zu beobachtendem Signal verstelle.
Der Symmetrie? Kann ich auch nichts zu sagen (mache mit der Kiste halt keine Präzisionsmessungen mehr ). Sie wird aber lediglich durch Potis eingestellt, besondere Massnahmen zur Korrektur bei Alterung gibt es da nicht (ist eben kein Tektronix ). Die letzte Generalrevision liegt 20 Jahre zurück, ein Sinus sieht immer noch nach Sinus aus.

Gruss
TSF
pragmatiker
Administrator
#4 erstellt: 05. Okt 2005, 13:49
Mal ein zwischenzeitliches dickes Dankeschön für Eure Antworten - auf die Sache mit den Oszilloskopen hätt' ich natürlich auch selber kommen können (hab' ja doch einige Zeit mit einem TEK 545A gearbeitet).

Ich bin kein Verfechter DC-gekoppelter Röhrenverstärker (wie Richi schon richtig erwähnt hat, bleibt da ja immer noch der Ausgangsübertrager). Ich mach' mir nur ein paar Gedanken, wie eigentlich ein ordentliches, abgleichfreies DC-Konzept aussehen würde, mit dem man die "ach so geschmähten" Kondensatoren im Signalweg eliminieren könnte. Natürlich fließt der Lastwechselstrom auch durch die Netzteilelkos, die damit auch das Signalverhalten beeinflussen - das wäre dann der nächste Betrachtungsschritt gewesen. Überhaupt ist das Netzteil bei einer DC-Anordnung mit der Vielzahl der dann erforderlichen Versorgungsspannungen sowieso ein eigenes Thema...

Und alles hat natürlich Grenzen - in einem Plattenspielerentzerrer geht's natürlich nicht mehr ohne Kondensatoren....aber auch schon der dann sehr hohen Gesamtverstärkung (bis zum AÜ) wegen, bei der vermutlich gleichspannungmäßig in kürzester Zeit alles aus dem Ruder läuft....

Das war nur ein Zwischenkommentar von mir - weitere Gedanken zu diesem Thema sind nach wie vor hochwillkommen....

Grüße

Herbert
EL3010
Stammgast
#5 erstellt: 05. Okt 2005, 22:36
Hallo Herbert ,
kennst du diesen Beitrag bei Jogi ? :

http://www.jogis-roe...hbaum-Amp/NoRNoC.htm

MfG , Rudolf .
EL3010
Stammgast
#6 erstellt: 05. Okt 2005, 22:42

pragmatiker schrieb:


Und alles hat natürlich Grenzen - in einem Plattenspielerentzerrer geht's natürlich nicht mehr ohne Kondensatoren....aber auch schon der dann sehr hohen Gesamtverstärkung (bis zum AÜ) wegen, bei der vermutlich gleichspannungmäßig in kürzester Zeit alles aus dem Ruder läuft....




Hallo Herbert ,
ich nochmal , geht wohl doch , zumindest im Versuch :

http://members.aol.com/analogengineer/6gu5ph.html

MfG , Rudolf .
audiosix
Stammgast
#7 erstellt: 06. Okt 2005, 07:12
Natürlich kann man einen Phonoentzerrer ohne Koppel C´s aufbauen, es gibt ja auch Schaltungen für Röhren OP´s.

Angesichts der notwendigen Servoschaltungen halte ich einen guten Kondensator aber für den besseren Weg.

Reinhard
pragmatiker
Administrator
#8 erstellt: 06. Okt 2005, 07:52

EL3010 schrieb:
Hallo Herbert ,
kennst du diesen Beitrag bei Jogi ? :

http://www.jogis-roe...hbaum-Amp/NoRNoC.htm

MfG , Rudolf .


Servus Rudolf,

ja, diesen Beitrag kannte ich schon - es ist ja schon eine pfiffige Idee, einen Verstärker zu bauen, in dem keinerlei Widerstände und Kondensatoren stecken - auch keine Elkos im Netzteil. Trotzdem danke für den Hinweis.

Meine Gedankenspiele gehen aber in Richtung "die Anzahl der möglicherweise qualitätsbeeinflussenden Bauteile im Signalpfad generell möglichst zu minimieren" - und da sind Übertrager anstelle von C's natürlich Gift (bevor sich jetzt Entsetzen bei den Siliziumeisenfans breitmacht: Nur meiner Meinung nach natürlich....)

Die Elkos im Netzteil sind hierbei natürlich auch ein heißes Eisen, weil sie bei üblichen Endverstärkerschaltungen (gilt natürlich in kleinerem Maßstab auch für Eintaktvorstufen) natürlich auch den Signalwechselstrom sehen - mithin also eine variable Strombelastung und das auch noch mit einem Breitbandfrequenzgemisch...etwas, was extrem audiophilen Eigenschaften natürlich abträglich ist. Ich umgehe dieses Thema mit einer Röhren-H-Brücke, die im A-Betrieb rennt und bei welcher der Ausgangsübertrager im Querzweig liegt. Die Vorteile dieser Schaltungstechnik (auf das Netzteil bezogen):

- Der Siebelko "sieht" auch bei Aussteuerung nur einen konstanten Wechselstrom bei einer definierten Frequenz (und hat damit sozusagen einen recht gut definierten "Arbeitspunkt"), da die Stromverschiebungen komplett innerhalb der Brücke stattfinden.
- Die Brummunterdrückung dieser Anordnung ist exzellent.
- Der Ausgangsübertrager ist ultraeinfach, geht nicht in die Symmetrie der Endstufe mit ein und sieht keinen Gleichstrom.

Sowas geht natürlich auch mit Gegentakt-A-Endstufen, nur sind dann die Symmetrieprobleme durch den Ausgangsübertrager etwas größer.

Aus demselben Grund sind die Vorstufen als Differenzverstärker aufgezogen, weil sich auch hier (neben anderen positiven Eigenschaften) bei Aussteuerung eine konstannte Strombelastung des Netzteils ergibt.

Damit sind die dynamischen Eigenschaften der Netzteilelkos und damit deren Wirkung auf die Qualität des Audiosignals weitestgehend "außen vor". Diese Dinge sind nachgemessen, hier decken sich Theorie und Praxis recht gut.


Bin gespannt auf weitere Diskussionsbeiträge.

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 06. Okt 2005, 07:56 bearbeitet]
pragmatiker
Administrator
#9 erstellt: 06. Okt 2005, 08:21

audiosix schrieb:
Natürlich kann man einen Phonoentzerrer ohne Koppel C´s aufbauen, es gibt ja auch Schaltungen für Röhren OP´s.

Angesichts der notwendigen Servoschaltungen halte ich einen guten Kondensator aber für den besseren Weg.

Reinhard


Servus Reinhard,

danke für Deine Meinung - ich seh's tendenziell genauso, möchte mir aber einfach ein möglichst umfassendes Bild über alle vielleicht schon mal irgendwann realisierten, schlauen Ansätze für DC-Konzepte machen.

Deswegen: Ich freu' mich über jeden weiteren Beitrag.

Grüße

Reinhard
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