Wagner: Zwei neuere Ringe: Weiß jemand mehr?

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Mellus
Stammgast
#1 erstellt: 23. Nov 2007, 16:50
Seit Kurzem muss ich mich zum Kreis der Wagner-Freunde zählen. Gerade höre ich mich durch den "Ring" (Janowski) durch. Bei meiner Suche nach moderneren Einspielungen (gerne auch Mehrkanalton!) der vier Musikdramen, sind mir zwei untergekommen, zu denen ich hier im Forum keine Kritik und keinen Bericht finden konnte. Aber vielleicht kann mir ja jemand von Euch "da draußen" weiterhelfen.

Es geht um folgende Aufnahmen:

Der Ring des Nibelungen. Mit: Woodrow, Silberbauer, Adami, Monte, Oesch, Wachuta, Uustaldo, Harper. Tiroler Festspielorchester, Gustav Kuhn. Label: Arte Nova ("Der Tiroler Ring")

Rheingold, Walküre, Siegfried, Götterdämmerung (Davon gibt es noch keine Gesamtbox, die "Ring" im Titel trägt). Mit Albert Domen, Michaela Kaune, Doris Soffel, Anne Gjevang, Martin Homrich, Werner van Mechelen, Graham Clark, Geert Smits. Nederlands Philharmonisch Orkest, Hartmut Haenchen. Label: Et'Cetera (Hybrid-SACD)

Kennt jemand diese Ringe? Sind sie empfehlenswert?

Vielen Dank,
Mellus
lydian
Stammgast
#2 erstellt: 26. Nov 2007, 10:14

Mellus schrieb:

Kennt jemand diese Ringe?


Auch wenn ich einige Aufnahmen des Rings kenne - diese nicht. In einer Fono Forum-Besprechung aller auf DVD erhältlichen Ring-Ausgaben wurde die Haenchen-Produktion nicht gut beurteilt, weder vom sängerischen (mit Ausnahme von Graham Clark), noch vom orchestralen Standpunkt. Auch klangtechnisch ist sie lt. Rezension nicht so doll.

Warum willst du "modernere" Aufnahmen? Keine der letzten 30 Jahre hat sängerisch auch nur annähernd das Niveau der Klassiker (Furtwängler, Böhm, Solti, Keilberth/Bayreuth 1955, Karajan) erreicht, von denen die drei letztgenannten auch richtig gut bzw. spektakulär klingen. Großen Klang bei guten Sängerleistungen bietet auch Dohnanyi mit den ersten beiden Teilen. Leider ging der Decca dann die Luft aus.

Gruß,
Steff

Nachtrag: Bei Amazon finden sich ein paar Kritiken. Sie machen mir diese Aufnahmen nicht schmackhaft...


[Beitrag von lydian am 26. Nov 2007, 10:57 bearbeitet]
Mellus
Stammgast
#3 erstellt: 26. Nov 2007, 11:51
Hallo Steff,

vielen Dank für die Info! Dann läuft es wohl auf Solti oder Keilberth hinaus.


lydian schrieb:
Warum willst du "modernere" Aufnahmen?


Ach, es ist einfach nur so, dass ich festgestellt habe, dass "modernere" Einspielungen/Interpretationen bei vielen Werken, bei denen ich einen Vergleich habe, in meinen Ohren angenehmer klingen als die Klassiker. Ausnahmen gibt es natürlich auch und vielleicht ist der Ring ja so eine. Trotzdem sehe ich micht sehr als Kind meiner Zeit (ähm, und die ist schon deutlich nach den 60ern) und kann die Geisteshaltung, die älteren Aufführungen zu Grunde liegt, meist nicht nachempfinden. Ich schätze Klassiker jedoch aus historischen Gründen und kann sie mit Gewinn hören (wie haben die das damals gespielt? Welche expressive Aussage wurde gewählt? etc.pp.). Aber dann nur bei Werken, die ich wirklich sehr, sehr gerne mag. Sonst hat man zu jedem Stück fünf oder so CDs im Regal stehen, die kann ich gar nicht alle hören!


lydian schrieb:
Keine der letzten 30 Jahre hat sängerisch auch nur annähernd das Niveau der Klassiker


Werden denn heutzutage keine Sänger und Sängerinnen mehr ausgebildet?!

Grüße,
Mellus
lydian
Stammgast
#4 erstellt: 26. Nov 2007, 12:49

Mellus schrieb:

Werden denn heutzutage keine Sänger und Sängerinnen mehr ausgebildet?!


Hallo Mellus,

natürlich werden auch heute Sänger ausgebildet, wahrscheinlich mehr als früher. Was die tiefer liegenden Gründe sind, dass man seit vielen Jahren von einer Krise des Wagner-Gesanges sprechen kann, weiß ich nicht. Dass die häufigen Klagen oft berechtigt sind, kann man unschwer hören, wenn man z. B. die 55er Keilberth-Aufnahme mit neuen Bayreuth-Produktionen vergleicht. Zwar gab es schon immer Krisen des Wagner-Gesangs und schon der Komponist hatte große Schwierigkeiten mit seinen damaligen Sängern. Aber es gab auch eine große Zeit der Wagner-Stimmen, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ihren Höhepunkt hatte (u. a. mit Kirsten Flagstad und Lauritz Melchior, noch viele andere wären zu nennen), die dann in den 60er oder 70er Jahre endete. Birgit Nilsson, Jon Vickers, Wolfgang Windgassen und andere sind für mich die bisher letzten Wagner-Sänger, die den unglaublichen Anforderungen der Rollen von Brünnhilde, Siegfried oder auch Siegmund weitgehend gewachsen waren. Zwar gibt es auch in der heutigen Zeit immer wieder Lichtblicke, aber trotzdem ist es aufgrund der vielen zu hörenden Unzulänglichkeiten oft desaströs. Live kann ich mich mit vielen vokalen Defiziten arrangieren; es kann nie alles perfekt sein und man bezieht ja immer auch andere Aspekte in die Wahrnehmung ein (Inszenierung, Bühnenbild, schauspielerisches Können), aber was Konserven anbelangt, greife ich immer wieder zu den Klassikern des Stereo-Zeitalters, eher gehe ich noch weiter zurück, z. B. zur grandiosen Leinsdorf-Walküre von 1941.

Noch ein paar Hinweise, möglicherweise als Entscheidungshilfen zwischen Solti und Keilberth:

Der Keilberth-Ring von 1955 stellt sängerisch wohl das beste dar, was man in der Nachkriegszeit auf die Bühne bringen konnte. Die Tempi sind flott, die Sänger recht präsent und gut zu verstehen. Natürlich hört man Bühnengeräusche, die m. E. bis auf das permanente Rauschen (Dampf?) im 3. Rheingold-Bild nicht stören. Die Aufnahme hat jedoch den großen Nachteil des Preises. Und: Es gibt weitere Keilberth-Ringe in wesentlich schlechterer Klangqualität! Meine Empfehlung gilt nur dem Testament-Ring. Bei Amazon gibt es interessante, durchweg sehr positive Kritiken.

Der Solti-Ring ist was für die, die spektakulären Klang schätzen und die sich nicht an den Gimmicks, die Produzent Culshaw einbaute, stören. So baute er z. B. ein "echtes" Gewitter ein und ließ beim Weltenbrand Balken oder Bretter zusammen fallen und fügte dieses Geräusch der Musik hinzu. Soltis Dirigat ist mehr auf Oberflächenglanz ausgerichtet; die Leitmotive werden m. E. oft zu prägnant heraus gestellt, wie dick unterstrichen.

Sängerisch gibt es wenige Defizite (für mich sind dies v. A. die Erda von J. Madeira und auch der Kontrast zwischen Nilsson und Windgassen fällt für den Tenor nicht so gut aus, auch Svanholm als Loge hatte ebenso wie Hotter als Wotan/Wanderer den Zenit hinter sich), die nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Gustav Neidlingers Alberich und Christa Ludwigs Fricka sind großartig, Neidlinger besser als bei Keilberth.

Viele Grüße,
Steff


[Beitrag von lydian am 26. Nov 2007, 13:46 bearbeitet]
nichtrostend
Schaut ab und zu mal vorbei
#5 erstellt: 07. Dez 2007, 21:18

Nederlands Philharmonisch Orkest, Hartmut Haenchen. Label: Et'Cetera (Hybrid-SACD)

Kennt jemand diese Ringe? Sind sie empfehlenswert?


Nederlands Philharmonisch Orkest, Hartmut Haenchen
hab aus diesem Ring bisher Rheingold und Götterdämmerung recht intensiv gehört - bitte nicht kaufen. Was hilft der schönste Surround-Klang, wenn die Musiker enttäuschen. Bei den Sängern warten hier größere Enttäuschungen als anderswo. Wenig Gesang, stattdessen krudes Gestoße. Loge hat einen Dauerfrosch im Hals und kräht, das man Mitleid bekommt, Hagens Intonation ist eine Losbude mit vielen Nieten, bei Alberich und Mime frage ich mich, ob sie die Oper parodieren wollen, Fasolt und Fafner sind mit prachtvollen Stimmen gesegnet - leider immer einen halben Schlag zu spät, Gutrune ist fehlbesetzt, die Brünnhilde eine echte Geschmackfrage (auch wenn die meisten sie nicht ausstehen können, ich finde sie nicht schlecht), über Siegfried mag ich ohne den dritten Teil nichts sagen.
Neben den mäßigen Sängerleistungen werden auch alle anderen Geräusche hervorragend wiedergegeben. Gummisohlen, Schrittgeräusche, Requisitenlärm usw. lassen sich vermöge der surround-Akustik hervorragend auf der Hörbühne orten.

Nachdem es viele andere gute Aufnahmen gibt, kann man diese getrost im Plattenladen stehen lassen. Auch mir gefallen Keilberth, Böhm und Co. besser: Wenn eine rauschende Mono-Aufnahme mitreißend gestaltet ist, bin ich unmittelbarer dabei, als bei einem Stereo-Digital-Audiophilie-Wunder in mäßiger Besetzung. Wenn es eine neuere Aufnahme sein muß, empfehle ich auch, zuerst mal in Rheingold und Walküre von Dohnanyi (beide Studio) reinzuhören - und dann den Bayreuther Barenboim-Ring.
Mellus
Stammgast
#6 erstellt: 09. Dez 2007, 23:23
Hallo nichtrostend,

vielen Dank für Deinen aufschlussreichen Kommentar. Damit kann wieder ein Ring von "der Liste" gestrichen werden. Allerdings bringst Du nun wieder den Barenboim-Ring ins Spiel. Bei den kurzen Hörproben, die ich davon nehmen konnte, fand ich ihn wirklich sehr, sehr gut. Rundes, zügiges Dirigat, Phrasierung die mein Tempo trifft. Hatte einen Top-Platz auf "der Liste" inne. Aber dann haben mich die durchweg einheitlichen Kommentare zu Fehlbesetzungen schweren Herzens wieder davon abgebracht. Hast Du da andere Erfahrungen oder ein differenziertes Bild gewonnen (oder auch jemand anderes, der diese Zeilen liest)? Das würde mich schon interessieren. Eins vorweg: ich bin kein ausgesprochener Ring-Kenner, ich habe also kaum interpretatorische Vergleiche. Zudem mag ich sängerisches "Overacting" nicht so sehr.

Viele Grüße,
Mellus


[Beitrag von Mellus am 09. Dez 2007, 23:24 bearbeitet]
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