Ein paar Fragen zu Kantenabsorbern

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strat63
Neuling
#1 erstellt: 16. Mai 2006, 12:22
Hallo miteinander,

ich möchte in meinem Musikzimmer den Nachhall im tiefen Frequenzbereich bedämpfen. Hier kann ein Breitband-Kantenabsorber wohl helfen, sagt die Fachwelt.


1. Thema:
Letztlich ist ein Kantenabsorber ja ein Schaubstoffprisma, das in eine Raumecke gestellt/gelegt wird. Dabei entsteht unmittelbar in der Raumecke ein Hohlraum (zwischen Wand und Absorber). Dort befindet sich aber doch das Schalldruckmaximum. Müßte deshalb nicht gerade dort Schaumstoff positioniert sein?

- Welchen Sinn hat also der Hohlraum hinter dem Absorber?
- Ist er akustisch sogar unbedingt notwendig?


2. Thema:
Die Wand, vor der ich die Lautsprecher aufgestellt habe ist gerundet und besitzt deshalb an den Seiten keine Ecken. Die Rückwand geht vielmehr im Bogen (Radius ca. 1m) in die Seitenwände des Raumes über. Keine Ecken, keine Kantenabsorber.

Statt dessen möchte ich den Absorber in der Raumkante zwischen Fußboden und Seitenwand positionieren. Um das ganze auch optisch in den Raum zu integrieren, möchte ich den Schamstoff in ein IKEA-Ivar-Regal einpassen. Ich kann im unteren Fach (Höhe über Fußboden = 10 cm) 2 Blöcke des Formates hxbxt = 60x80x30cm unterbringen. Das Regal hat den Vorteil, daß es rundum offen ist (keine Seiten- und Rückwand).

- Geht das so?!?
- Sind alle Raumkanten hinsichtlich der Bass-Bedämpfung gleich wirksam?
- Gilt der Schaumstoff noch als "an der Raumkante positioniert", wenn er erst 10cm oberhalb des Bodens beginnt?
- Kann ich das gesamte Regalfach mit Schaumstoff ausfüllen (30cm Dicke; das soll ja den beeinflußten Frequenzbereich nach unten erweitern), oder ist es besser, hinter dem Schaumstoff einen Hohlraum zu belassen (siehe auch Thema 1)?
- Kann man eigentlich aus der Dicke des Schaumstoffes die untere noch gedämpfte Frequenz ableiten?


3. Thema:
Aufgrund der oben beschriebenen Einbausituation machen prismenförmige Kantenabsorber ja keinen Sinn. Statt dessen sollte Blockware zum Einsatz kommen. Aber welches Material?

Um die Energie von tiefen Frequenzen zu bändigen, müßte dazu nach meiner Meinung ein Schaumstoff gewählt werden, der
a) möglichst dick ist (hier max. 30cm),
b) eine möglichst große Masse hat (Raumgewicht z.B. RG40) und
c) eine möglichst hohe Festigkeit besitzt (Stauchhärte z.B. SH50).

- Ist das so?!?

Leider konnte ich bei keinem Anbieter für die Akustikschäume irgendwelche Angaben zu Gewicht und Härte finden. Ist wohl Betriebsgeheimnis. Oder vielleicht der Versuch, zu verhindern, daß sich die Kunden billigere Produkte zulegen?


Das waren jetzt eine ganze Menge Fragen. Um so mehr freue ich mich über Eure Antworten.
Thiuda
Inventar
#2 erstellt: 16. Mai 2006, 22:59

Letztlich ist ein Kantenabsorber ja ein Schaubstoffprisma, das in eine Raumecke gestellt/gelegt wird. Dabei entsteht unmittelbar in der Raumecke ein Hohlraum (zwischen Wand und Absorber). Dort befindet sich aber doch das Schalldruckmaximum. Müßte deshalb nicht gerade dort Schaumstoff positioniert sein?


Nein! Nur im bereich maximaler Schallschnelle und minimalem Schalldruck kann man effektiv absorbieren.


- Welchen Sinn hat also der Hohlraum hinter dem Absorber?

Keinen, nur Materialersparniss.


Zu Thema3 zitiere ich mal ein par ältere Beiträge von mir die ich mal verfasst habe:


In rechteckigen Räumen haben Raumeigenmoden ein Maximum des Schalldrucks und ein Minimum der Schallschnelle in den Raumecken. Wir brauchen aber eine hohe Schallschnelle, damit die Absorbation auch effektiv ist. Zum Glück ist die Schallschnelle vor der Raumecke, je nach Frequenz, unterschiedlich und vor mindestens einer der Raumecken wesentlich schneller. Hier kommt der Kantenabsorber zum Einsatz, das heißt das der Kantenabsorber in die richtige Ecke muss um die Raumeigenmoden zu dämpfen und logischerweise wirkt dieser um so besser um so größer sein Ausmaß ist...

...Der Wirkungsgrad hängt von zu vielen Faktoren ab, da der Raum selbst, also seine Ausmaße (Grenzfrequenz/Eigenmoden) sowie das Material der Wände etc. eine zu große Rolle spielt. So brauchen Räume mit sehr soliden Wänden (z.B. Kellerwohnung) wesentlich mehr Kantenabsorber als Räume mit dünneren Wänden.



Auf jeden Fall direckt in die Ecke, du musst nur die richtigen Ecken finden und gegebenfalls einen noch dickeren Kantenabsorber nehmen!


Dazu mußt du herrausfinden zwischen welchen Wänden sich bei dir die Stehenden Wellen bilden!!!

Das machst du z.B. mit dem Raummodenrechner von Hunecke:
http://www.hunecke.de/calculator/mode/raumakustik-mode.htm

In die Ecken, die an diese Wände grenzen müssen die Absorber!

Bilden sie sich zum Beispiel zwischen Decke/Boden und auch den Seitenwänden, wirkt der Kantenabsorber am besten in der Raumecke zwischen Seitenwand/Boden oder Seitenwand/Decke, bilden sie sich zwischen Decke/Boden und auch der Vor/Rückwand wirkt der Kantenabsorber am besten in der Ecke zwischen (Vor)Rückwand/Decke und (Vor)Rückwand/Boden... usw.


Der klassische Fall in den vertikalen Raumecken ist dann am effektivsten wenn sich die stehenden Wellen zwischen Vor/Rückwand und auch den Seitenwänden bilden.
(Das ist zum Beispiel bei mir der Fall )
Dann spielt es auch keine große Rolle ob ich sie hinter die LS oder hinter den Höhrplatz stelle. Das einzigste was noch eine Rolle spielt ist die Beschaffenheit der Wände, falls man die wahl hat, sollte man die Kantenabsorber lieber in die Ecke einer maßiven Wand anstatt einer schwingenden oder dünnen Wand stellen, da macht er sich mehr bemerkbar.


Natürlich tuen sich nicht alle Stehenden wellen immer nur zwischen bestimmten Wänden bilden, jedes raummaß B/H/T bilden seine eigenen Raummoden, aber es stören ja nicht immer alle gleich viel. Raummoden von 30Hz oder auch 50Hz lassen sich sowieso nicht sehr effektiv mit einem Kantenabsorber bekämpfen, man sollte sich mit den Kantenabsorbern lieber um die etwas höheren Frequenzen kümmern und die ganz tiefen Frequenzen mit einem Helmholzresonator zu Leibe rücken.



Also erstmal was grundlegendes zu Raummoden, die erste mögliche Resonanz in einer Dimension tritt auf, wenn die halbe Wellenlänge der Raumdimension entspricht. Alle weiteren Resonanzen sind Vielfache davon man unterscheidet unter axialen, tangentialen und schrägen Resonanzen.

Axial = eine Raumachse (100)
Tangential = zwei Raumachsen (110)
Schräg = drei Raumachsen (111)

Bisher recht einfach, diese Resonancen haben einen sogenannten modalen Charakter, das heißt die Dimension entspricht etwa einer Wellenlänge. Das ist jedoch nur bei tiefen Frequenzen so, gehen wir höher wird aus dem modalen ein diffuser Charakter (z.B. 220), hier ist die Dichte der Resonancen wesentlich höher, Druck- und Schnellebereiche liegen erheblich dichter besammen.

Das kann man auch ganz gut bei hunecke sehen, wie sich bei höheren Frequenzen die schwarzen Flecken verteilen. Hierher kommt auch der Typische effekt den alle kennen, an einer stelle ist Bass an der anderen nicht, alle weißen Flecken sind "Bassarm".


Dir wird auffallen das immer irgendeine der Ecken schwarz ist, hier liegt ein maximum des Schalldrucks, aber nicht das maximum der Schallschnelle vor, die wir zur effektieven absorabtion benötigen. Deshalb muß der Absorber auch solch ein Ausmaß haben, damit er soweit reicht, das er in den "weißen Bereich" (Schallschnelle) eindringt und effektiv absorbieren kann. Das heißt, er kann nur in der Ecke effektiv absorbieren in der er von der Ecke, in der ein maximum des Schalldrucks vorliegt, bis in den Bereich mit hoher Schallschnelle ragt. (Er muß also in einer Schwarzen Ecke stehen und von dort aus bis in den weißen Bereich ragen)
Es ist also nicht ganz so einfach die optimale Position für den Absorber zu finden.



Hoffe konnte dir damit etwas helfen

Noch ein kleiner Tipp, Akkustik-Glaswolle eignet sich herrvorragend als Material für Kantenabsorber und kostet fast nichts!!!

Und bevor ich jetzt wieder mal höre wie gesundheitsschädlich das ist... Ich habe innerhalb meines Mechatronik Studiums bei Isover gearbeitet, die haben den ganzen lieben langen Tag mit Glaswolle zu tuen, Herstellung, schneiden, stapeln, verpacken etc. und da trägt keiner einen Mundschutz oder ähnliches, nur Höhrschutz!!!

M.f.G. Draic-Kin


[Beitrag von Thiuda am 16. Mai 2006, 23:19 bearbeitet]
strat63
Neuling
#3 erstellt: 18. Mai 2006, 17:50
Hallo miteinander.

Erstmal schönen Dank für die schnelle Antwort. Ich habe zwischenzeitlich mit dem in meinem ersten Beitrag beschriebenen festen Schaumstoff experimentiert (2 Blöcke zu je 210 x 65 x 12 cm).

FAZIT: die Blöcke machen den Raum trockener (gut), räumen in den "tiefen Mitten" bis geschätzt 100 Hz auf (auch gut) aber zeigen darunter überhaupt keine Wirkung. Egal wo ich die Platten aufgestellt habe (senkrechte oder waagerechte Raumecken, weiter im Raum, mittendrin) und wie ich sie aufgestellt habe (einzeln oder als Doppelpack). Nix, nada, njente!

Ich habe nochmal ein wenig im Forum gewühlt und festgestellt, daß eine Reihe Leute die gleiche Erfahrung gemacht haben (Effekt < 100Hz = 0), manche aber die gegenteilige.

Immerhin: man hört den Fehler jetzt besser (da kann man jetzt lachen oder weinen, gelle).

Ich habe den Raum schalltechnisch noch nicht ausgemessen. Das CARA-Programm gibt mir aufgrund der Raumabmessungen (4 x 3,6 x 2,2m) die erste Raummode bei ca. 42 Hz an. Wenn man Musik hört, liegt der Peak etwa beim tiefen G auf dem Bass und etwas darüber. Das paßt ja ungefähr zusammen.

Wenn ich jetzt messen und einen Frequenzgang des Raumes erstellen will:
- Wo bekommt man so ein Meßgerät und die notwendige Ton-CD?
- Ich könnte mir ein Schallpegelmeßgerät mit Summenpegel und Terzbandpegeln ausleihen. Reicht das?

Um das Dröhnen wegzubekommen wird wohl kein Weg an einem Plattenresonator oder einer Helmholtz-Box vorbei gehen. Es gibt ja eine Menge Anleitungen für den Bau. Trotzdem noch eine Frage. Nehmen wir mal an ich habe bei 42 Hz eine Überhöhung von 12dB. Jetzt baue ich einen H-Res, den ich auf 42 Hz abstimme. Woram erkenne ich denn, um wieviel dB das Ding dann dämpft? Im Optimum würde er den Peak linearisieren. Aber wie?

Schon mal im Voraus besten Dank und schöne Grüße

Strat63
Thiuda
Inventar
#4 erstellt: 19. Mai 2006, 13:59

Erstmal schönen Dank für die schnelle Antwort. Ich habe zwischenzeitlich mit dem in meinem ersten Beitrag beschriebenen festen Schaumstoff experimentiert (2 Blöcke zu je 210 x 65 x 12 cm).

FAZIT: die Blöcke machen den Raum trockener (gut), räumen in den "tiefen Mitten" bis geschätzt 100 Hz auf (auch gut) aber zeigen darunter überhaupt keine Wirkung.


65 x 12 cm ist auch ein bischen wenig, meine Blöcke haben 60 x 60 cm, davon habe ich zwei Stück in den hinteren Raumecken, je 2,3 Meter Hoch und die haben eine deutlich hörbare Wirkung auch unter 100 Hz! Natürlich nimmt der Absorbationsgrad nach unten hin ab, aber ich habe meine Raummode bei 86 Hz komplett in den Griff bekommen und die bei 57Hz deutlich gemindert!!!

Ich habe die Blöcke so verkleidet das die Absorbation in den höheren Frequenzen abnimmt, damit der Raum nicht "dumpf" wirkt.


[Beitrag von Thiuda am 19. Mai 2006, 14:01 bearbeitet]
strat63
Neuling
#5 erstellt: 19. Mai 2006, 14:24
Na hallo,

2 Stück zu je 230 x 60 x 60cm sind natürlich auch ganz schöne Trümmer. Die bekomme ich leider räumlich nicht untergebracht. Deshalb muß ich wohl "hölzern" mit Resonatorboxen rangehen.

Ich denke, ich werde den Raum erstmal ausmessen und dann entscheiden, was ich mir baue.

Wie sieht das denn mit dem Meßgerät aus? Habe wenig Neigung mir für 200 Euronen das Teil von der CARA-Website zu kaufen - denn man brauchts ja nur einmal. Kann man so etwas leihen? Den örtlichen HiFi-Händler meines Vertrauens (mit verleihbarem Meßgerät) gibt es leider noch nicht, da ich gerade eben erst nach Solingen gezogen bin.

Grüße
STRAT63
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