Lautsprecher Membran Reparatur Howto gerissene Papiermembran

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Skytry
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 18. Nov 2021, 05:18
Hallo zusammen,
zur Vorgeschichte:
Mein Kater wollte wohl auf mein Schmacks Horn springen, ist offenbar abgerutscht und hat sich dann den fehlenden Schwung über die Hinterkrallen im Basslautsprecher gesucht, wodurch der Hochtonkegel des Elektro Voice SP8C stark beschädigt wurde. Da diese LS nur noch sehr schwer zu bekommen sind, kam mir der Gedanke der Reparatur. Sollte also jemand defekte Pappmembranen haben, kann er es ja gern mal über diese Methode versuchen, allerdings ohne jegliche Gewähr, war für mich auch das erste Mal.
Einschränkung:
Diese Methode ist ausschließlich für gerissene/beschädigte Pappmembran geeignet (Kleber/Wasser). Ebenso sollten ungeduldige, oder grobmotorische Menschen Abstand hiervon nehmen. Trotz aller Bemühungen ist es mir nicht gelungen den Schaden fast unsichtbar zu halten.
Materialien:
4 Deckel von Wasserflaschen
2 Buche Schaschlik Spieße
2 Pinsel sehr weich sehr spitz, hart kurze Borsten
1 Pinzette
1 Skalpell
1 Küchenrolle
1 Teebeutel
1 Kleister (hab den starken genommen, ein paar Messerspitzen)
1 Asche und Ruß zur Farbanpassung
Zeit/Geduld:
1Tag, sehr viel Geduld, keine wackeligen Hände, viel Licht
Zuerst einmal eine Gegenüberstellung, vorher, nachher, sowie Material:
AusgangsmaterialEndlich fertigMaterial
Bei genauer Betrachtung, schon ein erheblicher Schaden, also erstmal mit Zewa unterfüttert, den Hochtonkegel an den beschädigten Stellen mit einem Pinsel und Wasser befeuchtet und mit Zewa-Knüll-Keilen stützend unterlegt, um eine halbwegs runde Form zu erzeugen, sowie folgendem Trocknen (hab nen Fön zum Trocknen auf unterster Stufe, in 1m Abstand benutzt). Nach dem Trocknen sah es bis auf die Wasserflecken und verbliebenen Risse und Knicke schon ganz gut aus. So ähnlich rückstandsfrei hätte ich mir das Endergebnis optisch gewünscht.
IMG_0880Mit Zewakeilen unterfüttertFast schon schön
Als nächstes wurden aus Teebeutelpapier formgerechte Flicken gerissen (damit es außen fransig wird und die Übergänge fast unsichtbar bleiben) und Zigarettenasche mit Ruß gemischt, bis die Farbe einigermaßen der Membranfarbe entspricht. Die Asche sehr gut zerstoßen (oder mörsern), damit ein sehr feines gleichmäßiges Puder entsteht und mit Ruß einfärben und gut umrühren (zugefügte Mengen merken). Den Kleister (eine Messerspitze) in das Wasser im Sprudeldeckel geben, gut verrühren, warten bis es nach ein paar Minuten etwas zähflüssiger wird. Dann die gefärbte Asche zu ca. 50-60% mit dem Kleister gut verrühren, bis eine noch zähere Masse entsteht, die aber noch verstreichbar bleibt und am Rührspieß nur sehr, sehr langsam, oder überhaupt nicht abtropft bei senkrechter Stellung (falls zu dick, ein Tropfen Wasser dazu). Ich hab dann den Rührspieß mit Zewa gereinigt und das Zewa getrocknet, damit ich eine Vorstellung der endgültigen Farbe und Konsistenz bekomme. Das Ergebnis ist eine Art gefärbter Kitt, oder Zement. Im weiteren Verlauf werde ich Kitt benutzen. Als nächstes habe ich sehr vorsichtig mit dem Rührspieß Tropfen für Tropfen von dem Kitt auf der rückseitigen Membranfläche sehr dünn um den zu behandelnden Riss aufgetragen und verteilt. Hierbei wurde zuerst der kleinste Riss benutzt um ein Gefühl dafür zu bekommen. Dann wurde der/die vorgerissenen Teebeutel Flicken an einem Ende vorsichtig dünn bestrichen, so dass am anderen Ende ein großzügiger Bereich bleibt, um es mit der Pinzette zu fassen. Nun den Flicken sehr vorsichtig vor der rückseitigen Membran plazieren und mit dem Holzspieß vorsichtig von der Mitte des Flickens nach außen rollend anzudrücken. Dann das freie Packende des Flickens ebenfalls dünn mit Kitt bestreichen und auch andrücken. Sofern notwendig, die Außenkanten des Flickens dünn mit Kitt bestreichen, so dass dieser vollständig aufgeklebt ist. Bei Bedarf kann die Klebefläche noch mit Wasser feuchtem Pinsel glättend verstrichen werden, über die Kanten hinaus. Das durch den Riss auf die Vorderseite austretende Kitt kann sehr dünn verstrichen werden. Es ist manchmal stabilisierend nötig Kitt direkt sehr dünn auf dem Riss der Vorderseite aufzubringen und mit Wasser feuchtem Pinsel zu glätten. Allerdings wird die Riss Reparatur dann sichtbar bleiben, da die Farbe des getrockneten Kitts meist nicht 100% passt. Ebenso kann es sinnvoll sein, rechts und links vom Riss geknüllte Zewakeile unter zu schieben, um die Risskanten korrekt voreinander zu bringen.
Riss von hinten bestrichenVorbereitete FlickenMit Zewakeilen Druck vom Riss genommenNach dem Trocknen
Die Flicken sollten nicht zu groß gestaltet werden, damit der Umgang bei zunehmender Größe mit bestrichenem Kitt nicht zu schwierig wird. Dann lieber Flicken leicht überlappen, falls notwendig. In meinem Fall habe ich für den größten Riss zuerst unten an der Kalotte angefangen, um dann den oberen Rand des Hochtonkegels zu kitten zur besseren Stabilisierung des verbliebenen, noch unbehandelten Risses, bzw. um den Druck vom Riss zu nehmen.
Zuerst unten an der KalotteDanach den oberen RandDruck vom Riss nehmenNach dem Trocknen
Leider war da nun noch dieses verhältnismäßig kleine Loch, aber ein Loch, was nun? Das fehlende Stück Membran war nicht vorhanden. Also Flicken hinten drauf und die Pappmembran durch Kitt von vorn ersetzen. Mittlerweile war mein Kitt aufgebraucht, also neuen ansetzen. Gesagt, getan, Farbe wieder angepasst und da es dem Ende entgegen ging, husch, husch, nur durch gerührt und nicht sehr gründlich zerstoßen. Ein Fehler wie sich herausstellte, denn einzelne Aschestücke hatten grobere Körner drin, entsprechend war der Kitt auf dem Flicken nach dem Trocknen grobkörniger (vorher nicht erkennbar). Also Feinreparatur, die groben Körner mit dem Skalpell sehr, sehr vorsichtig abgerieben, so dass feines Kittmehl abgenommen wurde. Andere überstehende Kittmengen an Rissen wurden ebenso mit dem Skalpell abgeschabt. Das Loch war nach dem Trocknen immer noch vertieft, also wurde das Kitten der Vorderseite am Loch ein paar mal wiederholt. Nun waren da noch die Knicke des Hochtonkegels, also den Kegel mit Pinsel und Wasser befeuchtet, alles mit Zewakeilen hinterlegt, damit sich nichts verbeult bei der folgenden Ausrichtung mit passgenauen Holzspieß Stücken genau auf die Knicke ausgerichtet. Hierbei sehr vorsichtig sein, da die feuchte Membran sehr empfindlich ist. Zu guter Letzt wurde die Rückseite der Knicke zur Stabilisierung dünn mit Kitt bestrichen, so dass nach der Trocknung alles in Form bleibt. Das Finish wurde sehr vorsichtig mit 2000er Schleifpapier und Borstenpinsel ausbürsten bewerkstelligt. Was unbedingt noch gesagt werden sollte, um Wasserflecke zu vermeiden, sollten die Membranflächen immer vollflächig mit dem Wasser Pinsel befeuchtet werden. Sollte das, wie bei mir aus Stabilitätsgründen notwendig sein, in mehreren Etappen arbeiten zu müssen, macht es Sinn, nach Fertigstellung/Trocknung, die mit Wasserflecken betroffenen Flächen vollflächig zu befeuchten und wieder trocknen zu lassen. Sieht man in den Bildern auch bei mir, wo zu Anfang die Staubschutzkalotte noch einen Wasserfleck hatte, der auf dem letzten Bild nicht mehr vorhanden ist.
Loch ist zuAusrichtenLoch noch auffüllbar
Endlich fertig
Den Tipp mit dem gefärbten Asche/Ruß Kitt hatte ich im Internet von Hajo gefunden (ganz unten), wie ich finde, eine gute, feine Geschichte, sofern man berücksichtigt, dass es vorher sehr gut zerstoßen (gemörsert/zerrieben) werden sollte. Allerdings arbeitet Hajo aus der Quelle mit Holzleim und 'Pritt Alleskleber ohne Lösungsmittel', wobei Letzteres auch flexibel bis 2mm bleiben soll, aber glänzend zu sein scheint. Der Vorteil an meiner Methode ist nach meiner Meinung, dass die Reparatur durch Gewichtsveränderung (Auftrag von Kitt/Teebeutelstücke) verhältnismäßig vernachlässigbar bleibt und einen stabilen Eindruck hinterlässt. Der Kitt trocknet mit dem Kleister und gegebenenfalls Teebeutelpapier sehr dünnflächig aus. Kleinere Löcher zur Auffüllung mit Kitt müssen daher meist mehrfach mit dem Kitt behandelt werden (inkl. Trocknung). Ein Langzeittest steht noch aus, allerdings habe ich dabei keinerlei Bedenken, denn die ungewollten Fleckchen des Kitts, die ich versehentlich auf der Hauptmembran hinterlassen habe, zum Auftragen auf die Rückseite des Hochtonkegels, waren nur sehr, sehr schwer hinterher wieder mit dem Skalpell durch sehr vorsichtiges Abschaben zu entfernen und auch das nicht ganz rückstandsfrei.
Nicht empfehlen würde ich diese Herangehensweise mit dem Kitt, wenn der Riss in der Hauptmembran bis in die Sicke, oder gar dadurch geht! Da nach meiner Meinung die Sicke meist aus einem anderen Material besteht (oft gummilamminiert, oder sogar Schaumstoff), welches durch die Verhärtung/Trocknung des Kitts das Ein/Ausschwing Verhalten deutlich beeinflussen könnte und nicht klar ist, ob der Kitt nicht sogar auf solch flexiblen Materialien brüchig würde!
Daher ist meine Empfehlung diese Kitt Methode ausschließlich für unbeschichtete Pappmembranen zu benutzen!
Die oben verlinkte Methode mit Pritt auf Latexbasis wäre vielleicht für Sickenreparatur OK, da flexibler, aber damit habe ich keine Erfahrung.
In meinem Fall, mit sehr beschädigtem Hochtonkegel, musste die Stabilität nach und nach wieder hergestellt werden, was sich durch die periodischen Trocknungszeiten sehr deutlich in die Länge gezogen hat, wie schon geschrieben gesamt 1 Tag. Wer keine Zeit, oder nicht über die nötige Feinmotorik verfügt, so etwas zu machen, soll sich jemanden suchen, der darüber verfügt. Ich habe keinerlei Interesse irgendwelche Aufträge dies bezüglich anzunehmen. Es lohnt sich nach meiner Meinung auch nur für LS, die nicht mehr gebaut/erhältlich sind. Ich habe deshalb alles so minutiös geschrieben, damit Ihr bei Bedarf selbst Hand anlegen könnt und nicht Eure alten, immer gut klingenden, aber beschädigten LS weg schmeißt, noch dazu, wo der finanzielle Aufwand zur funktionalen Benutzung fast ausschließlich in der Zeit liegt, da das Material sich ja kaum berechnen lässt.
In diesem Sinne viel Spaß und Erfolg beim Ausprobieren...
Gruß Stefan


[Beitrag von Skytry am 18. Nov 2021, 13:44 bearbeitet]
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