Musikwiedergabe im (fast) schalltoten Raum

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alex560
Stammgast
#1 erstellt: 30. Apr 2023, 20:52
Hallo liebe HiFi-Gemeinde!
Hier möchte ich von meinen Erfahrungen zum Thema (fast) schalltoter Raum berichten. „Fast“ heißt in dem Fall, dass der Fussboden nicht so aufwendig behandelt war - Wände und Decke aber haben so gut wie nicht reflektiert.
Abmessungen des Raumes waren ca 8 x 5 m und ca 4 m hoch - plus die entsprechende Wand- und Deckenabsorberdicke.
Jetzt folgt eine kleine Vorgeschichte - bei Bedarf einfach überspringen - das wird sich sicherlich mit anderen Erlebnisberichten von mir doppeln.

Vorgeschichte:
Ich beschäftige mich schon seit langem mit dem Thema Raumakustik und habe in meinem Hörraum zu Hause schon einige Maßnahmen ausprobiert - mit mehr oder weniger Erfolg. Zeitweise hatte ich selbstgebaute Absorber aus Steinwolle im Einsatz mit ca 1 m Grundfläche und 2 m Höhe - jeweils in den Raumecken. Das hat eine ganz kleine Verbesserung im Bassbereich gebracht - hab leider keine Messungen gemacht (mit Messungen habe ich erst später angefangen). Die Absorber sind aber inzwischen aus Platzgründen wieder verschwunden und nun lebe ich von einem dicken Teppich, vielen Regalen an den Wänden mit viel Zeug drin und einer abgehängten Decke. Außerdem sind noch ein paar Absorber an den Wänden mehr oder weniger versteckt angebracht. Das alles zusammen hat zu einer sehr ordentlichen Raumakustik geführt - Unterhaltungen in diesem Raum zu führen ist auch mit mehreren Personen, die teilweise gleichzeitig reden, absolut entspannt möglich und jeder, der in den Raum reinkommt, bemerkt diese angenehme Akustik sofort.
Total linear ist jedoch diese Raumakustik natürlich nicht, was bei der Musikwiedergabe zu mehr oder weniger großen Verfälschungen führt. Auch die durch Reflexion und Resonanzen vorhandenen Phantomschallquellen (ich weiß, das Wort ist nicht 100% korrekt)„stören“ ein ganz kleines bisschen die Wiedergabe - und selbstverständlich ist und bleibt das Hauptproblem der Bassbereich - da ist auch mit Dirac oder Audyssey keine halbwegs lineare Wiedergabe möglich.
Deswegen höre ich auch ganz gerne hin und wieder mit (guten) Kopfhörern, weil damit der auf der Aufnahme vorhandene Frequenzumfang in jeder Millisekunde mit einer fast perfekten Amplitude an meinem Ohr ankommt und folglich ein extrem homogenes Klangbild (so es denn auf der Aufnahme vorhanden ist ;-) ) bis hin zu sehr tiefen Bassfrequenzen erlebbar ist.
LEIDER, LEIDER, LEIDER gibts auf diese Art und Weise keine schöne Bühnenabbildung und der Bassbereich bleibt in seinem Erleben auf das Ohr beschränkt - anstatt auch mehr oder weniger stark körperlich fühlbar zu werden.
Vor Kurzem ergab sich die glückliche Gelegenheit, meine Lautsprecher mal in einem Akustiklabor aufzustellen und anzuhören. Ich hatte schon mehrfach (auch von Personen, deren Meinung ich sehr hoch schätze) gehört, dass man in einem derart stark behandelten Raum, keine Musik hören kann - auch wenn ich die angebrachten Argumente nie richtig nachvollziehen konnte. Dementsprechend gespannt war ich.

Erlebnis:
1. Mitten- und Hochtonwiedergabe:
Da ich in meinem Hörraum schon einigermaßen gute Verhältnisse für Mitten- und Hochton habe und Dirac nutze, war hier der Unterschied nicht gewaltig. Er war aber dennoch sehr deutlich. Erstens war alles sehr homogen und zweitens war die Stereowiedergabe UNGLAUBLICH gut. Eine derart scharfe Trennung zwischen den Sängern und/oder Instrumenten in Breite und Tiefe habe ich noch nirgends auch nur annäherungsweise so gut gehört. Meine Theorie dahinter ist, dass durch die extrem symmetrische Raumakustik (weil so gut wie nicht vorhanden) und das totale Fehlen jeglicher Resonatoren, auch ein extrem symmetrisches und unverfälschtes Klangbild bei den Ohren links und rechts ankommt und daher die feinsten Rauminformationen auf der Aufnahme transportiert werden. SO sollte Stereohören sein :-)

2. Bassbereich
Das mit Abstand krasseste Erlebnis war erwartungsgemäß der Bassbereich.
Wie oft bin ich schon in meinem Raum herumgeschlichen, habe mir die Raummoden mit den Ohren „erlaufen“ und versucht einen Hörplatz festzulegen, der einen möglichst angenehmen Bassbereich zeigt - mit nur mittelmäßigem Erfolg. Jeder, der das hier mal nachahmen möchte, könnte sich mal z.B. die Toccatta von Bach (Empfehlung: die Aufnahme von Konstantin Reymaier „the new Organ at St. Stephens Cathedral, Vienna“ ) anhören und bei den ganz tiefen Tönen mal z.B. von der Raummitte in die Raumecke laufen. Das ist schon eindrucksvoll, was in einem Wohnzimmer in den Raumecken im Bassbereich los ist - linear ist das nicht ;-)
In diesem Hörraum gab es das Thema Bassmoden überhaupt nicht. Anstatt, dass der Bass zu den Raumecken lauter wurde, wurde er leiser - entsprechend der physikalischen Gesetze im Freifeld, nimmt die Bassintensität bei einer Punktschallquelle mit der Entfernung sehr deutlich ab. Das war sehr sehr deutlich wahrnehmbar. In den hinteren beiden Ecken und auch an der hinteren Wand, war der Bass VIEL zu leise (war natürlich auch ein sehr großer Raum) - ein Hörabstand von knapp 2,5 bis 4 m war perfekt.
Ich kann das wirklich nur jedem HiFi-Interessierten empfehlen: Wenn ihr die Möglichkeit habt, eure Lautsprecher mal in einem Freifeld zu erleben - macht es! (Die Terrasse ist schonmal ein Anfang - gute nachbarschaftliche oder riesige Platzverhältnisse vorausgesetzt :-) )
Es ist eine Wohltat, eine gute Aufnahme, mit einem tiefen und abwechslungsreichen Bassbereich (Orgel bietet sich da natürgemäß an - es gibt aber natürlich jede Menge Musik mit einem „schönen“ Bassanteil) in einer linearen Raumakustik zu hören - das ist, als ob man das erste Mal schnorchelt und die Unterwasserwelt entdeckt - da gibt es so viel zu hören, das ist unglaublich und unglaublich bereichernd.

3. Raumgefühl
Die Musik „atmet“ - das ist die treffendste Umschreibung, die mir einfällt.
Auf jeder Aufnahme ist (auch im Bassbereich) ein vom Toningenieur gewünschter Anteil Nachhall enthalten. Dieser Nachhall über der Frequenz ist ein Hauptmittel zur Erzeugung des gewünschten Raumeindrucks und entsteht teils in der Aufnahme selbst und oder im abschließenden Mastering.
Es ist unglaublich welchen Einfluss das Fehlen wohnraumtypischer Nachhalleffekte auf das Entstehen des virtuellen Raums aus der Aufnahme/Mastering hat. Besagtes Orgelkonzert z.B. erzeugt auch im Wohnraum das Gefühl eines großen Kirchenschiffes - aufgrund des im Mittel-Hochton enthaltenen Nachhalls. Aber erst durch den unverfälschten Nachhall im tiefen Bassbereich bekommt die Wiedergabe diese majestätische Größe im Klangbild, die bei der Aufnahme (oder im Mastering) erzeugt bzw. festgehalten werden sollte.
Dieses „Atmen“ im Bassbereich war das beeindruckendste Erlebnis an diesem Tag. Und auf diesem tiefen und (ich wiederhole mich) beeindruckenden Fundament wirken die Mitten und Höhen noch klarer und konturierter als sie aufgrund der perfekten Symmetrie und fehlenden Störgeräusche sowieso schon sind. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass meine Lautsprecher total frei spielen konnten - ohne jegliche Einschränkung durch den Raum, in den man sie gesperrt hat.
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