Volumen von Weichfaserplatten vom Nettogehäusevolumen abziehen oder nicht?

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roger-whisky
Stammgast
#1 erstellt: 22. Aug 2009, 10:59
1) Vor vielen Jahren haben wir das Volumen von Weichfaserplatten (z.B. aufgeklebt auf Gehäuseinnenwände) noch mit in die Rechnung des Nettogehäusevolumens einbezogen, sprich abgezogen.

2) Heute gibt es Quellen, die besagen dass das nicht nötig ist, weil die Weichfaserplatte die Schallgeschwindigkeit in dem Masse herabsetzt, wie sie Volumen verbraucht.

Speziell im Zusammenhang mit folgender Idee möchte ich gerne herausfinden wie sich die Sache verhält:
ein theoretisches Gehäuse (CB) mit den Innenmassen 30x35x100cm hat ein Volumen von 105 Liter.
Nach Auskleidung mit 19mm WF-Platte „verbleiben“ noch ca. 80 Liter. Die aber laut (2) virtuell immer noch 105 Liter bleiben.
Wie nun, wenn man in dieses Gehäuse ein Gebilde einbringt, das aus lauter WF-Platten besteht, die jedoch nicht zu EINEM Block zusammengefügt sind, sondern mittels Distanzstücken zwischen jeweils 2 Platten. So ein Gerüst (bestehend z.B. aus 10 Stück Platten, 20cm breit, 60cm hoch, 16mm dick, mit jeweils 8mm Abstand zwischen zwei Platten), würde immerhin weitere 20 Liter Platz beanspruchen. Kann man das dabei verdrängte Volumen wirklich ausser Acht lassen?

Abhängig von der Plattenanzahl und /-anordnung (speziell wenn die Platten horizontal anstatt vertikal angeordnet werden) müsste man damit stehende Wellen in einem Gehäuse hervorragend bekämpfen können. Auch schräge, oder verschieden grosse Platten wären denkbar. Und die Kisten würden nicht so „totgedämpft“ klingen wie wenn man sie einfach mit Dammwatte/-wolle vollstopfen würde.

Was meint ihr, Volumen der eingesetzten WF-Platten abziehen oder nicht?

Vielen Dank für eure Meinungen, ROBERT
AC-SB
Stammgast
#2 erstellt: 22. Aug 2009, 11:18
moin Robert,

abseits aller theoretischen Rechnungen habe ich mir bisher immer folgendermaßen beholfen:

Alles, wo man nicht "durchpusten" kann, wird vom Volumen abgezogen.
Bei Weichfserplatten geht das noch, aber nur sehr schwer, also hab ich da die Hälfte des verdrängten Volumens in Abzug gebracht und bin damit eigentlich immer ganz gut gefahren. Ein Vergleich der TSP freeair bzw. im entsprechend berechneten Gehäuse war damit recht plausibel

Im Zweifel messe ich eben (bei geschlossenen Gehäusen) die genannte Veränderung von Qts oder VAS und rechne daraus das effektive Gehäusevolumen zurück

Beispiel:
Qts (Box)/Qts freeair = 2
=> 2=Wurzel(VAS/VB+1)
=> VAS/VB+1 =4
=> VAS/VB =3
=> VB = 3/VAS

Beste Grüße

Michael


[Beitrag von AC-SB am 22. Aug 2009, 11:22 bearbeitet]
moby_dick
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 22. Aug 2009, 11:43
Nicht abziehen, wurde mal im Visaton-Forum ermittelt.

Wenn ich den link finde, stell ich ihn ein.

Da:
[url=http://www.visaton.de/vb/showthread.php?t=3474&highlight=weichfaserplatten]http://www.visaton.d...ht=weichfaserplatten[/url]

Zitat:"[QUOTE=VISATON;48698]Ich will nochmal den Vorteil von WFP für die Praktiker zusammenfassen: Angenommen, man hat ein Gehäuse mit großen Wänden, die trotz Versteifungskreuze beim Klopfen mit dem Fingerknöchel oft noch nach "Holz" klingen, sollte man diese innen großzügig (bis zur Stärke von ca. 20 mm) mit WFP auskleiden (anleimen). Befürchtungen, dass dadurch effektives Volumen verloren gehen könnte, sind nach diesen Messungen unbegründet. [b]Das Innenvolumen muss also nicht vergrößert werden, um dieselbe Gehäuseabstimmung zu bekommen.
[/b]
.....[/QUOTE]"


[Beitrag von moby_dick am 22. Aug 2009, 11:50 bearbeitet]
detegg
Inventar
#4 erstellt: 22. Aug 2009, 13:47
... ein uraltes Thema!

"Modellhafte Vorstellungen . . ."
geschrieben von pico am 16-Jul-2001 um 09:41

....
1. ich weiss, was WFP ist
2. ich habe noch keine Kombination WFP+MDF aufgebaut
3. ich habe aber schon ein 19mm MDF + 5mm Bitumen + 4mm Sperrholz Sandwich aufgebaut
4. ich beschäftige mich seit 13 Jahren professionell damit, komplexe mechanische Systeme (KFZs) so zu verstehen, dass ich akustische bzw. Vibrationsprobleme verstehe und damit beheben/verbessern kann.

Dabei hat sich eine Vorgehensweise bewährt, die ich hier kurz vorstellen möchte:

Ich versuche, ein komplexes System zunächst zu vereinfachen, indem ich quasi ein mechanisches Ersatzschaltbild aufstelle. Danach besteht ein zunächst komplexes, mechanisches System nur noch aus Massen, Federn bzw. Steifigkeiten) und Dämpfung. Aus der Kombination dieser Elemente ergeben sich gedämpfte Resonanzfrequenzen, um die es ja hier geht.




Die Masse einer Platte ist wohl jedem klar (je dicker desto schwer/Fläche).

Steifigkeit ist wahrscheinlich nicht jedem klar. Hier geht es in 1. Linie um die Biegesteifigkeit, die mit der 3. Potenz der Plattendicke ansteigt (-> je dicker desto steif^3/Breite)

Dämpfung ist am schwierigsten zu verstehen. Hierunter versteht man meist viskose Dämpfung. Dies kann man sehr schön an einem Anti-Dröhnbelag sehen (z.B. DIN A4 gross), wenn man ihn platt auf eine ebene Fläche legt und dann an einer Seite um 5 cm anhebt ("Plumpstest"). Ein hochdämpfender Belag braucht über eine Sekunde, um wieder in die Ausgangslage zurückzukehren, während z.B. eine Sperrholz- oder Gummiplatte in wenigen Millisekunden quasi ungedämpft zurückschnellt! Der Dämpfungsbelag widersetzt sich also einer äusseren Kraft (der Schwerkraft bzw. der Vorspannung), indem er die Vorauslenkung in Wärme umsetzt. Dazu ist übrigens ein kraftschlüssiger Verbund mit dem Trägermaterial nötig.

Wichtig ist auch noch die unangenehme Eigenschaft einer mechanischen Struktur, Resonanzen zu haben. Die Grundresonanz wird durch die Masse und Biegesteifigkeit bestimmt (ähnlich wie beim Lautsprecher f=Wurzel(Steifigkeit/Masse)).

Das ist immer noch recht kompliziert. Daher schaut man sich Grenzfälle an.

Grenzfall des sehr weichen Dämpfungsbelages:
Dieser erhöht zwar die Masse des Gesamtsystems, aber nicht seine Steifigkeit. Und er hat der Bewegung des Trägermaterial (fast) nichts ausser seine Masse entgegenzusetzen -> Resonanzfrequenz geht runter, (fast) keine Erhöhung der Dämpfung des Gesamtsystems gegenüber der Dämpfung des Trägermaterials (auf wenn die Dämpfung des Dämpfungsbelages wesentlich höher war als die des Trägermaterials).

Grenzfall des sehr steifen Dämpfungsbelages:
Dieser erhöht zwar auch etwas die Masse des Gesamtsystems, im Wesentlichen aber versteift er das Gesamtsystem. Je nach Verhältnis der Biegesteifigkeiten dominiert der Dämpfungsbelag die Dämpfung des Gesamtsystems -> Resonanzfrequenz geht rauf, Erhöhung der Dämpfung des Gesamtsystems gegenüber der Dämpfung des Trägermaterials im Verhältnis der Materialeigendämpfung und Biegesteigkeiten.

WFP hat zwar eine deutlich höhere Materialeigendämpfung als MDF, sie ist aber lange nicht so hoch wie die von Bitumen (denke an den DIN A4 Plumpstest!).
WFP hat eine Biegesteifigkeit, die auf jeden Fall niedriger ist als die von MDF. Bitumen ist noch wesentlich weicher.

Aus diesem Grund musste in dem ELEKTOR-Test auch die 19mm Spanplatte+19mm WFP bessere abschneiden als 19mm Spanplatte+2.5mm Bitumen! Das 2.5mm Bitumen ist viel zu weich um 19mm Spanplatte nennenswert in ihrem Bewegungsdrang zu stoppen (denke an Abhängigkeit der Biegesteifigkeit von Platendicke^3)

Wenn man das Obige verinnerlicht hat kann man folgende Vermutungen anstellen:
1. 6mm WFP auf 19mm MDF müsste eigentlich Blödsinn sein, weil 6^3 viel zu klein gegen 19^3 (Biegesteifigkeit), der E-Modul von WFP zudem noch kleiner als der E-Modul von MDF und die Materialeigendämpfung von WFP nun auch nicht astronomisch höher als die von MDF ist um das Missverhältnis noch umbiegen zu können (-> vielleicht 5% Verbesserung des Gesamtsystems, das dürfte kaum hörbar sein).
ACHTUNG: Beim Klopftest MDF+WFP warten, bis der Leim getrocknet ist und wirklich eine kraftschlüssige Verbindung entstanden ist. Ansonsten wirkt die mit Leim durchtränkte WFP-Schicht wie eine zusätzliche Schicht schlittrigen Dämpfungsmaterials.

2. 19mm WFP auf 19mm MDF sollte nicht schlecht sein (Gesamtdämpfung etwa 1/3 bis 1/4 der Materialeigendämpfung von WFP). Bei kleineren Schichtdicken von WFP geht das aber schnell in die Knie (siehe oben).

3. Bitumen ist als Dämpfungsbelag für dicke Holzschichten nicht geeignet, da zu weich. Erst wenn die Bitumendicke grösser ist ist die Holzdicke, dann wirkt es gut. Das wurde auch von den BBC-Leuten in den 70er mit hochwissenschaftlichen Tests herausgefunden, die 9mm Sperrholz mit 12mm Bitumen empfehlen (Literaturhinweis auf meiner Homepage)!

Aus dem obigen geht nix zum Thema Sandwich hervor, weil das eine wirklich komplexe Materie ist. Nur soviel lässt sich sagen:
Durch den Sandwichaufbau werden die schwingungsbedingten Ausgleichsvorgänge bevorzugt in das Bitumen verschoben (der Weichere gibt nach), so dass das Dämpfungsmaterial wesentlich effektiver genutzt wird. Hier kommt es nicht mehr auf die Biegesteifigkeit des Dämpfungsmaterials an (was ja der Nachteil des Bitumens bei Holz als Trägermaterial war) sondern nur noch auf den Schubmodul und die Materialeigendämpfung. Dies wird durch die steife Deckschicht bewirkt.

Wer den obigen Gedankengängen folgen konnte wird bemerkt haben, das bei einem Verbundsystem die Einzel-Resonanzfrequenzen keine Bedeutung mehr haben sondern sich eine neue Systemresonanzfrequenz einstellt. Dasselbe gilt für die Gesamtdämpfung.
Daher ist Deine/Udos Begründung eben so auch nicht richtig bzw. falsch formuliert (Weichfaser hat eine sehr niedrige Resonanzfrequenz, klopfe doch mal mit dem Finger dagegen -> stimmt. Wie der Udo richtig gesagt hat: Die Einbringung von Materialien mit verschiedenen Resonanzen bewirkt das sich eine bestimmte Resonanz nicht durchsetzen kann. -> unsauber bzw. falsch formuliert, siehe oben ) Die Originalformulierung von Udo Wohlgemut hab' ich noch abstruser in Erinnerung (taucht vielleicht was als Erklärung für bloody beginners, ist aber trotzdem falsch).

Zum Schluss kommt noch ein Hammer:
Die Effektivität der Schallabstrahlung ist für tiefe Frequenzen sehr schlecht (das kennen wir schon vom Lautsprecher). Zusätzlich verschlechtert wird die Effektivität, wenn eine Fläche nicht homogen schwingt (nicht nur ein Bauch in der Mitte, sondern z.B. mehrere Knotenlinien). Aus diesem Grund ist es gefährlich, die Resonanzfrequenz nur durch Steifigkeit nach oben zu schieben. Es ergibt sich dann nämlich bei hohen Frequenzen (mit guter Abstrahleffektivität) eine einfache Schwingform (mit guter Abstrahleffektivität) -> VORSICHT!

Daher ist bei Subwoofern bzw. klassischen 3-Wege-Boxen mit Trennfrequenz < 500 Hz die Steifigkeitsschiene OK (Ziel: mindestens 1000 Hz erste Plattenresonanz). Bei 2-Wege-Boxen aber
schafft man es meist nicht (Ausnahme: B&W Matrix-System) die Plattenresonanzen aus dem Übertragungsbereich zu halten. Daher hilft dort nur Bedämpfung (hab' ich zwar schon 1000 mal gesagt und steht auch auf meiner Homepage, aber vielleicht verstehen es jetzt auch ein paar Leute mehr)!

Ich hoffe, dass der ein oder andere mit dieser Sichtweise etwas anfangen kann und es dadurch leichter fällt, komplexe mechanische Zusammenhänge zu verstehen.

Gruss Pico


Gruß
Detlef
castorpollux
Inventar
#5 erstellt: 22. Aug 2009, 21:28
Sehr nachvollziehbar, danke
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