Revox A78 Leistungstransistoren

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herrgourmet
Neuling
#1 erstellt: 09. Nov 2018, 08:18
Hallo
Ich hatte kürzlich einen Revox A78 MKII bei mir auf dem Tisch zur Reparatur. Am linken Kanal waren beide Leistungstransistoren vollständig kurzgeschlossen. Die Endstufe wurde offenbar früher schon mal repariert, denn es waren anstatt den originalen RCA, 2N3055S von ST verbaut.
Als erstes prüfte ich, ob der Rest der Endstufe noch intakt war. Das war glücklicherweise der Fall.
In meiner Bastelkiste hatte ich noch 2N3055 Transistoren von INCHANGE. Diese haben ein Uce von 100V und wären theoretisch als Ersatz geeignet. Nachdem ich sie eingebaut hatte, schwingte aber die ganze Endstufe im MHz Bereich. Entsprechend war der Ruhestrom nicht wirklich einstellbar und ein vernünftiger Ton kam auch nicht raus. Ich war erstmal ziemlich verwirrt und suchte den Fehler im Rest der Endstufe. Doch da war er nicht.
Mittlerweile ist mir klar, dass 2N3055 von 1970 etwas ganz anderes ist, als einer von 2018. Sie haben zwar vielleicht die gleichen Strom- und Spannungsgrenzen, die gleiche Verstärkung, aber sonst teilweise sehr unterschiedliche Eigenschaften. Beispielsweise hatten die alten 2N3055 eine Transitfrequenz von 0.8MHz, während der neue von INCHANGE 2.5MHz schafft. Ich vermute nun, dass genau deshalb die Endstufe ins Schwingen kam.
Mittlerweile habe ich die Transistoren ersetzt mit MJ15015 von Onsemi. Die haben nur 0.8MHz und damit funktioniert die Endstufe wieder wie sie soll.
Grüsse
Christian
Hassi$7
Stammgast
#2 erstellt: 09. Nov 2018, 08:38
Prima und Glückwunsch.
Danke für die Info und Beschreibung des Problems und vor allem der Lösung.

Grüße
Lennart777
Inventar
#3 erstellt: 09. Nov 2018, 09:09
Das Problem liegt nicht an der unterschiedlichen Transitfrequenz, sondern vielmehr am Fabrikat ISC (Inchange Semiconductor).
Man bekommt auch heute noch 2N3055 in vernünftiger Qualität, so wie auch die Halbleiter von ON vernünftig sind. Allgemein kann ich nur warnen vor Angeboten von nachgemachten Transistoren, die für verführerisch günstige Preise überall angeboten werden. Aber: wer billig kauft, kauft zweimal...

Grüße
Lennart
Broesel02
Inventar
#4 erstellt: 09. Nov 2018, 14:01
Ich möchte Lennart hier bestätigen; es liegt am Hersteller ISC und nicht an der höheren Grenzfrequenz. Ich kann das leider aus leidvoller und auch teurer Erfahrung bestätigen.
Richard
Uwe_1965
Inventar
#5 erstellt: 09. Nov 2018, 16:24

Beispielsweise hatten die alten 2N3055 eine Transitfrequenz von 0.8MHz, während der neue von INCHANGE 2.5MHz schafft. Ich vermute nun, dass genau deshalb die Endstufe ins Schwingen kam.


Das kann schon sein, der 2N3055 (E,H,S,U) hat ein ft 2,5Mhz, der 2N3055A nur eine von 0,8MHz, vielleicht sollte man irgendeine Firma nicht von vorneherein verteufeln, wenn einfach nur der falsche Transistor verbaut wurde. Der Transistor als solches ist ja fast berühmt, wenn man nach Ihm gurgelt z.B. hier, der scheint wohl am anfangs wirklich weniger gehabt zu haben, aber dann mehr.

Gruß Uwe

edit: Nur der Übersicht halber 2N3055


[Beitrag von Uwe_1965 am 09. Nov 2018, 16:41 bearbeitet]
CarlM.
Inventar
#6 erstellt: 09. Nov 2018, 17:10
Um die Ursache zu beweisen, müsste man die Schwingungen genauer angucken. Für mich ist das aber sekundär.
Es geht auch nicht um's Rechthaben, sondern um das, was man mit solchen Diskussionen erreicht:
1. Eine Sensibilisierung bzgl. der Qualität von Bauteilen. Wie oft liest man im Forum: "Das Bauteil habe ich schon getauscht - da kann der Fehler nicht mehr liegen." - Pustekuchen!
2. Die Bauteile haben - unabhängig von Fake- und Billigprodukten - über die Jahre zum Teil Eigenschaftsänderungen erfahren. So wie hier, wo auch ein qualitativ hochwertig hergestellter Halbleiter eine andere Transitfrequenz bekommt und trotzdem weiterhin 2N3055 heisst. Ich erinnere mich an eine zurückliegende Diskussion, in der es sehr ähnlich um Unterschiede bei BC107C-Transistoren in alten Dynacord-Verstärkern ging.

Und deshalb sind auch alle Diskussionsbeiträge zum Thema sehr hilfreich.
eckibear
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 09. Nov 2018, 17:35
Die Nachbauten aus Fernost sind praktisch allesamt "re-baged". Irgendein halbwegs passender Standardtyp, oft mit schlechter Qualität, wird unter verschiedensten Typbezeichnungen verpackt und verkauft.
Der Hintergrund ist immer Preisdruck oder glatter Betrug. Der Preis pro Fläche Siliziumwafer ist hoch genug, dass einige "Hersteller" zu popeliger Chipgröße greifen und diese dann designtechnisch auszuquetschen versuchen. Das funktioniert aber aus mehreren physikalischen Gründen nicht so wie vom Kunden gewünscht.
Eine kleinere Chipfläche hat immer Einschränkungen der thermischen Belastbarkeit zur Folge, was man dann erst merkt wenn die Belastung steigt, hier also bei hoher Lautstärke oder niederohmiger Last.
Oft kommt der Ausfall auch nach einer Weile mäßiger Beanspruchung, weil die thermischen Zyklen gegenüber normalen Chips heftiger sind und die Lötverbindung zum Gehäuseblech versprödet.

In meiner Praxis hatte ich für einen Kunden einmal verschiedene Analysemethoden und Testverfahren zur Aufdeckung dieser und ähnlicher Betrugsmaschen entwickelt. Bei Transistoren geht das noch vergleichsweise einfach. Der Aufwand lohnt sich aber auch dann nur, wenn es sich um recht teure Typen handelt, die zerstörungsfrei geprüft werden sollen.
Als Hobbyist kauft man sich besser testweise ein Paar Stück dieser "Chinaböller", öffnet / sägt sie auf, und vergleicht den Chip mit einem bekannten Muster gesicherter Provenienz. Fake Chips sind praktisch immer deutlich kleiner. Auch ein Leckstromtest bei maximaler Vce0 trennt schon oft die Spreu vom Weizen.
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