Boxen ohne Bassreflex besser an Röhrenamps?

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OberstVilla
Stammgast
#1 erstellt: 22. Dez 2005, 08:58
Moin,

oft wird davon gesprochen, Breitbandlautsprecher mit harter Aufhängung an Röhrenverstärker anzuschließen. Grund ist u.a. wohl der geringe Dämpfungsfaktor bei Röhrenamps.

Nun habe ich mich gefragt, ist es eigendlich nicht auch besser, Boxen (2- oder 3-Wege) ohne Bassreflex (also komplett dichte, so wie damals oft üblich) an Röhrenamps anzuschließen? Bassreflexboxen haben ja immer recht weich aufgehängte Tieftöner, bei alten Boxen ohne Bassreflex schwingt der Tieftöner ja nicht so aus.

Ich frage so ganz grundsätzlich. Ich meine damit nicht Box "A" besser als Box "B" oder Breitband besser Als 2- oder 3-Weg..

Gruß
Manfred


[Beitrag von OberstVilla am 22. Dez 2005, 09:02 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 22. Dez 2005, 11:36
Das lässt sich nicht generell so beantworten.
Ursprünglich hatte man nur offene Boxen, also Schallwände. Das waren alle Radios und Musiktruhen. Zur Zeit der letzten Röhrenradios (Grundig NF10) wurden die ersten geschlossenen Boxen gebaut, Bassreflex war aber da im Profibereich (inkl. Kino) bereits üblich. Aus dieser Sicht gibt es also keinen Zusammenhang.
Tatsache ist, dass Bassreflexboxen unterhalb der Reflexabstimmung unbedämpft schwingen. Sie können aber bei diesen Frequenzen keinen Ton mehr abstrahlen, weil sich zwischen Reflexrohr und Lautsprecher ein akustischer Kurzschluss bildet. Wenn nun durch den Verstärker ebenfalls keine Bedämpfung erfolgt, so kann dieses unkontrollierte Schwingen bis zur Beschädigung des Tieftöners gehen.
Bei einer geschlossenen Box ist die Auslenkung bei der Resonanzfrequenz am grössten, wenn die Membran nicht durch den Verstärker bedämpft wird. Bei der Resonanzfrequenz ist nämlich die Lautsprecherimpedanz am höchsten und bei einem Verstärker mit geringem Dämpfungsfaktor (= grosser Ri) nimmt die Ausgangsspannung zu, wenn die Last geringer wird. Das bedeutet, dass geschlossene Boxen dröhnen und "hupen" können. Dies kann einen stärkeren Bass vortäuschen, kann aber auch ausgesprochen lästig sein. Bei PA-Verstärkern in Röhrentechnik (nannte man früher ELA) mit unter anderem 100V Ausgang ist der Dämpfungsfaktor nicht so schlecht, sodass beide Boxenarten betrieben werden können, bei den heute wieder auferstandenen Röhrendingern ohne Gegenkopplung (die klingen halt so schön nach Röhre ) ist mit beiden Boxenarten nur Sound, aber kein echter Klang möglich.
OberstVilla
Stammgast
#3 erstellt: 22. Dez 2005, 20:29
Hallo Richard,

vielen Dank für deine Antwort!

Dass das nicht so einfach ist, befürchtete ich.
Wie es überhaupt zu meiner Frage kam:

Ich habe an dem Dynavox zwei alte Canton Quinto 520 Boxen 65/100W , 4 Ohm (an denen ich sehr hänge). Die habe ich seit 22 Jahren, sind 3-Wege Regal-Boxen (Hochtonkalotte,Mitteltonkalotte, Bass-LS) und sind keine Bassreflex-Boxen. Die klingen an dem Dynavox großartig!!!

Dann habe ich noch an einem Akai AM-35 (Transistorkiste, bin ich aber trotzden sehr zufrieden mit:)) zwei Jamo 7.5 Standboxen, 100/140W, 4 Ohm. Das sind 2-Wege Bassreflex-Boxen (Hochton-Kalotte und 2xMittel/Bass-LS). Die klingen auch gut, sehr Bass-lastig.

Nun habe ich mal die Jamo an den Röhrenamp angeschlossen und war sehr verwundert. Ich dachte eigendlich, der Bass kommt jetzt bestimmt noch besser als vorher mit den kleinen Canton. Das war aber nicht der Fall!
Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie waren die tiefen Töne, z.B. Bassgitarre, irgendwie angenehmer und druckvoller mit den Canton Boxen.

Daher hatte ich vermutet, dass die Jamo mit dem Röhrenamp nicht "zurechtkommen", denn am Transistoramp hören die sich sehr gut an.

Gruß
Manfred


[Beitrag von OberstVilla am 22. Dez 2005, 20:33 bearbeitet]
fretworker
Stammgast
#4 erstellt: 24. Dez 2005, 12:42
Hallo richi,
das habe ich nicht kapiert:

ist mit beiden Boxenarten nur Sound, aber kein echter Klang möglich

Abgesehen davon, dass Sound Klang bedeutet, bedarf das doch der näheren Erklärung.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, passen Röhrenverstärker besser zu geschlossenen Boxen und Transistorverstärker besser zu Bassreflexboxen??

Geschlossene Boxen können dröhnen, aber nur wenn sie nicht richtig bedämpft sind. Ausstopfen, ausstopfen, ausstopfen, und zwar mit dem richtigen Material. Ich habe selber geschlossene Bass-Lautsprecher, 30 cm Durchmesser, 80 Liter Volumen, da dröhnt und hupt nix. Trockener, druckvoller Bass und vor allem: natürlich klingend (Cello, Kontrabass, Pauke etc.). Und zwar mit Transistor als auch mit Röhre.
Meine Erfahrung nach machen Bassreflexsysteme zwar einen lauten Bass, klingen bei akustischer Musik (Klassik, Folk) aber eher hohl und dröhnig. Ich habe noch keinen Bassreflexlautsprecher gehört, der wirklich "natürlich" geklungen hat. Ich spreche hier wohlgemerkt nicht von Pop und Rock, da mag das anders sein. Allerdings habe ich auch keine Boxen im fünfstelligen Euro-Bereich gehört.

@OberstVilla
Das mit der harten und weichen Aufhängung kann ich so nicht bestätigen. Ich habe Breitbänder, die sehr weich aufgehängt sind. Und was ich in den letzten Jahren an Bass-Systemen gehört habe bzw. in den Händen hatte, war alles bretthart aufgehängt. Meine alten Bässe sind dagegen richtig weich.

Gruß und schöne Weihnachten
richi44
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 24. Dez 2005, 15:10
Klang ist für mich Neutralität, wie man sie in den Studios kennt und womit man JEDE Art von Musik hören kann.
Demgegenüber ist Sound eine bestimmte Klangfärbung, die einer bestimmten Musikart entgegenkommt, eine andere aber stark in Mitleidenschaft zieht.

Generell ist es so, dass heutige Boxen für den Betrieb an Verstärkern mit einem Dämpfungsfaktor von besser 20 gebaut sind. Wenn man nun einen Röhrenverstärker ohne Gegenkopplung verwendet, kann der Dämpfungsfaktor sogar unter 1 sinken. Das bedeutet, dass der Lautsprecher fast unkontrolliert ausschwingt und da Geräusche von sich gibt, die nicht im Original enthalten sind.

Es gab zu Anfang der Radiotechnik Lautsprecher, deren Membran durch eine im Magnetfeld schwingene Metallzunge angeregt wurde. So ein Ding war ideal für ein Glockenspiel, weil die Zunge einen ähnlichen Eigenklang entwickele. Aber es war für Geige und Orgel unbrauchbar, weil es halt auch dann nach Glockenspiel tönte.

So verstehe ich das mit dem gesoundeten Klang an einem Röhrengerät. Es ist nicht der Röhrenverstärker an sich, der den Sound hat und auch nicht der Lautsprecher, der an einem gegengekoppelten Gerät optimal spielt, sondern es ist die untaugliche Kombination, die alles klanglich verfälscht. Was zu was passt, hängt im Einzelfall von den jeweiligen Komponenten ab. Es gibt da kein "Generell".

Wie stark eine geschlossene Box zu bedämpfen ist, hängt von dem Gesamtkonzept, also der Abstimmung der Box ab. Wenn man eine relativ kleine Box verwendet, ist die Gefahr gross, dass die Systemgüte über 0,7 steigt, was zu Dröhnen führt, besonders dann mit Röhrengeräten. Wird nun diese Box ordentlich gestopft, steigt die Bedämpfung und damit sinkt die Güte, sodass diese unter 0,7 kommt und einmal dadurch das Dröhnen abnimmt und zweitens der Lautsprecher mehr mechanisch als elektrisch bedämpft wird, sodass er am Röhrengerät problemlos läuft.
Das gilt aber sinngemäss auch für die Bassreflexbox, wobei es bekanntlich dort nicht nur das Boxenvolumen, sondern auch die Reflexrohr-Dimension ist. Somit ist jene Abstimmung schwieriger, besonders im Hinblich auf geringe elektrische Bedämpfung (Röhrengeräte).

Sehr viele Studiomonitore (Genelec) sind als Bassreflex gebaut, weil damit eine deutlich geringere Auslenkung der Membran erforderlich ist. Dies reduziert den Klirr beträchtlich. Allerdings sind solche Dinger fast immer aktiv, weil damit die gewünschten Parameter besser zu erreichen sind.
fretworker
Stammgast
#6 erstellt: 24. Dez 2005, 16:21
hallo richi,

Klang ist für mich Neutralität... ... die einer bestimmten Musikart entgegenkommt, eine andere aber stark in Mitleidenschaft zieht.

Ah ja, jetzt habe ich kapiert was Du meinst.


... Es gibt da kein "Generell".

Auch verstanden. Das sind Antworten, wie ich sie liebe: kurz, knackig, alles drin, verständlich formuliert. Freut mich wirklich! ((Nix Ironie!!))

Das erklärt auch, warum die alten Schätzchen von OberstVilla an der Röhre gut klingen, die neueren Boxen mit der Röhre aber nicht.

Die Problematik ist klar. Für Selbstbauer sollte das bedeuten: Geschlossene Boxen sollten eher groß und kleine Boxen eher als Bassreflex ausgelegt sein, da die jeweilige Abstimmung einfacher ist. Das kann ich so mit meinen (nur fast selbstgebauten) Boxen bestätigen. Die großen sind richtig groß und geschlossen (und relativ alt), meine Breitbänder klein und Transmissionline (und ziemlich neu). An den Großen hängt die Röhre (altmodisch), an den Kleinen der SonicImpact T-Amp (Digital-Amp, modern), und beide Paare klingen super. Passt.

Das mit den Studiomonitoren ist auch klar. Aber da noch mal was zum "Sound". Ich habe die Erfahrung gemacht, dass so ein bisschen "Sound", also nicht absolute Neutralität (oder Linearität?), irgendwie realistischer ist. Was ich an Studiomonitoren gehört habe (große und kleine) war zwar sehr analytisch und korrekt, hat aber nicht wirklich Spass gemacht. Ich empfand den Klang als eher steril und nicht sehr natürlich. Das kann selbstverständlich auch an meinem Musikgeschmack liegen, denn ein Live-Konzert in einer Kirche oder einem Konzertsaal ist eben auch immer "Sound". Manche Räume kommen der Musik entgegen, andere klingen fürchterlich. Das betrifft übrigens nicht nur die Klassik. Vor Jahren habe ich mal ein Rock-Konzert in einem alten Schwimmbad gehört — nur grauenvoll, der falsche Raum.

Noch mal zum Boxen-Sound. Was sind denn für Dich wirklich neutrale Boxen? Die würde ich mir gerne mal anhören und wenn möglich mit meinen vergleichen.

Gruß und schöne Weihnachten
Justfun
Inventar
#7 erstellt: 24. Dez 2005, 16:48
Hallo,
wirklich neutrale Boxen sind z.B. die Harbeth HL5.
Allerdings haben sie einen Nachteil sie haben nur 86dB 1W 1m brauchen also schon Verstärker 30Watt und mehr.

Gruß
Manfred
OberstVilla
Stammgast
#8 erstellt: 25. Dez 2005, 10:15

fretworker schrieb:


@OberstVilla
Das mit der harten und weichen Aufhängung kann ich so nicht bestätigen. Ich habe Breitbänder, die sehr weich aufgehängt sind. Und was ich in den letzten Jahren an Bass-Systemen gehört habe bzw. in den Händen hatte, war alles bretthart aufgehängt. Meine alten Bässe sind dagegen richtig weich.


Moin,

da habe ich mich wohl nicht optimal ausgedrückt.
Bei den geschlossenen alten Canton Boxen sind die Tieftöner auch weich aufgehangen (Gummisicke), aber da bei der Box nirgends beim Auslenken des Tieftöners Luft ein- oder austreten kann, ist er sehr stark gedämpft. Somit schwingt er viel weniger aus, als bei Bassreflexboxen.
Daher vermutete ich diesen Klangunterschied im Bassbereich.

Ich habe nicht viel Ahnung von LS-Technik, hoffentlich drücke ich mich einigermaßen verständlich aus

EDIT: Zwar hat der Dynavox eine "über alles" Gegenkopplung, aber vielleicht ist die Dämpfung der alten Canton optimaler im Bezug auf den Klang im Tieftonbereich.

Gruß und schöne Festtage an alle

Manfred


[Beitrag von OberstVilla am 25. Dez 2005, 10:24 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 25. Dez 2005, 11:12
@ fretworker
Die Studiomonitore sollen nicht Spass machen, sondern möglichst neutral klingen und dabei auch jede Schwachstelle der Aufnahme schonungslos aufzeigen (zischen, rumpeln).
Als Beispiel: Vor der CD- Zeit gab es Direktschnittplatten, bei welchen man sich besondere Mühe gab, den Klang auch ohne Filter optimal rüber zu bringen.
Ich hatte unter anderen zwei Exemplare, beide male das selbe Stück, das selbe Orchester, der selbe Dirigent und der selbe Tonmeister, nur andere Studios. Beim einen JBL als Abhöre, beim anderen Altec.
Und der Klang der beiden Aufnahmen wie Tag und Nacht. Die Altec klang hell (Mikrofone nahe an den Instrumenten), die JBL eher dunkel und etwas hallig (Mikrofone weiter weg). Warum das? Die JBL war damals eher hell, die Altec eher dunkel im Klang, also nicht ganz neutral. Und der Tonmeister hat versucht, das Beste zu machen. Also stellt er die Miks so auf, dass der Klang optimal rüber kommt. Inkl. der nicht optimalen Monitore. Er hat also den nicht optimalen Klang der Lautsprecher bei der Aufnahme ausgeglichen. Zu hell wird dunkel und zu dunkel wird hell.

Du siehst daraus, wie wichtig eine neutrale Abhöre ist. Der Tonmeister sollte eigentlich in jedes Studio gehen und die Aufnahme abmischen können, ohne sich erst in die Anlage einhören zu müssen.
Dass man privat seinen Stil suchen, finden und pflegen darf, versteht sich. Weil ich 20 Jahre mit Studios und den entsprechenden Leuten zu tun hatte (und schon immer eher neutral hören wollte), habe ich mich an die Studiomonitoren gewöhnt und würde mir heute gerne sowas kaufen, wenn ich einen Sechser im Lotto hätte...

@ ObestVilla

Bei den geschlossenen alten Canton Boxen sind die Tieftöner auch weich aufgehangen (Gummisicke), aber da bei der Box nirgends beim Auslenken des Tieftöners Luft ein- oder austreten kann, ist er sehr stark gedämpft. Somit schwingt er viel weniger aus, als bei Bassreflexboxen


Das stimmt so nicht ganz. Die Luft in der Bassreflex-Öffnung schwingt bei der gewählten Resonanz stark und bezieht ihre Energie von der Lautsprechermembran. Das bedeutet, dass diese im Bereich der Reflexabstimmung immer weniger weit auslenkt, was einer starken Bedämpfung entspricht. Allerdings unterhalb dieser Abstimmung schingt die Membran dann unbedämpft.
Man kann folgenden Versuch anstellen: CD mit Orgelmusik. Sobald man das Bassreflexrohr zuhält, nimmt die Membranauslenkung bei den tiefsten Orgelbässen deutlich zu.
Dann etwas verwellte LP und Bass aufdrehen. Durch die verwellte Oberfläche bewegt sich der Tieftöner bei offenem Bassreflex extrem, während er bei verschlossener Öffnung viel weniger arbeitet.
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