Aufnahmen "originalgetreu" hören

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LAMusic
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 16. Jan 2016, 14:19
Hallo zusammen,
zunächst habe ich das Forum nur besucht, weil ich neue Lautsprecher kaufen wollte und zudem Beratung für den KH-Kauf gesucht habe (beides erfolgreich – besten Dank!!). Über die KH-Rubriken und die zahlreichen Diskussionen darin um die Klangcharakteristik von KH-Modellen kam ich dann etwas ins Grübeln. Als Laie in Hinblick auf die technischen Hintergründe der Musikaufnahme und –wiedergabe stellt sich mir eine grundsätzliche Frage:

Eine Studioaufnahme möglichst so zu hören, wie der Künstler, Produzent oder wer auch immer für die abschließende Mischung zuständig war („Verantwortlicher“), sie wahrgenommen hat zu hören, bezeichne ich im Folgenden als „originalgetreues“ Hören einer Aufnahme. Das soll rein deskriptiv und wertungslos sein. Vermutlich gibt es auch einen (anderen) Fachbegriff hierfür, ich setze das Wort daher mal in Anführungszeichen.

Angenommen ich möchte eine Aufnahme „originalgetreu“ hören, dann müsste ich wissen, welches KH-Modell (sofern hier mit KH gehört wurde) der Verantwortliche getragen hat und mir mit eben diesem Modell die Aufnahme anhören. Als Hörer ist mir i. d. R. jedoch nicht bekannt, welches KH-Modell der Verantwortliche bei einer Aufnahme genutzt hat. Wenn in einer bestimmten Stilrichtung seitens der Produktion aber ein bestimmter KH-Typ bevorzugt wird (z.B. basslastig), dann käme ich „originalgetreuem“ Hören wahrscheinlich am nächsten, wenn ich für diese Stilrichtung auch einen solchen KH-Typ verwende.

Sehe ich das alles richtig oder gibt es einen Denkfehler?

Dann wäre ein neutral abgestimmter KH nur dann für „originalgetreues“ Hören sinnvoll, wenn ich ein sehr breites Spektrum an Stilrichtungen damit hören möchte oder wenn ich weiß, dass die „Verantwortlichen“ in meiner bevorzugten Stilrichtung neutral abgestimmte KH verwenden.

Ich habe hierzu über die Suche im Hifi-Forum keine entsprechenden Beiträge finden können. Falls die Frage bereits aufkam bzw. beantwortet wurde, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Ebenso, wenn das Thema in einer anderen Rubrik des Forums besser aufgehoben ist.

Grüße und schönes Wochenende

LAMusic
Tob8i
Inventar
#2 erstellt: 16. Jan 2016, 15:07
Du hast schon richtig erkannt, dass man eigentlich wissen muss, mit welchen Geräten im Studio abgemischt wurde. Die beste Wahl ist dann eigentlich ein neutral abgestimmter Kopfhörer, denn genau so eine Abstimmung sollte theoretisch auch in einem Studio verwendet werden, um eine möglichst unverfälschte Wiedergabe zu gewährleisten. Das ist allerdings häufig nicht der Fall. Es gibt sogar einige recht basslastige Kopfhörer, die fürs Studio beworben werden.

Gerade bei elektronischer Musik ist es teilweise noch viel schlimmer. Da mischen teilweise irgendwelche Hobby DJs unterwegs mit sehr basslastigen Kopfhörern ab. Oder sie haben dann zu Hause irgendwelche billigen 2.1 Systeme mit viel zu starkem und dröhnendem Bass stehen. Sowas kann dann mit neutralen Kopfhörern total langweilig klingen. Professionellere DJs oder Studios mischen dagegen teilweise mit Absicht basslastiger ab, damit die Musik dann auch im Radio oder auf anderen schlechten Systemen lebendiger und fetter klingt. Bei der Produktion kann halt nicht nur darauf geachtet werden, dass ein paar Personen mit Anlagen für hunderte und tausende Euro einen möglichst guten Klang haben, sondern die Musik soll auf den Abspielgeräten eines Durchschnittsnutzers auch annehmbar klingen.

Von daher sollte man eher nach einem Kopfhörer suchen, bei dem die bevorzugte Musik gut klingt. Aber selbst dann wird es immer mal wieder Abmischungen geben, die langweilig klingen oder sich eher schräg anhören, weil vermutlich mit ganz anderen Geräten produziert wurde.


[Beitrag von Tob8i am 16. Jan 2016, 15:40 bearbeitet]
LAMusic
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 16. Jan 2016, 15:56
Vielen Dank Tob8i für die ausführlichen Erläuterungen! Damit hast Du meine Frage beantwortet!


Tob8i (Beitrag #2) schrieb:
[...] Es gibt sogar einige recht basslastige Kopfhörer, die fürs Studio beworben werden. [...]


Diese Tatsache war tatsächlich auch der Auslöser meiner Frage.
m00hk00h
Inventar
#4 erstellt: 16. Jan 2016, 17:00
Ich erlaube mir mal, mich selbst zum Thema "Studiohörer" zu zitieren:


Für den "Otto-Normal-Verbraucher" ist alles, was "Studio" im Namen trägt, fast schon eine heilige Kuh,
was die Musikwiedergabe betrifft. So trifft man oft auf die Meinung, dass Studiohörer ja unglaublich klangneutral
sein müssten und daher von vorn herein jedem "hifi"-Hörer überlegen seien, was durch aggressives Marketing
(z.B. Zitat:"extrem linear daher ideal f. Mix und Monitoring") noch unterstützt wird.
Die kleine Aufstellung hier soll zeigen, dass dem nicht nur so ist. Kopfhörer werden äußerst selten zum Mischen / Mastern
verwendet! Und wenn, dann trifft man in der Rolle eher Hifi-Kopfhörer, als "Studio"-Hörer, wie z.B. Sennheisers
HD600, beyerdynamics DT880 oder AKGs K701. Der ist sogar so erfolgreich in (Heim-)Studios eingesetzt worden,
dass AKG ihn als K702 in die "Pro"-Schiene aufgenommen hat. Auch vom DT880 findet man eine "Pro"-Version
(diese nur Exemplarisch). In der Tat tragen die meisten Studiokopfhörer das Beiwort "Monitor" nicht umsonst,
denn das heißt nichts weiter als "Überwachung". Kopfhörer werden im Studio verwendet, um nach zu schauen
(in dem Fall: hören), ob "das hier" und "dies da" überhaupt läuft. Die Hauptaufgabe ist, den Musikern,
Sängern und Instrumentalisten sich a) selbst und b) den Beat, die Instrumentierung, das Metronom etc. hören zu lassen.
Der Klang ist dabei fast schon zweitrangig, wichtig ist hier, dass der Klang aus den Kopfhörern nicht
ins Mikrofon dringt. Isolation ist also gefragt. Außerdem eine lange Lebensdauer auch bei dauerhaftem,
harten Einsatz. Eine gute Ersatzteilpolitik des Herstellers und einfacher Austausch dieser sind jederzeit
gern gesehen. Das ist der Grund, weshalb viele "Studio"-Hörer mit eben diesen Features aufwarten.


m00h
John22
Inventar
#5 erstellt: 16. Jan 2016, 17:56
Man darf bei "originalgetreu" aber nicht davon ausgehen das man einen guten Klang bekommt. Es kann sogar gewünscht sein eine teilweise schlechten Klang zu bekommen, wenn man z.B. Mono-Aufnahmen von Singles aus den 60er mit all ihren gewollten Verzerrungen hören will und nicht die Stereo-Versionen will. Beispiele sind für mich, die ich nicht gehört habe, die aber laut Forumsäußerungen sehr nahe und exakt dem damaligen Klang auf den Singles entsprechen:
http://shop.realgone...-collection-2-cd-set
http://shop.realgone...lete-singles-2cd-set

Passend zum letzten CD-Set (auf "Click to expand" klicken):

http://forums.steveh...page-5#post-13595160

Auch darf man nicht erwarten das Musiker sich um einen guten Klang kümmern, wie Mick Jagger vor kurzem von sich meinte, auch wenn das auf Gitarren bezogen war, die im nicht so wichtig sind wie Klamotten:

"'All that “you have to have this one” – it’s all c**p. I’m not an audiophile – it doesn’t make any difference what guitar you play. It’s what you play that counts."

http://www.dailymail...ver-seen-before.html
LAMusic
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 16. Jan 2016, 18:16
@m00k00

[...] Kopfhörer werden äußerst selten zum Mischen / Mastern verwendet! [...]

Das würde meine anfänglichen Überlegungen allerdings relativieren und vielmehr die Frage aufwerfen, womit und in welcher Umgebung hören die für die letztendliche Produktion verantwortlichen die Musik? Nur wenn man das wüsste, könnte man versuchen das/so zu hören, wovon/wie sie wollen, das/wie man es hört.

Erst jetzt wird mir auch bewusst, dass der Verantwortliche möglicherweise mit Lautsprechern hört und der Musikhörer mit KH oder umgekehrt; letzterer würde somit etwas hören, was so gar nicht beabsichtigt war.

@John22

Man darf bei "originalgetreu" aber nicht davon ausgehen das man einen guten Klang bekommt. [...]

Nein, darum geht es mir nicht. Was gut oder schlecht ist, mag jeder für sich entscheiden.

Die Diskussion, die ich aufgeworfen habe, mag etwas konstruiert klingen, ich finde es jedoch ganz erstaunlich, möglicherweise nicht das zu hören, was ich aus Sicht der Produktion hören sollte...


[Beitrag von LAMusic am 16. Jan 2016, 18:49 bearbeitet]
ZeeeM
Inventar
#7 erstellt: 16. Jan 2016, 18:20
Man versucht so zu produzieren das sich das Produkt gut verkauft.
LAMusic
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 16. Jan 2016, 18:27

ZeeeM (Beitrag #7) schrieb:
Man versucht so zu produzieren das sich das Produkt gut verkauft.


Das stelle ich nicht infrage. Ich frage mich nur, ob es mir als Musikhörer ohne größeren (Recherche-)Aufwand überhaupt gelingen kann, das zu hören, was auch der für die Abmischung Verantwortliche gehört hat. Und die Antwort scheint nach der bisherigen Diskussion zu sein: Nur annährend und vermutlich nur bei Verwendung eines möglichst "neutralen" KH.


[Beitrag von LAMusic am 16. Jan 2016, 18:51 bearbeitet]
John22
Inventar
#9 erstellt: 16. Jan 2016, 18:37

LAMusic (Beitrag #6) schrieb:
Erst jetzt wird mir auch bewusst, dass der Verantwortliche möglicherweise mit Lautsprechern hört und der Musikhörer mit KH oder umgekehrt; letzterer würde somit etwas hören, was so gar nicht beabsichtigt war.


Dann vielleicht in diesen Kongress ganz in der Nähe einschleichen um mitzubekommen wann die Profis KH verwenden oder auch nicht:
http://www.aes.org/conferences/2016/headphones/

Dort auch auf den Link für "Call for Papers" klicken wodurch eine PDF-Datei heruntergeladen wird.


[Beitrag von John22 am 16. Jan 2016, 18:39 bearbeitet]
ZeeeM
Inventar
#10 erstellt: 16. Jan 2016, 18:50

LAMusic (Beitrag #8) schrieb:

Das stelle ich nicht infrage. Ich frage mich nur, ob Verkäufer und Käufer das Produkt gleich wahrnehmen.


Davon gehe ich nicht aus, sonden das die Wahrnehmung einer Schwankungsbreite unterliegt. Manche hören zwischen zwei unterschiedlichen Masterings eine und desselben Ausgangsstückes keinen Unterschied, obwohl der Hörbar ist. Das hat meiner Meinung nichts damit zu tun ob das Ohr gut funktioniert, sondern auf was die Wahrnehmung Gewicht legt.
LAMusic
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 16. Jan 2016, 18:55

ZeeeM (Beitrag #10) schrieb:

LAMusic (Beitrag #8) schrieb:

Das stelle ich nicht infrage. Ich frage mich nur, ob Verkäufer und Käufer das Produkt gleich wahrnehmen.


Davon gehe ich nicht aus, sonden das die Wahrnehmung einer Schwankungsbreite unterliegt. Manche hören zwischen zwei unterschiedlichen Masterings eine und desselben Ausgangsstückes keinen Unterschied, obwohl der Hörbar ist. Das hat meiner Meinung nichts damit zu tun ob das Ohr gut funktioniert, sondern auf was die Wahrnehmung Gewicht legt.


Ich habe meine Frage (vgl. Dein Zitat) nachträglich zwar etwas präzisiert (da waren wir wohl gleichzeitig am Tippen), aber Deine Antwort passt dennoch.


[Beitrag von LAMusic am 16. Jan 2016, 18:56 bearbeitet]
MasterKenobi
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 16. Jan 2016, 19:00
Ganz ehrlich, macht eure Musik doch einfach an und Hauptsache es gefällt euch dann vom Klang her. Ist doch völlig Wurst, was sich der Tonmeister beim abmischen der Aufnahme gedacht hat oder nicht. Oft denkt er sich nämlich gar nichts dabei.
Neutral hier, neutral da. Das ganze Hobby könnte viel entspannter sein, wenn viele sich nicht permanent fragen würden, gerade zu quälen, wie die oder die CD/Aufnahme wohl am originalgetreusten klingt oder was der oder der Tonmeister sich bei der Abmischung gedacht hat.

Scheibe rein, Musik an und Hauptsache es gefällt euren Ohren dann, was klanglich raus kommt. Das ist doch das wichtigste!


[Beitrag von MasterKenobi am 16. Jan 2016, 19:04 bearbeitet]
ZeeeM
Inventar
#13 erstellt: 16. Jan 2016, 19:07

HannoverMan31 (Beitrag #12) schrieb:
Ganz ehrlich, macht eure Musik doch einfach an und Hauptsache es gefällt euch dann vom Klang her.


Ich denke, das die meisten das so handhaben, ich tue es auch. Man kann aber trotzdem darüber nachdenken und diskutieren, das ist auch ein Teil des Hobbys.
LAMusic
Ist häufiger hier
#14 erstellt: 16. Jan 2016, 19:31

ZeeeM (Beitrag #13) schrieb:

HannoverMan31 (Beitrag #12) schrieb:
Ganz ehrlich, macht eure Musik doch einfach an und Hauptsache es gefällt euch dann vom Klang her.


Ich denke, das die meisten das so handhaben, ich tue es auch. Man kann aber trotzdem darüber nachdenken und diskutieren, das ist auch ein Teil des Hobbys. :prost


Sehe ich genauso. Ich wäre einer der letzten, der sich den KH xy kaufen würde, nur weil der von der überwiegenden Zahl der Tonmeister verwendet würde. Ich würde mit meinem laienhaften Gehör vermutlich kaum wesentliche Unterschiede zu anderen guten KH feststellen können.

Aber die Vorstellung, dass man als Hörer die Musik schon aufgrund der technischen Gegebenheiten wahrscheinlich anders wahrnimmt (oder gar wahrnehmen muss) als der Produzent, finde ich persönlich schon bemerkenswert und das war mir bislang nicht bewusst.


[Beitrag von LAMusic am 16. Jan 2016, 19:41 bearbeitet]
thewas
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 17. Jan 2016, 14:53
Abgemischt werden die üblichen normalen Stereomusikaufnahmen (also keine Kunstkopfaufnahmen die leider sehr selten geworden sind) fast immer mit Monitorlautsprecher. Abhören von solchen Aufnahmen mit KH ist ein großer Kompromiss weil die Stereophonie nicht mehr stimmt und durch die unterschiedliche Form der Gehörgange unterschiedliche Frequenzgänge am Hörer entstehen. Wenn man sowas mit KH so nahe wie möglich originaltreu, also nahe an dem was der Tontechniker beim abmischen im Studio gehört hat, hören möchte muss man so einen Aufwand betreiben http://www.connect.d...ser-a-8-1076734.html


[Beitrag von thewas am 17. Jan 2016, 14:54 bearbeitet]
LAMusic
Ist häufiger hier
#16 erstellt: 17. Jan 2016, 15:58
@thewas
Besten Dank für den aufschlussreichen Beitrag!
thewas
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 17. Jan 2016, 16:03
Gern geschehen!
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