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Klassik vs. Pop+A -A |
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Autor |
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Jennydieseeräuberbraut
Neuling |
#1 erstellt: 07. Nov 2015, 19:46 | ||
Hallo Klassikfreunde! Für eine mögliche Publikation suche ich Aussagen, warum Eurer Meinung nach die Popmusik immer mehr die Klassik verdrängt. Ob beides miteinander vereinbar ist, crossover-Projekte wünschenswert. Evtl. Info über Projekte, wie bei der Jugend Interesse für Klassik geweckt werden könnte - hier wären die Musiklehrer gefragt. Ich wüsste auch gerne, wie Ihr zu Popmusik in der Kirche steht( das betrifft jene, die noch zur Kirche gehen). Würde mich freuen, wenn eine Diskussion in Gang käme. Danke für jeden Beitrag! |
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Joachim49
Inventar |
#2 erstellt: 07. Nov 2015, 21:08 | ||
Hallo Jenny, ich weiss nicht, ob das überhaupt wahr ist, dass die Klassik immer mehr verdrängt wird. Die Klassikhörer waren ja wohl schon recht lange eine Minderheit. Hochkultur - das klingt wahrscheinlich überheblich - spricht halt nur Minderheiten an. Goethe wird heutzutage wohl auch nur von Minderheiten gelesen und ich weiss nicht wieviel % der Deutschen, wenn sie Paris oder London besuchen, auch die Museen besuchen. Natürlich gibt es keine deutliche Grenze zwischen Klassik und dem Rest. Klassische Tanzmusik - ich meine nicht die schrecklichen Walzer - sondern die Tanzsuiten der Barockzeit, oder die Schubert'chen Ländler, waren natürlich auch Unterhaltungsmusik. Darum muss diese Musik jedoch nicht POPulär gewesen sein, da der gesellschaftliche Zugang zur Musik damals wohl ganz anders war als heute, wo die Medien es jedem ermöglichen alles kennen zu lernen. Gegen crossover spricht gar nichts, aber ich habe den Eindruck, dass es meistens von Klassik in Richtung POP geht. Viele klassische Sänger probieren auch Jazz oder Populäres (van Otter, Te Kanawa, ...), aber in die andere Richtung geschieht wenig (ist wohl zu schwierig), obwohl es schon vorgekommen ist, dass Schlagersänger berühmte Wagnertenöre wurden, - wenn auch selten. Klassik wäre wohl etwas populärer, wenn die Radiosender den Mut hätten, beide Genres zu kombinieren, so dass dem Freund des einen auch etwas vom andern "zugemutet" wird. Allerdings muss ich sagen, dass ich von der geradezu unglaublich niveaulosen Sch...., die endlos viele Radiosender präsentieren, immer wieder zutiefst schockiert bin. Ich empfinde die meiste Musik, die im Radio zu hören ist, schlicht und einfach als beleidigend und ich frage mich immer wieder, ob die Deutschen nun wirklich so verblödet sind (gilt für andere Völker auch, aber vielleicht doch nicht in dem Ausmass). Den meisten Musiklehrern wird es ebenso wenig gelingen, Interesse an Klassik zu wecken, wie den meisten Deutschlehrern Interesse an Goethe, Schiller oder Kleist. Es hat halt nicht jeder desillusionierte Musiklehrer das Charisma eines Bernstein. Ich glaube aber, dass es mehr Interesse an Klassik gäbe, wenn die Hörer mehr mit ihr konfrontiert wären. Man sieht es daran, dass die Klassikforen mit Fragen überspült werden, wenn einmal in irgendeiner Kaffeewerbung ein gefälliges Stück Klassik im Hintergrund läuft. In Frankreich gibt es eine CD mit dem Titel "Ich mag keine Klassik, aber das gefällt mir". Freundliche grüsse Joachim |
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Jennydieseeräuberbraut
Neuling |
#3 erstellt: 07. Nov 2015, 21:26 | ||
Hallo Joachim, Vielen Dank für Dein gewissenhaftes Eingehen auf meine Themen und Fragen! Ja, Du sprichst mir aus der Seele! Ich denke auch, dass die frühere Populärmusik(Händel, Schubert uva) nicht zu vergleichen ist mit der heutigen. Ungleich differenzierter, im Vergleich würde ich sagen verhält sich wie ein Festmenü im 3 od.5-Sterne-Restaurant zum Hamburger. Und, ja, ich glaube das auch und danke für die Bestätigung: es käme drauf an, das Publikum - hauptsächlich im Hörfunk - mehr zu konfrontieren mit klassischer Musik. Die ist wahrscheinlich zu lang, um sie zwischen zwei Radiobeiträgen zu senden, stattdessen nimmt man voll elektronisch erzeugtes "ootch-ootch-ootch" Gedudel. Vermutlich eben mit dem Argument, "der Hörer will das so". Echt schade! Weiß jemand irgendwas zum Pop in der Kirchenmusik? |
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dktr_faust
Inventar |
#4 erstellt: 08. Nov 2015, 00:19 | ||
Ich möchte zu Joachim noch ergänzen, dass man nicht vom "elitären" Klassikhörer als "Gegner" aktueller Musik ausgehen sollte (Pop alleine würde ich für zu kurz gegriffen halten): Auch der interessierte Klassikhörer hört aktuelle Musik. Schau mal hier: http://www.hifi-foru...um_id=68&thread=2089 An ein Verdrängungsphänomen wurde ich auch nicht glauben (zumindest nicht mehr als auch schon vor 20 oder 40 Jahren). Der Rest ist gesagt. Was das Thema "Kirchenmusik" angeht musst Du differenzieren: Von welcher "Kirche" gehst Du aus? Die beiden in Deutschland am stärksten Vertretenen Konfessionen (ev.-luth. und rö.-kath.) haben ziemlich exakte Vorgaben (vulgo "Gesangbuch"), was im Gottesdienst vorgesehen ist und was nicht --> bei denen wirst Du wahrscheinlich keinen "Pop" im Alltag finden - anders sieht es in Gemeinden aus die eine "Gospel"-Kultur (ist ja ein seeeehr weites Feld) pflegen. Grüße |
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Hörbert
Inventar |
#5 erstellt: 08. Nov 2015, 09:42 | ||
Hallo! Hmmm, das ist eigentlich kein Thema das man mit einigen Sätzen in einem Forum abhandeln kann, m.E. muß man den Bogen hier sehr viel weiterspannen und auch die historische Entwicklung der Europääischen Musik betrachten die ja schon seit der Renaissance im Vergleich zur übrigen Welt einen Sonderweg geht. Kunstmusik war seit dem Konzil von Trient (1545-1563) eigentlich von der Kirchenmusik getrennt da deren starren Formen und der nur zögerlichen Übernahme von Neuerungen einer Entwicklung der Kunstform Musik sehr im Wege standen. Damit fiel zwar der finanzkräftigste "Motor" der damaligen Welt als Mäzen für die Evolution der Kunstmusik weitgehend weg aber die gerade aufkommende Mode des Adels sich Komponisten und Musiker quasi als "Haustiere" zu halten kompensierte diesen Wegfall bei weitem und förderte die Entwicklungddiversion. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung der Kunstmusik als "Elitenmusik" oder anders ausgedrückt als Musik für "Kenner und Liebhaber" Die weitere Entwicklung der Gattung Kunstmusik änderte trotz zeitweiliger höherer Popularität einzelner Zweige diese Musik (z.B. die Rolle der Oper im 19. Jahrhundert) daran eigentlich nur noch wenig und so ist auch heute noch diese art der Musik eher etwas für einen kleinen Kreis von Usern. Zudem ist Kunstmusik nach wie vor immer noch eine Sparte die für ihre Schaffung und ihre Rezeption zum guten Teil auf Geldgeber angewiesen ist da sie eben "kein Geschäft" ist (gleichwohl aber eine Art des Lebensunterhaltes für viele Menschen) Popmusik hingegen war zu allen Zeiten Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik die zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit ungleich beliebter war, eigentlich bleibt es sich ja auch gleich ob man hier die Tavernen des 16. Jahrhubderts, die Biergärten des 19. Jahrhunderts oder die heutigen Veranstaltungen betrachtet, im direkten Vergleich wirst du immer eine vergleichsweise ungeheuer große Zahl an Menschen hier antreffen die diese Art der Musik konsumieren und bei Veranstaltungen der Kunbstmusik immer eine vergleichsweise kleine Zahl. Daran hat auch die Entwicklung der Musikkonserven nichts geändert, auch hier dürften sich diese Verhältnisse genau so wiederspiegeln. MFG Günther |
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Martin2
Inventar |
#6 erstellt: 08. Nov 2015, 17:02 | ||
Ich weiß letztendlich nicht, ob das Interesse an der Klassik wirklich zurückgeht. Das Interesse an der Klassik ist sicherlich gering, aber das war's vor 20 Jahren auch schon und wenn überhaupt, werden sich da meiner Einschätzung nach nur minimale Verschiebungen ergeben haben. Ich habe aber keine Befürchtungen, daß das Interesse an der Klassik nun wirklich völlig ausstirbt. In meiner Haltung zur Popmusik bin ich ähnlich gelagert wie Joachim. Ich meine, von populärer Musik geht gelegentlich eine nicht zu unterschätzende Lebensfreude aus, aber die allermeiste finde ich einfach nur sterbenslangweilig. Als Hintergrundgeräusch ist sie aber brauchbarer als die klassische Musik, das ist klar. |
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EKBT
Stammgast |
#7 erstellt: 08. Nov 2015, 21:17 | ||
Ich würde allerdings "vorindustrielle" Unterhaltungsmusik nicht ohne weiteres mit heutiger Popmusik gleichsetzen. Es gab zwar auch da schon manchmal Hits, z.B. das Goethe enervierende "Marlbrough s'en va t'en guerre". Aber es fehlt der kommerzielle, technologische und auch juristische (Copyright/Urheberrecht) "Apparat", der die Popmusik des 20./21. Jh. zu einem globalen Business macht und mit dem man eine kleine Teilmenge von Performern als überregionale/globale Stars vermarkten kann. |
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Hörbert
Inventar |
#8 erstellt: 08. Nov 2015, 22:55 | ||
Hallo! @EKBT
Wieso nicht? Nicht der Grad des damit gemachten Geschäftes und auch nicht der Grad der Verbreitung einzelner Stücke zähl doch in diesem Zusammenhang sondern einzig und alleine das hier früher wie heute ein bestimmtes Bedürfnis nach Unterhaltungsmusik vorhanden war und ist. Kunstmusik erfüllt in der Regel ein anderes Bedürfnis und ist in der Regel nicht geeignet Unterhaltungsmusik zu ersetzen. Deswegen muß man hier wie auch z.B. in der Literatur davon ausgehen das eine Massenliteratur wie der bekannte "Groschenroman" und z.b. ein Werk wie Thomas Mann´s "Zauberberg" unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen. Beide Male ist es m.E. unzulässig hier von einem Gegensatz auszugehen, das hieße Äpfel mit Birnen zu multiplizieren. Es sind einfach zwei Paar Schuhe und das war -egal wann in den letzten Jahrhunderten-, hier in Europa nie anders. MFG Günther |
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Joachim49
Inventar |
#9 erstellt: 08. Nov 2015, 23:48 | ||
Ich habe meine Zweifel, ob es stimmt, dass es im römischen Katholizismus heutzutage exakte Vorgaben gibt, was die musikalische Ausschmückung der Gottesdienste betrifft. Die Lieder in den Gesangbüchern sind gewiss nicht verbindlich. Ende der 60-er Jahre wurde recht häufig probiert, Gottesdienste mit "Popmusik" auszuschmücken. Es gab dafür gewiss keine kirchenrechtlichen Hindernisse, es hing vor allem vom good will der lokalen Pfarrer ab und natürlich davon, ob es ein Angebot gab (etwa eine Jugendgruppe, die Mitglieder in einer Band hatte). Langfristig hatte dieser Versuch, Gottesdienste für Jugendliche interessanter zu machen, wahrscheinlich wenig Effekt. Im Prinzip ist es aber bis heute möglich - und geschieht es gelegentlich auch noch - dass 'alternative' Musik in kath. Gottesdiensten verwendet wird. Gospel wäre z.B. überhaupt kein Problem. |
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Hörbert
Inventar |
#10 erstellt: 09. Nov 2015, 09:20 | ||
Hallo! Na ich weiß nicht, wahrscheinlich hättest du mit erheblichen Widerständen zu kämpfen wenn du versuchen würdest eine normale Messe im Techno-Style auszurichten bei der der Priester anstatt Meßwein einen halben Liter Energy-Drink runterpumpt und die Liturguie gerappt wird. Ein Requiem oder ein Te Deum in einer ähnlichen wie der obenerwähnten Konfiguration oder auch nur eine Marienvesper sind genau so schwer vorstellbar. Selbst in der kurzen "liberalen" Phase die die katholische Kirche in den 70gern und einem Teil der 80ger Jahre durchlebte wäre ein Rock-Requiem mit Elektrogitarren und in einer Bühnenshow integriertem Prister der von Nonnen als Hupfdohlen assistiert wird unvorstellbar gewesen. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 09. Nov 2015, 09:21 bearbeitet] |
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Jennydieseeräuberbraut
Neuling |
#11 erstellt: 13. Nov 2015, 23:43 | ||
Liebe Klassik-Forum-Freunde, ganz herzlichen Dank für Eure tollen, differenzierten Beiträge mit den vielen Anregungen! Jennydieseeräuberbraut |
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EKBT
Stammgast |
#12 erstellt: 18. Nov 2015, 08:36 | ||
Ich gehe gar nicht von einem Gegensatz aus, sondern würde bei nichtgeistlicher Kunstmusik zumindest vor dem 19. Jh., in Teilbereichen wie der Oper noch weit in dieses hinein, davon ausgehen, daß dabei auch ein Unterhaltungsbedürfnis (wenn auch auf einem anderen künstlerischen/geistigen Level) befriedigt wird. Und ich würde annehmen, daß auch bei reiner Unterhaltungsmusik ohne Kunstambition die Einstellung eine andere ist, wenn man zu ihrem Genuß entweder selbst musizierend tätig werden oder einen Musiker vor Ort hören können muß, als wenn es sich um beliebig verfügbare, technisch reproduzierte Aufnahmen handelt. Auch wenn teilweise ähnliche Bedürfnisse dahinter stehen, ist für mich die Massenvermarktbarkeit der modernen Popmusik ein deutlicher struktureller Unterschied. Ich kann mir z.B. auch nicht wirklich vorstellen, daß vor dem 20. Jh. der individuelle Musikkonsum im U-Bereich ein identitätsdefinierendes Persönlichkeitsmerkmal gewesen ist, wie heute bei den diversen Szenen. |
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Hörbert
Inventar |
#13 erstellt: 18. Nov 2015, 10:56 | ||
Hallo!
Nun, nicht umsonst gabe es schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Trennung in Gebrauchsmusik und absolute Musik, wobei Oper und Ballett für gewöhnlich als Gebrauchsmusik gewertet wurden.
Nicht wirklich, es ändert sich durch eine höhere Verfügbarkeit nichts am Wesen der Dinge, So waren z.B. die bekannten "Walzerkönige" Lanner und Strauß durchaus "Popstars" im heutigen Sinne die ihren Schnitt eben durch den Notenverkauf anstatt durch den Tonträgerverkauf machten. Die Verfügbarkeit durch Cafehausmusik und ähnliches war zumindestens in den Ballungszentren durchaus gegeben.
Das halte ich nicht für einen relevanten Punkt, ob sich nun jemand seinerzeit mit Carlotta Patti oder heute mit Madonna idendifiziert scheint mir allenfalls ein quantitativer Effekt zu sein der eher sekundär auftritt heute wie gestern werden wohl Menschen die es damit zu weit treiben gleichermaßen belächelt wie es auch Menschen gehenn dürfte die sich seinerzeit mit Romanhelden und heute mit Filmfiguren idendifizieren. Das phänomen an sich ist beileibe nichts neues auch wenn teilweise eine verlagerung von den HJelden der früher sehr beliebten billigen Romane und populären Theaterstücke auf Figuren auf Musik und Film stattgefunden haben dürfte. Hier sehe ich aber in keinem Fall einen wesentlichen Punkt angesprochen. Die einzelnen Bedürfnisse sind m.E. immer noch die gleichen und der Stellwert der einzelnen Musikgattungen sind m.E. auch im wesentlichen gleichgeblieben. Einzelne Formen der Unterhaltungsmusik haben sich halt ein wenig transformiert (z.B. Operette-Musical) aber wenn man ein wenig an der neuen "Verpackung" kratzt kommt der gleich alte Lack wie seit jeher unter der tollen zeitgemäßen Oberfläche zum Vorschein. MFG Günther |
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