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Klassische Musik soziologisch+A -A |
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Autor |
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Martin2
Inventar |
#1 erstellt: 14. Nov 2009, 19:45 | |||
Ich eröffne hier mal einen Thread, zu dem ich selber wenig beizutragen habe, weil mir das Wissen dazu fehlt, der aber für mich eine Frage beschreibt, die mich durchaus interessiert. Ist etwa klassische Musik bürgerlich? Diese Frage zu beantworten, finde ich schon interessant. Etwa unter der besonderen Berücksichtigung westeuropäischer und russischer Musikkultur. Mir ist etwa kein westeuropäischer Komponist bekannt, der adlig gewesen wäre, allerdings auch keiner, der aus einem ausgesprochen proletarischen Umfeld gekommen wäre. Übrigens auch niemand, der ursprünglich Bauer gewesen wäre, obwohl die Landwirtschaft in früheren Jahrhunderten ja einen breiten Raum einnahm. Ich habe mich mit diesen Fragen aber auch nicht intensiv beschäftigt. Im Falle Rußlands sieht es vermutlich anders aus. Also Dostojewski oder Tolstoi und andere kamen zumindestens aus irgendeinem adligen Millieu, bei den Komponisten sieht es vermutlich ähnlich aus? Da scheint es einen soziologischen Unterschied zwischen Westeuropa und Osteuropa zu geben, zumal Rußland auch lange die Leibeigenschaft kannte. Irgendwo las ich einmal, daß Rußland sehr durch die Tatsache geprägt war, daß es die Form von "bürgerlicher Gesellschaft" wie es sie der Westen kannte, so nicht gab. Und wie sieht es im 20. Jahrhundert aus, kann man dort feststellen, daß sich die Klassenunterschiede verwischt haben? Bei den Produzenten klassischer Musik wie auch bei den Rezipienten? Wir hatten ja auch einmal den Thread "Klassik für den kleinen Mann", in dem ich im Gegensatz zum Threadinitiator einen gewissermaßen klassenlosen Standpunkt vertreten habe. Glaube daran nicht, glaube aber trotzdem, daß diese Dinge heute noch eine Rolle spielen und daß sie ein interessantes Feld der Diskussion sind, wenn man denn darüber etwas genaueres weiß, was bei mir aber nicht der Fall ist. Gruß Martin |
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Mellus
Stammgast |
#2 erstellt: 14. Nov 2009, 21:11 | |||
Hallo Martin, so richtig bin ich noch nicht hinter Deine Thread-Idee gestiegen. Was wäre denn beispielsweise eine vornehmlich adlige (= nicht-bürgerliche) Tätigkeit/Kunst? Teppiche knüpfen? Länder regieren? Es schwant mir, dass eine sinnvolle Beschäftigung mit Deiner Frage eine Menge an historischer und gesellschaftlicher Differenzierung bedarf, etwas dass ich nicht leisten kann. Ich beschränke mich daher auf zwei Gegenbeispiele: 1.) Anton von Webern; 2.) Giacinto Scelsi. Viele Grüße, Mellus |
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Martin2
Inventar |
#3 erstellt: 14. Nov 2009, 21:35 | |||
Hallo Mellus, war Anton Webern adelig? Wußte ich nicht. Aber ich gebe Dir recht: Um über das Thema sinnvoll zu reden, bräuchte es vermutlich mehr Wissenshintergrund. Bei Musiksoziologie fällt mir nur der Name Adorno ein und den mag ich nicht. Nur irgendwie sind Klassendünkel und Klassenvorurteile und unterschiedliche Chancen auf Grund unterschiedlichen Herkommens durchaus noch kein Thema, das man zu den Akten legen könnte. Erinnere mich an eine Diskussion in einem anderen deutschsprachigen Klassikforum, wo es um das Thema ging, ob Proletarier in klassische Konzerte kommen sollten und eine Person über eine solche Vorstellung entsetzt war, denn wenn Proletarier in klassische Konzerte kämen würden Bierflaschen in den Mittelgang geworfen. Was für eine absurde Vorstellung. Ansonsten muß halt jeder selber wissen, ob er als Bauarbeiter arbeiten will oder als Bibliothekar. Das hat für mein Gefühl mit Klasse nichts zu tun. Nur daß der Dünkel an sich ausstirbt, glaube ich nicht. Aber vielleicht ist der Thread als solcher sinnlos, wenn sich niemand sozusagen "wissenschaftlich" mit einem solchen Thema auseinander gesetzt hat. Gruß Martin |
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Mellus
Stammgast |
#4 erstellt: 14. Nov 2009, 22:49 | |||
Ja. Sein Vater war Freiherr. Anton hat das "von" abgelegt, weil es sich im Dritten Reich nicht so gut machte. Wenn mich mein Bruchteilwissen nicht täuscht, wurde in der Soziologie es letzten Jahrhunderts die alte Ständeordnung -- Geistliche, Adlige, Bürger -- durch eine wohl wirtschaftliche ausgerichtete Ordnung -- arm, reich -- ersetzt. Eine entscheidene Differenzierung war die Entdeckung der Mittelschicht. Warum man diese, aus völlig anderen Gründen getroffene Einteilung, nun mit Musik- und/oder Kunstgeschmack im Allgemeinen aufladen möchte, leuchtet mir nicht so recht ein. Über ein Brückenargument wäre ich daher dankbar. Dass Bildung irgendwie ein Rolle spielt, ist wohl evident. Aber eine kausale Aussage rechtfertigt das in meinen Augen noch lange nicht. Es ist eher wie mit den Storchen und den Kindern. Viele Grüße, Mellus |
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Klassikkonsument
Inventar |
#5 erstellt: 14. Nov 2009, 22:49 | |||
Hallo Martin,
Ich will jetzt gar nicht behaupten, Eingehenderes zu diesem Thema beitragen zu können. Aber recht plausibel scheint mir der Gemeinplatz, dass die Kunst nicht als überzeitlich geltender Ausdruck und nur eigengesetzlich entsteht, sondern immer auch Selbstbespiegelung, Selbstvergewisserung der den Ton angebenden Gesellschaftsschicht ist. Wenn man überhaupt von wahr und falsch in der Kunst reden kann, dann wohl in Bezug auf das Gesellschaftsportrait, das sie darstellt. Viele Grüße |
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Klassikkonsument
Inventar |
#6 erstellt: 14. Nov 2009, 22:53 | |||
Ich dachte, das "von" hätte er bereits nach dem 1. Weltkrieg abgelegt. Im Zuge der Abschaffung der Monarchie und Privilegien des Adels. Bin mir aber gerade auch unsicher. |
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Mellus
Stammgast |
#7 erstellt: 14. Nov 2009, 23:04 | |||
Hallo Klassikkonsument, Du braucht gar nicht unsicher zu sein. Soeben habe ich in einem Komponistenbuch Weberns Kurzbiographie gegengelesen und dort steht Deine Version. In Österreich gab es nach dem 1WK eine Art "Adelsabschaffungsgesetz" in dessen Zuge Webern auf den Namenszusatz verzichten musste. Viele Grüße, Mellus |
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Klassikkonsument
Inventar |
#8 erstellt: 14. Nov 2009, 23:08 | |||
Weberns Vater oder Großvater hatte bereits das ursprüngliche "Weber von Webern" gekürzt. Offenbar hat der Anton eine gewisse Neigung zur Verknappung geerbt. (ein Kalauer, so flach wie er nerdig speziell ist) [Beitrag von Klassikkonsument am 15. Nov 2009, 00:10 bearbeitet] |
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Argon50
Inventar |
#9 erstellt: 14. Nov 2009, 23:14 | |||
Hallo!
Absurd trifft den Nagel hier auf den Kopf. Wenn man bedenkt wie es zu Zeiten der Entstehung vieler Werke an den fürstlichen und königlichen Höfen zuging und welche Sitten damals herrschten verursacht mir diese Aussage, wäre sie nicht so erschreckend und traurig, sogar ein kleines Schmunzeln über die scheinbar völlige Ahnungslosigkeit solcher Menschen die sich ja offensichtlich für "besser" als das gemeine Volk halten. Grüße, Ludwig |
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Martin2
Inventar |
#10 erstellt: 14. Nov 2009, 23:16 | |||
Hallo Mellus, will ich doch gar nicht. Ich denke, wir sind hier durchaus einer Meinung. Vielleicht sollte man sich an der Vokabel "Soziologie" nicht so festklammern.
Sicher spielt Bildung "irgendwie" eine Rolle. Wertvorstellungen gewisser gesellschaftlicher Klassen allerdings auch. Klassikkonsument schrieb denn auch:
Das sehe ich dann allerdings weniger so, was ist schon an der Mondscheinsonate so viel "Selbstbespiegelung" herrschender gesellschaftlicher Schichten, es ist einfach geile Musik und weiter gar nichts. Die Wahrnehmung von Kunst unter solchen Kategorien ist aber offensichtlich. Erinnere an die Diskussion mit DJBummbumms Thread "Musik für kleine Leute", wo er vollkommen mit Klassenargumenten argumentierte und die Diskussion dann auch daran scheiterte, daß ihm dieser Klassenstandpunkt letzlich nicht auszutreiben war. Vorstellungen dieser Art sind in unserer Gesellschaft noch absolut virulent. Klassische Musik wird dort immer noch gelegentlich als "bürgerlich" oder sogar "bildungsbürgerlich" wahr genommen. Das mögen alles Illusionen sein, aber Illusionen, an die immer noch geglaubt wird und die dann eine durchaus reale Konsequenz zeitigen. Ein Freund von mir mußte mir gleich an den Kopf knallen, daß er "Proletarier" sei - nur arbeitet er in einem durchaus unproletarischen Beruf und ist ansonsten "bildungsbürgerlich", wie man es sich nicht mehr wünschen kann. Bei der Umfrage nach dem "bedeutensten Deutschen" landete Karl Marx auf Platz 3, hier in Hamburg auf Platz 1 - der eine "Philosophie" des "Klassenkampfes" lehrte, da kann man doch kaum davon sprechen, daß Klassenvorstellungen in dieser Gesellschaft durchaus tot sind. Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#11 erstellt: 15. Nov 2009, 12:38 | |||
Wir können ja mal eine Umfrage unter den Nutzern der Klassikabteilung dieses Forums machen, um festzustellen aus welchen sozialen Schichten mit welchem Bildungshintergrund sich die Teilnehmer/Leser huier rekrutieren. Am besten anonym. Joachim |
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Martin2
Inventar |
#12 erstellt: 15. Nov 2009, 15:12 | |||
Hallo Joachim, ob anonym oder nicht - finde ich keine gute Idee. Weder das Herkommen, noch die Ausbildung, noch der Beruf von jemandem interessiert mich hier - ich will das gar nicht wissen. Wir sind hier einfach Klassikliebhaber und dabei soll es auch bleiben. Mich interessiert nur das Thema. Wobei ich schon denke: Jemand hat diese gewisse Musikalität, sich gewisse Musik gerne anzuhören oder eben nicht. Dazu braucht es keine Soziologie, wobei ich von Soziologie als Wissenschaft sowieso wenig halte, Menschen sind Individuen und selbst in der Masse bleiben sie Individuen. Ich denke nur: Erstens spielt die soziale Zuordnung in der Vergangenheit eine enorme Rolle. Und damit auch die Frage: Wer produziert welche Musik, wer hört welche Musik? Und in der Gegenwart spielt das denke ich immer noch eine Rolle. Und zum Beispiel Kurt Weill schreibt eine eher "proletarische Oper", die Dreigroschenoper, sehr revolutionär, aber auch denunzierend, weil sie im Grunde doch das Vorurteil bedient, daß man dem "kleinen Mann" eben dann vielleicht doch nur so eine einfache Musik zumuten kann. Warum bitteschön bedient sich ein Weill nicht etwa der Klangsprache eines Schönbergs oder Hindemiths, warum schreibt er so fesche proletarische Lieder? Natürlich hat das Stück eine Qualität, aber die Simplifizierung der Klangsprache ist offensichtlich, wenn man sich an die Unterdrückten und die Proletarier wendet. "Richtige" klassische Musik, die ein Weill durchaus schreiben konnte - man denke an die Sinfonien, die ich allerdings nur flüchtig kenne - scheinen für den Proletarier offensichtlich nichts zu sein, er braucht da was Schmissigeres fürs einfache Gemüt. Und wiegesagt: Auf seine Weise ist das durchaus gut - aber darum geht es nicht. Gruß Martin |
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Klassikkonsument
Inventar |
#13 erstellt: 15. Nov 2009, 16:11 | |||
Hallo Martin,
vielleicht habe ich auch zu leichtfertig als Gemeinplatz vorausgesetzt, was in meinem Literaturstudium oft nur noch im Halbsatz gesagt wird und eben als selbstverständliche Voraussetzung dasteht. In der Literatur ist diese These allerdings auch besser zu untersuchen, während Musik ja eine ziemlich abstrakte Kunst ist. Denn da geht es ja oft um die Frage, welchen Platz ein Individuum in der Gesellschaft hat oder erreichen kann (z.B. Gottfried Keller: "Der Schmied seines Glückes", alle sogenannten Entwicklungsromane). Insofern hast Du recht: Man muss Musik nicht unbedingt als Selbstbespiegelung einer Gesellschaftsschicht hören. Man muss nicht Ludwig XIV. sein, um Lullys Musik zu mögen. Die spannende Frage ist, ob es allgemeine Voraussetzungen dafür gibt, etwas mit Genuss zu hören, "einfach als geile Musik" zu empfinden. (Da ergibt sich übrigens auch ein Anknüpfungspunkt an die Hirnforscher-These, atonale Zwölfton-Musik überfordere die Menschen. Da werden dann erstmal allgemein-menschliche, biologische Rezeptionsbedingungen geltend gemacht.) Es wäre auch sicher Unsinn die Mondschein-Sonate komplett aus dem Selbstverständnis des aufstrebenden Bürgertums ableiten zu wollen. Aber dass so ein Selbstverständnis eine Rolle dafür spielt, was man tragisch, traurig, lustig, überhaupt interessant usw. findet, scheint mir schon plausibel. Wenn es in C.Ph.E.Bachs Klaviermusik plötzlich seufzt wie nie zuvor, hat das mit einem neuen Verständnis und einer neuen Bewertung von Subjektivität zu tun. Die Rezeptionsbedingungen sind ja auch je nach Gesellschaftsschicht unterschiedlich. Nach täglich 8 Stunden Arbeit hört sich Mahlers 3. oder eine Wagner-Oper nicht mehr so leicht. Da liegt einem "Heute schütte ich mich zu" (Karl Dall) vielleicht doch näher. Das ist eine Distinktion, die nochmal unabhängig davon ist, ob und wenn ja welches Klassenbewusstsein man pflegt. Viele Grüße |
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Martin2
Inventar |
#14 erstellt: 15. Nov 2009, 16:57 | |||
Wenn es um anspruchsvolle Musik geht, gibt es dafür im wesentlichen 3 Voraussetzungen, eventuell eine 4., sehr gelegentlich eine 5. 1. Musikalität, ohne die läuft gar nichts 2. Konzentriertes Hören 3. Bereitschaft zum wiederholten Hören, auch wenn einem eine Musik am Anfang nicht gefällt Eventuell dann 4. Hörerfahrung Und sehr gelegentlich möglicherweise auch 5. Musikalische Bildung In dieser Hinsicht glaube ich dann, daß das Hören von klassischer Musik keine Frage von sozialer Herkunft, Bildung und dergleichen ist. Wichtig ist nur Musikalität. Nur soziale Unterschiede werden im wesentlichen darin bestehen, daß gewissermaßen eine "Erziehung", weit weniger eine "Bildung" in den Punkten 2-4 stattfindet. Viele Menschen sind in Hinsicht auf Musik schlicht und ergreifend "schlecht erzogen". Sie hören einmal Bruckners 9. beim Kartoffelschälen oder noch besser beim Lesen eines Kriminalromans und sie gefällt ihnen nicht und sie stellen fest, daß klassische Musik nichts für sie ist. Solche Albernheiten. Und das ist ganz sicher auch ein Schichtenproblem. Natürlich ist nicht jede Musik für jeden, aber viele Leute sind in dieser Hinsicht in der albernsten Weise erzogen, bzw. konditioniert. Und das kriegst Du aus den Leuten nicht raus. Und klar: Wenn man einen langen Arbeitstag hat, hört sich eventuell gewisse Musik nicht mehr so leicht. Aber immerhin gibt es ja die Wochenenden, sogar Samstag und Sonntag - das ist für mich keine Entschuldigung. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#15 erstellt: 15. Nov 2009, 19:10 | |||
Hallo! Nun die Spanne der Komponisten des 20. Jahrunderts geht von z.B. Schönbergs Lehrer Alexander von Zemlinsky bis zu dem Arbeiterkind Allan Pettersson. In früheren Jahrhunderten war der Anteil der oberen und unteren Schichten sicherlich geringer, wohl eine Frage des Bildungshorizontes, viele Adelige und Bauern/Arbeiter konnten weder Lesen noch Schreiben. Das waren "banausische" Fertikeiten für Kaufleute und Handwerker die sie zu ihrer Tätigkeit benötigten. Komponierte profane Musik war bis zur Französischen Revolution ein teuerer Luxusartikel der im großen ganzen dem Erb- und Geldadel vorbehalten war. Für die breite Masse gab es allenfalls Singspiele und Platzkonzerte. Die Komponisten jener Zeit wurden demgemäß auch eher als Handwerker betrachtet denn als Küstler im heutigen Sinne. Der Aufstieg des Bürgertums in ersten Drittel des 19. Jahrhunderts brachte eine neue Sicht auf die komponierte Musik. Erst in der Rolle der Kammermusik als Hausmusikquelle und der Orchestermusik als Massenereignis in Öffentlichen Konzertsälen konnte die Komponierte Musik hier erstmals einem größerem Publikum regelmäßig zu Gehör gebracht werden. Aus dieser Zeit resultiert auch das heutzutage noch in diversen Kreisen gepflegte Image der komponierten Musik als "Bildungsmusik" und als "Bürgermusik". Und ja, von ihren Verständniss her ist die komponierte Musik auch heute noch Bürgerlich, zumindestens sehr große Teile davon, der Versuch die komponierte Musik im 20. Jahrundert zu "Entbürgerlichen" kann man getrost als gescheitert betrachten. Ein Blick in die Konzertsäle sollte genügen diesen Umstand zu verdeutlichen. Ganz anders allerdings die Rezeption der komponierten Musik auf Tonträger. Während noch in den 50-gern und 60-gern diese Musik auch auf Tonträgern vorwiegend eine Angelegenheit der "besseren" Kreise war hat sich das mittlerweile geändert. Nicht zuletzt verdanken wir diesen Wandel, -zumindestens hier in Deutschland-, dem vielgeschmähten Herbert von Karajan und der Deutschen Grammophon, in anderen Ländern haben z.B. Leonard Bernstein, Karl Böhm u.A. Dirigenten sowie andere Labels diesen Wandel bewirkt. Zwar ist der Verkaufsanteil entsprechender Tonträger im Vergleich mit Tonträgern Populärer Musik verschwindend gering aber dafür erfreulich Stabil. MFG Günther |
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Martin2
Inventar |
#16 erstellt: 15. Nov 2009, 20:45 | |||
Hallo Günther, ein sehr interessanter Beitrag von Dir für den ich mich sehr bedanke. Nur:
kann ich insofern nicht nachvollziehen, als es meinem Wissenstand entspricht ( leider hätte ich mir die Quelle mal merken sollen), daß die klassische Musik nach dem zweiten Weltkrieg einen Marktanteil von 50 oder 60 % hatte, sehr hoch jedenfalls, und dann permanent auf heute wohl so 10 % gefallen und in den Vereinigten Staaten siehts noch wesentlich lausiger aus. Wenn die klassische Musik früher einen so hohen Marktanteil hatte, können dies nicht nur bessere Kreise sein. Gut, möglicherweise ist da auch viel Operette oder so was dabei. Jedenfalls ist das, was Du schilderst gerade keine Successtory - sondern genau das Gegenteil davon: Eben weil die Klassikgemeinde enger zusammengerückt ist, spielen dann Klassengesichtspunkte möglicherweise tatsächlich eine untergeordnetere Rolle. Man muß bei allen negativen Dingen auch das Positive sehen.
Also diesen Satz muß ich erst mal verdauen. Die deutsche Grammophon war nun wirklich die Edelmarke schlechthin, all diese Platten waren sauteuer, mir als jungem Mann immer zu teuer und gerade die sollen einen Gesinnungswandel befördert haben? Ach was, die haben Marketing ohne Ende betrieben und Karajan zum Gott emporgehypt, das war gute Reklame, weiter nichts. Abravanel und das Utah Sinfonieorchester haben da was getan, diese Mahler und Sibelius LPs konnte ich mir als Schüler wenigstens leisten ( aber mein Gott war der Sibelius schlecht gepreßt). Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#17 erstellt: 15. Nov 2009, 23:17 | |||
Hallo Martin Ein bisschen widersprüchlich finde ich Deine Reaktion schon. Du sagst, dass dich die Soziologie der Klassikhörer und -produzenten interessiert, aber gleichzeitig ist dir sowohl die Soziologie unserer community gleichgültig und hältst du von der Soziologie sowieso nichts (was ich verstehen kann). Jedenfalls ging's bisher wohl hauptsächlich um Komponisten. All zu ernst war die soziologische Erhebung unter uns Forianern ohnehin nicht gemeint, da die Beteiligung sowieso keinerlei Schlüsse zulassen würde. Ich bin mir auch nicht sicher, wie wichtig Musikalität als Voraussetzung für's Klassikhören ist. Ich bin relativ unmusikalisch. Es ist mir nie gelungen, eine Geige richtig zu stimmen, sauber zu intonieren und rhythmisch exakt zu spielen. (Darum habe ich die Beschäftigung mit diesem Instrument schon lange aufgegeben). Trotzdem bin ich ein eher fanatischer Klassikhörer. freundliche grüsse Joachim |
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Martin2
Inventar |
#18 erstellt: 15. Nov 2009, 23:58 | |||
Hallo Joachim, ich bin in gewisser Hinsicht auch ziemlich unmusikalisch. Über einfache Stücke klassischer Gitarre habe ich es nie heraus gebracht und an der Lachrima Pavan von Dowland, die ich gerne gespielt hätte, bin ich definitiv gescheitert. Wie genau unmusikalisch ich nun bin weiß ich allerdings nicht. Ich glaube auch schon, daß es auch zum Hören von Musik einer gewissen Musikalität bedarf ( wie heißt es im Musikkritiker von Georg Kreisler "Nur für mich ergibt das alles keinen Sinn, weil ich unmusikalisch bin"). Wer ein Instrument spielen will, muß erst einmal verbissen üben. Wenn Du an Deiner Geige vom 4. - bis zum 18. Lebensjahr jeden Tag fleißig 8 Stunden geübt hättest, wer weiß, wie weit Du gekommen wärest. Du hast vermutlich schnell aufgegeben. Und aus mir wäre nun bestimmt nie ein Tarrega geworden, aber ein bißchen weiter hätte ichs mit Sicherheit bringen können. Mich hat das mit der Lachrima Pavan halt frustriert, nachdem ich fest stellte, daß ich das Stück nicht packe, war mein Elan erloschen. An der "Soziologie" sollten wir uns nicht fest beißen. Musikalität auch zum hören braucht man und die ist glaube ich ungleich verteilt - aber eben gerade nicht nach "Klassen" und man kann Atomphysiker ein und trotzdem unmusikalisch, wie auch ohne Schulabschluß und die klassische Musik fliegt einem zu. Eine Umfrage, wieviel Leute hier Abitur haben meinetwegen würde nur unsere Neugier befriedigen, aber für mein Gefühl nichts zum Thema beitragen und ich fände sie unschön, will Dich aber nicht aufhalten. Ich habe nun in diesem Thread aber sowieso den Eindruck, daß einige hier sinnvolle und für mich aufschlußreiche Beiträge gebracht haben - zum Beispiel war es mir nicht so klar, daß der Adel zu gewissen frühen Zeiten wohl tatsächlich nicht lesen konnte, weil man das unter seiner Würde fand, das habe ich durch Hörbert erfahren - aber nun zerfleddert der Thread anscheinend. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#19 erstellt: 16. Nov 2009, 00:10 | |||
Hallo! @Martin2 Es ist recht gut möglich daß der Klassikanteil an den Plattenverkäufen nach dem zweiten Weltkrieg 50% betragen hat. -Nur wie hoch waren die Gesamtverkäufe-? Schließlich war in den 50gern und auch noch in den frühen 60gern ein Plattenspieler in den meisten Haushalten noch keine Selbstverständlichkeit. Hauptgerät für Musikalische Unterhaltung war insbesondere in den Finanzschwächeren Haushalten lange Zeit das Radio. Ich denke daß erst mit dem Siegeszug des Transistors im Verlaufe der späten 60ger Jahre Plattenspieler, Verstärker und Lautsprecher auf breiter Front in die Wohnzimmer der Arbeiterschaft eingezogen sind. Hier war dann wohl eher Unterhaltungs- und Tanzmusik gefragt. Einen weiteren Schub dürft dann die musikalische "Aufrüstung" der Teenagerzimmer zu Anfang der 70ger gebracht haben, hier war dann vor allem Rock-Popmusik gefragt. Das dabei auch der Anteil an Klassikverkäufen mit hochgegangen ist könte man wohl anhand der Verkaufszahlen ermitteln so man sie hätte. Aber das ist natürlich nur eine These, möglicherweise irre ich mich ja auch. Klar waren die DG-Platten verhältnissmäßig teuer, aber immerhin hat die Werbung der DG erstmal überhaupt den Bedarf für Klassische Musik in weiten Kreisen geweckt. Irgenwann hatte praktisch jeder den ich kannte zumindestens etwas von Bach, Mozart, Hayden oder Beethoven als Schallplatte herumstehen. An Mahler oder Sibelius (ausser dem Violinkonzert in der unsäglichen Karajan/Ferras Interpretation) war bei den allermeisten natürlich nicht zu denken. Aber ich erinere mich noch gut an einen damaligen Freund der von Heute auf Morgen seine Rockplatten entsorgte und sich mit klassischer und neuer Musik eindeckte und gar nichts anderes mehr hören wollte. Lange Jahre war er gegen jede andere Musik geradezu allergisch. Viele der damaligen "Reinschnupperer" sind mit der Zeit geradezu auf den Geschmack gekommen, heute kenne ich eigentlich keine Plattensammlung ohne #(zuweilen natürlich recht schmale) Klassik-Ecke mehr die sehr wohl auch gehört wird. Allerdings würde auch heute noch keine zehn Pferde die Besitzer in ein klassisches Konzert bringen, aber nicht wegen der Musik, sehr wohl aber immer noch wegen dem Publikum. Ich denke mal nicht das die klassische Musik heute noch als "Klassenmusik" betrachtet werden kann, sehr wohl aber ein guter Teil des Konzertbetriebes. Wenn ich mir nur das getue um Karten für Bayreuth anschaue, sehe ich hier ein leuchtendes Bollwerk der Klassengegensätze. Klassische Literatur und klassische Musik haben m.E. schon seit geraumer Zeit als Eckpfeiler des Bildungsbürgertums zusammen mit diesem als Mittel der Abgrenzung ausgedient. Golf, teuere Reitsportarten und exclusive Kunstauktionen sind weitaus vergnüglichere Mittel, Bildung ist heutzutage billig und im offentlichen Bewußtsein kein Statussymbol mehr. MFG Günther |
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Martin2
Inventar |
#20 erstellt: 16. Nov 2009, 01:27 | |||
Hallo Günther, dieses Phänomen, daß man sich über Klassik nicht abgrenzt, beobachte ich allerdings auch. Und auch daß umgekehrt nicht mehr diese absolute Klassikphobie herrscht. In meiner Gymansialklasse war ich allerdings mit meiner Liebe zur Klassik völlig isoliert. Dann traf ich allerdings einen ausgesprochenen Hififreund, der auch Mahlers 9. oder ähnliches hörte. Nach der Schulzeit traf ich einen Exschulfreund, der angefangen hatte, die Musik Bruckners zu lieben. Aber insgesamt war es wirklich ausgesprochen mau. Daß Leute heutzutage häufig ein paar Klassikplatten haben stimmt. Aber dann auch wirklich sehr wenige. Diese Beobachtung mache ich sehr häufig. Also meine Exfreundin mochte etwa die Fairy Queen und Dido und Äneas von Purcell und Elgars 1. Sinfonie. Die fand sie schön. Ich versuchte ihr Bruckner schmackhaft zu machen, aber das klang alles "nach Wald". Also das habe ich wirklich nie begriffen, wie kann man denn zum Beispiel als einzige Sinfonie nur Elgars 1. hören und sich Elgars 2. nicht mal anhören wollen. Aber viele Leute hören meinetwegen nur Vivaldis Jahreszeiten oder die Klavierstücke von Satie. Vielleicht noch 2, 3 andere Sachen mehr, aber dann ist Schluß. Das hat für mich so etwas wie: Ich habe was gefunden, was mir schmeckt und das ist mein Stammlokal und da gehe ich dann wieder hin. Warum soll man sich auch durch tausend Restaurants durchfressen, wenn man den Griechen um die Ecke hat. Ganz komisch diese Mentalität. Gut, die Beschränkung hat vielleicht auch was. Aber bei vielen Menschen ist das wirklich sehr extrem. Man muß es vielleicht nicht so weit treiben wie manche hier, aber daß mans vielleicht ein bißchen weiter treiben möchte, das erschiene mir eigentlich natürlich. Also diesen Minimalismus verstehe ich nicht. Aber das Bildungsbürgerliche, da gebe ich Dir recht, hat sich völlig abgeschliffen. Und wenn überhaupt, gehts nur darum, ein Wissen a ´la Schwanitz zu haben. Und das Schöne an der klassischen Musik ist ja sowieso, man muß sich ja eigentlich gar nichts merken. Bei Goethes Faust solltest Du wenigstens die Hauptfiguren und die Handlung einigermaßen im Kopf zu haben, aber bei klassischer Musik brauchst Du nur zu sagen: Ich hörte neulich wieder Beethovens 9. Was für eine großartige Musik! Es könnte aber genauso gut auch das Wohltemperierte Klavier von Bach oder Bruckners 7. oder die Hammerklaviersonate sein, du brauchst einfach nur sagen: Was für großartige Musik! Vielleicht offenbarst Du damit keine großartigen musikalischen Kenntnisse, aber einen gebildeten Eindruck in Punkto Musik zu machen, ist wirklich sehr einfach, Du mußt nur ungefähr wissen, wieviele Sinfonien die großen Komponisten geschrieben haben und nur alles großartig zu finden. Bei Literatur oder gar Philosopie ist das nicht ganz so einfach. Gut, man sollte vielleicht nicht zu sehr die pastoralen Eigenschaften von Beethovens 5. loben. Nur weiß ich gar nicht, ob Hochstapelei in diesem Feld so weit verbreitet ist, weil sie ja auch zu einfach zu betreiben ist. Deshalb ist klassische Musik vermutlich doch mehr eine Sache des eigenen Vergnügens. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#21 erstellt: 16. Nov 2009, 12:43 | |||
Hallo! @Martin2 Bei vielen von uns hier ist Musik wohl schon eher eine Leidenschaft als nur ein Vergnügen. Aus dieser Sicht heraus verstehst du, -denke ich mal-, auch jene Leute mit der einen Elgar-Symphonie nicht gut. Da gibt es zuweilen übriges eine einfache Lösung (haut natürlich nicht immer hin.) einfach mal ein Werk aussuchen das in die gleiche Kerbe haut aber noch ein wenig weiter geht, bei vielen Leuten kommt der Hunger erst beim Essen. Das jemand mit Bruckners Musik nicht warm werden will ist für mich leicht verständlich, -auch wenn ich Bruckner selbst großartig finde-, die innere Zerrissenheit, die Torsohaftigkeit seiner Sätze und der massive Mischklang ist eben für viele ungeübte Hörer recht schwere Kost. Zum Reinhören für Newcomer nehme ich gerne Grieg´s Holberg-Suite oder eine der beiden letzten Symphonien von Tschaikowski. Oder für Rock-Hörer mit längerer Aufmerksamkeitsspanne zuweilen auch mal Mahlers sechste Symhonie. Das ist überhaupt so eine Sache mit der für ein Musikstück verfügbarer Konzentrationsspanne des Einzelnen, hier stellt die Klassische Musik m.E. für viele ein Problem dar. Viele Hörer anderer Musiksparten sind auf 3- bis 10 Minutenstücke quasi konditioniert, schon ein Werk mit einer zwanzigminütigen Dauer kann da schon eine große Überforderung darstellen. Dazu kommt die komplexe Harmonik und die Dynamischen Momente die für einen Nicht-Klassik-Hörer unmotiviert sein können. Hier bereitet die Musik dann eben kein Vergnügen mehr sondern Mühe. Das alles ist m.E. ein Grund für die schmalen Klassikecken in den Musiksammlungen. Immer noch gilt Klassische Musik als ernste Musik, als schwere Musik, kurz als das Gegenteil von Unterhaltung und Vergnügen. Das sind Vorurteile gegen die ein direktes Angehen schwierig ist. Einige deutliche Erfolge habe ich erzielt indem ich einfach im richtigen Moment das richtige Werk in den Player geschoben b.z.w. auf den Plattenteller gelegt habe. So haben zum Beispiel Bartok´s Klavierkonzerte oder Shostakovich´s Symphoniern ihre Liebhaber bei Pop- und Rockhören gefunden die sich mittlerweile immer mal wieder das eine oder andere Werk aus dem Klassikbereich nicht nur zulegen sondern auch anhören. Bei Jazzhörern habe ich sehr oft ein offenes Ohr für Stücke aus dem Bereich der neuen Musik gefunden, einige sind mittlerweile auf diesem Gebiet profunde Hörer und Sammler geworden die jetzt mir eher etwas neues zeigen können als ich ihnen. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 16. Nov 2009, 12:47 bearbeitet] |
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Klassikkonsument
Inventar |
#22 erstellt: 16. Nov 2009, 14:53 | |||
Vor Kurzem wurde über die soziologische Zuordnung klassischer Musik unter einem ganz praktischen Gesichtspunkt diskutiert: Klassik zur Vertreibung von in U-Bahnhöfen Herumlungernden. Viele Grüße |
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op111
Moderator |
#23 erstellt: 16. Nov 2009, 15:03 | |||
Soll man da Weinen oder Lachen? |
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Klassikkonsument
Inventar |
#24 erstellt: 16. Nov 2009, 16:15 | |||
Hallo Martin,
Also, ich finde das gar nicht komisch. Niemand ist da ohne Beschränkung. Um im Bild zu bleiben: Höchstens Gastronomie-Kritiker fressen sich durch 1000 Restaurants. Wo man seine Grenze zieht oder wohin man sie nach einer gewissen Zeit verlagert, ist wieder eine andere Frage. Das hat aber nichts mit Natürlichkeit zu tun. (Oder kannst Du da mit neuen Ergebnissen aus der Hirnforschung aufwarten? ) Hedonismus sollte doch auch bei der Musik die oberste Maxime sein. Ich sage dann halt gelegentlich auch dem eingefleischten Schlager-Hörer, dass es noch mehr zu entdecken gibt, und das ich da mitunter ganz gute Erfahrungen gemacht habe. Ich würde auch nicht damit zurückhalten, inwiefern ich meine, dass in der Klassik in bestimmter Hinsicht bessere Musik zu finden ist. Aber Bruckner kann die "Schöne Maid" nicht ersetzen. Was soll man dagegen sagen, wenn dann jemand immer noch bei seinem Stammlokal bleiben will?
Dieses Phänomen tritt in gewisser Weise überall in der Kultur auf, auch in der Kulturindustrie. Wenn mir jemand von einem neuen Kino-Film erzählt, aber kaum mehr rüberkommt als "Der ist toll!", frage ich auch noch mal nach. Es dauert oft lange bis das eigentliche Gespräch überhaupt beginnt. Viele Äußerungen über Kulturprodukte sind nur Überschriften, die zur ersten Orientierung gut sein mögen, auf die Dauer aber den Charakter eines nichtssagenden Platzhalters, eines schlechten Ersatzes haben. Da sehe ich Artikel in der Jugendzeitschrift, die nur Klischees wiederkäuen, ganz nah beim Artikel im Konzert-Führer, der nur alte Vorurteile reproduziert. Es ist doch weitaus interessanter, wenn jemand "Unbedarftes" sagt, warum er Bruckner langweilig oder ätzend findet. Da kommt dann womöglich mal der Inhalt zur Sprache. Das ist ein Beitrag gegen die allgemeine Dürftigkeit des Lebens.
Bildung spielt als Status-Symbol keine so große Rolle mehr wie etwa vor 50 Jahren. Aber immerhin soll es ja noch einen Bedarf an Hörbüchern geben, die für einen anerkannte Klassiker zusammenfassen, damit man mitreden kann. Im Übrigen interessiert mich die Zuordnung von Genren der Kultur auf verschiedene Gesellschaftsschichten weniger. Fast jedes Kultur-Produkt macht eine Aussage darüber, welche Perspektiven es für das Glück in dieser Welt gibt. Sei es die große Oper, sei es der Schlager, der von der großen Liebe singt. Viele Grüße |
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Hörbert
Inventar |
#25 erstellt: 16. Nov 2009, 18:39 | |||
Hallo! @Klassikkonsument
Die dahinterstehende Denkweise zeigt von einer erschütternden geistigen Primitivität der Urheber dieser Idee. Dabei ist das erschrekende weder das zugrundelegende Motiv (obwohl das alleine schon bedenklich genug ist) noch das hier zum Vorschein kommende Weltbild (die Welt ist platt und so bleibt datt) sondern daß sich die Betroffenen nicht einmal über eine solche Bloßstellung im klaren sind. Hier wäre m.E. ein sofortiger Intelligenz- sowie wohl auch ein Drogentest des Urhebers dieser Idee dringend angeraten. MFG Günther |
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Joachim49
Inventar |
#26 erstellt: 16. Nov 2009, 20:05 | |||
In niederländischen Bahnhöfen wird klassische Musik schon lange als "Waffe" eingesetzt. Die Berliner können da ja mal nachfragen, welche Resultate erzielt wurden. Joachim |
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Martin2
Inventar |
#27 erstellt: 16. Nov 2009, 21:26 | |||
In Hamburger U Bahnhöfen erklingt auch schon seit Jahren klassische Musik. Angeblich sollte diese beruhigend wirken und Verbrechen einschränken. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#28 erstellt: 17. Nov 2009, 08:19 | |||
Hallo! Na, dann kann ich ja bloß hoffen das möglichst viele Penner ihren Wein in einem gepflegten Ambiente mit klassischer Musiuk zu sich nehmen. MFG Günther |
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cr
Inventar |
#29 erstellt: 17. Nov 2009, 23:56 | |||
Noch eine Ergänzung zu den adeligen Komponisten Carl Ditters von Ditterdorf Graf Unico Willem van Wassenaer (Werke tw. früher Pergolesi zugeschrieben) sind mir spontan auf die Schnelle eingefallen. |
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Maastricht
Inventar |
#30 erstellt: 18. Nov 2009, 08:13 | |||
Volgens einer Niederländischen Zeitung [Volkskrant 16-10-1999]haben die Niederländer die Idee aus Hamburg übernommen. Sie richtet sich gegen Drogenabhängige (nicht Weintrinker, das beruhigt). Aber auf dem Bahnhof Heerlen (wo die Aktion lief) ist es seit einiger Zeit wieder still. Gruss, Jürgen |
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Hörbert
Inventar |
#31 erstellt: 18. Nov 2009, 09:07 | |||
Hallo! @cr Wurde Karl Ditters von Dittersdorf ( 1739-1799 ) nicht erst 1773 geadelt? Ich glaube Martin2 ginge es mehr um den ürsprünglichen sozialen Hintergrund. Allerdings war das modische Dilletantentum auch beim Komponieren beim Adel des mittleren bis ausgehenden 18. Jahrunderts weit verbreitet. Offenbar war es zeitweise so sehr in Mode das man sich nicht scheute sich auch in einigen Fällen mit fremden Federn zu schmücken. Geläufigsten Beispiel dürfte hier wohl jener Graf Walsegg gelten der bei Mozart ein Requiem in Auftrag gab (KV 626) daß er als eigenkomposition aufführen wollte. MFG Günther |
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