Master Aufnahmepegel bei Digitalaufnahmen - grundsätzlich zu hoch. Lehrdefizit?

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childofman
Stammgast
#1 erstellt: 20. Jan 2020, 14:32
Wollte ein kurzes Stimmungsbild abfragen: Werdet Ihr grundsätzlich auch mit zu hohen Pegeln von Musikaufnahmen konfrontiert? Ich spreche hier aus meinem aktuellen Berufsalltag und nicht vom alten Thema Loudnesswar, sondern definitiv vom Bild- und Tontechnikerwahn der jüngeren Generation Digitalaufnahmen bis 0 dB ohne jeglichen headroom zu mastern, bzw. zur Weiterverarbeitung anzuliefern.
Seit rund 5 Jahren bekomme ich regelmäßig Musikspuren zur Filmvertonung in 5.1 die bis 0 dB ausgesteuert sind. Ich empfinde das aus mehreren technischen Gründen (unter anderem True Peak) als völlig daneben. Als ein Mindestmaß (gerade noch tragbar) bewerte ich -1 dB (grob entsprechend den DCI Empfehlungen) - als generell vernünftig Spitzenpegel von -9 bis -12 - je nachdem was für Material und ob das Ausgangsmaterial für eine weitere Mischung ist (mind. 24 Bit /48 khz).
Ich habe zunehmend den Eindruck dass auch ausgebildete Tontechniker (IHK) überhaupt keine Ahnung haben was sie da tun und wa sie da abliefern...
Ich habe es relativ satt jedes Mal reklamieren zu müssen. Gibt es hier Leidensgenossen?
Denon_1957
Inventar
#2 erstellt: 20. Jan 2020, 20:41
Ich kann zwar zu deinem Problem nix sagen aber wenn wir mal ehrlich sind schau dir die Jugend heute doch mal an Kopfhörer vom Smartphone im Ohr und dann rythmisch mit dem Kopf wackeln vernünftig Musik hören das wissen die doch garnicht mehr was das ist und jetzt stell dir so einen Typ mal in ein Paar Jahren als Tontechniker vor der kennt doch nur noch Bumm Bumm Bumm ich hoffe du verstehst was ich meine.
childofman
Stammgast
#3 erstellt: 20. Jan 2020, 23:15
Hi Norbert - ja das geht mir durchaus auch immer wieder durch den Kopf - allerdings vermute ich auch einen Fehler in der Ausbildungsgestaltung, ich möchte nicht in diesen Topf hineinfallen wie meine Eltern: "Die Jugend ist einfach heute zu blöd..." Das hat mich als Teenie immer geärgert.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl das tatsächlich einfach viel zu oberflächlich Musik produziert und abgemischt wird...
Mediengestalter Bild und Ton lernen jedenfalls teilweise keine Basics.
childofman
Stammgast
#4 erstellt: 21. Jan 2020, 14:21
So das Dickicht lichtet sich und was hervorkommt ist noch dramatischer.. Konkret schlage ich mich mit einer Musikproduktion rum die fürs Kino so fast unbrauchbar ist. Jetzt hat sich herausgestellt, der Produzent hat die Musik so wie an uns weitergereicht bei +++stock gekauft und runtergeladen. Preis mehrere hundert Euro (Lizenz) - Jetzt war / ist die Frage wer hat das Mastering vergurkt? Der ursprüngliche Produzent/Musiker oder shutt....+++ ? Ich also heute dort angerufen, (Filmzulieferer ist auch etwas unbedarft in Sachen Ton) - Ergebnis: Ansprechpartner gibts nur für Kunden und die Dame am "Helpdesk" war völlig helpless und auch nicht kompromissbereit. Würde ich dort weiterhin einkaufen wollen, würde ich das als Service und Kundenorientiert bezeichnen? Ist es toll dass offenbar ein großer Softwarehersteller für PROFI Multimedia das Bild, Video und Tonportal übernommen hat? Fragen über Fragen, die ich mich kaum traue zu stellen noch selbst zu beantworten. Service heißt: Kundennummer bereithalten, Telefonroboterfragen mit Ziffern beantworten, warten, abgelehnt werden, Chatfunktion auf der Webseite kurzzeitig außer Funktion, Mailformular ist beschränkt auf 400 Zeichen. Zumindest habe ich eine Vorgangsnummer vom "netten supportteam" erhalten. Ob da noch was kommt. Ich bezweifle das.
xblax
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 22. Jan 2020, 12:45
@childofman
I finde die ganze Loudness War Thematik recht interessant. Eine Sache verstehe ich aber als Laie glaub ich nicht ganz:

Bedeutet für dich bis 0db ausgesteuert, dass das Signal dafür auch in seiner Dynamik komprimiert wird? Ansonsten wäre es doch egal oder verstehe ich etwas falsch?

Wenn der Spitzenpegel in einem Stück gleichzeitig auch der digital maximal noch darstellbaren Lautstärke entspricht müsste man doch den maximalen Pegel erreichen ohne dynamische Bandbreite dabei zu verlieren. Tatsächlich könnte man so sogar maximale Dynamik erreichen und man nutzt dann auch die Auflösung des digitalen Signals optimal aus.

Wenn natürlich komprimiert wird, so dass die wahrgenommene Lautstärke bei 0db liegt und dadurch die Dynamik begrenzt wäre es natürlich Schwachsinn der mir auch als Laie einleuchtet (insbesondere bei Filmmusik natürlich fatal).
childofman
Stammgast
#6 erstellt: 22. Jan 2020, 14:14
Hi xblax, nein und nein.

Zunächst: Der Pegel an sich sagt erstmal nichts darüber aus, ob etwas komprimiert oder gelimited wurde oder nicht. das erkennt man nicht am Pegel sondern an der Hüllkurve - also am PegelVERLAUF über die Zeit. Hier ein Beispiel - der Einfachheit halber in Stereo

Komprimiert und weniger komprimiert beide LEQ82 justiert

Hellgrün, die Datei von der ich hier spreche. Dunkel im Hintergrund eine praktisch nur minimal komprimierte Tondatei. Entscheidend ist jetzt: Beide Dateien sind nach Dolby LEQ 82 dB bereits justiert und laut Messung im Kino nachher gleich laut (ist zumindest der Ansatz/die Behauptung). Man sieht bei der Hellgründen Hüllkurve dass sie aussieht wie ein Strich und wie abgeschnitten ab Sek 30 etwa. Ein Indiz, dass nicht nur komprimiert wurde (Die Unterschiede zwischen laut und leise verringert), sondern zusätzlich ein Limiter eingesetzt wurde der Pegelspitzen absolut hart begrenzt und reduziert.

Warum man NICHT bis 0dB aussteuern sollte und warum das kein Profi Tonmensch macht, wenn man in der Produktion ist und Produktionsmittel erstellt, wenn also mit der Aufnahme noch weiter gearbeitet wird:
Wenn eine Digitalaufnahme Vollausteuerung überschreitet ist die Aufnahme kaputt. Nehmen wir an wir mischen zwei Spuren die jeweils bis zum Anschlag ausgesteuert sind, eine Sprachspur mit 0dB max und eine Musikspur mit 0dB max, dann wird beim Digitalmix beim Mischvorgang bei jeweils 0dB pro Spur in Summe +3dB Pegel erreicht. Mischung kaputt. Jede zusätzliche Mischerspur die wieder mit 0 dB zugemischt wird erhöht den Gesamtpegel erneut um rund 3dB. Egal ob Computer oder digitales Mischpult beim eigentlichen Mischvorgang ist der sogenannte Headroom extrem wichtig, damit keine Verzerrungen entstehen. Deshalb arbeiten Mischer oder Mischsoftware mit 24 oder 32 Bit statt mit 16 Bit, Je höher die Bittiefe desto mehr Headroom. Nicht umsonst empfehlen z.B. professionelle Aufnahmegerätehersteller nie höher als -12 dB auszusteuern. Ein endgültiges Mastering (habe fertig) sollte allerdings AUCH NICHT bis 0dB ausgesteuert werden, insbesondere NICHT wenn die Aufnahme mit einem Limiter behandelt wurde.

Warum nicht?
Eine Hüllkurve die aussieht wie die hellgrüne oben hat - owohl sie abgeschnitten ist, steile Impulse. Diese sind zwar abgeschnitten aber eben plötzliche steile Signale. Die kann man nun digital genau bei 0dB abschneiden. Der entscheidende Punkt ist aber, dass diese Signale ja noch in ein Analoges Signal gewandelt werden müssen: Ein Lautsprecher ist immer ein analoges Gerät, das mit einem Signal betrieben wird, dabei ist es völlig wurscht ob da ein digitaler Verstärker oder ein analoger das Signal speist. Das 0dB hart beschnittene Signal (z.B. Bassdrum) kommt als Signal am Basslautsprecher an, das Bass wird durch das steile Signal in Bewegung gesetzt und gibt es wieder: Ein Bass "stoppt" aber nicht plötzlich, sondern auf Grund der Massenträgheit schwingt das Signal über - rein mechanisch. Deshalb gibt es im professionellen Bereich den Wert TPL - den TRUE PEAK LEVEL. Dieser berücksichtigt, genau dieses Verhalten, dieses Überschwingen beim Übergang von rein digitaler Welt in die tatsächliche Wiedergabe über Lautsprecher. Es ist also so, dass ein bis 0dB ausgesteuertes Signal - vor allem bei steilen Impulsen (Bassdrum, Schlagzeug, Explosionen) - weniger bei reinen Sinuswellen - in der Realität Pegel von + 3dB erreicht und damit zum Beispiel die Schwingspulen von Lautsprechern kaputt macht (immer vorausgesetzt wir fahren mit voller Lautstärke - was aber im Kino durchaus in einzelnen Szenen passieren kann).

Warum Kompression im Kino Schwachsinn ist: Im Kino ist die maximale Wunschlautstärke für WERBUNG reale 82 dB. Das wird in einem 1 Sek Fenster gemessen und auf die Filmlänge verrechnet, will heißen ein 30 Minuten Film kann/könnte durchaus an einer Stelle einen lauten Knall enthalten, der bis zur Maximallautstärke des Systems geht (In der Regel so um die 96 dB im Kino), wenn das sehr sehr kurz ist und der Rest des Filmes sehr leise ist. Der Gesamtfilm wird dann trotzdem als LEQ 82 dB justiert gewertet. Entscheidend ist hier die Durchschnittslautstärke über die Zeit. Bei 82 dB (das ist schon deutlich über Wohnzimmerlautstärke - die liegt so bei 70) hört das menschliche Ohr schon relativ linear und vor allem auch dynamisch, das heißt da müssen leise Dinge nicht künstlich verstärkt werden, damit man sie hört. Das Problem ist, hört man zum Beispiel ein Musikstück mit Triangel auf einem Smartphone, das ziemlich leise ist, dann muss die Triangel, weil sie in einem hohen Frequenzbereich liegt stark verstärkt werden, damit ich sie hören kann. Das bedeutet das Musikstück wird komprimiert (die leise Triangel wird dadurch lauter). Nehme ich nun diese so behandelte Aufnahme und bringe sie ins Kino wird's unangenehm: Unser Ohr hört bei 82 dB anders als bei 40dB Lautstärke. Die Gehörkurve und Empfindlichkeit für Töne ändert sich. Was auf dem Smartphone toll geklungen hat führt bei 82 dB zu Hörschäden. Der Frequenzbereich ab rund 6 khz ist relativ gefährlich fürs Ohr. Das alles berücksichtigt die LEQ 82 Justierung und eine falsch "behandelte" Aufnahme wird gnadenlos zurückgeregelt.

Ein weiterer Punkt ist die tatsächlich überhaupt realisierbare Dynamik. Und hier wird es eigentlich ziemlich simpel und dennoch scheint es allen egal. Zuallererst: 82 dB maximale Durchschnittslautstärke im Kino bedeutet im günstigsten Fall 82 dB Dynamik - also maximaler Unterschied zwischen laut und leise. 0dB gibt's praktisch nicht - allenfalls in einem schalltoten Raum. Real sind in einem Raum meist um die 20 dB Geräusche - ob nun Klimaanlagenrauschen oder Atmen usw. Bedeutet, es bleiben mal gerade durchschnittlich um die 60 dB reale Dynamik, in Ausnahmen (kurzzeitiger Knall) vielleicht gerade mal doch 80 dB Maximaldynamik. Und jetzt müsste eigentlich bei jedem spätestens ein Licht aufgehen...Bereits bei einer stinknormalen CD mit 44.1 khz Samplingfrequenz und 16 Bit Abtasttiefe sind mindestens 96 dB Dynamik garantiert, das bedeutet wenn eine CD eine Maximalaussteuerung von -16 dB hätte würde sie immer noch die real maximal mögliche Dynamik für den Kinosaal transportieren. Im Kino und Profibereich arbeitet man mit mind. 48 khz und mind. 24 Bit und die mögliche Dynamik liegt bei etwa 120 dB und teils deutlich höher. Es gibt aber praktisch KEINE Mikrofone und nur ganz wenige Mikrofonvorverstärker (auch in Digitalpulten) die eine höhere Dynamik als 78 dB (!) umsetzen können.

Na das dürfte doch nun erklären warum man weder bis 0dB aussteuern sollte oder müsste und warum die öffentlich rechtlichen Sender meist erwarten, dass man mit -24 dB bis -18 dB Pegel anliefert, die Privaten oft mit -9 dB und wir z.B. max Pegel von -3dB zulassen. Je nach Messmethode variert das noch, da gibt Peaklevel, EBU usw...

Das Aussteuern bis zum maximal Möglichen macht nur bei ANALOGEN Aufnahmen Sinn, also Cassette, zum Teil Schallplatte und natürlich Tonband. Meine Technics RS-1500 Halbspur verträgt dann aber auch tatsächlich laut Aussteuerungsanzeige (auch analog) bis zu +18 dB ohne wirklich hörbare Verzerrungen (hängt auch von der Musik ab) - das ist aber analog und eine andere Welt: Da rauscht es, oder knistert es und ohne Rauschunterdrückung bieten diese Medien maximal um die 60 dB Dynamik. Aber auch das ist eigentlich schon ganz schön gut. Kinofilme bis Mitte der 70er Jahre mit Lichtton hatten oft nur 50 dB Dynamik und deutliches Rauschen im Hintergrund.

Hoffe ich habe das halbwegs verständlich erläutert.
fotoralf
Inventar
#7 erstellt: 22. Jan 2020, 18:01
Es gibt schon Fälle, in denen die ganze Untersteuerei einen unangenehmen Nebeneffekt hat. Der Hörer dreht z.B. bei nach R.128 ausgesteuerten Programmen den Lautstärkeregler in den meisten Fällen weiter auf, um die gleiche Lautstärke zu erreichen wie früher. Bei älteren Verstärkern mit gehörrichtiger Lautstärkeregelung führt das dazu, dass der Regler so weit aufgedreht werden muss, dass die Anhebung der Tiefen nicht mehr wirksam wird.

Außerdem werden 12 bis 18 dB Fremdspannungsabstand des Tuners bzw. Verstärkers sozusagen verschenkt. Bei CD als Quelle kann das noch egal sein, bei UKW hingegen fällt es auf.

Ralf
Dadof3
Moderator
#8 erstellt: 22. Jan 2020, 20:35

childofman (Beitrag #1) schrieb:
Ich spreche hier (...) nicht vom alten Thema Loudnesswar, sondern definitiv vom Bild- und Tontechnikerwahn der jüngeren Generation Digitalaufnahmen bis 0 dB ohne jeglichen headroom zu mastern, bzw. zur Weiterverarbeitung anzuliefern.

Wieso bist du der Meinung, dass das nichts mit dem Loudnesswar zu tun hat, sondern ein Mangel an Ausbildung ist?
Dass ein Bewusstsein für die Thematik nicht vorhanden ist, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Ich bin ncht aus der Branche, aber die beiden Tontechniker, mit denen ich mich privat mal unterhalten haben, beide ziemlich jung, wussten sehr genau, wie das funktioniert. Einer davon sagte mir aber auch, dass er es nicht gerne macht, aber ihre Kunden/Produzenten es so haben wollen.


Denon_1957 (Beitrag #2) schrieb:
... schau dir die Jugend heute doch mal an Kopfhörer vom Smartphone im Ohr und dann rythmisch mit dem Kopf wackeln vernünftig Musik hören das wissen die doch garnicht mehr was das ist und jetzt stell dir so einen Typ mal in ein Paar Jahren als Tontechniker vor der kennt doch nur noch Bumm Bumm Bumm ich hoffe du verstehst was ich meine.

Sorry, aber das sind doch ziemlich Plattitüden. Wer sich für diesen Beruf entscheidet und die Ausbildung durchzieht, hat sicher mehr im Kopf als Bumm Bumm Bumm.

Im Übrigen hat die Generation unserer Eltern und Großeltern vermutlich ziemlich genauso über uns geredet.
childofman
Stammgast
#9 erstellt: 22. Jan 2020, 20:52
Ralf, UKW gehört logischerweise zur Kategorie analog. Siehe Tonband, Platte usw..,
Und natürlich sollte das Gesamtprogramm auf einem Level sein - aber dieses Problem haben zumindest die öffentlich rechtlichen meiner Meinung nach ganz gut im Griff. Pegelsprünge unterschiedlicher Programmelemente sind nicht ein Problem von Untersteuerung, Untersteuerung beginnt für mich sowieso erst unterhalb von - 30 dB. Wie ich bereits geschrieben habe FERTIGE, also endgemasterte Stücke dürfen meiner Meinung nach gern bis -3dB ausgesteuert sein - es geht um diese unselige Verquickung von super hohem Pegel, Kompression und Abstimmung auf völlig unselige Abhörgeräte.
Ich war lange genug als Radiomacher unterwegs: Ein UKW Sender wird IMMER mit komprimiertem und möglichst maximal ausgesteuertem und limitiertem Tonmaterial beschickt - eben weil analog und nicht digital - Lautheit beim Radio zum Beispiel erzeugt über einen Optimod (Privatradiosender) hat direkt was mit Sendereichweite und Rauschen zu tun. das ist aber eine völlig andere Baustelle. Diese Kompression findet bei UKW übrigens immer statt und auch deshalb ist eine vorherige Superkompression fehl am Platz, im Gegenteil: Wenn Du nem Radiosender stark komprimierte Titel gibst werden sie vor der Ausstrahlung nochmal komprimiert - da bleibt nix übrig und der Klirr geht extrem in die Höhe. Effektiv haben UKW Radiosender meist max eine mögliche Dynamik von etwa 54 bis 56 dB.

Vor EBU R 128 gabs bereits eine andere Regelung bei öffentlich rechtlichen. Da ist nix völlig anders durch EBU R 128 der Unterschied zu "früher" ist relativ gering und sorry, deine aktive Loudnessschaltung alter Verstärker ist relativ selten. Und auch alte Verstärker haben einen effektiven Geräuschspannungsabstand von deutlich mehr als 90 dB. Also das von Dir geschilderte Problem sehe ich nicht.


[Beitrag von childofman am 22. Jan 2020, 21:13 bearbeitet]
childofman
Stammgast
#10 erstellt: 22. Jan 2020, 21:04
@ Dadof ich habe schon Mediengestalter Bild- und Ton ausgebildet und musste feststellen , dass das Thema in der Berufsschule nicht wirklich vermittelt wurde, Beruflich habe ich jeden Tag mit Nachwuchs- Filmemachern zu tun und stelle fest, dass der Prozentsatz der unerfahrenen und unwissenden seit etwa 5 Jahren drastisch zunimmt. Früher hatte rund jeder 5. KEINE Ahnung was er da tut und die (Kino-) Branche ist auch sehr verschlossen - insofern war das kein Wunder. Das hat sich aber extrem verschärft, heute hat nur noch jeder 5 AHNUNG - das Schlimmste ist aber, dass auch Anbieter von professionellem Musikmaterial bereits unbrauchbares Zeug für teuer Geld anbieten und man dort nicht mal vernünftig reklamieren kann - Ich habe jetzt mit 3 Leuten Kontakt bei ***stock gehabt und die Auseinandersetzung bewegt sich auf dem Niveau von "Da ist nix kaputt, da kommt doch Geräusch raus - aus der Datei!".
moon1883
Stammgast
#11 erstellt: 23. Jan 2020, 07:42
Falls ich von Deinen längeren Ausführungen in #6 als voll-ahnungsloser Laie überhaupt etwas verstanden habe, dann ist Dein Problem doch genau der Loudness War - Einsatz von Kompression UND Limiter in Kombination. Das Zeug wird dann "gebrickwallt" genannt, weil es - wie in Deinem Beispiel ab 30 Sek. - aussieht wie eine Mauer und sich so verhält wie Du es recht anschaulich erklärt hast (u.a. Überschwingen der Membran aufgrund Masseträgheit).

Ich kann sehr gut verstehen, daß Du sagst "das Material ist kaputt", denn simpel um den gewünschten Betrag - etwa 12-18 dB absenken - bringt Dich ja nicht weiter, dann ist die Mauer halt niedriger, aber trotzdem mit einer so "schön" geraden, auf Hochglanz geschliffenen Oberkante ausgerüstet, obwohl Du doch 'ne Hecke brauchst, die seit 10 Jahren nicht mehr beschnitten wurde. Durch die Hecke könntest Du ein bischen durchgucken - durch die Mauer nicht.

Das Zeug in einem Film unterzubringen ist sicher schwierig, vermute ich mal. Regelst Du es auf ein sinnvolles Maß herunter, hört man es kaum und es ist dann wie ein gleichmäßig vor sich hinbrummender Automotor bei konstanter Fahrt. Machst Du es lauter, bleibt vom Filmton (normale Geräusche, Dialoge) nicht viel zu hören und das ist nur selten erwünscht.

Ist halt Schrott und als solchen würde ich das an Deiner Stelle auch zurückweisen. Leider kann man sich's bei der Arbeit nicht immer aussuchen und wenn der Chef will, daß man aus Schei..e Gold macht, kann man nicht viel machen... dann verkauft man gelb übergepinselten Müll, Hauptsache der Chef ist zufrieden...
childofman
Stammgast
#12 erstellt: 23. Jan 2020, 08:56
Moon du hast schon Recht. Und ich gestehe ich musste mir einfach den Frust von der Seele schreiben in der Hoffnung dass ich hier den Glauben an eine bessere Welt wiederfinde. Ganz so dramatisch isses nich - aber es ist einfach unprofessionelles Gemurkse.
Zurückweisen wäre schön, nur wir sind ja nur Masteringstudio - Der Filmemacher wiederum hat von seinem Endkunden den Auftrag bekommen diese Musik einzusetzen. Und die Musik stammt ja von **stock.
Die sind ja wiederum nur Verteileragentur und auch nicht der Musikproduzent...Tja soviel zum Thema Arbeitsteilung und wer ist dafür eigentlich verantwortlich... Ist auch son Thema.
fotoralf
Inventar
#13 erstellt: 25. Jan 2020, 17:05

childofman (Beitrag #9) schrieb:
Ralf, UKW gehört logischerweise zur Kategorie analog. Siehe Tonband, Platte usw..,


Zugegeben, schlechtes Beispiel.

Dann halt DVB-S und DBV-C: da wird das für UKW gesoundete und komprimierte Signal neuerdings einfach um 12 bis 18 dB abgesenkt, damit es R128 entspricht, bevor es auf den digitalen Sendeweg Richtung Kabel und Satellit geht.

Im Sinne des Erfinders ist das ganz sicher nicht, aber das ist leider die Realität und dann wird nicht nur Fremdspannungsabstand auf der Hörerseite verschenkt, sondern z.B. auch die gehörrichtige Lautstärkeregelung ausgehebelt. Deine 90 dB Fremdspannungsabstand ab Leitungseingang haben die wenigsten Consumer-Vollverstärker, und wenn überhaupt, dann bei Nennpegel am Eingang und nicht bei 12 bis 18 dB weniger.

Ralf


[Beitrag von fotoralf am 25. Jan 2020, 17:08 bearbeitet]
childofman
Stammgast
#14 erstellt: 25. Jan 2020, 22:01
Oh - das ist tatsächlich eine Baustelle (DVB) mit der ich mich absolut Null beschäftige und das ist mir bislang völlig entgangen.
Passat
Inventar
#15 erstellt: 26. Jan 2020, 01:05

fotoralf (Beitrag #13) schrieb:
Deine 90 dB Fremdspannungsabstand ab Leitungseingang haben die wenigsten Consumer-Vollverstärker, und wenn überhaupt, dann bei Nennpegel am Eingang und nicht bei 12 bis 18 dB weniger.



So ist es.
Der Rauschabstand bei Verstärkern wird immer bei Nennleistung angegeben.

Und damit sind die Werte auch gar nicht vergleichbar bzw. nur bei Verstärkern mit gleicher Nennleistung.
Beispiel:
Verstärker A hat 2x 100 Watt und ist mit 100 dB angegeben
Verstärker B hat 2x 50 Watt und ist mit 98 dB angegeben.

Dreht man den Verstärker A so weit runter, das er auch nur noch 50 Watt abgibt, ist sein Rauschabstand nur noch 97 dB.
Er hat also absolut gesehen das höhere Grundrauschen.
Die technischen Daten sagen aber genau das Gegenteil aus.

Einige Hersteller geben aber zusätzlich auch noch das tatsächliche Grundrauschen in µV an.
Früher hat z.B. Grundig den Fremdspannungsabstand zusätzlich auch noch bei 50 mW Ausgangsleistung angegeben.

Grüße
Roman
SonyKassette
Inventar
#16 erstellt: 28. Jan 2020, 11:33
Ich war mal bei einem Drumrecording Workshop. Als Monitore waren schwarze Genelecs und zwei deutlich kleinere, graue Neumanns mit Sub.

Zunächst haben wir mit verschiedenen Mikrofonen und Mikrofonpositionen experiementiert. Unglaublich, was man dabei schon kaputtmachen kann. Als wir dann das Schlagzeug optimal aufgenommen hatten, wurde gepant. Dann grob abgemischt und dann fein.

Aus meiner Sicht klang das Schlagzeug dann perfekt über die Genelcs, bei den Neumanns mit dem Sub rummste das einfach nur unnatürlich.

Als wir dann mal Kompression draufklatschten und beide Dateien verglichen, klang die komprimierete Datei irgendwie peppiger, frischer, das ging mehr ab. Aber eben nur 2 Minuten lang. Dann begann das Gehirn zu ermüden. Der Originaldatei konnte man unbegrenzt lange zuhören

In einem anderen Stdio hatte ich mal eine im Studio selbst gemachte Gesangsaufnahme über Geithein RL900, die ganz alten und großen gehört. Den Klang hat nich kein LS getoppt, auch die Genelecs nicht, obwohl die schon verdammt gut waren.
childofman
Stammgast
#17 erstellt: 30. Jan 2020, 04:37
Stimmt - die Monitore sind auch super wichtig. Ich bin selbst schon in eine Nahfeld - Mini Böxlein Falle reingetappt. Direkt danach habe ich die aus dem Studio verbannt. Die Versuchung ist einfach zu groß solange rumzudrehen bis irgendwas aus den Boxen kommt was gar nicht sein kann. Die Ernüchterung kommt so bald man das Master dann auf wirklichen Lautsprechern hört.
Seit ich diese Kleinboxen nicht mehr nutze denke ich da gar nicht mehr dran... Monitorlautsprecher spielen wirklich eine immens wichtige Rolle.
Sundara_Zeynep
Schaut ab und zu mal vorbei
#18 erstellt: 08. Feb 2020, 05:30
Sorry, das ich als Laie meinen Senf dazugebe.
Mein letzter Wissensstand denke ich ist, das bei Digital null noch nichts verzerrt, allerdings ist Digital null von der Industrie noch gar nicht spezifiziert worden. Diese info habe ich aus der BDA eines Master Recorders. Dort wird empfohlen bis max. Null auszusteuern, denn ab wann es darüber verzerrt ist unklar und abhängig vom Musikmaterial . Ich kenne das mit übersteuerten Material hauptsächlich von Heftbeilagen Cd´s. Wenn die klanglich rumnerven, schalte ich meinen Recorder auf Monitor und schau mir das an. In der Regel sind die mindestens zwischen +3 und + 5 angelegt. Ich denke, das die Komprimierung des Materials dann fast unerheblich ist.
Was ich mich nun frage ist, wenn beide Faktoren aufeinander prallen, also totkomprimierte Musik und diese dann noch übersteuern, da krieg ich Angst um meine Anlage, das sind ja dann gar keine Musiksignale mehrsondern nur noch Verzerrungen auf höchstem Niveau.
moon1883
Stammgast
#19 erstellt: 08. Feb 2020, 09:06
Soweit ich (ebenfalls Laie) das bis jetzt verstanden habe, ist digital null ganz einfach der Maximalwert bei der entsprechenden Wortbreite. Bei 16 Bit (HighRes spare ich mir hier, da sind nur die Zahlen größer) sind das +32767 bzw. -32768. Übersteuert ist alles, was darüber läge - was es jedoch nicht kann. Eine Übersteuerung ist dort zu erkennen, wo mehrere Samples hintereinander diesen Maximalwert aufweisen. Das klingt sehr schnell sehr grausam verzerrt; digital 'verzeiht' keine Übersteuerungen; im Gegensatz zur Analogtechnik. Wenn Dein Recorder da +3 oder +5 dB anzeigt, dann ist das eine Schätzung. Meine DATs haben damals alle lediglich "OVER" angezeigt.

Einem solcherlei "gekappten" Signal kann natürlich kein Schallwandler auch nur annähernd folgen, deshalb klingt es so grausam. Umso grausamer, je besser der Schallwandler ist. Deshalb findest Du immer öfter Threads hier im Forum die lauten "ich glaube, mein <guterteurer> Kopfhörer ist kaputt, daundda verzerrt es. Der <billigeschlechte> Kopfhörer verzerrt nicht". Stellt sich dann oft heraus, der <guteteure> ist überhaupt nicht kaputt, sondern die Musik - der <guteteure> gibt den Schrott nur genauer wieder als der <billigeschlechte>, kann aber dem gekappten Zeug auch nicht folgen. Beim <billigenschlechten> oder <einfachenLautsprecher> ist das nicht anders, aber die arbeiten sowieso von Haus aus nicht so akkurat und die gekappten Stellen gehen besser in dem allgemein ungenauen Brei unter.

Das ganze kann man sehr schön sehen, wenn man sich diesen Schrott in einem Wave-Editor ansieht. Man sollte den verantwortlichen Toningenieuren die CDs so lange links und rechts um die Ohren hauen bis sie bluten.
Dadof3
Moderator
#20 erstellt: 08. Feb 2020, 13:55

Sundara_Zeynep (Beitrag #18) schrieb:
Mein letzter Wissensstand denke ich ist, das bei Digital null noch nichts verzerrt, allerdings ist Digital null von der Industrie noch gar nicht spezifiziert worden.

"Digital Null" ist kein Fachbegriff, jedenfalls habe ich das noch nie gehört.

Es gibt 0 dB FS - das ist die maximal mögliche Aussteuerung, so wie von moon1883 geschrieben. Solange das unverzerrte Signal unterhalb dieser Schwelle bleibt, verzerrt auch nichts. Aber das ist ja genau das Problem, dass viele Tonis es über diese Schwelle treiben wollen, und dann kommt es zum Clippen.
SonyKassette
Inventar
#21 erstellt: 08. Feb 2020, 14:37

Man sollte den verantwortlichen Toningenieuren die CDs so lange links und rechts um die Ohren hauen bis sie bluten.


Ich würde dir ja beipflichten wenn es tatsächlich am Toni liegt, aber es gibt immer wieder Bands die zum Toni sagen, wie er das komprimieren soll und lauter machen. Und wenn der sich weigert gehen wie halt zum nächsten Toni. Es müssten sich halt alle weigern.
Dadof3
Moderator
#22 erstellt: 08. Feb 2020, 14:42
Das dürften weniger die Bands selbst sein als die Produzenten.
SonyKassette
Inventar
#23 erstellt: 08. Feb 2020, 14:47
Also du meinst jetzt das der Produzent der Band den Toni dazu zwingt?
moon1883
Stammgast
#24 erstellt: 08. Feb 2020, 14:59
Ist mir doch wurscht, ob das Toni, Bandi oder Prodi ist, für mich ist die Musik kaputt, die ich von einer Band gekauft habe deren Musik ich (an sich) mag, aber nun allenfalls noch im Auto hören kann.

Deswegen hatte ich im letzten Jahr auch sehr wenig Lust, noch Musik zu kaufen. Es macht einfach keinen Spaß mehr! Vielleicht bin ich auch einfach zu alt. Aber wenn ich reinen Lärm will, kann ich in die Fabrik gehen, wo die Maschinen laufen.
Dadof3
Moderator
#25 erstellt: 08. Feb 2020, 17:16

SonyKassettenkaiser (Beitrag #23) schrieb:
Also du meinst jetzt das der Produzent der Band den Toni dazu zwingt?

Genau.

Ich bin nicht aus der Branche, aber ich habe mich mal mit einem Toningenieur über den Loudness War unterhalten, der mir sagte, dass er das auch nicht wolle und nicht gut fände, aber die Produzenten wollen es so. Und da passt das Sprichwort "Wer die Musik bestellt, der bestimmt was sie spielt." nahezu wortwörtlich.
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