HIFI-FORUM » Musik » Klassik » Vokalmusik » Pfitzner, Hans: "Von deutscher Seele" | |
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Pfitzner, Hans: "Von deutscher Seele"+A -A |
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Autor |
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premierenticket
Stammgast |
#1 erstellt: 06. Nov 2011, 20:54 | |
Ich habe mich, inspiriert von einem Artikel in der ZEIT, der sich wiederum auf ein Buch des Namens "Von deutscher Seele" bezieht, entschieden, näher mit diesem besonderen Werk zu beschäftigen. Die politische Haltung Pfitzners, insbesondere sein Antisemitismus, weckt Ekelgefühle. Aber: Immerhin hat Fritz Wunderlich in einer Einspielung dieser Kantate mitgewirkt, und Eichendorff liebe ich gleichfalls. Die Einspielung mit Wunderlich habe ich auch im Auge, was den Erwerb einer Tonkonserve betrifft. In der Zwischenzeit lade ich die Videos von Youtube auf mein iPad - dort hat eine Enthusiastin die gesamte Kantate bebildert, untertitelt und hochgeladen. Chapeau. Erster Teil HIER, der Rest ist leicht zu finden. Ich werde meine Eindrücke hier demnächst wiedergeben. In der Zwischenzeit: Gibt es jemanden, der das Werk kennt - schätzt oder ablehnt? Herzliche Grüße, und: Gutes Hören Christian |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#2 erstellt: 06. Nov 2011, 23:12 | |
Lieber Christian, ach, wie so häufig: ein Urteil über jemandes politische Haltung, besonders zu jener Zeit, ist im Nachhinein schwierig. Du kennst das doch: "Egk mich am Orff". Jedenfalls mag ich "Von deutscher Seele" ebenfalls, ohne es wirklich gut zu kennen. Vor allem nehme ich beim Hören meist mehr Eichendorff wahr als die Musik, die aber damit wohl den Text tragend unterstreicht. Abgesehen davon gut gestrickt ist, viel Strauss, Wagner, Mahler, aber doch ein eigenes Bild wird. Pfitzner hat mich als Dirigent immer mehr überrascht denn als Komponist, das aber ist keine Kritik an seiner Musik. Herzliche Grüße, Mike |
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Hörbert
Inventar |
#3 erstellt: 08. Nov 2011, 19:29 | |
Hallo! Diese alte Aufnahme mit Fritz Wunderlich ist weder Aufnahmtechnisch noch Interpretatorisch leider nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Ich würde eher diese empfehlen die zwar auch ihr Schwächen hat aber zumindestens klar durchhörbar ist und eher dem aktuellen Pfitzner-Bild entspricht. Zur Zeit ist das wohl die einzige halbwegs aktuelle Interpretation von Hans Pfitzners großer Kantate. Sorry, aber: Wie immer man zu der Person Hans Pfitzners steht sollte man doch sein Musikschaffen nicht danach beurteilen. "political correctness" läßt sich auch übertreiben. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 08. Nov 2011, 19:30 bearbeitet] |
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Joachim49
Inventar |
#4 erstellt: 08. Nov 2011, 22:11 | |
Ich habe den Metzmacher als mp3 Mitschnitt und vor ein paar Jahren 1-2 mal gehört. Das Werk fand ich durchaus interessant und hörenswert, aber es strapaziert doch ein wenig die Geduld des Hörers. Was die 'political correctness' betrifft, so habe ich mich vor allem an Äusserungen Pfitzners gestört, die er nach dem Krieg gemacht hat. Ich habe keine Lust, sie wieder nachzuschlagen. Andererseits hat mich gewundert, dass Bruno Walter zu ihm gehalten hat und ihn nach dem Krieg verteidigt hat. In Pfitzners Korrespondenz mit Walter finde ich allerdings die ewige Bettelei, seine Opern aufzuführen störend, wenn auch verständlich. Es war vielleicht ein Glück für Pfitzner, dass die Nazis seine Musik nicht mochten und langweilig fanden. Freundliche grüsse Joachim |
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Hörbert
Inventar |
#5 erstellt: 09. Nov 2011, 17:45 | |
Hallo! Na ja, slbst Alma Mahler/Werfel hat seinerzeit für Hans Pfitzner eine Unbedenklichkeitserklärung abgegeben unddie Entnazifizierungskommissin hat ihm ein "Im Sinne des Gesetzes nicht betroffen" bescheinigt. Seine üblesten Sprüche hat er in Übrigen alle nach dem Krieg getätigt. Langweilig kann ich seine Musik nicht finden, als Komponist stellt er zwar in erster Linie ein Vertreter des Ultrakonervativen Lagers dar und es gibt zwischen seinen Früh- und Spätwerken kaum eine Musikalische Entwicklung aber z.B. ein Violinkonzert oder gerade seine große Kantate "Von deutscher Seele" sind großartige Spätromantische Werke. MFG Günther |
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Schneewitchen
Inventar |
#6 erstellt: 10. Nov 2011, 17:41 | |
Die Aufnahme -dirigiert vom Komponisten- kann man von www.todoperaweb.com.ar downloaden. Die Soundqualität entspricht dem Aufnahmejahr 1941. Aber es ist natürlich reizvoll zu hören,wie sich das Werk anhört,wenn der Komponist dirigiert.Zumal Pfitzner nicht nur Komponist sondern auch Dirigent war. |
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harrykeller
Ist häufiger hier |
#7 erstellt: 06. Dez 2013, 18:33 | |
Nun geht es hier auch schon los mit politischer Korrektheitimages/smilies/insane.gif PFITZNER ist der größte deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts überhaupt. Es ist eine Seuche, das hier mal wieder Politik mit reingemischt wird. Man mag über Pfitzners "Sprüche" denken wie man will, aber er hat nicht geheuchelt, sondern seine Meinung gesagt. Heute hat ja keiner mehr eine Meinung. Könnte ja unbequem sein. Dies hier ist ein Hifi Forum und hier hat Politik absolut nichts zu suchen. Komischerweise interessiert dies z.b. in den USA, wo es viele Pfitzner Freunde gibt,keinen Menschen. Ebenso in Japan, um mal zwei Beispiele zu nennen. Liebe Grüße Harry Keller [Beitrag von harrykeller am 06. Dez 2013, 18:42 bearbeitet] |
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Joachim49
Inventar |
#8 erstellt: 06. Dez 2013, 19:25 | |
Die Mahler Werfel war eine Antisemitin, so merkwürdig das vielleicht klingt. Noch im amerikanischen Exil hat sie behauptet, in den deutschen Konzentrationslager würden die Juden von caritativen Organisationen gut versorgt. Ihre Unbedenklichkeitserklärungen sind völlig wertlos. Im übrigen bin ich der Meinung, dass man die Musik eines Komponisten schätzen kann, ohne dass man deshalb seine politischen und eventuell rassistischen Auffassungen teilen muss. Aber ich finde es nicht falsch, wenn man sie zur Kenntnis nimmt. Sogar auf einem Musikforum. freundliche Grüsse Joachim |
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Martin2
Inventar |
#9 erstellt: 06. Dez 2013, 21:20 | |
Hallo Harry, na ja, wofür wir uns hier "interessieren", bleibt ja wohl noch jedem selber überlassen. Ich glaube nicht, daß dies ein "politisch korrektes" Forum ist. Wenn Dich die politische Vita von Pfitzner nicht interessiert, ist das völlig in Ordnung, aber nehme bitte zur Kenntnis, daß es Menschen gibt, die es interessiert, soviel Toleranz muß sein.
Ich kenne die Forenregeln dieses Forums leider nicht, aber ich finde es im Gegenteil sehr angenehm, daß im Gegensatz zu den großen Klassikforen C Forum und T Forum einem nicht ständig unter die Nase gehalten wird, daß politsche, religiöse und was weiß ich nicht alles "unerwünscht ist".
Nehme es mir nicht übel, daß Pfitzner in der Nazizeit frei seine Meinung sagen durfte, was dem heutigen Zeitgenossen nicht mehr vergönnt ist, halte ich ehrlich gesagt für reichlich sonderbar. Mich interessieren die Verstrickungen Pfitzners allerdings nicht sonderlich. Pfitzner war ziemlich weit rechts, was kein Verbrechen ist, aber er war kein dezidierter Nazi, eher dann wohl so DNVP oder so was ( als sie das Mendelssohndenkmal für eine Kanone einschmelzen wollten, kommentierte er das mit einem "Und Mendelssohn war doch eine Kanone"). Der Avantgardist Schönberg hat sich übrigens für den Ultrakonservativen Pfitzner nach dem Kriege eingesetzt, was Pfitzner wohl sehr half. Allerdings war Pfitzner verstrickt in eine Beziehung zu einem hohen Nazibonzen, der wohl gegenüber Pfitzner so etwas wie die Rolle eines "Gönners" spielte, und Pfitzner war noch so naiv, dem Mann aufmunternde Briefe nach Ende des zweiten Weltkrieges in seine Gefängniszelle nach zu schicken. Daß also Pfitzner Antisemit war, halte ich für äußerst fragwürdig oder zumindestens ist Pfitzners Anitsemitismus eher national kulturell denkend als rassisch, zumindestens in seinen Anfängen. Gut, das noch zu Sache Pfitzner. Ansonsten gebe ich Dir völlig recht, was zählt, ist die Musik. Da muß ich allerdings sagen, steht Pfitzner für mich bisher nur am Rande meines Interesses. Ich kenne teilweise Stücke aus dem Palestrina, habe das Christelflein mal in einer szenischen Aufführung gesehen, mir mal einige Overtüren angehört, vielleicht hatte ich diese "Von deutscher Seele" sogar mal aus der Bücherhalle ausgeliehen. Es ist wenig davon haften geblieben. Pfitzner ist für mich eine hochrespektable Gestalt, ein schwieriger Charakter, der eine grüblerische Musik schreibt, aber zu den "musikalischen Urgewalten" gehört Pfitzner für mich gerade nicht. Allerdings durchaus zu denen, die etwas eigenes zu sagen haben. Es mag also sein, daß mich Pfitzner irgendwann doch mal wieder interessiert - vorläufig ist das nicht so. Gruß Martin [Beitrag von Martin2 am 06. Dez 2013, 23:33 bearbeitet] |
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Martin2
Inventar |
#10 erstellt: 06. Dez 2013, 22:28 | |
Ich lese im übrigen noch mal den Wikipediaartikel über Pfitzner. Ja, die gefährliche Nähe zu den Nazis bestand. Auch ein gewisser Antisemitismus, aber doch kein ausgeprägt rassischer.
Diese Sichtweise mag einen gewissen Antisemitismus zeigen, nur ist dies ein rassischer wie die Nazis? Ich glaube eher nicht. Nun, gut, was er nach dem 2. Weltkrieg schreibt, ist indiskutabel, aber Pfitzner war halt nun wirklich ein "schwieriger Mensch". [Beitrag von Martin2 am 06. Dez 2013, 22:34 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#11 erstellt: 07. Dez 2013, 01:04 | |
Hallo! @harrykeller Na ja den 1869 geborenen Hans Pfitzner als Komponisten des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen mag ja noch einigermassen angehen, -in dem Sinne daß man den 1873 geborenen Max Reger dann ebenso als Komponisten des 20. Jahrhunderts bezeichnen könnte-. Aber ihn als den "größten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts überhaupt" zu bezeichnen entbehrt wohl nicht einer gewissen Komik. Als nächstes bezeichnet noch jemand Max von Schillings als den "größten deutschen Komponisten seiner Zeit." Es mag angehen das Hans Pfitzners Werk zu wenig gewürdigt wird, Das teilt er mit Johann Nepomuk David und Paul von Klenau, -ist aber ungleich besser auf Tonträgern dokumentiert und somit auch leichter einer Beurteilung zugänglich-. Im direkten Vergleich mit seinem Zeitgenossen Paul Hindemith fällt bei Hans Pfitzner als erstes einmal eine gewisse Statik in der musikalischen Entwicklung auf, Pfitzner sind zwar einige recht gute Werke gelungen, -so das Violinkonzert, oder der "Palestrina"-, in anderen Werken wie seinem Klavierkonzert ist er arm an originellen Einfällen und erschöpft sich im Konventionellen, -nicht gerade eine Visitenkarten für den "größten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts überhaupt" Bei solchen Superlativ-Behauptungen wie:
sollte man sich ein wenig zurückhalten, allzu leicht gerät man damit in eine Ecke wo einen niemand mehr ernstnimmt. Welcher Komponist der bedeutenste -wobei es sicher nicht einen sondern wie in jedem Jahrhundert eine ganze Reihe geben wird-, des 20. Jahrhunderts sein wird wird der Filter der Zeit zeigen auch wenn wir das nicht mehr erleben werden, nicht aber irgendwelche aus der Luft gegriffenen und in keiner Weise untermauerten Behauptungen. Bringe doch einmal Butter zu den Fischen warum deiner Meinung nach Hans Pfitzer der:
sein sollte. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 07. Dez 2013, 01:05 bearbeitet] |
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Martin2
Inventar |
#12 erstellt: 07. Dez 2013, 01:24 | |
Hallo Günther, na ja, also die Frage nach dem "Warum" empfinde ich eher als unfair. Woran genau will man eine solche Begründung fest machen? Ich finde nicht unbedingt, daß man ein musikalisches Werturteil unbedingt begründen muß. Die "Schönheit einer Melodie" etwa liegt durchaus im Auge des Betrachters. Sicher gibt es irgendwo auch objektive Kriterien, für die man Experte sein muß, es können aber auch Schwächen sein, die man auch als Laie wahr nehmen kann, trotzdem kann man einen Komponisten einfach hoch schätzen, daran finde ich überhaupt nichts lächerliches. Gruß Martin |
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WolfgangZ
Inventar |
#13 erstellt: 07. Dez 2013, 02:12 | |
Hallo, Günther! Ich gehe gern mit Deinem letzten Beitrag prinzipiell konform. Dennoch kurz zum Klavierkonzert: Man liest ähnliche Urteile häufig - auch die Folgerung daraus, dass dieses Werk zu Recht kaum bekannt ist. Wenn ich es denn nachvollziehen könnte !?! Ich finde das Es-Dur-Konzert ausgesprochen originell, die Melodik markant, den Wiedererkennungswert sehr hoch, die Geste kraftvoll, den Duktus pathetisch. Moderne Musik - das lasse ich gelten - ist es nicht wirklich. Wolfgang |
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Hörbert
Inventar |
#14 erstellt: 07. Dez 2013, 09:30 | |
Hallo! @Martin2 Soll er doch mal begründen was für ihn an Pfitzners Musik so einzigartig ist das er mit solchen adjektiven wie "der größte" um sich wirft. Pfitzners Musik hat durchaus ihren Reiz, aber ihn deswegen gleich auf einen solchen Sockel zu heben ohne auch nur mit einem Wort auf die Musik selbst einzugehen weckt in mir den Verdacht das hier einfach andere -aussermusikalische-, Gründe zu diesem Urteil führen und das will ich nunmal genau wissen. @WolfgangZ Einen gewissen wiedererkennungswert hat das Klavierkonzert durchaus, das es ganz uninspieriert sei habe ich auch gar nicht behauptet aber das Werk muß sich doch dem Vergleich mit anderen -auch etwas älteren und neueren-, Werken stellen die kompositisionstechnisch in die gleiche Kerbe hauen. Selbstverständlich würde ich bei einem Werk wie Pfitzners Klavierkonzert nicht Werke wie Schönbergs Klavierkonzert zum Vergleich heranziehen um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. -wohl aber die etwas älteren Klavierkonzerte von Busoni und Reger die kompositionstechnisch dem Werk recht nahe stehen sowie das Klavierkonzert von Egon Wellesz, einem 1933 geschriebenem Werk das also auch zeitlich dem 1922 geschriebenen Pfitzner-Konzert recht nahe steht Alle diese vom Vergleich herangezogenen Konzerte repräsentieren genau wie Pfitzners Konzert den Typus des Symphonischen Klavierkonzertes Brahmscher Prägung. Gegenüber dem wesentlich älteren Reger-Konzert (1910) fällt bei Hans Pfitzners Konzert für mich vor allem die etwas statische Binnenspannung und die lautmaleriche Behandlung der Klavierparts die zu einer für meinen Gechmack platteren Behandlung der Themen führt negativ ins Gewicht. Regers Werk hat gewiß auch seine Schwächen aber die werden für mich durch seine überraschenden Stärken bei der Themenwahl und der Behandlung des (kadenzlosen) Klavierparts bei weitem Aufgewogen. Nicht so bei Hans Pfitzner, so läßt z.B. die Behandlung des ersten Seitenthemas im ersten Satz sehr zu wünschen übrig, das scheinbar direkt an Wagners "Meistersingern " angelehnte Thema läßt Pfitner ohne korrekte Durchführung irgendwann einfach fallen. Im Vergleich mit dem noch älteren Werk Busonis ( 1904) das zumindestens durch einen originellen Schlußsatz und durch eine teuflich gute Tarantella im vierten Satz glänzen kann fallen vor allem Pfitzners Rückgriffe auf vor-Brahmsche Komoniertechniken auf, so geht er in 2. Satz beim Klavierpart kaum über Beethovens Komponiertechniken hinaus. So auch im Vergleich mit dem jüngeren Komzert von Egon Wellesz,auch hier fallen vor allem die nicht unbedingt vor Inspiration sprühenden Themenbehandlungen bei Pfitner ins Auge, der streckenweise recht vordergründige Klavierpart, die zum teil recht mangelhafte Durchführung und vor allem der Rückgriff auf ältere nicht der Höhe der Zeit entsprechende Komponiertechniken die ungebrochen angewendet werden. Schlechte Musik ist das Pfitzner-Klavierkonzert sicherlich nicht, große Musik wie sie jemand schreiben müßte der das Adjektiv:
aber auch nicht. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#15 erstellt: 07. Dez 2013, 14:48 | |
Hallo, Meister Hörbert! Es wird Dich nicht überraschen - aber ich bin komplett mit Dir! Das Pfitzner-Konzert ist anachronistisch, es passt nicht mehr in seine Entstehungszeit. Auch erreicht es weder Reger noch Busoni, was den Anspruch anbelangt. Pfitzner als den größten Komponisten des 20. Jahrhunderts anzusehen, stellt eine subjektive Zuspitzung ersten Ranges dar, schlimmerenfalls eine bloße Provokation. Anders kann ich die Äußerung des Kollegen gar nicht verstehen. Das ist genauso, wie wenn ich sagen würde: Der größte Komponist des 20. Jahrhunderts ist Poulenc. Aber Poulenc ist mein Lieblingskomponist. Das Pfitzner-Konzert gefällt mir vom ersten bis zum letzten Ton. Was mir gefällt. formuliere ich eben mal ex negativo: Pomp wie im Meistersinger-Vorspiel, ein pfiffiger schneller Satz, der beinahe von Saint-Saens (dem zweitgrößten Komponisten zwischen 1850 und 1930 ) oder von MacDowell (dem drittgrößten) stammen könnte. Das Finale erinnert mich schon wieder an Saint-Saens, und der langsame Satz klingt wie ein missverstandenes Mahler-Adagietto. Du verstehst mich: Das ist keine bedeutende und schon gar keine moderne Musik. Aber sie ist durch und durch markant und eingängig. Und sie ist nicht schlecht gearbeitet. Und genau deshalb verstehe ich die Abwertungen nicht. Könnte es nicht daran liegen, dass Pfitzner, der spröde Anti-Modernist in der Theorie, gar nicht so hätte schreiben dürfen? Seltsamerweise tut er es gar nicht so selten - auch in seinen anderen Solokonzerten oder in der Kammermusik (die natürlich subtiler erscheint), zweifellos nicht etwa in seinem cis-Moll-Opus, welches es in großer und in kleiner Besetzung gibt. Wolfgang |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#16 erstellt: 07. Dez 2013, 15:38 | |
Pfitzner war offenbar ein solch eigensinniger Widerborst, dass er es sich auch mit den Nazi (obwohl er deren Nationalismus und Antisemitismus anscheinend geteilt hat) verdorben hat. Daher hat er auch nie eine herausgehobene Position im dritten Reich bekleidet und ich halte es für ein Gerücht, dass sein Ansehen in der Nachkriegszeit DESWEGEN gelitten hätte. (Strauss' hat nicht gelitten, der war zwar auch kein Nazi, aber kooperativer als Pfitzner und ins Nazi-Kultursystem integrierte Mitläufer wie Egk waren in den 50er/60ern anerkannte Komponisten...) "Palestrina" scheint nach wie vor regelmäßig auf den Spielplänen aufzutauchen. Warum sich Pfitzners Orchester- und Kammermusik noch weniger etablieren konnte als Regers, weiß ich ehrlich gesagt, auch nicht, wobei ich zugeben muss, von den Orchesterwerken praktisch nichts zu kennen. Aber auch die Kammermusik Pfitzners, bei der es von den heute dominierenden deutschsprachigen Komponisten Mahler und Strauss kaum Konkurrenz gibt. fristet ein Nischendasein. Und ich habe auch nicht den Eindruck, dass in den USA oder Japan die Konzertprogramme von Pfitzners Musik bersten... |
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Hörbert
Inventar |
#17 erstellt: 07. Dez 2013, 16:48 | |
Hallo! @WolfgangZ Teilweise finde ich Hans Pfitzners Musik ausgezeichnet, -so z. B. sein Violinkonzert das ein wirklich großer Wurf darstellt und für meine Ohren zwischen einer konservativ-modernen Stilrichtung und Spätromantik einen wahren Eiertanz aufführt. Mit dem Klavierkonzert werde ich nicht ganz so warm, nach der etwas bombastischen Einleitung erwarte ich eigentlich ein wenig mehr als dann kommt. daß er das erste Seitenthema einfach fallenläßt finde ich auch nicht gerade prickelnd. Das soll kein Veriss des Werkes sein sondern einfach nur eine Auflistung von Momenten die mir daran nicht sonderlich gut gefallen. Aber du hast natürlich recht, wenn es dir besonders gut gefällt gibt es gar kein Argument dagegen. Auch seine Kammermusik, so das Klaviertrio, das Klavierquintett und natürlich sein Sextett op.55 sind Werke in denen Pfitzner zeigt daß er mehr konnte als nur durchschnittliche Musik schreiben. Allerdings sind seine Leistungen durchweg uneinheitlich und bei Licht betrachtet kann ich bei ihm praktisch keine musikalische Weiterentwicklung sehen, -er komponierte aus meiner Sicht im Alter immer noch so wie in seiner Jugend ohne das sich hier eine stilistische Entwicklung abzeichnet. Ich mag die Musik von Hans Pfitzner, nur finde ich eben die Behauptung von "harrykeller" eher lächerlich, -ich habe kein Problem damit solange so eine Behauptung als Ausdruck persönlicher Vorliebe gekennzeichnet wird wohl aber wenn eine solche Behauptung ohne jede Begründung als scheinobjektive Möchtegerntatsache vorgetragen wird-. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#18 erstellt: 07. Dez 2013, 18:26 | |
Einverstanden - soweit ich mich da auskenne. Stilistische Weiterentwicklung ist für mich eigentlich kein zwingendes Kriterium - bzw. im Umkehrfall kein zwingendes Argument gegen Qualität. Allerdings zweifle ich bislang ein wenig an der Unverwechselbarkeit des Pfitzner'schen Stils. Das wiederum ist für mich schon wichtig hinsichtlich Erstrangigkeit. Korngold etwa hat seine interessantesten Schöpfungen in der Jugend hervorgebracht - und deutlich später dann in der Fis-Dur-Sinfonie. Die Filmmusik wird man kaum als Weiterentwicklung sehen können. Aber die Jugendwerke, ja bereits die Werke des Fünfzehnjährigen sind von einer Originalität, die ihresgleichen sucht. Wolfgang [Beitrag von WolfgangZ am 07. Dez 2013, 18:27 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#19 erstellt: 07. Dez 2013, 19:17 | |
Hallo! Korngold hat wundervolle Kammermusik vorgelegt seine Streichquartette und sein Klavierquintett sind allerfeinste spätromantische Kammermusik. Über sein Violinkonzert läßt sich sicher streiten, allerdings nicht über das Handwerkliche dabei, hier sehe ich auch einen großen Unterschied zu Pfitzner bei dem man ofter den Eindruck gewinnt das er gerade Handwerklich dann und wann fünfe gerade sein läßt. Gerade wenn Hans Pfitzner etwas "großes" komponieren wollte stand er sich, -so mein persönlicher Eindruck -, oftmals wohl selbst im Wege und verzettelte sich in allzugewollter Komplexität. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#20 erstellt: 08. Dez 2013, 00:34 | |
Schönes Gespräch! Jetzt muss ich mal nachsehen, ob ich das Violinkonzert von Pfitzner überhaupt finden kann. Ansonsten besteht dringender Nachholbedarf. Das Ausgangswerk dieses Threads besitze ich nicht, bin allerdings nicht so der ganz große Fan von Oratorien. Wolfgang |
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Hörbert
Inventar |
#21 erstellt: 08. Dez 2013, 09:22 | |
Hallo!
Finde ich auch. Hans Pfitzners Violinkonzert gehört zu seinen ganz großen Würfen, alleine deswegen schon gehört er mehr beachtet. Auch zwei seiner vier Streichquartette Op. 36 und Op. 50 sind bemerkenswete Kammermusikstücke, mit den anderen beiden werde ich nich so ganz warm, -kommt aber vieleicht noch-, zumindesten mit Op.13 denke ich mal. "Von deutscher Seele" steht einerseits in der Oratorientradition andererseits aber auch in der Tradition der großen symphonischen Kantatenzykeln wie Mahlers "Lied von der Erde", Schönbergs "Gurrelieder" und Paul von Klenaus "Die Weise von Liebe und Tod des Kornetts Christoph Rilke". An deiner Stelle würde ich "Von deutscher Seele" zumindestens erst einmal unbeachtet lassen das Werk ist eigentlich für jeden ausser für die ausgesprochenen Liebhaber solcher Kantatenzyklen nur sehr schwer goutierbar. MFG Günther |
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op111
Moderator |
#22 erstellt: 08. Dez 2013, 11:58 | |
Hallo zusammen, bei allen Magenschmerzen, die mir Pfitzners Äußerungen bereiten: sein Palestrina hat bei mir seit langem einen Platz im Repertoire. Mit großformatigen Chorwerken dagegen habe ich eher Schwierigkeiten. Bei JPC gibt es eine preisgünstige Kassette mit den Orchesterwerken, die ich zum Kennenlernen auf meine Merkliste gesetzt habe. Klavierkonzert op. 31;Violinkonzert op. 34; Duo f. Violine, Cello & Orchester op. 43; Cellokonzerte Nr. 1-3;Symphonie op. 36a; Kleine Symphonie op. 44;Symphonie op. 46; Das Fest auf Solhaug-Vorspiele Nr. 1-3;Scherzo (1888);Elegie und Reigen op. 45;Fantasie op. 56 [Beitrag von op111 am 08. Dez 2013, 12:05 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#23 erstellt: 08. Dez 2013, 12:36 | |
Hallo! Genau diese Box habe ich mir vor etwa zwei Jahren auch zugelegt, die Aufnahmen kann ich uneingeschränkt empfehlen, zwar habe ich einen Teil der Werke auch in anderen Interpretationen aber die sind alle schon älter und zum Teil klangliche Mittelwellenqualität aus den frühen 50gern. Genau so empfehlenswert ist die zweite Box mit dem Gros der Kammermusikwerke: Allerdings sind ausgerechnet das Sextett und das Klavierquintett nicht enthalten deswegen habe ich diese Aufnahme seinerzeit gleich noch miterworben: Auch hier bin ich mit den Interpretationen und der Aufnahmequalitat sowohl bei der Box wie auch bei der Einzelcd vollauf zufrieden. MFG Günther |
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op111
Moderator |
#24 erstellt: 08. Dez 2013, 12:45 | |
Danke Günther, Quintett und Sextett habe ich mir gleich auf den Merkzettel kopiert. Vielleicht bieten die Kammermusikwerke eine ähnliche Überraschung wie seinerzeit das Quartett von Hugo Wolf, das ich mal als Füller auf einer Quartett-LP-Kassette gefunden habe. |
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WolfgangZ
Inventar |
#25 erstellt: 08. Dez 2013, 13:11 | |
Liege ich richtig, dass op. 50 in cis steht und auch in einer orchestralen Fassung existiert? Davon besäße ich dann nämlich die orchestrale Variante, kann aber leider nicht mehr darauf zugreifen; es handelt sich um einen Mitschnitt auf großer Magnetspule. Mit anderen Worten: Das wird jetzt alles auf CD angeschafft! Wolfgang |
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op111
Moderator |
#26 erstellt: 08. Dez 2013, 13:48 | |
Das Quartett op. 50 von Pfitzner ist m.W. in c-moll. |
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WolfgangZ
Inventar |
#27 erstellt: 08. Dez 2013, 15:51 | |
Danke! Ich werde doch mal recherchieren! Wolfgang |
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Hörbert
Inventar |
#28 erstellt: 08. Dez 2013, 15:59 | |
Hallo! @WolfgangZ Das fragliche Pfitzner Quartett dürfte der im Jahre 1925 entstandene Op.36 ( das Quartett steht in der Tat in cis-moll) sein, daraus fertigte Hans Pfitzner gegen den Widerstand seines Verlegers 1932 die Sy<mphonie op. 36a. Op. 50 ist eines von Hans Pfitzners Spätwerken und entstand 1942 das Werk ist nicht ganz so großartig wie op.36 hat aber seine Meriten, es gefällt mir ganz gut und wäre nicht im zweiten Satz dieses harmonische Steckenbleiben in dessen Verlauf Hans Pfitzner eine kleine unschuldige Melodie totkomponierte wäre es wohl mein Pfitzner-Lieblingsquartett, -so ist es op.36 geworden-. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#29 erstellt: 08. Dez 2013, 19:04 | |
Hallo, Günther! Dieses Werk habe ich auf jeden Fall gemeint. Ich habe es als groß angelegt und nicht leicht zugänglich in Erinnerung, aber das ist sehr lange her. Wenn Du magst, könntest Du mir vom Violinkonzert und diesem Quartett - gerne in beiden Fassungen - Aufnahmen empfehlen! Schönen Gruß, Wolfgang |
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WolfgangZ
Inventar |
#30 erstellt: 08. Dez 2013, 19:06 | |
Wenn jemand anderer mag, ebenso! |
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Hörbert
Inventar |
#31 erstellt: 08. Dez 2013, 19:14 | |
Hallo! Die schon verlinkten CPO-Aufnahmen sind interpretatorisch schon recht gut und auch aus klanglicher Sicht ausgezeichnet. Die beste Interpretation des Violinkonzerts die ich kenne ist leider klanglich gesehen auch die schlechteste. Gerhard Taschner war der Wunschinterpret von Hans Pfitzner. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#32 erstellt: 08. Dez 2013, 23:45 | |
Vielen Dank! Ich werde wohl bei cpo bleiben; von diesem Label habe ich bereits drei oder vier Scheiben mit Musik von Pfitzner. Wolfgang |
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Hörbert
Inventar |
#33 erstellt: 10. Dez 2013, 18:08 | |
Hallo! Unbedingt würde ich mir auch mal das Klaviertrio anhören (das ist eines von Hans Pfitzners frühen Werken) Auch die Cellokonzerte lohnen sich. Die Symphonien machen eher einen durchwachsenen Eindruck hier habe ich immer das Gefühl das Wollen und Können nicht im Einklang waren -ähnlich wie beim Klavierkonzert-. Bei Pfitzner gibt es halt mindestens ebensoviel Schatten wie Livcht. MFG Günther |
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