Ein Frage zu Transistoren

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Broesel02
Inventar
#1 erstellt: 18. Nov 2022, 22:16
Guten Abend in die Runde der erfahrenen Bastler und Reparateure

Ich habe hier mal wieder einen Kenwood KA 907 vor mir. Ich prüfe inzwischen bei diesen Verstärker immer alle Endstufentransistoren. Dieses mal mit folgendem Ergebnis:

Vier mal 2SC2489, NPN, hFe gemessen: 17, 68, 86, 85
Vier mal 2SA1065, PNP, hFe gemwssen: 97, 109, 109, 114

Der hFe Wert soll bei dem NPN und dem NPN Typ zwischen 60 und 120 liegen.

Es ist nicht das erste mal das ich speziell bei den Transistoren mit diesem Aufdruck:

TO3P

so weit vom Sollwert liegend Meßwerte feststelle. Ich will nun aber nich jedes mal alle Transistoren wechseln, das habe ich nun ein paar mal gemacht aber ich behalte ja auf alle Fälle die Nieten zurück.
Ich habe hier mal ein Bild gemacht. Die untere Reihe sind die gerade ausgebauten Transistoren. Die obere Reihe sind Transistoren aus vorhergehenden Aktionen mit dem Kenwood KA 907. P steht immer für PNP, N für NPN

2SC2489

Auffällig ist der eine NPN Typ mit dem hFe Wert von 100. Das ist der einzige von Matsushita, dem ursprünglichen Hersteller dieser Transistoren

2SC2489

Nun zur Frage: wie würdet ihr die Transistoren zusammenstellen. Welcher soll mit wem am besten zusammen arbeiten? In dem Verstärker arbeiten immer zwei Paare der Transistoren in einem Kanal. Sollen die hFe Werte in einem Kanal gleich sein - oder nur bei einem Paar. Oder brauchen nur die zusammarbeitenden NPN oder PNP Transistoren die gleichen hFe Werte haben.

Ich freue mich über eure Erfahrungen

Richard


[Beitrag von Broesel02 am 18. Nov 2022, 22:18 bearbeitet]
CarlM.
Inventar
#2 erstellt: 18. Nov 2022, 22:36

Broesel02 (Beitrag #1) schrieb:
Der hFe Wert soll bei dem NPN und dem NPN Typ zwischen 60 und 120 liegen.


Hallo Richard,
besitzt Du das Originaldatenblatt? Im Datenblatt des Nachbaus von JMnic finde ich für hFE-Klasse "P" 90-180 (Ic: -2A).

Carl
Broesel02
Inventar
#3 erstellt: 18. Nov 2022, 23:01
Dieses hier:

Datenblatt

Der PNP Typ hat den gleichen hFe Wert angegeben
CarlM.
Inventar
#4 erstellt: 18. Nov 2022, 23:20
Okay. Das Service Manual verlangt mindestens hFE-Klasse "Q" 80 - 120 (oder "P" 90-180).
Die Transistoren auf den Photos haben aber alle hFE Klasse "P".
Da wären alle Transistoren mit hFE < 50 auf jeden Fall soweit außerhalb der Solllwerte, dass sie ersetzt werden sollten.

Was mich insgesamt entwas nachdenklich macht ist (und weshalb ich das Originaldatenblatt sehen wollte), dass ich keine Vergleichstypen gefunden habe, die bei ansonsten ähnlichen Werten derart hohe Werte für hFE und ft aufweisen.

Interessante Frage(n). Ich bin deshalb auch auf die Antworten der Profis gespannt.
Broesel02
Inventar
#5 erstellt: 19. Nov 2022, 00:07
Hallo Carl,
ja, das treibt mich schon länger um. Kenwood hat bei dem KA907, der L-07 II Serie und bei vielen anderen Geräten aus der Zeit Leistungstransitoren mit hFe werten um 100 und sehr hohen Grenzfrequenzen (fT) eingesetzt. Bisher war ich guter Dinge das die TO3 Transistoren kaum altern. Aber inzwischen kommen mir da erhebliche Zweifel.
Ich befürchte das die Verstärker die auf diese Transistoren angewiesen sind, und das ist ja nicht nur Kenwood sondern auch viele ander Schätze, demnächst nicht mehr zu reparieren sind. Weil die Endtreiber einfach aufgeben.So wie wir das schon von den TO-92 Typen kennen

Ich habe vor kurzer Zeit noch einen gößeren Posten NOS TO3 2SC2493 und 2SA1068 von Sanken kaufen können. Die erfüllen diese Anforderungen auch und sind noch nicht aus der Spezifikation gedriftet. Der hFe Wert ist etwas geringer und die Gernzfrequenz ist etwas höher. Die sind auch im hFe Wert untereinander in etwa alle gleich. Die Kenwood Geräte haben genug Leerlaufverstärkung, Wenn man da Endtreiber mit einem hFe Wert von 70 bis 100 einsetzt geht das sehr gut. Nur schnell genug müssen sie sein, sonst kommt es sofort zum GAU.

Richard
holli05
Stammgast
#6 erstellt: 19. Nov 2022, 08:53
Die ECA Vergleichstabelle von 2001 nennt als Vergleichstypen für den 2SC2489 bei 150V/10A/120W/50MHz 2SC2837, 2SD551, 2SD733 und 2SD1047 mit Hinweis auf weitere.
Bei welchem Kollektorstrom wurde die Stromverstärkung gemessen?
Broesel02
Inventar
#7 erstellt: 19. Nov 2022, 15:38
In 2001 gab es die meisten dieser Transistoren noch vom Hersteller zu kaufen. Heute leider nicht mehr.
Eine Vergleichstabelle die über 20 Jahre alt ist hilft da nicht mehr wirklich weiter. Das beantwortet meine Frage auch nicht. Was es noch gibt sind erheblich langsamere Transistortypen die in diesen Geräten nicht ohne Veränderung der Schaltung funktionieren. Und über Nachbauten die von Little Diode, Kessler oder wem auch immer vertrieben werden brauchen wir hier für eine seriöse Reparatur nicht reden.

Der Kollektorstrom ist hier eigentlich unwichtig. Das Verhältnis der hFe Werte zueinander bei gleichem Kollektorstrom ist ja das Problem. Ich habe alle Transistoren mit dem gleichen Strom gemessen. Aber hier gern der Graph für das NPN Schlusslicht aus der Tabelle:

Graph

die gleiche Messung mit dem Typ der ein hFe von 100 anzeigt:

Graph 2

Richard
Valenzband
Inventar
#8 erstellt: 19. Nov 2022, 16:55
Messungen an Leistungstransistoren mit so kleinen Strömen haben wenig Aussagekraft. Aus genau diesem Grund werden in Spezifikationen auch Kollektorströme von 1A und mehr genannt.

Um beim hiesigen Beispiel des 2SC2489 zu bleiben werden zwei hfe-Werte für Ic=2A und 10A aufgeführt.
Der Verlauf von hfe über Ic wird überhaupt erst ab 100mA dargestellt. Das hfe Maximum wird bei ca 4A erreicht:
2SC2489_hfe

Deine Messungen im Kleinstrombereich zeigen für beide Fälle einen ausgeprägten hfe Verlust. Im oberen Bereich gewinnt der schlechtere Transistor aber noch relativ stark (d_hfe/dIc ca 1.8/mA), während der bessere bereits langsam sättigt (d_hfe/dIc ca. 1/mA). Auch wenn der schlechtere Transistor sicher nicht mehr den besseren "einholt" sollte die Messung für brauchbare Aussagen bei mindestens 1A wiederholt werden.
Was man aber wohl sagen kann ist, dass sich der schlechte Transistor im Kleinsignalbereich des betrachteten Verstärkers mehr oder weniger ausklinken wird und erst mal seinen Kollegen die Arbeit machen lässt. Wahrscheinlich sind auch die Eingangskennlinien unterschiedlich, was diese Angelegenheit verschlechtern wird, ggf.. inkl. Ruhestromaufteilung.


[Beitrag von Valenzband am 20. Nov 2022, 01:25 bearbeitet]
DB
Inventar
#9 erstellt: 19. Nov 2022, 22:33
Ich würde mir die Stromverstärkung auch bei deutlich höheren Ic (ca. 5A) anschauen.


MfG
DB
holli05
Stammgast
#10 erstellt: 20. Nov 2022, 08:43
10mA
Das sind Leistungstransistoren, da braucht es einen Kennlinienschreiber, der entsprechende Ströme liefern kann oder man baut sich z.B. mit nem ausreichend leistungsfähigen (Labor-)netzteil eine Prüfschaltung.
Elektronator
Stammgast
#11 erstellt: 20. Nov 2022, 10:36
Das Ganzmetall-Gehäuse TO-3 ist in der Herstellung relativ teuer.
Als Nachfolge wurden die Gehäuse TO-218 und TO-247 entwickelt. Die sind mechanisch in vielen Fällen kompatibel mit den TO-3-Löchern, wenn man die zwei äußeren Anschlussbeine um 90° biegt.

Übrigens: Die Stromverstärkung muss man bei relativ hohem Strom und mit kurzen Impulsen messen. Denn wenn das Kristall warm wird, steigt die Stromverstärkung und verfälscht das Messergebnis.
Poetry2me
Inventar
#12 erstellt: 20. Nov 2022, 13:56
Also erst mal zurück zum Thema:

Richard, da hast eine für uns hier elementar wichtige Erkenntnis gewonnen:

Wir können ernsthaft davon ausgehen, dass einige Klassiker nie wieder so niedrige Verzerrungswerte haben werden, wie im Originalzustand.
Es sei denn, wie tauschen die teuren Leistungstransistoren aus, obwohl sie im Prinzip noch funktionieren.

Danke auch für Deine Messwerte, wie man mit etwas Erfahrung vielleicht feststellt, sind diese mit einem verlässlichen Transistor-Tester ausgeführt. Das sind endlich mal Werte aus der Praxis, im relevanten Strombereich, die das Problem belegen.

Das Herumreiten auf andere Messverfahren in 40 Jahre alte Datenblattättern führt hier nicht zur Beantwortung der Frage, die Richard zu recht oben gestellt hat. Beabsichtigter Anwendungszweck der Transistoren war damals: "Test Equipment, Industrial Applications". In diesem Anwendungsfeld konnte man erfreulicherweise tatsächlich noch jahrelang solche Transistoren ausbauen und als NOS abschöpfen.
Hier geht es jetzt um eine praktische Frage mit Relevanz für die Überholung von High End Audio Klassikern (typischerweise TOTL Geräte).


Das Problem ist:
Die Stromverstärkung (hFE-Wert) mancher hochwertigen Transistortypen degradiert über die Jahrzehnte massiv.
Wie sollten wir in solchen Fällen vorgehen, wenn die positive Halbwelle bei Leistungstransistoren nur noch geringfügig verstärkt, die negative Halbwelle aber schon?
Es braucht nicht viel Vorstellungsgabe, um zu erkennen, dass wir höhere THD haben werden, und zwar von der unangenehmen Art, weil asymmetrisch.


Die von Richard genannten TO3 Transistoren sind in den Top-of-the-Line High-End-Verstärkern Ende der 1970er Jahre verbaut worden, unter anderem
-- Kenwood KA-907
-- Sansui AU-X1, AU-919, etc.
-- wahrscheinlich auch große Technics Endstufen, da die Typen ursprünglich von Mutterkonzern Matsushita entwickelt und hergestellt wurden.


Im Einsatz waren hier Typen mit hFE-Ranking "P", also relativ hoher Stromverstärkung:

2SC2489 transistor hFE classification current gain ranking P used in typical amplifiers end of the 1970s

Sie ermöglichen durch hohe Geschwindigkeit (fT = 50MHz) und gleichzeitig hohe Stromtragfähigkeit und Verlustleistung das Design von Verstärkern mit extrem niedrigen Verzerrungen.

Tragischerweise sind diese Typen von den Herstellern abgekündigt und faktisch nur noch als NOS erhältlich. Die Wahrscheinlichkeit, heutzutage noch einen non-Fake NOS zu erwerben geht gegen Null.
Das gilt mittlerweile weitgehend auch für die entsprechenden Ersatztypen in TO3P Plastikgehäuse.

Richards Frage finde ich berechtigt.

- Johannes


[Beitrag von Poetry2me am 20. Nov 2022, 13:57 bearbeitet]
Valenzband
Inventar
#13 erstellt: 20. Nov 2022, 15:30

Poetry2me (Beitrag #12) schrieb:
"Hurra hurra hurra...." Danke auch für Deine Messwerte, wie man mit etwas Erfahrung vielleicht feststellt, sind diese mit einem verlässlichen Transistor-Tester ausgeführt. Das sind endlich mal Werte aus der Praxis, im relevanten Strombereich, die das Problem belegen.

Egal wie "verlässlich" der Tester sein mag (Marke, Spezifikationen..???), man muss ihn trotzdem erst einmal richtig anwenden. Mit einer Briefwaage werden ja auch keine Kartoffelsäcke gewogen. Und genau deswegen sind die gezeigten Messwerte weder "relevant" noch "aus der Praxis", sie sind bestenfalls indikativ. Ich verstehe auch nicht das Problem: Kann dieser Tester etwa keinen ausreichen hohen Strom von wenigstens 1A abgeben ?


Das Herumreiten auf andere Messverfahren in 40 Jahre alte Datenblattättern führt hier nicht zur Beantwortung der Frage, die Richard zu recht oben gestellt hat.

Glatter Unsinn. Was hat denn das Alter der Datenblätter mit der berechtigen Kritik am Vorgehen zu tun? Um "Richards große Frage" überhaupt sinnvoll beantworten zu können, sollte man erst einmal vernüftige, bzw. wirklich relevante Daten erheben. Und bereits da scheitert das Vorhaben bisher.


..."Test Equipment, Industrial Applications". In diesem Anwendungsfeld konnte man erfreulicherweise tatsächlich noch jahrelang solche Transistoren ausbauen und als NOS abschöpfen.

Ehrliche Leute nennen so ein Vorgehen Recycling, nicht NOS, außer ibäh - Betrüger und Konsorten.


Die Stromverstärkung (hFE-Wert) mancher hochwertigen Transistortypen degradiert über die Jahrzehnte massiv.
Wie sollten wir in solchen Fällen vorgehen, wenn die positive Halbwelle bei Leistungstransistoren nur noch geringfügig verstärkt, die negative Halbwelle aber schon?

Das ist doch offensichtlich: Falls hfe tatsächlich so weit abnimmt (ein korrekter Nachweis steht hier noch aus) ist der Transistor als beschädigt bzw. defekt einzuordnen.
Ab diesem Punkt hilft auch kein umständliches Herumgeeier mehr. Entweder schmeißt man die ganze Kiste weg, oder besorgt sich passende Ersatzteile. Weil Originalteile dieser Oldtimer leider kaum oder gar nicht mehr erhältlich sind läuft das eben öfters auf Austauschtypen hinaus, ggf. sogar mit anderen Gehäusen.
Wenn man bereit ist schon so weit zu gehen, sollte man auch eine Überprüfung/Klassifizierung der neuen Leistungs-Transistoren ins Auge fassen, aber bitte nicht mit solchen Fummelströmchen wie hier gezeigt.


..Tragischerweise sind diese Typen von den Herstellern abgekündigt und faktisch nur noch als NOS erhältlich. Die Wahrscheinlichkeit, heutzutage noch einen non-Fake NOS zu erwerben geht gegen Null.
Das gilt mittlerweile weitgehend auch für die entsprechenden Ersatztypen in TO3P Plastikgehäuse.

Der erste Teil der Aussage stimmt, der zweite nur wenn man bei unseriösen Händlern bezieht.
ehemals_Mwf
Inventar
#14 erstellt: 21. Nov 2022, 02:32
Hi,
Poetry2me (Beitrag #12) schrieb:
... Es braucht nicht viel Vorstellungsgabe, um zu erkennen, dass wir höhere THD haben werden, und zwar von der unangenehmen Art, weil asymmetrisch. ...

Üblicherweise wird es genau andersrum gesehen (!):
unsymmetrisch = die geradzahligen K2, K4 .... = die "guten"

Gruss,
Michael
Valenzband
Inventar
#15 erstellt: 21. Nov 2022, 09:50

Mwf (Beitrag #14) schrieb:
Üblicherweise wird es genau andersrum gesehen (!):
unsymmetrisch = die geradzahligen K2, K4 .... = die "guten"

Das hast Du voll recht ! Vielleicht ist das der Schlüssel ins Reich Eden für diejenigen, die sich nicht zwischen "warmen" single-ended Röhrenverstärkern und "Sand" Verstärkern entscheiden können. Ein gut abgehangener Transistorverstärker erreicht quasi beide Ziele.


[Beitrag von Valenzband am 21. Nov 2022, 11:09 bearbeitet]
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