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Jochum, Eugen: Nur ein Kapellmeister ?

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 19. Mrz 2004, 18:27
Obwohl der vorletzte Dirigententhread (Norrington) auf null Resonanz stieß, was ja auch eine Resonanz ist setze ich die "Dirigentenserie" fort und bin gespannt wie hier das Echo ist.


Unser heutiger Star ist der deutsche Dirigent Eugen Jochum.(1902-1987)
Ich bekenne mich vorweg als Anhänger Jochums, warum weiß ich eigentlich nicht. Vielleicht gibt es irgendwelche Parallelen zu Karl Böhm, ja irgendwie sicher sogar.

Er wirkte als Kapellmeister in Mönchengladbach, Kiel, Lübeck, Mannhein und Duisburg.Er bekleidete etliche Positionen, wurde 1950 Präsident der deutschen Abteilung der Internationalen Anton Bruckner Gesellschaft. Laut meinen Unterlagen spielte er auch als erster sämtliche Sinfonien Bruckners für die Schallplatte ein (was ich mir aber nur schwer vorstellen kann)
Noch in meiner Jugend galt er unangreifbare Bruckner-Kapazität und er muß es auch gewesen sein. Ich liebte Bruckner schon in meiner Jugend nicht so sehr, aber bei einem Konzert, das er in Wien dirigierte, konnte Jochum auch mich begeistern. Immer wenn ich heute das Verdikt "überholt" höre, sehe ich das Bild des damaligen Wiener Publikums vor mir, daß ihn mit "standing ovations" feierte, un ihn erst gehen ließ als er schließlich schon mit Mantel und Schal ein letztes Mal aufs Podium kam...
Danach galt sein Brucknerstil als antiquiert, aber er ist langsam wieder im Kommen und scheint jenen Norringtons zu überdauern...
Unvergesslich auch seine (vom Komponisten autorisierte) Carmina Burana.
Er war aber auch ein wunderbarer Anwalt für das Werk Haydns.
Wenngleich heute "unmodern" so doch einmalig "klangschön"
Bei den Opern fällt mir z.B Mozarts "Entführung" ein, mir Fritz Wunderlich in der Titelrolle.
Was mich persönlich freut, ist die überraschend hohe Nennung, bei den Lieblingsdirigenten, das hatte ich eigentlich nicht erwartet.
Wer von euch hat überhaupt Aufnahmen mit ihm ?


Gruß aus Wien
Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 19. Mrz 2004, 18:37 bearbeitet]
BigBerlinBear
Stammgast
#2 erstellt: 19. Mrz 2004, 20:04
Hallo Alfred, von Eugen Jochums Aufnahmen biesitze ich nur ganz wenige, aber da er bis 1986 öfter die Berliner Philharmoniker als Gast dirigierte, hab ich ihn aus dieser Zeit in bester Erinnerung. Er gehörte zu den Dirigenten, die ihr Lob oder ihr Missfallen mit dem Orchester unübertrefflich mimisch darstellen konnten. Sein essigsaures
L#ächeln nach einem verpatzen Bläsereinsatz in Mozarts "Prager" wird mir unvergessen bleiben. Von seinen Einspielungen stehen mir die Vokalwerke Bruckners (die Messen, Te Deum, Motetten) 3 CD Set bei DG besonders nahe.
embe
Stammgast
#3 erstellt: 20. Mrz 2004, 00:52
Hi,
leider kenne ich zu wenige Aufnahmen mit Jochum.
In Erinnerung blieb mir eigentlich nur Orffs Carmina mit Fischer Dieskau auf DGG, ein paar Bruckner Sym.+ geistliche Werke.
Ouvertüren von Beethoven, meine erste Haydn Sym. auf Cassette (leier...rausch...)
Als Dirigent bei Klavierkonzerten von Brahms u. Beethoven
auf LP.
Zu wenig um sich ein Bild zu machen, denke ich.
Gruß
embe
cr
Inventar
#4 erstellt: 20. Mrz 2004, 01:49
Ich habe vier Bruckner-Symphonien (EMI-Doppelpacks). Die 9. auch nach von der DG (rauscht mir aber zu stark. Meine Mutter hat die 3 Messen + TeDeum (DG).
Knapp bevor er verstorben ist, hatte ich Karten für die 6. ergattert, doch zu meiner Enttäuschung erkrankte er kurzfristig und sein Assistent dirigierte. Somit habe ich ihn nie gesehen (einer der wenigen großen, die ich nicht live erlebte).
Ob sein Stil antiquiert ist, ist mir egal. Ich bevorzuge seine, die von Solti und Giulini. Celibidache ist mir zu sehr zerdehnend. Harnoncourt bringt nichts Neues und Wand kann ich nichts abgewinnen.
op111
Moderator
#5 erstellt: 20. Mrz 2004, 11:52
Hallo zusammen,
von Eugen Jochum habe ich lediglich eine Aufnahme des Bruckner-Messen und die der 6. Sinfonie mit dem S.O. des BR auf LP.

Erstere, weil es so wenige Alternativen gab und
fie LP mit der 6. Sinfonie habe ich gewonnen.

Jochum gilt als Wiederentdecker Bruckners in den 60ern.
So verdienstvoll das sein mag, so fragwürdig erscheint mir der Stil in dem die Werke Bruckners dargeboten werden.
Es gibt großartige Momente in dieser Aufnahme der 6. im langsamen Satz aber insgesamt erscheint sie mir viel zu rubatoselig, was m.E. bei Bruckner nicht stilgerecht ist.
Der dadurch aufkommende Eindruck von weihevoller Zelebration wirkt auf mich eher abstoßend. In Harnoncourt scheint er ja einen Nachahmer gefunden zu haben.
Furtwänglers ebenfalls rubatoreiche Aufführungen haben dagegen Spannung und Dramatik, spielen in einer ganz anderen Klasse mit.

Letztlich fesseln mich bei Bruckner eher die Aufnahmen von Giulini, Wand, Szell, Solti, Chailly, Furtwängler auch die von Haitink.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 20. Mrz 2004, 12:05 bearbeitet]
Antracis
Stammgast
#6 erstellt: 20. Mrz 2004, 12:44
Also ,ich kenne Jochum nur von seinen Bruckneraufnahmen. Besitze die Gesamtaufnahme der Sinfonien von der DG, wobei die letzten 3 Sinfonien mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen wurden, 1-6 mit dem Sinfonieorchster des BR.

Jochums Herangehensweise an Bruckner ist sicherlich sehr religiös geprägt, wie eben auch bei Harnoncourt. Jochum betonte in einem Aufsatz, dass aus seiner Sicht Bruckners Musik vollkommen frei sei von sensualistischer Erotik z.B. der eines Richard Wagners, dagegen erfüllt von Verbundenheit zu Landschaft und Bewohnern seines Heimatlandes und natürlich zu Gott. Jochum macht dies sicherlich hörbar. Grandios umgesetzt finde ich mystische Stellen, z.B. die Coda des ersten Satzes der neunten Sinfonie (meiner Ansicht ist dieser Satz der Gipfel von Bruckners Können). Vor allem das Ostinato in den Streichern , dass zusammen mit dem Choralthema immer mächtiger wird, ist grandios musiziert. Besser habe ich diese Stelle noch auf keiner Aufnahme gehört.

Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 20. Mrz 2004, 12:47 bearbeitet]
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 20. Mrz 2004, 12:46
Hallo,

Zu Jochums Bruckner-Dirigat:


Der dadurch aufkommende Eindruck von weihevoller Zelebration wirkt auf mich eher abstoßend


Ich weiß nicht ob es bekannt ist, Bruckner war tief religiös, eigentlich schon am Rande zur Bigotterie.
So gesehen ist eine solch Deutung durchaus legitim, bleibt aber natürlich Geschmackssache.
Im übrigen dürfte dieser Interpretationsansatz (im Gegensatz von vor ca 10 Jahren) bei den Kritikern langsam wieder in Mode kommen

Gruß
Alfred
Tantris
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 21. Mrz 2004, 02:10
Hallo,

zu meiner Schande muß ich gestehen, Jochums Brucker-Aufnahmen nicht zu kennen, auch ansonsten habe ich recht wenig von ihm im Schrank. Das, was ich habe, ist aber eher enttäuschend, die "Carmina Burana" von Kurt Eichhorn, ebenfalls von Orff autorisiert, würde ich jederzeit seiner vorziehen, und Jochums "Freischütz" ist eine einzige Enttäuschung, obwohl er mit Wächter und Böhme 2 der besten Solisten zur Verfügung hatte. Das ist - böse gesagt - richtiges Kapellmeistergefidel, stampfend und langweilig zugleich.

Gruß, T.
Hilda
Stammgast
#9 erstellt: 22. Mrz 2004, 10:04
Hallo,

hier bin ich - der furchtlose Ehrenretter von Eugen Jochum...

aber mal der Reihe nach...

@Tantris
Den Freischütz kenn ich (leider??) nicht - allerdings die Carmina Burana. Wenn Dir der Eichhorn deutlich besser gefällt ist das erstmal ein deutlicher Hinweis, daß ich den mal anschaffen muss
Im Vergleich zu den meisten streamline-Bombast Carminas finde ich die Jochum hier durchaus sehr konkurrenzfähig. Gerhard Stolzes Schwan ist traumhaft - im Gegensatz zu seinen karikierenden Mime-Interpretationen. Bei Jochum geht es IMHO schön bayrisch ruppig zu - mir gefällt's sehr gut.

@alle 'Jochumsbruckneristreligiös-Sager'

kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. IMHO ist das ein Klischee das dem guten Jochum die ganze Zeit anhaftet ohne begründet erklärt worden zu sein. Der kann ja nix dafür, daß er auch katholisch ist..
Ich empfinde Jochums Bruckner als eher flott und nicht so mythisch verklärt wie von anderen. Als Meilensteine empfinde ich hier die Berliner Aufnahme der vierten (DG), sowie die fünfte und neunte mit der Dresdner Staatskapelle (EMI). Jochums achte gehört zu den flotteren Aufnahmen im Vergleich - auch hier höre ich keine mystisch verklärte Religiosität.

Um nochwas zu Jochums Diskographie beizutragen, könnte ich folgende Aufnahmen zur Erweiterung des Jochum-Bildes empfehlen:

Beethovens Eroica und Pastorale mit den Concertgebouw Orchester auf Philips

Beethovens Violinkonzert mit Schneiderhan - ein Klassiker!!!

Brahms Klavierkonzerte mit Gilels - ein ebensolcher...

Brahms Symphonien mit dem LSO oder LPO??? auf EMI

Haydns Londoner Symphonien (DG)

Man muss jetzt den guten Jochum nicht gleich in die Top-Five der ewige Bestenliste eintragen, ihn aber nur mit langweiligen Kapellmeistertugenden zu betiteln wird im auch nicht gerecht, wovon sich jeder mit den oben genannten ASufnahmen überzeugen kann...

Gruss
Klaus
cr
Inventar
#10 erstellt: 22. Mrz 2004, 10:08
Der Eichorn-Orff gilt auch deshalb als legendär, weil er seinerzeit von den HiFi-Stereophonie-Rezensenten gerne als Massstab benutzt wurde, an dem sich jeder andere messen mußte.
AH.
Inventar
#11 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:32
@ Hilda:

auch ich ziehe die Aufnahme der Carmina Burana unter Eichhorn aufgrund ihrer vorzüglichen Textdeklamation derjenigen von Jochum vor.

Was mich an Jochums Bruckner-Aufnahmen abstößt, ist der übermäßige Gebrauch von Rubato und Tenuto (v.a. auch in den Blechbläsern). Das steht nicht in der Partitur und wirkt auf mich musikalisch sehr verfehlt, dramatisierend, vielleicht eher passend zu Verdi ;). Der undramatische Charakter von Bruckners Werken geht dadurch verloren, die für das Werk Bruckners wesentliche strenge Rhythmik wird zerstört.

Gruß

Andreas

P.S. Kurt Eichhorn gehört aus meiner Sicht zu jenen Dirigenten, die auch Bruckners Sinfonien richtig auf die Bühne gebracht haben. Ich kenne einen live-Mitschnitt der 5. Sinfonie mit dem Sinfonie-Orchester des Bayrischen Rundfunks, sowie eine fast-Gesamtaufnahme mit dem Bruckner-Orchester Linz, die recht Partiturgetreu sind (eigenartigerweise läßt er im ersten Satz der 5. eine Generalpause weg? - mit gutem Effekt, wie ich finde) und den Geist der Musik treffen.
op111
Moderator
#12 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:43
Hallo zusammen,

Andreas schrieb:
Was mich an Jochums Bruckner-Aufnahmen abstößt, ist der übermäßige Gebrauch von Rubato und Tenuto (v.a. auch in den Blechbläsern).

Es gibt einen Probenmitschnitt bei dem Jochum die Blechbläser anweist, Tenuto statt Marcato zu spielen, da es sonst wie eine Feuerwehrkapelle klinge. Trotzdem scheint mir zumindest in der DG-Aufnahme die Balance nicht in Ordnung zu sein, es klingt oft so genau so penetrant blechlastig.


Das steht nicht in der Partitur und wirkt auf mich musikalisch sehr verfehlt, dramatisierend, vielleicht eher passend zu Verdi ;). Der undramatische Charakter von Bruckners Werken geht dadurch verloren, die für das Werk Bruckners wesentliche strenge Rhythmik wird zerstört.

Das Rubato, abgesehen davon, daß es stilfremd und nicht erwünscht ist, zerstört m.E. auch die Steigerungen und so auch die Spannung, die aus ganz anderen Stilmitteln herrühren sollte.
Das ist als ob ein Witz vorher angekündigt und lang und breit erklärt wird, damit man die Pointe auch versteht.

Wer aber mal ganz exotischen Bruckner hören möchte, muß zu den Aufnahmen von Lovro von Matacic 14.2.1899-1.4.1985 greifen. Er ist einer der wenigen gewese, die die obsoleten Bearbeitungen aufgenommen haben.
Diese 5. (Version Schalk?) habe ich mal gehört:
Lovro von Matacic
Tschechische Philharmonie
Supraphon COCO-70415 (A. ca. 1970)

Viel Spaß, es lohnt sich.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 15:15 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#13 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:13
@all

mein Kommentar zu Jochums Bruckner bezog sich hauptsächlich auf den Vorwurf des religiös-mystifizierenden. Das kann man IMHO nicht halten. Über den Gebrauch des Rubato kann ich jetzt als nichtmitpartiturmusikhörer nicht viel sagen. Hier wären sicherlich mal präzisere Angaben hilfreich an welchen Stellen das besonders zu Tage tritt. Dann könnte ich das mal konzentriert vergleichen.

Warum ist eigentlich Rubato bei Bruckner stilfremd? Und warum ist Bruckner undramataisch?

Was Eichhorn betrifft, werde ich wohl nicht umhin können und ihn mir anschaffen

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#14 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:30
Klaus:
@all
mein Kommentar zu Jochums Bruckner bezog sich hauptsächlich auf den Vorwurf des religiös-mystifizierenden. Das kann man IMHO nicht halten.

Hallo Klaus,
es ist für mich nur eine Analogie. Jochum verwischt die Strukturen und Klänge so, als ob man alles in Weihrauch einnebelt.

Über den Gebrauch des Rubato kann ich jetzt als nichtmitpartiturmusikhörer nicht viel sagen. Hier wären sicherlich mal präzisere Angaben hilfreich an welchen Stellen das besonders zu Tage tritt.

Praktisch am auffälligsten überall da, wo Jochum mit einem Crescendo, also einer Lautstärkesteigerung, automatisch auch eine Tempobeschleunigung verbindet, also fast immer. Davon steht z.B. nichts in meinen Part.-Ausgaben von Haas.
Der Puls wird bei Bruckner meistens über eine abrupte Änderung der Notenwerte (Halbierung/Verdoppelung) geändert.

Gerade bei der 6. finde ich das Rubato über weite Strecken unerträglich. Hör dir mal im Vergleich die Aufnahmen von G. Wand (RCA) oder Otto Klemperer (EMI, gerade wiederveröffentlicht)an.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 15:33 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#15 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:32
@Franz-J.

Danke! Ich werde es mal vergleichen. Oder ich muss mir mal
'ne Partitur anschaffen...

Gruss
Klaus
Hilda
Stammgast
#16 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:38
nochmal @Franz-J. und AH

nennt mir doch mal eine Bruckner-Aufnahme, die in Eurer Meinung tempomässig mustergültig ist - vielleicht hab' ich sie ja Also eine ausser Eichhorn

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#17 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:46

@Franz-J.
Danke! Ich werde es mal vergleichen. Oder ich muss mir mal
'ne Partitur anschaffen...

Hallo Klaus,
Bei jpc gibt's billige Taschenpartituren (Alternative: in der Bibliothek ausleihen).
Online mit DSL-flatrate:
http://www.dlib.indiana.edu/variations/scores/symphonic.html

Bevor immer Wand empfohlen wird:
Szell 3. / 8.,
Klemperer 6.
Giulini 7. 8. 9. DG / EMI
Böhm 3. 4.(Decca) 7. 8./DG)

Wie wär's mal mit der CD

Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8
Pierre Boulez
Wiener Philharmoniker

2000 Deutsche Grammophon CD 002894596782



Bevor der Aufschrei kommt Boulez und Bruckner
sag ich mal Tschüss.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 15:59 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#18 erstellt: 22. Mrz 2004, 16:00

Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8
Pierre Boulez
Wiener Philharmoniker
2000 Deutsche Grammophon CD 002894596782


Hab ich - liegt heute abend zum Vergleich im Player

Szell, Böhm, Wand und Giulini auch. das kann ein lustiger Abend werden...

Schreien tu ich äusserst selten, höchstens wenn unsre Kleinste 'eia' mit mir macht...


[Beitrag von Hilda am 22. Mrz 2004, 16:02 bearbeitet]
op111
Moderator
#19 erstellt: 22. Mrz 2004, 16:12


... Pierre Boulez
Wiener Philharmoniker
2000 Deutsche Grammophon CD 002894596782
Hab ich - liegt heute abend zum Vergleich im Player :D

Bevor wir uns falsch verstehen Klaus, Jochums Initiative für Bruckner finde ich ja lobenswert, aber an der Ausführung mangelt es m.E. Bruckners Musik enthält viel mehr (auch Spannung) als Jochum rausholt.
Es gibt Leute wie Franz Schalk, die zwar Bruckner durch ihre Bearbeitungen bekannt gemacht haben, aber die Musik viel ärger verfremdet.
Matacic als Kontrast ist da ganz hörenswert.

Mal schauen, was Andreas und andere als mustergültig empfinden.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 16:17 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#20 erstellt: 22. Mrz 2004, 16:35
@Franz-J.

ich glaub ich versteh Dich schon richtig - ich frage nur gerne detaillierter nach, weil ich ja von der Erfahrungen der anderen profitieren will. Und dazu müssen wir IMHO über den rein 'verbalen' Austausch hinauskommen und hier sind konkrete Beispiele für mich sehr hilfreich.

Gruss
Klaus
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#21 erstellt: 22. Mrz 2004, 18:42
Hier kommt ein Sekundant des furchtlosen Ehrenretters von Eugen Jochum.

Die Frage die sich mir stellt ist folgende:
Wie kam Jochum dann zu seinem seinerzeit fast legendären Ruf ?
Er war nicht nur der erste, der Sämtliche Bruckner-Sinfonien für die Schallplatte einspielte, nein er war
auch der erste der auf die Originalfassungen zurückgriff !
Er dirigierte die Werke nicht nur, nein er gab auch theoretische Schriften über die Aufführungspraxis einiger Sinfonien heraus. Er war, wie schön im Eröffnungsbeitrag erwähnt, Präsident der deutschen Sektion der Internationalen Brucknergesellschaft.
Seine Schallplattenaufnahmen machte er nicht nur für die Deutsche Grammophon Gesellschaft, nein auch die EMI sicherte sich sein Dirigat. Beide Firmen haben die Mehrzahl, gerade seiner Bruckner-Dirigate noch immer oder schon wieder im Programm.
Grüße aus Wien
Alfred
op111
Moderator
#22 erstellt: 22. Mrz 2004, 18:57
Alfred:
Hier kommt ein Sekundant des furchtlosen Ehrenretters von Eugen Jochum.
Er war nicht nur der erste, der Sämtliche Bruckner-Sinfonien für die Schallplatte einspielte, nein er war
auch der erste der auf die Originalfassungen zurückgriff ! ...

Hallo Alfred,
du mußt Jochums Ehre dich nicht retten, keiner hat sie angegriffen. Die Gesamtaufnahme aller 9 Sinfonien in der Nowack-Fassung war bahnbrechend.
Übrigens hat schon Furtwängler die (Haas) Originalfassungen benutzt die auch Wand verwendet und verteidigt hat (z.B.daß sie ohne Striche in der 8. auskommen).

Vom Stil her gibt es Einwände. Das mindert doch Jochums Ehre und Leistung nicht.

Andere sind nach ihm einen Schritt weiter gegangen und haben genauer gelesen und andere wie Harnoncourt 2 Schritte zurück.
Gruß
Franz
Tantris
Hat sich gelöscht
#23 erstellt: 22. Mrz 2004, 19:55
Hallo,

Nachtrag zur Carmina Burana: Ja, Eichhorn geht einen ähnlichen Ansatz wie Jochum, aber IMHO konsequenter. Bombast findet man da gar keinen, den Faktoren Text und Rhythmus, unbestritten wohl essentielle Bestandteile der Komposition, wird mehr Raum eingeräumt als in vielen anderen Interpretationen.

zu CR und AH: Die Tontechnik, auch wenn ich den Ansatz der "trockenen" Akustik für mehr Textverständlichkeit und rhythmische Genauigkeit nachvollziehen kann, gefällt mir bei Eichhorn gar nicht so toll. Da gibt es bessere Kompromisse, IMHO.

Gruß, T.
Hilda
Stammgast
#24 erstellt: 22. Mrz 2004, 21:02

Andere sind nach ihm einen Schritt weiter gegangen und haben genauer gelesen und andere wie Harnoncourt 2 Schritte zurück.


Benjamin Gunnar Cohrs lobt auf www.Klassik-Heute.com Harnoncourts Achte und Vierte als sehr partiturtreue quasi Referenzeinspielungen - ich kanns nicht nachprüfen. Interessant scheint es trotzdem. Partiturtreue sollte doch eigentlich ein überprüfbares Kriterium sein... Oder verstehe ich Deinen Kommentar falsch?


Gruss
Klaus


[Beitrag von Hilda am 22. Mrz 2004, 21:08 bearbeitet]
Albus
Hat sich gelöscht
#25 erstellt: 23. Mrz 2004, 11:22
Tag,

Eugen Jochum war - was schon angedeutet wurde (Brahms mit Emil Gilels z.B.), offensichtlich als Dirigent mit dem jeweiligen Orchester ein sehr guter Begleiter. Claudio Arrau (biografisch) äußert sich als "Eugen Jochum immer dankbar bleibend" für die Begleitung beim 4. Klavierkonzert von Beethoven, zusammen mit dem Concertgebouw Orkest Amsterdam. Ohne eine Verständigung hielt Jochum das Orchester an, den zweiten Satz in der von Arrau gewollten zurückhaltenden Art und Weise zu eröffnen (mit halber Kraft zu spielen).

Und ganz anders, erfrischend, die Äußerung Eugen Jochums im Interview. Gefragt, ob Stockhausen der Beethoven des 20. Jahrhunderts sei, kam die Retoure: "Ach wissen Sie, man soll nicht jeden Fliegenschiß für etwas Weltbewegendes halten." So stieg der Dirigent Eugen Jochum in meiner Achtung. Denn schon sein Pastorale-Gewitter war ganz prächtig anzuhören.

MfG
Albus
op111
Moderator
#26 erstellt: 23. Mrz 2004, 11:31
Albus schrieb:
... Gefragt, ob Stockhausen der Beethoven des 20. Jahrhunderts sei, kam die Retoure: "Ach wissen Sie, man soll nicht jeden Fliegenschiß für etwas Weltbewegendes halten." So stieg der Dirigent Eugen Jochum in meiner Achtung. ...

Hallo Albus,
so, so, indem jemand einen törichten ignoranten Spruch absondert, steigt er also in deiner Achtung.
Da empfehle ich Dieter Bohlen bis der Arzt kommt.
Gruß
Franz
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#27 erstellt: 23. Mrz 2004, 12:54
lso IMO war das kein törichter Spruch sondern die pointierte witzige Aussage der eigenen Meinung.

Und "wenn" er töricht war, dann war es eben die Antwort auf eine törichte provozierende Frage.

Jochum wusste damal wahrscheinlich genau, daß er die Lacher auf seiner Seite hatte, und die Mehrheit des damaligen Klassikpublikums.

Und -- (hinter vorgehaltener Hand)
sagen die meisten Musiker ähnliches.

Es ist der ewige Kampf des Etablierten gegen das Moderne-
und umgekehrt.

Hier im Internet überwiegen (natürlich) eher die "Progressiven", genau umgekehrt zum Konzertbetrieb
und Tonträgermarkt.

BTW: Der grässliche Smiley mit den gekreuzten Knochen,
ist der als todernster Angriffssmiley gedacht ?
Ober ist da ein parodistische Element dahinter ?
Ich weiss es *Wirklich * nicht und verwende ihn deshalb nicht.

GRuß aus Wien
Alfred
op111
Moderator
#28 erstellt: 23. Mrz 2004, 17:24
Hallo Alfred,

lso IMO war das kein törichter Spruch sondern die pointierte witzige Aussage der eigenen Meinung.

das interpretierst du jetzt mit Blick auf Jochum so, aber meint Albus das auch so?
Der Nachsatz deutet doch eher auf humorlosen Bierernst.
Wir wissen es nicht. Darum die Nachfrage!


Und -- (hinter vorgehaltener Hand)
sagen die meisten Musiker ähnliches.

Woher willst du das wissen?
Vorsicht Alfred, das kann man durchaus anders sehen, viele seiner Werke sind bahnbrechend, wegweisend. Denk mal dran, daß heute hoch geachtete Leute wie Bruckner oder Wagner zu ihren Lebzeiten verspottet wurden (nicht nur von der Masse auch von Profis: Stichwort Hanslick), und heute?

UND:
Karlheinz S. empfängt seine Inspiration spätestens seit den 70er Jahren nicht aus profanen Quellen, sondern direkt vom Sirius. Wer konnte oder kann das von sich sagen?


BTW: Der grässliche Smiley mit den gekreuzten Knochen, ...

hat das zu solchen Äußerungen passende martialische Flair.

Gruß
Franz
op111
Moderator
#29 erstellt: 23. Mrz 2004, 18:09
Klaus schrieb:

Andere sind nach ihm einen Schritt weiter gegangen und haben genauer gelesen und andere wie Harnoncourt 2 Schritte zurück.


Benjamin Gunnar Cohrs lobt auf www.Klassik-Heute.com Harnoncourts Achte und Vierte als sehr partiturtreue quasi Referenzeinspielungen - ich kanns nicht nachprüfen. Interessant scheint es trotzdem. Partiturtreue sollte doch eigentlich ein überprüfbares Kriterium sein... Oder verstehe ich Deinen Kommentar falsch?

Hallo Klaus,
die Rezensionen habe ich auch gelesen, kaum eine Kritik die nicht von einer anderen widerlegt würde.
David Hurwitz meint dagegen über die selbe Aufn. der 8en:
(eindeutig ein Verriss)
vollst. Text in:
http://www.classicstoday.com/review.asp?ReviewNum=3827
...

Artistic quality 5 / Sound 8
...
This live recording represents Harnoncourt at his Harnoncourtiest. The mannered phrasing of the opening melody doesn't bode well: emphasizing the famous 2+3 "Bruckner" rhythm is all fine and dandy, but when you realize that you're going to have to endure listening to it this way for each of the (approximately) 1,456,873,294.6 times that Bruckner repeats it throughout the symphony, you've got a real problem ...
The finale starts very excitingly but quickly bogs down in an episodic quagmire. At a bit more than 24 minutes, Harnoncourt does take his time, but as in the first movement he sounds as if he's taking forever. The comparatively quick coda, though, lacks any sense of mystery and suffers from wretched balances in the brass, with horns and trumpets badly overwhelmed by the trombones. Harnoncourt's perverse direction to the timpanist to hold back on his final roll also robs the last measure of any sense of finality.
...
In fact, the playing of the Berlin Philharmonic, with characteristically poor internal balances (particularly in the brass section) and often crude sounding climaxes, demonstrates yet again that Claudio Abbado's personnel changes over the past decade, amounting to approximately 2/3 of the entire group, have effectively reduced the orchestra to second rank status. ...


Mir ist Harnoncours altmodische Brucknerlesart schon mit seiner furtwänglerisierenden 3. übel aufgefallen. Um Furtwängler erfolgreich zu kopieren, fehlt es Harnoncourt eindeutig an vielem.

Der Begriff Partiturtreue ist ja scheinbar dehnbar, für Cohrs reicht es wenn alle Noten gespielt werden, Tempo und Puls sind ihm nicht so wichtig, die Aufnahmetechnik wird gar nicht erwähnt. Hurwitz bemängelt zusätzlich noch die mangelhafte dynamische Balance und das Orchesterspiel, das weit unter dem liegt, was z.B. die Ravel-Aufnahmen unter einem Dirigenten wie Boulez zeigen.

Die vernachlässigten Pauken mindern auch die Qualität der Berliner Livemischnitte von Günter Wand. Von einem Besucher des Konzerts mit Wand habe ich erfahren, daß in der Philharmonie davon keine Rede sein konnte.

Ehrlich gesagt, habe ich keine Lust nur zur Verifikation einer Kritik für eine voraussichtlich enttäuschende zusätzliche 8. Geld auszugeben. Besonders nachdem die Aufnahme der 3. schon so schlecht ausfiel.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 23. Mrz 2004, 18:11 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#30 erstellt: 24. Mrz 2004, 09:56
Hallo Franz-J.

ich kenne die Hurwitz-Kritik auch - habe mich aber nicht getraut sie zu posten - sonst schlägt mich der Alfred wieder, weils englisch ist..

Ich habe die Aufnahme zwar (aus enzyklopädischem Interesse ), allerdings höre ich sehr selten mit Partitur und von der achten habe ich gar keine... Cohrs geht jedoch IIRC explizit auf die Beachtung der Metronomangaben ein - also scheint ihm das Tempo doch nicht egal zu sein.

Im Lichte der Diskussion die hier und an anderer Stelle von AH angeregt wurde, finde ich das jedoch sehr spannend. Was ist denn nun partiturtreu? Cohrs behauptet das von Harnoncourt. AH ist der Meinung, daß Wand, Jochum et al. es nicht sind (im Hinblick auf Tempo und Rubato).
Stellt sich mir als musikalischem Laien die Frage: ist das überhaupt wichtig? Oder was mich dann als Naturwissenschaftler beschäftigt: ist das eine nachprüfbare Eigenschaft die Partiturtreue? Offensichtlich nicht...

Würde ein Notationsprogramm mit MIDI-Schnittstelle, wenn man es mit allen relevanten Angaben aus der Partitur füttert die optimale Interpretation der Achten Bruckner hervorbringen???

Ich werde versuchen mir meine Achten makl nach und nach anzuhören. Von Dir kam ja freundlicherweise eine Liste mit Alternativen die Dir zusagen. Leider kam da von AH nix
Da würden mich schon seine persönliche Referenzen neben Eichhorn interessieren.

Gruss
Klaus


[Beitrag von Hilda am 24. Mrz 2004, 09:57 bearbeitet]
op111
Moderator
#31 erstellt: 24. Mrz 2004, 13:47
Hallo Klaus,
ich finde die Diskussion auch interessant.
Klaus schrieb:
...Ich habe die Aufnahme zwar (aus enzyklopädischem Interesse ), allerdings höre ich sehr selten mit Partitur und von der achten habe ich gar keine
Ich hab die Partitur auch nicht, nur 4,5,7,9 Haas-Ausgabe. Die kann man sich bei den meisten Uni-Bibs ausleihen.

... Cohrs geht jedoch IIRC explizit auf die Beachtung der Metronomangaben ein - also scheint ihm das Tempo doch nicht egal zu sein.
Ja, aber dessen Modifikationen sind hier der Knackpunkt. Ich hab daraufhin mal Furtwänglers 8. von 1944 angehört. Da gibt es kaum jemals ein stabiles Tempo, in dieser aberwitzigen Übersteigerung ist das Rubato schon wieder spannend. Aber dagegen kommt mir das, was harnoncourt in der 3. macht, wie Wunst vor.


... ist das überhaupt wichtig? Oder was mich dann als Naturwissenschaftler beschäftigt: ist das eine nachprüfbare Eigenschaft die Partiturtreue? Offensichtlich nicht...


Ein nachprüfbares Kriterium sind nicht nur die Notenwerte sondern auch Tempo-/Metronomangaben. Wenn da nichts von Rubato steht es aber doch ausgeführt wird ist's doch genauso ne Abweichung eine falsche Tonhöhe.
(Neben bei die gibt's auch. Pauken in der 7.)
Wenn Bruckner Tempo Rubato nicht geschätzt hat, sollte man es auch nur da verwenden wo es ausdrücklich in der Partitur steht.

Ausserdem empfinde ich so heftige Schwankungen wie bei Jochum als störend und spannungsfeindlich, ausserdem finde ich daß sich zumindest in meiner 6. das Orchester "billig" nach Blechblaskapelle anhört. Ich weiß natürlich, daß das SO des BR eines, wenn nicht gar das beste deutsche Orchester ist.
Wand ist mit den Tempomodifikationen dagegen ja eher sehr moderat, er koppelt ja auch nicht zwanghaft Lautstärke und Tempo.
Bruckner war beileibe kein so einfältiger bigotter Trottel, wie er gern karikiert wird. Vielleicht sollte man seinen Willen ernst nehmen.


Würde ein Notationsprogramm mit MIDI-Schnittstelle, wenn man es mit allen relevanten Angaben aus der Partitur füttert die optimale Interpretation der Achten Bruckner hervorbringen???

Midi ist vielleicht zu langsam, um so viele Stimmen synchron wiedergeben zu können. Interessant wär das schon. Gibt's so was auf CD?

Gruß
Franz
AH.
Inventar
#32 erstellt: 25. Mrz 2004, 13:37
Hallo Hilda und Mitleser,

Es geht nicht nur um Partiturtreue, sondern auch den aus der Partitur ersichtlichen Geist der Werke. Dirigenten, die den Geist Brucknerscher Werke, wie ich ihn verstehe, trafen, sind u.a.

Bernard Haitink, Günter Wand, Kurt Eichhorn, Carl Schuricht.

Jochums Aufnahmen der Brahms-Konzerte mit E. Gilels, sowie des Beethoven-Violinkonzerts mit W. Schneiderhan schätze ich übrigens sehr. Schneiderhans durchgängig lyrischer Tonfall mag dem Werk vielleicht nicht immer gerecht werden, aber das ist letztlich eine Aufnahme, bei der ich vor Kritik zurückscheue, dafür ist sie in ihrer Art zu vollkommen.

Gruß

Andreas
Hilda
Stammgast
#33 erstellt: 25. Mrz 2004, 14:42
@AH

Danke für den Hinweis auf die Dirigenten Ich werde hoffentlich am Wochenende mal Zeit haben ein paar bewusste Hörsitzungen zu machen.


Es geht nicht nur um Partiturtreue, sondern auch den aus der Partitur ersichtlichen Geist der Werke. Dirigenten, die den Geist Brucknerscher Werke, wie ich ihn verstehe, trafen, sind u.a.


Du merkst allerdings schon, daß Du dich ein wenig widersprichst. Woran manifestiert sich der Geist der Werke in einer nachprüfbaren Weise? Ist der Geist der Werke eindeutig aus der Partitur ersichtlich?
Du sagst ja selbst '...,wie ich ihn verstehe...' Wir bewegen uns hier schon auf einem Grat zwischen 'nachprüfbarer' Treue zur Partitur und des Geistes und persönlichem Geschmack.
Mehr wollte ich eigentlich nie sagen...

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#34 erstellt: 25. Mrz 2004, 20:27
Andreasd schrieb:
Jochums Aufnahmen der Brahms-Konzerte mit E. Gilels, sowie des Beethoven-Violinkonzerts mit W. Schneiderhan schätze ich übrigens sehr.

Hallo zusammen,
diese Aufnahme hat einen legendären Ruf und ist bei der DG noch im Programm:

Ludwig van Beethoven · Wolfgang Amadeus Mozart
Violinkonzert D-dur; Violinkonzert Nr. 5 A-dur
Wolfgang Schneiderhan, Berliner Philharmoniker, Eugen Jochum
1968 Deutsche Grammophon CD 289 447 403 2
Sie gilt ja auch als aufnahmetechnisches Meisterwerk jener Zeit.
Die Brahmskonzerte haben mir seinerzeit nicht gefallen, die haben mir zu sehr abgeklärt und nach norddeutschem Nebel geklungen, dabei ist op. 15 doch ein Frühwerk.

Gruß
Franz
AH.
Inventar
#35 erstellt: 26. Mrz 2004, 11:48
Hallo Hilda,

die Partitur ist bei Werken, wo eine klangliche Überlieferung nicht exisitiert, die primäre und wichtigste Quelle des Willens des Komponisten.
Eine weitere Quelle sind schriftlich fixierte, allgemeine oder werkbezogene Äußerungen des Komponisten zur Aufführungspraxis eigener oder fremder Werke, sowie Äußerungen Dritter zur musikalischen Charakteristik von Aufführungen eigener oder fremder Werke durch den Komponisten.
Sofern die Musik nicht zu historisch ist, kommt man an dieser Stelle oft zu einem recht zuverlässigen Bild bezüglich des Geistes eines Werkes.

Daneben können bei der Aufführung regionalspezifische und zeitspezifische Eigenarten der Aufführungspraxis Berücksichtigung finden (sofern z.B. kein ablehnendes Urteil des Komponisten hierzu überliefert ist). Im weiteren Sinne all das, was die Musikwissenschaft an Kenntnissen bietet.

@ Franz-J

Leider ist die Klangbalance der Wiederveröffentlichung des Beethoven-Violinkonzerts in der "Originals" Serie zu weit entfent von der ursprünglichen Aufnahme. Sie wurde dem heutigen Zeitgeschmack nach "Räumlichkeit" angepaßt, die Solovioline ist viel weniger präsent. Es scheint fraglich, ob dieses Klangbild den Intentionen der Musiker entspricht (wir können sie ja nicht mehr fragen). Wer sich einen Eindruck der originalen Aufnahme verschaffen will, sei die nicht neu abgemischte Veröffentlichung in der Billigserie "Galeria" empfohlen (eine allgemeine Empfehlung meinerseits bezüglich älterer DG-Aufnahmen).

Gruß

Andreas

P.S. Mit Begriffen wie "abgeklärt" oder "norddeutscher Nebel" vermag ich nicht viel anzufangen. Der tragische und dramatische Charakter des ersten Klavierkonzertes wurde in dieser Aufnahme meiner Ansicht nach hinreichend getroffen.
AH.
Inventar
#36 erstellt: 26. Mrz 2004, 12:00
um es konkreter zu schreiben: Schneiderhans Tonbildung, Artikulation und Phrasierung kommt in der eigentlichen Aufnahme viel deutlicher zum Vorschein, als in der späteren "Originals"-Mischung. Die Violine säuft bei letzterer zu sehr im Hall ab, was einen aus meiner Sicht musikalisch eindimensional wirkenden Charakter nach sich zieht.


[Beitrag von AH. am 26. Mrz 2004, 12:01 bearbeitet]
op111
Moderator
#37 erstellt: 26. Mrz 2004, 14:37
Andreas schrieb:
@ Franz-J
Leider ist die Klangbalance der Wiederveröffentlichung des Beethoven-Violinkonzerts in der "Originals" Serie zu weit entfent von der ursprünglichen Aufnahme. Sie wurde dem heutigen Zeitgeschmack nach "Räumlichkeit" angepaßt,
... die nicht neu abgemischte Veröffentlichung in der Billigserie "Galeria" empfohlen (eine allgemeine Empfehlung meinerseits bezüglich älterer DG-Aufnahmen).

Hallo Andreas,
danke für die Empfehlung und deine genaue Beschreibung.
So vorbehaltlos kann ich deine Empfehlung der Galleria-Serie nicht bestätigen, ich habe einige Galleria CDs die gravierende Mängel beim Band->Master Transfer aufweisen, die sich nicht auf verbogene Frequenzgänge beschränken.
S. a. Thema:
http://www.hifi-forum.de/index.php?action=browseT&back=1&sort=lpost&forum_id=68&thread=38&z=last#21
Offensichtlich hat es da auch an einer Qualitätskontrolle gemangelt.
Von der Scheiderhahn Aufnahme existieren doch bestimmt keine Mehrspurbänder mehr, die man neu abmischen könnte, somit hätte man zumindes synthetischen Hall einmischen müssen und den Korrelationsgrad zw. den Kanälen verändern müssen, um die Balance zw. Solovioline und Orchester zu verändern. Ein sehr fragwürdiges Unterfangen.


P.S. Mit Begriffen wie "abgeklärt" oder "norddeutscher Nebel" vermag ich nicht viel anzufangen. Der tragische und dramatische Charakter des ersten Klavierkonzertes wurde in dieser Aufnahme meiner Ansicht nach hinreichend getroffen.

Das war in der Tat verkürzend pauschal und kaum verständlich. Jedenfalls hat mir der Interpretationsansatz von Gilels/Jochum gerade beim op. 15 nicht so sehr zugesagt.
Ich muß bekennen, die herbe lebendige Art von Fleisher/Szell ist für mich der Maßstab.
Nur ein Detail: das Fugato im letzen Satz hat niemand so durchsichtig gespielt, wie das Cleveland Orchestra in dieser Aufnahme. Serkin/Szell kommen dem nahe.
Für Rubinstein sollen Szell und sein Cleveland Orchestra die Traumpartner gewesen sein, da sie Brahms endlich mal lichtdurchflutet mit Präzision, Rhythmus und Temperament aufführten. Leider hat er aus vertraglichen Gründen nie mit ihnen aufnehmen dürfen.

Wenn es denn doch ganz anders sein soll bevorzuge ich Ashkenazy/Haitink oder Zimerman/Bernstein auch Pollini/Abbado.

Bei Gilels/Jochum läuft schon der erste Satz des op. 15 so zäh ab. Die Klangfarben sind gedeckt (Aufnahmetechnik?).
Vielleicht gibt's ja da eine Neuabmischung, die das Bild positiv beeinflußt?
Die Virtuosität der Clevelander wird von den Berlinern nie auch nur annähernd erreicht. Lebendig, fesselnd ist das alles nicht.

Gruß
Franz
AH.
Inventar
#38 erstellt: 26. Mrz 2004, 15:28
Hallo Franz,

die wenigen Galerias, die ich besitze, sind zumindest i.O.

Von dem Schneiderhan-Konzert existiert ganz offenbar zumindest eine eigene Spur der Solo-Stimme (das ist auch üblich), die Balance zwischen Orchester und Solist wurde nachträglich massiv verändert.

Zum Brahms-Konzert op. 15: Das Werk, insbesondere der erste Satz, ist meiner Auffassung nach sehr expressiv, auch persönlich und von tragisch-depressivem Charakter. Ich höre das Stück selten, weil ich nicht wenig Kraft aufbringen muß, es zu ertragen und eine gewisse Scheu gegenüber Brahms habe, ob ich das überhaupt hören soll (zu persönlich).

Die von Dir gewählten Begriffe zur Beschreibung bevorzugter Stilmerkmale "lichtdurchflutet, temperamentvoll, lebendig, durchsichtig" scheinen mir zum Charakter des Werkes, wie ich ihn begreife, weniger passend.
Das "Majestoso" erlaubt meiner Ansicht nach durchaus ein gegenüber der Metronomisierung geringeres Tempo des ersten Satzes (zuletzt z.B. Sanderling/Grimaud). Das bedeutet nicht, daß ich dies für die beste Lösung halte, aber wider die Musik ist sie meiner Ansicht nach nicht.

Gruß

Andreas
op111
Moderator
#39 erstellt: 26. Mrz 2004, 16:04
Hallo Andreas,

Die von Dir gewählten Begriffe zur Beschreibung bevorzugter Stilmerkmale "lichtdurchflutet, temperamentvoll, lebendig, durchsichtig" scheinen mir zum Charakter des Werkes, wie ich ihn begreife, weniger passend. ...
Das "Majestoso" erlaubt meiner Ansicht nach durchaus ein gegenüber der Metronomisierung geringeres Tempo des ersten Satzes ... aber wider die Musik ist sie meiner Ansicht nach nicht.

Ich glaube, ich verstehe was du meinst.
Diese spezielle Sicht sehe ich von Zimerman/Bernstein sehr gut realisiert, insbesondere wegen des sehr "sprechend" vortragenden Orchesters schätze ich gerade diese Aufnahme.

Einen flotten geglätteten Brahms, wie Karajan ihn abspulte, mag ich hingegen nicht. Die genannten Aufnahmen decken wohl das Spektum des werkgerecht möglichen ab.

Gruß
Franz
Hüb'
Moderator
#40 erstellt: 31. Mrz 2004, 08:45
@Hilda und alle Anderen:

Jochum hat die Brahms-Symphonien für EMI mit dem LPO aufgenommen.

Beethoven hat er sogar 3x komplett eingespielt: einen frühen Mono-Zyklus für die DGG (jüngst wiederveröffentlicht) folgte eine Stereo-Gesamtschau für Philips mit dem Concertgebouw (Ende der 60er bis Anfang der 70er). Dann hat er 'alle 9ne' noch einmal mit dem LPO für EMI eingespielt. Ich persönlich habe und kenne nur den Philips-Zyklus.

Neben den beiden Bruckner-Zyklen für DGG (BPO und SO d BR) und EMI (Staatskapelle Dresden) gibt es noch eine interessante Live-Aufnahme mit dem Concertgebouw-Orchester auf Philips (jüngst wiederveröffentlicht in der Serie '50 Great Recordings', z. B. http://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/hnum/3406921/rk/classic/rsk/hitlist)

Grüße,

Frank


[Beitrag von Hüb' am 31. Mrz 2004, 08:52 bearbeitet]
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#41 erstellt: 02. Apr 2004, 09:55
Hallo,

Interessanterweise scheint Jochum aber zu Lebzeiten auch als Spezialist für Haydn gegolten haben.
Im Gegensatz zu Karl Böhms Aufnahmen, von denen (fast) alle gestrichen wurden, befinden sich zumindest die Londoner Sinfonien (leider nur komplett als Kassette)im Katalog der DGG. Daß sein Haydn ein "großsymphonischer" ist bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung, aber ich finde die (späten) Haydn-Sinfonien vertragen das sehr wohl.....

Gruß
Alfred
wolfman
Schaut ab und zu mal vorbei
#42 erstellt: 21. Apr 2004, 19:24
Wegweisender, nicht mehr wegzudenkender Bruckner-Dirigent.
Er hat mit der Staatskapelle Dresden (EMI) die meiner Meinung nach beste Einspielung der 5. Sinfonie gemacht.
So grandios erhaben habe ich das Blech, und das ist nun einmal bei Bruckner-Sinfonien das A und O, noch nie gehört.
Habe lange nach einer Aufnahme der 5. gesucht, die so nahe an meine eigenen klanglichen Vorstellungen heranreicht, und letzlich mit dieser Einspielung gefunden.

Gruß

Wolfman
mefisto
Ist häufiger hier
#43 erstellt: 10. Jun 2004, 05:26
Hallo Alfred, schön,dass du an Jochum im Forum erinnerst; ich habe ihn zwischen 1976 und 1978 mehrmals in Berlin erlebt und war jedesmal fasziniert (Bruckner 8.):Er war noch ein echter Kapellmeister, der dem Werk diente und kein Selbstdarsteller.Gruss Guido
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#44 erstellt: 10. Jun 2004, 12:58
Hallo,

Guido schrieb:


Hallo Alfred, schön,dass du an Jochum im Forum erinnerst...


Es mag manchmal den Anschein haben E.Jochum wäre "überholt".
Wenn wir und aber die Auswertung von "Beliebte Dirigenten in diesem Forum" anschauen, dann hat man einen ganz anderen Eindruck. Ähnliches gilt übrigens für Karl Böhm....

In Vergessenheit geraten ist eher Eugens älterer Bruder Otto Jochum (1898-1969), welcher als Chorleiter und Komponist hauptsächlich von Chorwerken, wie Oratorien, Messen und Motetten, aber auch Sinfonien aktiv war...

E.Jochums Ruf als Bruckner Dirigent kann man erahnen, wenn man weiß, daß er den gesamten Zyklus für 2 miteinander rivalisierende Label eingespielt hat (DGG und EMI), etwas das sich damals üblicherweise nur Karajan leisten konnte. Ohne Jochum ging es damals nicht.
Ich habe übrigens die im Eingangsthread von mir erwähnte Einspielung der "Londoner Sinfonien" von Haydn unlängst intensinv abgehört, und war erstaunt, wie wenig Patina sie angesetzt hat, wie modern sie eigentlich noch ist...

Gruß aus Wien

Alfred

Grüße
aus Wien
Alfred
Antracis
Stammgast
#45 erstellt: 11. Jun 2004, 10:34
Ich kann mich ebenfalls als Bewunderer Jochums bezeichnen, zumindest wenn es um Bruckner und Haydn geht (mehr kenne ich noch nicht ;)). Der erst kürzlich erworbene Schuber mit den Londoner Sinfonien ist mittlerweile Stammgast in meinem Player.
Grade dort sieht man, wie explosiv, vital und vor allem humorvoll Jochum an Musik herangehen kann, so dass man seine sehr breit angelegten, "sakralen" Brucknerdeutungen wohl nicht als Mangel an Eros sehen darf, sondern als verständige Deutungen der Werke Bruckners, dessen Musik in innigster Verbundenheit und Verehrung zu Gott entstanden ist.

Gruß
Anti
vanrolf
Inventar
#46 erstellt: 16. Sep 2004, 02:03
Hi,
ich habe (angeregt durch diesen thread) bei ebay für € 1,00 die 9. Bruckner (DG-Aufnahme von 1966) ersteigert und bin total begeistert. Vorher kannte ich sie nur von Wand dirigiert und dachte schon, das sei nichts für mich. Frage an die Jochum-Befürworter im Zusammenhang mit Bruckner: Welche Aufnahmen sind die empfehlenswerteren, die von DG oder die bei EMI?

Gruß Rolf
Hilda
Stammgast
#47 erstellt: 16. Sep 2004, 07:15
Hallo Rolf,

ich würde mich jetzt zwar nich als 'jochum-Befürworter' bezeichnen wollen, aber ich besitze sowohl die EMI-Gesamtaufnahme als auch einzelne DG-Ausgaben (4,7,8). Mir gefallen bei den Symphonien die ich vergleichen kann, (bis auf die vierte) die Dresdner Aufnahmen besser. Interpretatorisch wirst Du keine wesentlichen Unterschiede feststellen. Klanglich sind IMHO die EMI-Aufnahmen besser geraten.

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#48 erstellt: 16. Sep 2004, 16:23

vanrolf schrieb:
Welche Aufnahmen sind die empfehlenswerteren, die von DG oder die bei EMI?

Hallo zusammen,
ich habe eine Kritik zur EMI (LP) Gesamtaufnahme vom Dez. 1982 gefunden. Auch dort wird der Dresdener Produktion der Vorzug gegeben.

Gruß
Franz


Anton Bruckner Symphonien Nr. 1-9
Staatskapelle Dresden
Eugen Jochum
EMI Electrola (11 LP)
Interpretation: 6-8
Repertoirewert: 2-6
Klangqualität: 6-10
-----------------------__ I - R - K
Symphonie Nr. 1 __ 6 - 4 - 6
Symphonie Nr. 2 __ 8 - 5 - 8
Symphonie Nr. 3 __ 8 - 5 - 8
Symphonie Nr. 4 __ 6 - 4 - 9
Symphonie Nr. 5 __ 7 - 4 - 9
Symphonie Nr. 6 __ 7 - 5 - 10
Symphonie Nr. 7 __ 7 - 2 - 9
Symphonie Nr. 8 __ 7 - 4 - 7
Symphonie Nr. 9 __ 8 - 6 - 7

...
Jochum hat gegenüber Wand gewiß den Vorteil des schöner klingenden Orchesters: Die Dresdner Staatskapelle ist halt immer noch ein Ensemble von Weltrang. Dennoch zeigt ein Blick auf die Bewertungsübersicht, daß das Bild interpretatorisch höchst uneinheitlich ist. Zur Debatte stehen in diesem Rahmen nur noch die Aufnahmen der vierten und fünften Symphonie, alle anderen wurden nach ihrem Erscheinen einzeln besprochen.
Jochum, der alte Bruckner-Pionier, ... , ist auch im Alter jener Bruckner-Orthodoxie treu geblieben, die primär emotional an diese Musik herangeht und das Problem des Zusammenschließens der großen Form mehr emotional empfundenen als strategisch-planvoll gesteuerten Spannungsabläufen überläßt. Zwar sind die in Jochums alter Gesamtaufnahme so leidigen Steigerungs-Accelerandi in seiner neuen Edition zurückgedrängt, wenn auch keineswegs ganz vermieden. Dafür macht sich jedoch ein vielfach forciert wirkendes Alterstemperament bemerkbar, das mit den Tempi nach Gutdünken schaltet.

Das Finale der vierten Symphonie ist ein Musterbeispiel für jene Instabilität des Zeitmaßes, die schließlich ein Grundtempo kaum mehr erkennen läßt. Hier stellt sich dann der Eindruck des Rhapsodischen ein, also genau das, was einst die Bruckner-Kritik als „formlos“ abqualifizierte.
Daß auch im Kopfsatz der fünften Symphonie beim Eintritt des Seitenthemas das Tempo fast um die Hälfte verlangsamt wird, obgleich in der Partitur nichts dergleichen steht, versteht sich: Wenn man das Allegro-Tempo des Hauptgedankens so schnell und schnittig nimmt wie Jochum, bleibt nichts anderes übrig.
Anderes, wie das Riesen-Finale der Fünften, gelingt demgegenüber erstaunlich bruchlos; mag sein, daß hier der stark konstruktiv-polyphone Charakter des Satzes unmotivierten Temperamentsausbrüchen einen Riegel vorschiebt.
Der langsame Satz der Vierten ist nicht frei von jenen zerdehnten Ausklängen melodischer Phrasen, die auch in früheren Aufnahmen zu konstatieren waren, im Adagio der Fünften hingegen wiederum vermieden wurden.

Das Gesamtbild ist, wie gesagt, uneinheitlich, nicht anders als bei Karajans Bruckner, von demjenigen Barenboims gar nicht zu reden. In puncto konzeptionelle Geschlossenheit des Ganzen liefert selbst Masur das einheitlichere Bild.

Uneinheitlich ist auch die klangtechnische Seite der Gemeinschaftsproduktion von EMI und VEB Deutsche Schallplatten. Dies betrifft allerdings die Aufnahmen der vierten und fünften Symphonie nicht, sie lassen, wenn man einmal von gelegentlichen Überlagerungen des Streicherklangs durch das schwere Blech absieht, kaum einen Wunsch offen.
A. Beaujean hifi-sterophonie 12/1982


[Beitrag von op111 am 16. Sep 2004, 16:58 bearbeitet]
vanrolf
Inventar
#49 erstellt: 16. Sep 2004, 21:19
Hi,
danke Klaus, danke Franz !!!
Als laienhafter Klassik-Liebhaber kenne ich mich natürlich nicht mit Partituren aus, ich kann nur sagen, daß mir die erwähnte 1966er DG-Neunte mit Jochum in jeder Hinsicht sehr gut gefällt, und daß sie mich auf weitere Einspielungen mit Jochum neugierig gemacht hat. Ich werde also versuchen, die EMI-Box irgendwo preiswert zu erwerben.
Gruß Rolf
cr
Inventar
#50 erstellt: 16. Sep 2004, 22:24
5&6 und 8&9 gibts je in einer preiswerten Doppelbox (angenehm, dass die 8. auf eine CD geht). Obs auch die anderen inzwischen gibt, weiß ich nicht
Die Klangqualität ist gut.
musikskin
Schaut ab und zu mal vorbei
#51 erstellt: 18. Sep 2004, 13:55
Wer Eugen Jochum für einen bloßen "Kapellmeister" hält, der höre sich mal seine Beethoven Vier mit den Londonern an!!!:)
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