SKULLCANDY VENUE ANC/Bluetooth Over-Ear Kopfhörer - Eindrücke

Vorwort: Bisher habe ich Distanz zu Kopfhörern der Marke Skullcandy gehalten, weil ich eben *kein* Liebhaber aufgeblasener oder gar "haptischer" Bässe (Crusher) bin. Da ich derzeit aber verschiedene Over Ear Kopfhörer mit aktivem Noise Canceling ausprobiere, kam mir der neue Skullcandy Venue ANC ins Visier, der mich wegen des gegenüber Bose bzw. Sony und B&W deutlich niedrigeren "Price Points" gereizt hat - und des Marketingversprechens seitens Skullcandy, der Venue biete ein ausgeglichen(er)es Klangbild. Deshalb bestellt. Quelle: Mediamarkt online, € 179,- (= UVP).

Haptik und Materialien: Der Kopfbügel des Venue ist mit einem Edelstahlstreifen verstärkt, aber ansonsten gilt: Plastik rulez! Alle anderen Teile sind aus Kunststoff, die dicken, weichen Memory Schaum Polster mit dem üblichen Kunstleder überzogen, die ausreichende Bügelpolsterung mit vinylartigem Material. Dennoch wirkt der Venue elegant und ist durchweg sauber verarbeitet. Auf Youtube gab es zwei Reviews, nach denen der Bügel bei entsprechenden Dehnbewegungen knackt und knirscht. Meiner tut das nicht. Der Bügel ist stufenweise gerastert, allerdings lassen sich die einzelnen Stufen (zu) leicht verstellen.

Die glatten Ohrmuscheln sind sehr anfällig für jede Art von Fettfilm, z.B. durch Fingerabdrücke. Das Branding ist minimal: Das kleine Skullcandy Logo (ein Totenschädel, natürlich) ist nur bei genauem Hinsehen erkennbar, ansonsten weist nichts auf das Fabrikat hin. Die Kennzeichnung von L/R ist auch sehr "subtil" in die unteren Bügel eingestanzt, aber es ist im Grunde einfach: Die Funktionstasten zeigen nach hinten, dann sitzt er richtig. Eine Neigung der Ohrmuscheln nach vorne, wie man sie bei vielen Kopfhörern findet, gibt es hier nicht: Die Schalen lassen sich auch nicht neigen. Sie sind nur entlang der horizontalen Achse verstellbar, und zwar um je 90 Grad. Einklappen kann man sie auch nicht.



Für ganz große Köpfe ist der Venue eher weniger geeignet, da der Spielraum zum Ausziehen der Bügel begrenzt ist. Meine recht großen Lauscher hingegen finden unter den Polstern (Innenmaß: 4cm x 5,5cm) noch relativ bequem Platz.

Lieferumfang: Der Venue kommt in einer attraktiv gestylten Pappschachtel (siehe Photo) und einer stoffbezogenen Kunststoff Hartbox. Da man den KH nicht einklappen kann ist die Box relativ groß (22,5cm x 20cm), die Qualität ist gut (Reißverschluss). Darin sind das USB Kabel und ein kurzes (1,2m) Audiokabel mit 3,5mm Klinkensteckern fixiert untergebracht, ebenso der Start Up-Guide. Das war es dann auch. Die Kabel sind von einfacher Qualität. Einen Flugzeug-Adapter sucht man vergebens, aber das ist angesichts des limitierten Einsatzbereichs sicher zu verschmerzen.

Komfort/Trageeigenschaften: Die Ohrpolster sind ausreichend dick und weich und passen sich jeder Kopfform an. Als Brillenträger hatte ich hier (anders als z.B. beim Bowers & Wilkins PX) keinerlei Probleme. Die Polsterung des Kopfbügels (die wie alles sehr dem Modell Hesh ähnelt, wie auch in vielen anderen Design-Aspekten) hätte sicher etwas dicker ausfallen können, ist aber ebenfalls weich und angenehm.

Nun zum Sitz: Ich habe einen recht großen Kopf, und der Venue sitzt stramm. Nicht Schraubstock-stramm (B&W PX), aber doch stramm. Nach einer Stunde Musikhörens machte das keinerlei Probleme, aber bei 2- und 3-stündigen Hörsessions kann ich mir schon vorstellen, dass er leichten Druckschmerz verursachen kann. Allerdings erscheint mir der Venue hierdurch für sportliche Aktivitäten geeignet. Die PU-Leder bezogenen Ohrpolster sorgen zudem für ein deutliches "Wärmegefühl".

Funktionen/Bedienung: Loben muss man Skullcandy für die übersichtlichen und leicht erfühlbaren Knöpfe am Kopfhörer; die Mischung aus aufgewölbten und eingebuchteten Buttons macht das blinde Auffinden während der Benutzung leicht. Ebenfalls positiv ist die Ausstattung mit einer Ladestandsanzeige mittels vierer LEDs auf der linken Seite, entsprechend jeweils 25% des Ladevolumens. Diese ist durch einen kurzen Druck auf die On/Off Taste darunter einsehbar - natürlich nur, wenn man den KH nicht gerade auf hat. Eine Ansage des Ladezustands erfolgt nicht.

Ansonsten ist die Bedienung ziemlich konventionell und schnell erlernbar: Durch längeren Druck (3 Sekunden) der +/- Tasten kann man vor- und zurückspringen, mit dem Enter-Button dazwischen die Wiedergabe pausieren bzw. wieder starten und Anrufe annehmen und beenden. Links befindet sich auch der ANC-Button. Eine Besonderheit des Venue ist, dass ANC beim Einschalten direkt aktiviert ist! Drückt man die ANC-Taste für 5 Sekunden, wird ANC abgeschaltet, ein kurzer Druck aktiviert die Funktion wieder. Das ANC ist nur einstufig, leider. Eine App gibt es bislang auch nicht.

Die Bluetooth-Konnektivität mit meinen Handys (Huawei P20 Pro bzw. Samsung Galaxy S8) war problemlos, schnell und zuverlässig. Über ca. 12 Meter in der Wohnung mit 2 Wänden dazwischen zeigten sich keine Abbrüche/Unterbrechungen des Signals.

Man kann den Venue über die kostenlose App TILE (Registrierungspflicht, z.B. über Facebook) sowohl über Bluetooth als auch GPS lokalisieren, wenn man ihn nicht mehr findet. Dazu muss man den Venue kurz mit der App pairen (funktioniert binnen Sekunden: Man drückt gleichzeitig die Power und die Play/Pause Tasten) - wenn man danach auf "Suchen" klickt, ertönt am Kopfhörer ein Vogelzwitschern. Knuffig, könnte aber lauter sein. Ist der Kopfhörer außer BT-Reichweite, wird einem der Standort über eine (vermutlich Google Maps basierte) Karte angezeigt. Durchaus ein nützliches Feature.

Durch kurzes Drücken der ANC-Taste kommt man in den sogenannten Monitor-Modus, der einfach gesagt auf "Durchzug" schaltet, z.B. wenn man mit jemandem sprechen möchte, ohne den Kopfhörer abzunehmen. Ein zweiter kurzer Druck aktiviert das ANC wieder.



Die Grundbedienung wird auch in diesem Video des Herstellers kurz und übersichtlich erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=zcoqY6LZ6lk&feature=youtu.be - oder hier in schriftlicher Form: https://manual.ninja/skullcandy/skullcandy-venue-user-manual/

Der Venue verbindet sich über BT binnen Sekunden mit dem zuerst gekoppelten Gerät, also Handy. Man kann die Registrierung von BT-Kopplungen löschen, indem man die Play/Pause Taste für mehrere Sekunden gedrückt hält - die vorherige Kopplung wird dann deaktiviert.

Der Venue verfügt über eine Schnelladefunktion: 10 Minuten Laden sollen für 5 Stunden Musik reichen. Ein vollständiger Ladevorgang nimmt aber dann doch ca. 2,5 Stunden in Anspruch. Leider hat man dem Venue nur eine Micro-USB Buchse gegönnt, kein USB-C.

Die Sprachansagen beschränken sich auf ein Minimum: Power on/off, Connected, Pairing.

Klang: Skullcandy hat nun einmal den Ruf, deutlich basslastige Kopfhörer zu produzieren, un z.B. der Crusher bestätigt dieses (Vor)urteil auch in beeindruckender, bzw. furchteinflößender Weise. Mit dem Venue will sich die Firma einer anderen Klientel zuwenden und macht explizit mit einem "ausgeglichenen" Klang Werbung. Stimmt das?

Klang ist zum großen Teil subjektiv, hier mein Eindruck: Es gelingt - mit Abstrichen. Abstriche in soweit, dass der Klang des Venue immer noch zu einer Betonung des Oberbasses tendiert - messen kann ich dies leider nicht. Dennoch fällt bei Rhytmus-betontem Pop auf, dass der Oberbass leicht verstärkt ist, der Kickbass druckvoll reproduziert wird. Keinesfalls jedoch fällt diese Betonung so stark aus wie bei dem erwähnten Crusher, auch nicht wie bei diversen Beats Modellen. Auch wirkt der Bass eher trocken und kontrolliert, nicht wummernd und breit. Aber die Betonung ist da. Die muss kein Nachteil sein: Der ollen, miesen Abmischung von Bruce Springsteens "Born in the USA" konnte der Venue zumindest noch etwas Dynamik verleihen.

Davon abgesehen bin ich doch sehr positiv überrascht, v.a., was die Detailfreude des Klangbilds angeht. Sie erwies sich in meinem Genre-Mix als durchaus tauglich für Country, Pop, Rock, Jazz, ebenso wie für Klassik. Elektropop, Techno, Hip Hop oder Dark Metal höre ich mir nun mal außerhalb von Guantanamo nicht an. Und auch dann würde ich das Waterboarding vermutlich vorziehen.

Stimmen und einzelne Instrumente werden korrekt verortet und zeigen eine ordentliche, wenn auch nicht übertriebene Präsenz. Insgesamt wirkt die Stimmenabbildung etwas kühl. Das Klangbild hat eine gute Tiefenstaffelung, die Bühne indes könnte breiter sein.

Auch bei hohen Frauenstimmen bzw. Violine in den oberen Lagen zeigen sich weder Zischeln noch Härte. Bis auf die leichte Oberbassbetonung ist der Klang tatsächlich "ausgewogen". Ob das im Messlabor auch so aussieht muss man abwarten. Da ich noch bis etwa 18.000 Herz hören kann, glaube ich das schon mit einiger Sicherheit sagen zu können. Überrascht hat mich vor allem die "Klassiktauglichkeit" des Venue: Einzelinstrumente treten klar hervor, dahinter wird das Orchester aber mit vollen Details abgebildet (Beispiel: Barber Violinkonzert mit Gil Shaham/DGG).

Laut Hersteller reicht der Frequenzgang von 20 bis 20.000 Hertz, der Venue ist also auch am Kabel kein "Hi Res" Kopfhörer. Wird aber auch nicht so beworben.

Was die erzielbare Lautstärke angeht hatte ich angesichts der Herstellerangaben (97.3db) leichte Bedenken, was die von mir favorisierte Klassik angeht. In der Praxis erweisen sich diese als unbegründet: Die Lautstärke ist auch hier völlig ausreichend.

Klanglich würde ich sagen kann der Venue durchaus mit etwas teurerer Konkurrenz gut mithalten, zumal das ANC (anders als z.B. beim B&W PX: furchtbar!) den Klang nur gering beeinflusst: Das Klangbild verengt sich minimal, bleibt aber natürlich. Der B&W PX klingt hier auch in der niedrigsten ANC-Einstellung künstlicher.

Noise Canceling/ANC: Das Hauptverkaufsargument für den Venue und einzige wirkliche Neuerung ist die aktive Geräuschunterdrückung (ANC),. Diese wird mit "All Music. No Noise" sehr offensiv beworben. Wird der Venue dem gerecht?

Leider: Nur teilweise. Positiv muss man zunächst anführen, dass die passive Geräuschunterdrückung schon sehr gut ist. Auch ohne ANC werden schon einige Störgeräusche klar reduziert. Das sieht z.B. bei den Konkurrenzprodukten Panasonic RP-HD605NE-K und B&W PX ganz anders aus.



Aktiviert man das Noise Canceling (wie erwähnt ist es beim Einschalten des Venue automatisch aktiviert), dann werden niederfrequente, gleichbleibende Störgeräusche wie etwas das Rumpeln im Zug effektiv reduziert bzw. (je nach Grad) komplett ausgeblendet. Helles Rauschen oder Stimmen hingegen werden nur sehr bedingt gefiltert: Den Zug konnte ich vor Ort testen, den Geräuschgrund im Flugzeug bisher nur anhand von Simulationen auf Youtube (siehe z.B. https://www.youtube.com/watch?v=co7KgV2edvI&t=23s oder https://www.youtube.com/watch?v=WbEGmghn_jo&t=15s). Dreht man letztere ordentlich auf, dann bleibt ein leichtes, helles Rauschen im Kopfhörer erhalten, auch wenn die Minderung klar erkennbar ist. Stimmen (wie etwa Ansagen auf Bahnhöfen oder im Zug) bleiben zu etwa 50% erhalten - auch ohne, dass man in den Monitor-Modus schaltet.

Insgesamt bewegt sich das ANC nur auf dem Level eines €60-100 China-Kopfhörers. Mit dem Bose QC35(II) oder dem Sony WH-1000XM2/M3 kann der Skullcandy hier keinesfalls mithalten. Die ehrlichere Werbung wäre: "All music. Less Noise" gewesen.

Thema: Grundrauschen. Wie viele andere ANC-Kopfhörer produziert der Venue im "ANC-Leerbetrieb" ein leichtes, höherfrequentes Grundrauschen. Sobald man Musik hört, auch leisere Klassik, ist es aber nicht mehr wahrnehmbar.

Fazit: Sehr zufrieden bin ich insgesamt mit dem Bluetooth-Klang, zufrieden (preisklassenbezogen) mit Verarbeitung und Komfort, sehr zufrieden mit dem Funktionsumfang, aber nur sehr bedingt zufrieden mit der aktiven Geräuschisolation. Für den Preis von €179,00 macht man meiner Meinung nach keinen Fehler, wenn man die 300-390 (UVP) für einen Sony, Bose, oder B&W nicht ausgeben bzw. nicht auf eine Rabattaktion für diese Kopfhörer warten möchte. Wenn das Budget keine Rolle spielt sehe ich insbesondere den Sony noch klar im Vorteil.

Der straffe Sitz ist sicher sehr Geschmackssache bzw. von der Kopfgröße abhängig bequem oder weniger bequem. Was man über das ANC immerhin positiv anmerken kann ist, dass es den Klang anders als beim B&W PX nicht ruiniert, sondern kaum beeinflusst. Der Venue klingt für meine Ohren mit ANC klar besser als der PX in der höchsten ANC-Stufe ("Flug"). Zumal das ANC des PX auch nur unbefriedigend ist.

Schöner wäre es natürlich, wenn es die Störgeräusche im Sinne der Dämmung stärker beeinflussen würde ....

Inzwischen kostet der Skullcandy Venue ANC nur noch 99,99 bei Amazon:

https://www.amazon.d...ativeASIN=B07HBLQ9PQ

Zu dem Preis immer noch eine gute Empfehlung.