Fox, Virgil: The Bach Gammut

Hallo Thomas,

für mich ist das eher Bach zum Abgewöhnen...
All die wunderlichen Manualwechsel, die beispielsweise in der a-Moll-Fuge willkürlich irgendwelche Nebenstimmen hervorheben, die plärrig-grellen Pleno- oder gar Tutti-Registrierungen auf einem sehr amerikanisch klingenden Brüllinstrument, die neckisch-affektierte Staccatissimo-Artikulation, das wahlweise reißerisch überdrehte oder sentimental zerdehnte Tempo - das alles lässt sich meines Erachtens heute kaum noch ertragen, es sei denn, man ist Anhänger der Organ-Spectacular-Fraktion. Aber dann genügt es vielleicht auch, sich die Hollywood-Soundtracks zu all den Filmen mit irgendwelchen orgelspielenden Wahnsinnigen (ich empfehle Vincent Price als Dr. Phibes oder Jack Lemmon als Prof. Fate) zu besorgen, da klingt die Orgel ganz ähnlich...


Herzliche Grüße
Aladdin

Hallo Thomas.

Darfst dich natürlich von Aladdins vernichtendem Kommentar nicht abschrecken lassen, wobei er in der Sache recht hat. Wenn dir die Aufnahme gefällt ist das gut und falls du mehr Bach dieser Art willst, such auch mal nach dem Organisten bzw. Dirigenten Karl Richter.

Die Art und Weise wie Fox Bach spielt, ist heute einfach nicht mehr in Mode. Auch die Wahl des Instruments dürfte dem heutigen Bach Kenner bzw. Fan eher dubios erscheinen. Heutzutage wird Bach wesentlich schlanker, weniger ausladend usw. gespielt (das hat Alladin ja schon alles beschrieben).
Empfehlenswert in dieser Richtung finde ich vor allem die CPO Serie mit Bachs Orgelmusik, die Gerhard Weinberger seit einiger Zeit schon einspielt.

Viele Grüße,
Alex.

P.S. Hier der Link zur entsprechenden CD mit der berühmten Toccata und Fuge d-moll BWV 565:

Hallo Thomas,

Kings.Singers Empfehlung der Bach-Gesamtaufnahme von Gerhard Weinberger kann ich mich aus meiner Kenntnis der Folgen 6 und 10 sowie der einmal im Radio gehörten Passacaglia nur vorbehaltlos anschließen.

Wenn Kings.Singer in diesem Zusammenhang von einem "schlankeren" Bach-Spiel spricht, so solltest Du daraus keinesfalls schließen, dass es sich um abgespeckte, temperamentlos biedere Interpretationen handelte:
Weinberger weiß sehr genau, dass Bach von den Orgeln seiner Zeit "Gravität" forderte und registriert auch entsprechend auf den klangschönen mitteldeutschen Instrumenten der Bach-Zeit; und sein Ansatz ist außerdem sehr affekt-geladen, denn er speist sich aus der Kenntnis der musikalisch-rhetorischen Figuren, mit denen die Komponisten des Barock ihre Kompositionen als eine ausdrucksstarke "Klangrede" gestalteten. Weinberger ist damit freilich nicht allein: Auch bei Bach-Interpreten wie Ton Koopman, Jean-Claude Zehnder, Lorenzo Ghielmi, Ewald Kooiman, Hans Fagius oder Bernard Fouccroulle wirst Du bei allen individuellen Unterschieden einen grundsätzlich verwandten Zugang zur Musik Bachs finden.

Was mich an Virgil Fox stört, ist weniger die eine oder andere seiner interpretatorischen Entscheidungen, sondern sein gesamter Zugriff, der die Musik Bachs zu einer effektvollen Show-Nummer degradiert.

Sehr amüsant ist in dieser Hinsicht das Promo-Video mit dem Beginn von Bachs (in ihrer Echtheit übrigens nicht unumstrittener) Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 auf Friends of Virgil Fox (zu sehen unter der Rubrik "Video Streamer"). Das Stück ist entgegen seinem Ruf sehr viel leichter zu spielen als das Meiste, das Bach sonst für Orgel komponiert hat - jeder Orgelschüler kann das mit ein bißchen Übung schaffen. Vor diesem Hintergrund sehe man sich nur einmal an, mit welch lächerlich rattenfängerischem Gebaren Fox diesem Anfang mythische Größe herbeizaubern will: wie er zu jedem Mordent des Unisono-Beginns mit geradezu schamanistischen Bewegungen ausholt, wie er den verminderten Septimakkord nur unter vollem Körpereinsatz aufzulösen imstande ist und für jede Pause die Finger von den Tasten regelrecht losreißen muss...

Großen Unterhaltungswert hat das allemal - genau wie Dr. Phibes und Prof. Fate. Nur mit Bach hat das ziemlich wenig zu tun.


Herzliche Grüße
Aladdin

Hallo!

Vielen Dank für die Tips.

Ich werde mich in den nächsten Tagen gleich mal zum CD-Händler aufmachen und in die empfohlene Scheibe reinhören.

Meine Erfahrungen werde ich natürlich hier posten.

Kennt jemand die Stockmeyereinspielung des gesamten Bach Orgelwerkes? Die gab es mal ganz billig bei Zweitausendundeins. Erstaunlicherweise im übrigen eine Analogeinspielung zu Zeiten - den 80ern - als es digitale Einspielungen längst gab. Klingt aber nicht schlecht. Ich höre sie gelegentlich ganz gerne.

Hallo Martin,

die wenigen Bach-Einspielungen die ich von Wolfgang Stockmeier - übrigens einem ganz großen Reger-Interpreten - kenne, haben mich mit ihrer monotonen Legato-Artikulation eher gelangweilt. Als Bach-Spieler kommt mir Stockmeier stets ein wenig akademisch vor.


Herzliche Grüße
Aladdin

Hallo Alladin,

danke für Deine Einschätzung. Nun war dieser Stockmeyer wirklich sehr billig. Da bliebe also Platz, da man den gesamten Bach schon im Regal hat, für wirklich überragende Bachinterpretationen einzelner Werke.

Gruß Martin

Hallo Martin,

die sehr guten Einspielungen von Gerhard Weinberger sind bei jpc teilweise zu Spottpreisen erhältlich. Ansonsten würde ich Dir auch raten, statt zu einer weiteren Gesamtausgabe zu interessanten Einzeleinspielungen zu greifen. Einige meines Erachtens gewichtige Bach-Interpreten habe ich ja oben bereits genannt.


Herzliche Grüße
Aladdin