ELA Mischverstärker der 50er

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Keksstein
Inventar
#1 erstellt: 23. Feb 2014, 21:51
Hallo zusammen,

vor einigen Jahren habe ich 3 alte Verstärker aus den 50ern bekommen bestückt mit 2x ECC83 - 1x ECC82 - 2x EL34 (einer mit 2x EL156)
Den EL156 Verstärker habe ich damals leider im kindlichen Forschungsdrang zerlegt da er unvollständig war, die beiden anderen Vestärker haben die Jahre überstanden. (ich habe die Teile aber aufgehoben und will ihn wenn ich Lust habe wieder soweit wie möglich rekonstruieren) Einen der EL34 Verstärker habe ich früher schon wieder einigermaßen zum laufen gebracht, der andere war seit etlichen Jahren nicht am Netz. Um genau diesen geht es jetzt.

Alle Geräte haben keinen "normalen" Lautsprecher Ausgang sondern nur einen in 100V Technik. Der ursprüngliche Anwendungsbereich ist mir nicht bekannt, denkbar wäre Kino- oder Beschallungsverstärker, am wahrscheinlichsten ist aber das es ein reiner Durchsageverstärker ist. (2 Mikrophoneingänge die sich zum eigentlichen Signal mischen lassen).

Ich möchte einfach aus Freude daran das Gerät wieder zum laufen bringen und eventuell nachher per Audio Interface am PC messen was damals schon möglich gewesen ist. (Verzerrungen, Frequenzgang....) Ich bin auch schon recht weit damit, ein Problem habe ich aber aktuell:

Im Gerät wird die Negative Gittervorspannung mit separater Wicklung aus dem Trafo gewonnen und über eine Selendiode (B55 C5 also 55V Sperrspannung und 5mA Durchlassstrom) gleichgerichtet. Die Diode ist leider hinüber, bei 4mA fallen über ihr ziemlich genau 5V ab was einem Innenwiderstand von ~1,2k entspricht. Ich habe sie durch eine 1N4004 ersetzt und will einen Widerstand in Reihe schalten um nachher auf die benötigte Spannung zu kommen, mein Problem ist bloß das ich keinen Schaltplan habe und daher nicht weis wie hoch die negative Gitterspannung werden darf. Kann man das irgendwie herausfinden?

Die zweite Frage betrifft die Siebkondensatoren. Im Gerät sind 3 MP-Becherkondensatoren von Bosch verbaut, laut Aufdruck von 1958. Sind die Bauteile kritisch oder prinzipiell noch brauchbar für diese Anwendung? Wie altern die Kondensatoren und was passiert im Fall eines Defekts?

Vielen Dank im Vorraus.

Gruß,
Jan
DB
Inventar
#2 erstellt: 24. Feb 2014, 10:17

Keksstein (Beitrag #1) schrieb:
Die Diode ist leider hinüber, bei 4mA fallen über ihr ziemlich genau 5V ab was einem Innenwiderstand von ~1,2k entspricht.

Weshalb erwartest Du von einem Selengleichrichter ein zu Siliziumdioden identisches Verhalten? Hieße er dann nicht Selengleichrichter, sondern Siliziumdiode?


Keksstein (Beitrag #1) schrieb:
mein Problem ist bloß das ich keinen Schaltplan habe und daher nicht weis wie hoch die negative Gitterspannung werden darf. Kann man das irgendwie herausfinden?

Kann man. Durch Messen, Datenblattstudium und gründliches Nachdenken.
Möglicherweise könnte man noch viel besser helfen, wenn Du nicht so eine Geheimniskrämerei betreiben würdest.


Keksstein (Beitrag #1) schrieb:
Die zweite Frage betrifft die Siebkondensatoren. Im Gerät sind 3 MP-Becherkondensatoren von Bosch verbaut, laut Aufdruck von 1958. Sind die Bauteile kritisch oder prinzipiell noch brauchbar für diese Anwendung? Wie altern die Kondensatoren und was passiert im Fall eines Defekts?

Laufen die Kondensatoren aus? Brummt das Gerät? Ist die Stromaufnahme überdurchschnittlich? Wenn nein, würde ich die Kondensatoren ignorieren.


MfG
DB


[Beitrag von DB am 24. Feb 2014, 10:20 bearbeitet]
selbstbauen
Inventar
#3 erstellt: 24. Feb 2014, 16:34
Hallo Jan,

an der neuen Diode wird weniger Spannung abfallen. Also wird die Vorspannung etwas negativer sein, die Röhren haben also einen geringeren Ruhestrom. Das ist zum Probieren und Wiedererwecken genau richtig.

Die alten MP-Kondensatoren werden sich beim ersten Einschalten vermutlich mit einem Knall und heftigem Gestank verabschieden. Auch wenn sie jetzt noch optisch ok sind. Also auswechseln oder mittels Regeltrafo den Verstärker wieder langsam an die spannende Wirklichkeit heranführen.

Gruß
sb
DB
Inventar
#4 erstellt: 24. Feb 2014, 19:20

selbstbauen (Beitrag #3) schrieb:

Die alten MP-Kondensatoren werden sich beim ersten Einschalten vermutlich mit einem Knall und heftigem Gestank verabschieden.

Warum sollten die Kondensatoren das tun?


MfG
DB
Keksstein
Inventar
#5 erstellt: 24. Feb 2014, 19:41
Hallo zusammen und danke für die Antworten


Weshalb erwartest Du von einem Selengleichrichter ein zu Siliziumdioden identisches Verhalten? Hieße er dann nicht Selengleichrichter, sondern Siliziumdiode?


Klar das beide Bauteile nicht identisch sind, ich habe mir schon die Kennlinie eines Selengleichrichters angeschaut bevor ich die Idee mit der Siliziumdiode hatte. Es kam mir halt komisch vor, deshalb auch die Frage.


Kann man. Durch Messen, Datenblattstudium und gründliches Nachdenken.
Möglicherweise könnte man noch viel besser helfen, wenn Du nicht so eine Geheimniskrämerei betreiben würdest.


Geheimniskrämerei ist nicht mein Ziel, ich bin ja der der Hilfe sucht, habe auch schon vor einiger Zeit zum anderen Gerät einen Thread eröffnet. Der Verstärker stammt von der Firma HSW, er sieht diesem hier nicht unähnlich: http://www.radiomuseum.org/r/gebrschmit_mlv_50_t.html
Meiner hat als Gleichrichter für die Anodenspannung Selengleichrichter in Seulenform auf dem Chassis und der AÜ ist kein Schnittbandkern-Typ. (Ich mache gerne Fotos wenn es interessiert)


Laufen die Kondensatoren aus? Brummt das Gerät? Ist die Stromaufnahme überdurchschnittlich? Wenn nein, würde ich die Kondensatoren ignorieren.



Die alten MP-Kondensatoren werden sich beim ersten Einschalten vermutlich mit einem Knall und heftigem Gestank verabschieden. Auch wenn sie jetzt noch optisch ok sind. Also auswechseln oder mittels Regeltrafo den Verstärker wieder langsam an die spannende Wirklichkeit heranführen


Optisch sind sie natürlich unbeschädigt sonst hätte sich die Frage erübrigt.
Die Kapazität passt laut meinem DMM auch noch, wobei das eher ein Schätzeisen ist. Der Rest wird sich beim ersten einschalten zeigen, ich dachte daran eine 100W Glühbirne in Reihe zu schalten und die Betriebsspannungen zu messen?


an der neuen Diode wird weniger Spannung abfallen. Also wird die Vorspannung etwas negativer sein, die Röhren haben also einen geringeren Ruhestrom. Das ist zum Probieren und Wiedererwecken genau richtig.


Problem ist das die Siebkondensatoren hart an der Grenze dimensioniert sind, beim anderen Verstärker waren es knapp 600V an einem 550V Kondensator. (Denke mal zu 220V Zeiten hat das ganz gut gepasst) Ziehen die Röhren noch weniger Strom steigt die Spannung ja weiter, das könnte ein Problem werden. (wobei sich das ja beobachten lässt mit der Glühbirne in Reihe)

Gruß,
Jan
DB
Inventar
#6 erstellt: 25. Feb 2014, 00:02
Ja, das mit der Glühbirne ist eine gute Idee.
Wenn Du dann den Verstärker so weit hast, mißt Du Anoden- und Schirmgitterspannung. Den Raa des Ausgangstrafos zu wissen ist auch nicht schlecht. Danach kannst Du im Röhrendatenblatt den Arbeitspunkt finden.

MfG
DB
Keksstein
Inventar
#7 erstellt: 26. Feb 2014, 21:08
Danke nochmals, ich mache den Verstärker am Wochenende fertig (Potis sind verharzt und lassen sich nicht bewegen) und berichte dann.

Gruß,
Jan
pragmatiker
Administrator
#8 erstellt: 26. Feb 2014, 21:23

DB (Beitrag #4) schrieb:

selbstbauen (Beitrag #3) schrieb:

Die alten MP-Kondensatoren werden sich beim ersten Einschalten vermutlich mit einem Knall und heftigem Gestank verabschieden.

Warum sollten die Kondensatoren das tun?

Genau so ist es. Gerade MP-Kondensatoren sind im Hinblick auf Lebensdauer und unerwartetes Betriebsverhalten in richtig dimensionierten Schaltungen äußerst unverdächtige Kandidaten - auch wenn sie viele Jahrzehnte alt sind. Es hatte schon seinen sehr guten Grund, daß Rohde & Schwarz in den 50er und 60er Jahren in seinen röhrenbestückten Meßgeräten - wo immer es ging (auch und gerade in Netzteilen) - auf Elkos verzichtet hat und stattdessen MP-Kondensatoren (ggf. in Verbindung mit Drosseln) eingesetzt hat. Sämtliche der Meßgeräte dieser Firma aus der damaligen Zeit, die sich derzeit in meinem Besitz befinden, laufen auch heute noch - klaglos. Musterbeispiele an hervorragend entworfenen und ausgeführten Geräten aus jener Zeit sind z.B. LARU, KARU und KZS sowie auch das Labornetzgerät NGU (in dem Ding gibt's einen einzigen Elko, der seinen dort wirklich äußerst unanstrengenden Dienst hinter einem Potischleifer eines 10[kOhm]-Potis direkt an den Klemmen des negativen Gittervorspannungsausgangs "E2" verrichtet - ansonsten sind alle Lade- und Siebkondensatoren dieses Gerätes ausnahmslos MP-Kondensatoren). Und genau dieser Elko war in meinem NGU hin - neben einem 1[Ohm] Widerstand, der als "Notbremse" für Kurzschlüsse am Ausgang diente und seine ihm zugedachte Funktion (nämlich den Schutz des 16[µF]-MP-Kondensators C5 im Kurzschlußfall vor zu großen Entladungsströmen) wohl effizient erfüllte:



Nach dem Austausch dieser beiden Bauteile lief das NGU wieder und hielt alle seine Spezifikationen ohne jede weitere Maßnahme ein - sooooo schlecht können MP-Kondensatoren also nicht sein.....

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 26. Feb 2014, 22:01 bearbeitet]
selbstbauen
Inventar
#9 erstellt: 28. Feb 2014, 13:30
Das mag ja alles richtig sein. Hier geht es aber um Geräte, die 60 Jahre alt sind und vermutlich einige Jahrzehnte (vielleicht) auf einem Dachboden bei Temperaturen von minus 20 bis plus 50 Grad gefristet haben. Nicht im warmen Hobbyraum mit zeitweiligem Betrieb. Diese Kondensatoren sind nicht selbstheilend. Wenn sich unter diesen Lagerbedingungen im Aufbau etwas verändert hat, dann geht die erste Inbetriebnahme unter Vollspannung schief. Davon bin ich mit dem Rat ausgegangen. Das ist eine Frage der Sicherheit.
pragmatiker
Administrator
#10 erstellt: 28. Feb 2014, 14:08

selbstbauen (Beitrag #9) schrieb:
Diese Kondensatoren sind nicht selbstheilend.

Ich zitiere hier mal aus dem Buch "Siemens - Passive Bauelemente 1881 - 1974", Seite 28 ff., welches mir im Original vorliegt:

1938 - Entwicklung metallbedampfter Papiere zur Herstellung von MP-Kondensatoren

Metallpapierkondensatoren, mit deren Entwicklung die Firma Bosch 1934 begann, sind mit metallisierten Papierfolien aufgebaut. Ein wesentliches Merkmal dieser MP-Kondensatoren ist die Eigenschaft, bei einem Durchschlag des Dielektrikums selbst zu heilen. Diese Selbstheilung und die damit im Zusammenhang stehenden kleineren Abmessungen gegenüber den Papierkondensatoren sowie weitere Vorzüge geben dem MP-Kondensator seine besondere Bedeutung. Nach Abschluß der eigenen Entwicklungsarbeiten wird mit dem Bau der Fabrikationsanlage begonnen.


Bei Bedarf grab' ich zu dem Thema noch deutlich mehr Fachliteratur aus.

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 28. Feb 2014, 14:12 bearbeitet]
selbstbauen
Inventar
#11 erstellt: 01. Mrz 2014, 13:32
Hallo Herbert,

auch wenn du mir nicht glaubst, aber das war mir bekannt. Mein Vater hat mir diese genau mit diesem Hinweis für die ersten Lötbasteleien angedient. Das war in den 60'ern. Ganz geringe Kapazitäten, aber recht sicher.

Mit Verlaub: Würde der Erfinder beherzt Ja sagen zu der Frage, ob das auch noch nach 50 Jahren so wirkt?

Ich würde mich nicht darauf verlassen und deshalb sagen: Die sind nicht (mehr) selbstheilend.

Gruß
sb
pragmatiker
Administrator
#12 erstellt: 01. Mrz 2014, 13:43
Servus sb,

50 oder mehr Jahre sind für ein elektronisches Bauelement zweifelsohne eine lange Zeit. Und, ja, die Lagerung mag bei diesen Komponenten auch eine Rolle spielen. Fakt ist aber auch, daß ich jede Menge Meßgeräte von Rohde & Schwarz aus dieser Zeit kenne, die ganz bewußt eben ohne Elkos aufgebaut waren - und, wenn es um für Röhrengeräte "größere" Kapazitäten ging, prinzipiell auf MP-Kondensatoren zurückgegriffen wurde. Und diese Konstruktionen aus den 50er- und 60er-Jahren waren überragende Entwürfe, die auf extreme Langlebigkeit getrimmt waren. Alle Geräte aus dieser Zeit, auf die ich Zugriff habe, funktionieren auch heute noch einwandfrei - und mir persönlich ist auch noch nie ein defekter MP-Kondensator untergekommen.

Zur Selbstheilung: Die passiert ja dadurch, daß bei einem Durchlag durch die dann fließenden Ströme die sehr dünne Aluminiumbelagfolie etwas großflächiger verdampft und dadurch um die Durchlagstelle herum einfach kein leitfähiges Metall mehr vorhanden ist. Mit diesem Selbstheilungseffekt einher geht natürlich eine ganz leichte Reduktion der Kapazität. Nachdem ich noch nie davon gehört habe, daß über die Zeit diese Aluminiumfolie dicker werden würde (was dann vielleicht den Selbstheilungseffekt einschränken würde), wüßte ich nicht, aus welchen Gründen MP-Kondensatoren nach 50 Jahren nicht mehr selbstheilend sein sollen.

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 01. Mrz 2014, 13:58 bearbeitet]
Keksstein
Inventar
#13 erstellt: 02. Mrz 2014, 14:20
Hallo zusammen,

kurzer Zwischenstand, der Verstärker geht dieses Wochenende wohl noch nicht ans Netz, ich habe die Potis für Lautstärke und Klangregler zerlegt weil sie komplett verharzt sind und hab Achse + Gehäuse in Spiritus gelegt damit ich sie auseinander bekomme. Ich hoffe das hilft sonst muss ich neue bestellen.

Gruß
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