HIFI-FORUM » Musik » Klassik » Orchesterwerke » Bruckner, A.: Sinfonien - Die Fassungen | |
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Bruckner, A.: Sinfonien - Die Fassungen+A -A |
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Autor |
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Joachim49
Inventar |
#1 erstellt: 26. Okt 2012, 20:23 | |
Ich starte hier einen thread über die verschiedenen Fassungen der Brucknersinfonien. In einem späteren Beitrag schreibe ich vielleicht mehr über die Unterschiede zwischen den Fassungen. Danach wäre es vielleicht interessant zu wissen, wer welche Fassungen eingespielt hat. Die erste Jahreszahl betrifft den Zeitpunkt der jeweiligen Fassung, die zweite den der Ausgabe mit dem verantwortlichen Herausgeber. 1.Sinfonie in c (WAB 101) 1865/66 (= „Linzer“) / Nowak 1953 1890/91 (= „Wiener“) / Brosche 1980 1865 / 1995 Grandjean (frühere Fassungen des 2. und 3. Satzes) 2.Sinfonie in c (WAB 102) 1872 / Carragan 2005 (1873)1877 / Haas 1938 (1873) 1877/ Nowak 1965 1877 / Carragan 2007 3.Sinfonie in d (WAB 103) 1873 / Nowak 1977 1876/ Nowak 1980 (Zwischenversion des adagios) 1878/ Oeser 1950 1877/ Nowak 1981 1889 / Rättig 1890 1889 / Nowak 1959 4.Sinfonie in Es („Romantische“) 1874/ Nowak 1975 1878-80/ Haas 1936 1878-80/ Nowak 1953 1878 / Nowak 1981 (Finale) 1888/ ? 1890 (Erstdruck) 1888/ Korstvedt 2004 5.Sinfonie in B Nur eine Fassung/ 1896 Schalk & 1935 Haas & 1952 Nowak 6.Sinfonie In A Nur eine Fassung/ Erstdruck 1899 & Haas 1935 & Nowak 1952 7.Sinfonie in E Nur eine Fassung/ Erstdruck 1885 & Haas 1944 & Nowak 1954 8.Sinfonie in c Erstdruck 1892 Haas 1939 1890 / Nowak 1955 1887 / Nowak 1972 (Haas 1939 vermischte zwei Fassungen) 9.Sinfonie in d Nur eine Fassung: Löwe 1903 & Orel 1934 OO Sinfonie in f (WAB 99) Nowak 1973 O Sinfonie in d (WAB 100) Nowak 1968 |
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Joachim49
Inventar |
#2 erstellt: 26. Okt 2012, 20:38 | |
Es gibt eine alte Bruckner Gesamtausgabe, für die bis zum Ende des zweiten Weltkriegs Robert Haas verantwortlich war, anfangs zusammen mit Alfred Orel, der wegen Meinungsverschiedenheiten mit Haas jedoch ausschied. Diese alte Ausgabe blieb unvollendet, es erschien ungefähr die Hälfte der geplanten Ausgabe. Die Neue Bruckner Gesamtausgabe entstand unter Leitung von Leopold Nowak, der schon Mirarbeiter von Haas war. Haas schied 1945 nicht aus Altersgründen aus. Seit dem Tod Nowaks (1991) liegt die Gesamtausgabe in den Händen eines wissenschaftlichen Gremiums, das von Herbert Vogg, dem Verlagsleiter, koordiniert wird. |
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Martin2
Inventar |
#3 erstellt: 26. Okt 2012, 22:32 | |
Hallo Joachim, interessantes Thema. Robert Simpson hat sich in seinem Brucknerbuch auch sehr ausführlich zum Problem der Brucknerschen Fassungen ausgelassen. Dabei ist wohl bemerkenswert, daß im Fall der 1. wohl schon sehr früh, also auch in früheren Einspielungen die frühe Linzer Fassung der späteren Wiener vorgezogen wurde. Bei der 2. bin ich im moment überfragt, allerdings hat glaube ich auch dort Tintner die frühere gewählt, wahrscheinlich auch Inbal. Zur 3. Sinfonie schreibt Robert Simpson, daß diese Sinfonie durch spätere Überarbeitungen sukzessive ruiniert worden seien. Bruckner hat mehr und mehr gekürzt, das eigentliche Momentum der Sinfonie sei dadurch verloren gegangen. Im Vergleich zur 1. hat man in der 3. wohl in den früheren Zeiten der Analogära meist eine der späteren, wenn auch nicht unbedingt die späteste gewählt. Gustav Mahler hat auch, auch diese Geschichte ist bekannt, im Falle der 3. zugunsten wohl der früheren, wenn auch nicht der frühsten ( die er gar nicht kannte) interveniert. Natürlich irritiert mich in Deiner Aufzählung wie auch bei anderen die Sache mit den 6 Fassungen. Da mag es irgendwelche "Zwischenfassungen" geben ( und auch Bearbeitungen von dritter Hand), aber im wesentlichen gibt es wohl drei Fassungen: Die Erstfassung, eine viel später erschienene Zweitfassung und eine Drittfassung zum Ende des Lebens, und dabei wurde die Sinfonie immer kürzer. Robert Simpson plädiert für die Erstfassung und diese ist zunächst von Inbal eingespielt worden, für mich war diese Erstfassung, als ich sie hörte, eine wirkliche Offenbarung. Tintner hat sie dann viel langsamer auch noch gespielt, aber es gibt noch andere. Im Grunde plädiert Robert Simpson aber wohl für so eine "Mischfassung", beruhend auf der Erstfassung beinhaltend einige wirkliche Verbesserungen der Spätfassung. Hat die Sinfonie jemand nach Simpsonschen Vorstellungen jemals eingespielt? Bei der 4. irritiert mich fast mehr noch als bei der 3. die Sache mit den 6 Fassungen. Meines Wissens gibt es eigentlich nur zwei, die frühe Fassung und die spätere. Anders als bei der 3. stellt die Zweitfassung der Vierten eine wirkliche Verbesserung dar. So sieht es Simpson, so sehe ich es auch. Singulär bei den Fassungen der 4. ist, daß die Erstfassung ein Scherzo hat, das Bruckner vollkommen annuliert hat und für die Zweitfassung ein zweites schreibt. Ich mag die Erstfassung der 4. nicht sonderlich, allerdings spielt sie Inbal nicht besonders gut, da gibt es vermutlich inzwischen besseres, aber mich hat das bisher nicht sonderlich interessiert. Gespielt wurde die Erstfassung bis Inbal nie und auch später wurde sie nicht beliebt, selbst Tintner spielt sie nicht. In der Brucknerschen Reifezeit war das Fassungsproblem kein wirkliches Problem mehr, Bruckner hatte sich gewissermaßen gefunden. Einen Sonderfall stellt nur die 8. dar, weil der zur Uraufführung bestimmte Dirigent diese ablehnte, was Bruckner, der immer leicht zu verunsichern war, zur Überarbeitung trieb. Diese überarbeitete Fassung wurde früher immer gespielt, aber die Erstfassung wurde dann später auch gespielt und eingespielt unter anderem von Tintner und Simone Young. Bei der 7. gibt es wohl tatsächlich nur eine Fassung, die Sinfonie errang ja auch schnell Erfolg und wurde zu Bruckners Durchbruch. Allerdings gibt es die sehr lange Diskussion um den berühmten Beckenschlag im Adagio. Ich höre diesen Beckenschlag sehr gerne, und auch Dirigenten haben ihn oft gespielt, nur ist da die Quellenlage wohl noch rätselhafter: Bruckner hat ihn wohl auf Anraten eines Beraters eingeführt, dann doch nicht haben wollen, statt ihn aber auszustreichen wohl "gilt nicht" daneben geschrieben, höchst skuril. So weit mein Kenntnisstand, vielleicht können ja noch andere etwas erhellendes zu diesem Thema schreiben. Etwa zum Verhältnis der "Urfassungen" zu "Erstfassungen", es gibt wohl noch ( zumindestens glaube ich noch bei der 2. möglicherweise auch der 3.) wohl sogenannte "Urfassungen", die man vielleicht nicht wirklich als Fassungen auffassen kann, weil sie Frühformen noch vor der Veröffentlichung darstellen, weniger einen einmal abgegebenen, wenn auch in vielen Fällen dann wieder abgeänderten Komponistenwillen. Gruß Martin [Beitrag von Martin2 am 26. Okt 2012, 22:39 bearbeitet] |
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Joachim49
Inventar |
#4 erstellt: 27. Okt 2012, 10:31 | |
Hallo Martin, danke für Deinen kenntnisreichen und detaillierten Beitrag. Ich werde nicht gleich auf alle Bemerkungen eingehen können. Es ist in der Tat irreführend, dass meine Liste den Eindruck gibt, als ob es von manchen Sinfonien 6 Fassungen gibt. Manchmal unterscheidet sich die Nowak Version kaum von Haas, oder geht es nur um kleine Abweichungen. Ich versuche hier die Situation was die 3. Sinfonie betrifft zu klären. (Natürlich stütze ich mich nicht auf eigene Forschungen, sondern auf den vor kurzem erschienen 750 Seiten Wälzer "Anton Bruckner - Leven en werken" von Cornelis van Zwol (Bussum 2012). Die 3. Sinfonie entstand 1873, manche Teile des Adagios eventuell schon 1872. Von der ersten Version gibt es keine vollständige Partitur in Bruckners Handschrift. Bei späteren Umarbeitungen hat Bruckner einige Seiten der Partitur entfernt und durch neue ersetzt. Es gibt jedoch zwei Abschriften der 1873-er Partitur, von denen eine für den Widmungsträger, Richard Wagner, bestimmt war. Gegen Ende des 2. Weltkriegs arbeitete Haas an der Ausgabe der 1873-er Version. Zu einer Drucklegung kam es jedoch nicht, da bei einem Bombardement auf Leipzig das gravierte Notenmaterial vernichtet wurde. Zum Glück gab es aber einen Probeabdruck. Auf der Grundlage dieses Probeabdrucks wurde die 1873-er Version 1946 in Dresden unter Keilberth aufgeführt. Die neue Ausgabe der 1873-er Version (das zum Druck nötige Material der alten war durch den Krieg vernichtet worden , s.o.) erschien 1977 unter Leitung von Nowak. Diese Nowak-Ausgabe der 1873-er Fassung wurde unter anderem von Inbal, Norrington, Young und Tintner aufgenommen. 1874 bringt Bruckner Korrekturen an der ursprünglichen Version an, ebenso 1876. Allerdings sind diese Eingriffe nicht derart, dass man von einer zweiten Fassung sprechen kann. Dies ist allerdings 1877 der Fall, denn dann arbeitet Bruckner vor allem das Finale um. (Der Kopfsatz hat 1877 gegenüber 1973 ca. 100 Takte weniger, der dritte Satz ca. 50 mehr, und das Finale schrumpft von 764 auf 638 Takte. Es ist diese 1877 Fassung, die Bruckner selbst in Wien dirigiert. Diese 1877er Fassung wird – natürlich nicht im Rahmen der Bruckner gesamtausgaben – noch im 19. Jahrhundert von Theodor Rättig publiziert. Oft wird die 1877er Fassung als 1878er bezeichnet. Nach der Wiener Aufführung hat Bruckner noch eine Coda, um das Scherzo abzuschliessen, komponiert. Diese wurde nicht gedruckt, aber in die Partitur lose eingefügt. Die 1877er Fassung (ohne die nachkomponierte Coda) wurde 1950 von Oeser herausgegeben, fälschlich als 1878er Version. Mit der Coda wird sie in der Nowak-Ausgabe 1981 gedruckt, jetzt als 1877-er Fassung und nicht, wie bei Oeser 1878. (Haitink und Sinopoli haben als erste die Nowak Fassung mit Coda aufgenommen). 1980 erschien (Nowak) eine Zwischenversion des Adagios aus dem Jahr 1876, die in späterem Aufführungsmaterial überklebt war mit der 1877-er Version. Sie weicht in zwei Passagen von der spâteren 1877-er ab, und wurde u.a. von Tintner eingespielt. Bis jetzte haben wir also zwei Fassungen: 1873 und 1877 (plus kleinen Varianten: die Coda und die Variante des Adagios). 1889 hat Bruckner aber die Sinfonie noch einmal revidiert, auf Basis der Rättigausgabe der 1877-er Fassung. Betroffen ist vor allem das Finale, für das Schalk eine neue Version mit Schnitten vorschlug. Zwei dieser Schnitte akzeptierte Bruckner, aber statt des dritten schrieb er ca. 50 neue Takte. Wegen der Berücksichtigung der von Schalk vorgeschlagenen Kürzungen ist das Finale der 1889-er Fassung besonders umstritten. Sie wurde 1890 mit den Wiener Philharmonikern unter Hans Richter erfolgreich aufgeführt. |
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Martin2
Inventar |
#5 erstellt: 27. Okt 2012, 16:33 | |
Hallo Joachim, danke, das ist alles sehr interessant. Ich habe meine Informationen natürlich auch nicht aus dem luftleeren Raum, sondern zum einen aus der Rowohlt Monographie, zweitens aber wiegesagt aus dem Buch von Robert Simpson, das ich mal in England gekauft habe, drittens das eine oder andere aufgeschnappt. Simpson ist natürlich in Englisch, ob es übersetzt wurde, weiß ich nicht. Nun ist Robert Simpson natürlich durchaus ein veritabler Komponist ( mit dem ich mich allerdings bisher nicht befreunden konnte). Als Komponist ist Simpson natürlich ein absoluter Fachmann, was allerdings heißt, daß er den Laien teilweise, vor allem in seinen weitgefaßten harmonischen Analysen, gewaltig überfordert. Von Simpson soll es ein ähnlich gutes "fachmännisches" Buch über Carl Nielsen geben, auch das würde mich interessieren. Danke wiegesagt zu den Informationen zu Bruckners 3. Sinfonie, einiges war auch mir neu. Bruckners 3. ist sicher innerhalb des Brucknerschen Oevres ein ganz besonders schwieriger Fall. Bei Bruckners 1. wird fast immer die Linzer Fassung gespielt und ich glaube Bruckners 4. in der Erstfassung ist auch nur eine Kuriosität ( das Scherzo der Erstfassung ist wirklich nicht so doll, auch von Robert Simpson wird es als schlechteste Komposition der Brucknerschen Reifezeit abgewertet). Was die Dirigenten nun so im einzelnen spielen, weiß ich im Falle der 3. auch nicht. Jochum und Karajan spielen vermutlich die Zweitfassung ( oder nicht?). Spielt jemand die Drittfassung? Inbal mit der Erstfassung war wiegesagt sehr lang. Inbal braucht wohl so knapp 70 Minuten, Tintner dagegen schon fast 80. Natürlich verändert sich dadurch völlig der Charakter der Sinfonie. Bei Tintner dauert der 1. Satz alleine schon 24 Minuten. Die 3. wird dabei zu einem Monumentalwerk, was es bei Karajan/ Jochum nicht ist. Man hat das Gefühl eines Werkes, das einen langen Atem hat und auch über weite Strecken Atem holt. Ich höre das Werk lieber in der Erstfassung - es war wiesagt eine Offenbarung. Dabei schwanke ich im moment zwischen Inbal und Tintner. Tintner findet Wolfgang ( Teleton) wegen seiner langsamen Tempi füchterlich, vielleicht hat er recht. Was auf jeden Fall besser bei Inbal ist, ist die Stretta des Finales, wo bei Tintner die Orchesterbalance nicht stimmt ( die Bläser decken die Streicher zu). Bei Inbal hat diese eine grandiose Wirkung wie bei Franz Liszt, das geht bei Tintner vollkommen unter. Umgekehrt ist der langsame Satz bei Inbal wegen des zu schnellen Tempis ziemlich grauenhaft, ich höre das bei Tintner viel lieber, wo das grandiose Musik ist. Ich tendiere im moment jedenfalls ausgesprochen zur grandiosen monumentalen Erstfassung. Da ich nun Spotify habe, werde ich aber auch mal sehen, ob es noch andere Erstfassungen gibt, das wird mich bestimmt interessieren. Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#6 erstellt: 27. Okt 2012, 19:20 | |
@ Martin Karajan und Jochum (Dresden) spielen beide die 1889-er Nowak Version, die 1959 veröffentlicht wurde. Auf der tollen website von John F. Berky http://www.abruckner.com/discography/symphonyno3indmino/ kann man sehen, wer welche Fassung welcher Brucknersinfonie eingespielt hat. [Beitrag von Joachim49 am 27. Okt 2012, 19:23 bearbeitet] |
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Martin2
Inventar |
#7 erstellt: 27. Okt 2012, 19:49 | |
Hallo Joachim, interessante Seite. Dann spielen Jochum und Karajan aber eine Version, die selbst Gustav Mahler nicht mochte. Mahler kannte die Zweitversion der Dritten und war entsetzt über Bruckners Änderungen in der Drittfassung. Die Erstfassung kannte er gar nicht. Ich kann nur sagen, daß ich die 3. mit Jochum kennen gelernt habe ( möglicherweise habe ich auch Haintink gehört) und in dieser Fassung hat mir das Werk nicht viel gesagt. Das heißt ich mochte es irgendwie, es ist ja trotzdem Bruckner, aber es gehörte nie zu meinen Lieblingswerken. Dann kaufte ich den Inbal mit der Erstfassung und erst ab da rührt meine Faszination für das Werk. Tintner spielt auch die Erstfassung, das habe ich dann noch lieber gehört. Höre ich die Drittfassung mit Jochum/ Karajan, habe ich das Gefühl eines amputierten Werkes. Alles "Wesentliche" mag zwar da sein, nur die Faszination von Bruckner besteht eben aus den "großen Anläufen", die die Höhepunkte erst zu solchen orgiastischen Erlebnissen macht. Ich höre nur noch die Erstfassung. Ich mag damit den ultimativen Komponistenwillen leugnen, aber die Sache bei Bruckner ist eben die, daß er so eine leicht zu verunsichernde Persönlichkeit war. Das läßt sich alles nachlesen. Bruckner hatte teilweise "Lehrer" und "Berater", gegenüber denen er völlig verunsichert war. Das ist ein psychologisches Grundproblem bei Bruckner. Andere Komponisten haben diese dämonische Selbstsicherheit, dagegen Bruckner ließ sich wirklich von jedem Hans und Franz verunsichern und "beraten". Das ist ein Faktum. Das ist bei Bruckner das grundsätzliche Problem bei der Eruierung des Komponistenwillens Und so wie es die "Verunsicherten" gibt wie Bruckner, so gibt es auch den anderen "persönlichkeitsstärkeren" Menschentyp, der sich maßlos selbst überschätzt, wo es ein Unheil gibt, wenn solche Menschen zusammentreffen. Vielleicht kommen wir in diesem Zusammenhang dann bei den "Fassungen" noch mal darauf zu sprechen, daß sich ausgerechnet bei Bruckners Musik, Berarbeiter, die Bruckner "helfen" wollten, die unglaublichsten Frechheiten gegenüber der Brucknerschen Musik heraus genommen haben. Das heißt, Bruckners Werke sind zunächst teilweise in vollkommen korrumpierten Fassungen veröffentlicht worden, zu denen Bruckner wohl teilweise halbwegs seinen Segen gegeben hat. Simpson schreibt dann auch, daß es eigentlich rätselhaft sei, daß eine so jämmerliche charakterschwache verunsicherte und verunsicherbare Persönlichkeit wie Bruckner doch so ein großer Komponist sei. Angesichts all dessen ist es vielleicht kein Wunder, daß vor allem im Falle der 3. viele Dirigenten zur Erstfassung zurückkehren, weil sie in dieser die sehen, in der der Komponistenwille sich noch klar und ohne alle Beeinflussung von außen zeigt. Gruß Martin |
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Martin2
Inventar |
#8 erstellt: 27. Okt 2012, 23:49 | |
Ich habe natürlich heute noch mal bei Spotify reingeguckt, was die so haben. Über die Suchfunktion fand ich nur Nott und Simone Young. Gehört habe ich den Nott - wir reden über die Erstfassung. Nott ist sowas wie der Inbal, nur besser. Das heißt, das einen der Nott vollkommen vom Wert dieser Erstfassung überzeugt und daß der Tintner aus dem zweiten Thema des langsamen Satzes ein solches Ereignis macht, das man glaubt, die wundervollste Musik aller Zeiten gehört zu haben, während Nott im Gegensatz zu Inbal, der die Musik nicht nur schnell sondern auch schlecht spielt, die Musik wohl schön spielt, aber etwas drüber weg huscht. Wäre ich Millionär, würde mich sowieso am meisten mal dieser Roshdedwenski interessieren, die neben Tintner langsamste Version, aber das hat Spotify vermutlich nicht zu bieten. |
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teleton
Inventar |
#9 erstellt: 29. Okt 2012, 18:23 | |
Hallo martin und Joachim, ich habe Eurer interessantes 2er-Gespräch erst heute gelesen. Im Hifi-Forum ist ja auch in letzter Zeit nicht viel los ... wir müssen wieder mal was los machen ... Ich bevorzuge in der Regel die späten Fassungen, weil dies die ausgereiftesten Fassungen sind. Es hatte seinen Grund, warum Bruckner und seine Schüler Bearbeitungen vornahmen. Wenn alles TOP gewesen wäre, hätte man die Erstfassung ja so lassen können. Wie man in der Praxis sieht werden die Sinfonien auch meist in diesen Spätfassungen aufgeführt. Ein ganz hervorragend positives Beispiel sind die Wand-Aufnahmen / Kölner RSO (RCA) an denen ich mich erst seit ca.1 Monat höchzufrieden erfreuen kann - Wand verwendet nur die Letztfassungen. Eine ganz hervorragende Ergänzung zu meinen hochgeschätzten Bruckner - GA mit Solti (Decca) und Karajan (DG). Wand gehört, wie Solti und Karajan auch zu den eher flotteren Interpreten. Die langsamen Sätze sind bei Wand von den Spielzeiten betrachtet auffalend schnell; diese werden bei ihm nicht ausgewalzt/verschleppt, bis zum geht nicht mehr und haben trotzdem genau das gefühlt richtige Zeitmaß. Die Abgünde die Wand auslotet, die hochdramatisch (fast brutal) anmutende Blechbläsergruppe der Kölner PH sind ein Traum. Ganz herausragend in der Wand - GA ist die Sinfonie Nr.5, die ich nie so packend gehört habe. *** Allerdings ist für mich als Bruckner-Fan auch wichtig die Frühfassungen zu kennen ! Ich war dahingehend mit einigen NAXOS_CD´s mit Tintner, aus meiner Sicht reingefallen, weil diese mir wegen den langatmigen Tempi und der mittelmässigen Orchesterleistung gar nicht gefallen haben ... (ich war Karajan und Solti gewohnt und dann das ;( ...........). Aber ich habe darauffolgend und nachdem ich mich informiert habe, welche Einspielungen angemessener sein sollen, einige Erstfassungen in den Inbal-Aufnahmen (Teldec) erworben, die mich wirklich in jeder Hinsicht zufriedenstellen. *** Ganz gross die Sinfonie Nr.3 (Urfassung) mit Inbal. (Auch im Vergleich zu Tintner, da Inbal hier nichts langatmig verschleppt. Schon der Blick auf die Spielzeiten gibt vorher ungehört dazu Aufschluss. Die "Naxosen" waren schneller abgesetzt als gekauft ... ) Martin hatte in einem Vorbeitrag ja schon richtig beschrieben, was ich von Tintner halte ..... Insgesamt gesehen sind die Frühfassungen interessant zu hören, aber die späten Fassungen finde ich durchweg angemessener ! *** Ganz extreem empfinde ich das bei der Sinfonie Nr.4, bei der ich die Sätze 3 +4 bei weitem nicht so hoch schätze wie die in der Spätfassung 1888. Sinfonie Nr.4 in der Erstfassung 1874 ist praktisch in ihrer Aussage und Wirkung eine ganz andere Sinfonie. [Beitrag von teleton am 29. Okt 2012, 18:52 bearbeitet] |
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Joachim49
Inventar |
#10 erstellt: 29. Okt 2012, 23:07 | |
Hallo Wolfgang, danke für Deine Kommentare. Ich weiss eigentlich noch nicht, welche Fassungen ich vorziehe. Ich höre zwar sehr viel Bruckner, aber habe bisher nicht immer aufgepasst, welche Fassung es war, und bei vielen Radiomitschnitten weiss ich es nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich generell, so wie Du, der Meinung bin, die letzten Fassungen seien immer vorzuziehen. Wie Martin, glaube auch ich, dass die spätere Fassung der Vierten besser ist. Aber bei der Ersten habe ich den Eindruck, dass die Linzer Version, also die Frühere, besser ist als die Wiener. Zumindest gefällt sie mir besser. Es mag vielleicht daran liegen, dass ich bessere Aufnahmen von der Linzer Version habe (...obwohl, ich habe auch Wand). Bei der Dritten kenne ich wohl am besten die 1877-er Version, und die gefällt mir auch besser als die Urfassung. Die letzte Fassung, also auch die, die Wand spielt, ist ja am meisten umstritten, da, nach meinem Kenntnisstand die Eingriffe im Schlusssatz von Schalk vorgenommen und von Bruckner genehmigt wurden. Jedenfalls muss ich bei der Dritten mal ganz bewusst auf die Unterschiede zwischen der 1877-er Fassung und der letztfassung achten. (Das fällt mir zumindest nicht leicht, da man ja beim Hôren der einen Version die andere vor dem 'geistigen' Auge oder besser Ohr haben muss, um die Unterschiede bewusst zu registrieren. Ich muss aber bekennen, dass ich ein ganz grosser Fan von Norringtons Aufnahme der Vierten (Erstfassung) bin, die mir besser gefällt als seine Dritte. Ich habe überhaupt mal, aus Anlass dieses threads, geschaut welche Fassungen ich auf CD habe: Nr. 1 Linz (= früh) Jochum/Dresden; Barenboim/BPh;Karajan/Bph Nr. 1 Wien (= spät) Wand/Köln Nr. 2 1877 Jochum/Dresden; Wand/Köln, Barenboim/BPh Nr 2 Mischfassung 1877 mit Passagen aus 1872 Karajan/BPh Nr. 3 1873 (=früh) Tintner, Norrington, Inbal Nr. 3 1877 Barenboim/BPh; Gielen, van Dohnanyi Nr. 3 1889 Joachum/Dresden; Jansons, Wand, Karajan, Celibidache/Mü Nr. 4 1874 Lopez-Cobos, Norrington Nr. 4 1878 Barenboim/BPh; Jochum/Dresdnen & BPh, Böhm, Jansons, Haitink, Wand, Karajan, Celi Nr. 8 Haas Barenboim/BPh, Karajan, von Dohnanyi, Wand/Köln Nr. 8 Nowak Giulini, Klemperer/NewPhO, Celibidache/Mü |
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Martin2
Inventar |
#11 erstellt: 30. Okt 2012, 22:43 | |
Na ja, anderseits gibt es hier auch nicht Threads derart: "Angewandte Ornithologie - welches Verhältnis hatte Händel zur Banane?". |
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Martin2
Inventar |
#12 erstellt: 31. Okt 2012, 10:43 | |
Hallo Wolfgang, über Tintner werden wir uns vorläufig nicht einig, müssen wir ja auch nicht. Bruckners 3. in der Zweitfassung müßte ich mir mal anhören. Wie Joachim tue ich mich etwas schwer, die Unterschiede der Fassungen zu erkennen, wobei ich Bruckners 3. aber auch nicht so gut kenne. Bei Bruckners 8. in der Erstfassung, die ich neulich über Spotify hörte, ist das dann schon anders, da war es schon erstaunlich, teilweise ganz andere musikalische Verläufe zu hören. Ich denke, es gibt ein Grundprinzip sowohl in der Musik aber zum Beispiel auch in der Literatur, nämlich Dinge, die sehr viel früher entstanden sind, nicht zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt zu überarbeiten. Bruckner dagegen hat noch als er an der 9. schrieb an seiner 0. herum gefeilt. Und da ist es eben die Frage, ob der "Spätstil" des Komponisten noch für ein relatives Frühwerk paßt. Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#13 erstellt: 31. Okt 2012, 11:18 | |
Brahms hat sein 1. Klaviertrio op. 8 nach 34 Jahren so erfolgreich überarbeitet, dass man heute die Erstfassung fast nie hört oder findet. Bei Brahms war das allerdings die Ausnahme. Bei Tintners Dritten geht es mir wie Wolfgang. Ich muss sie mir nochmal vorknöpfen. |
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teleton
Inventar |
#14 erstellt: 31. Okt 2012, 11:47 | |
Sinfonie Nr.3 - Fassungen
Hallo Martin und Joachim, bei der Sinfonie Nr.3 wirst Du den unterschied der Urfassung zur Spätfassung ganz leicht sehen, merken und hören, weil dieser nämlich imens hoch ist ! Da gibt es keine Frage ! Ein Bruckner-Spezialist (den die Meisten auch hier kennen) hatte mir 2005 die CD in der Marthe-Fassung der Sinfonie Nr.3 von 2005 zukommen lassen. PREISER, 2005, DDD Dazu meinen Beitrag von voriger Woche (den schreibe ich jetzt natürlich nicht neu):
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