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Das Ballett - Karriere einer Kunstform+A -A |
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Autor |
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Martin2
Inventar |
#1 erstellt: 20. Jan 2012, 00:11 | |
Das Ballett Karriere einer Kunstform habe ich meinen Thread genannt und damit drückt sich aus, daß das Ballett in der Tat historisch eine faszinierende Karriere gemacht hat, von der künstlerischen Schmuddelecke, die nie so recht ernst genommen wurde, zu eine der zentralsten Musikgattungen vor allem des frühen 20. Jahrhunderts. Viele Komponisten haben um das Ballett einen weiten Bogen gemacht. Im Barock scheint es diese Kunstform überhaupt nicht gegeben zu haben, wann es die ersten Ballette gegeben hat, müßte ich bei Wikipedia konsultieren. Also bei Bach und Händel gibt es kein Ballett, desgleichen wohl nicht bei Haydn und Mozart. Dagegen der tief ernsthafte Beehoven hat ein Ballett geschrieben - man möchte es gar nicht glauben - die Geschöpfe des Prometheus, ein durchaus schönes Werk, das ich mit dem dirigentenlosen Orpheus Chamber Orchestra habe ( Deutsche Grammophon). Ansonsten herrscht in Punkto Ballett und "große Komponisten" im 19. Jahrhundert weitgehend Funkstille, Wagner hat wohl für den Tannhäuser ein Ballett als "Operneinlage" für die französische Aufführung des Tannhäuser geschrieben. Ja und dann trat Tschaikovski auf den Plan, der drei große Ballette schrieb, die ich mir kürzlich mal zulegte, in dieser bei JPC sehr günstigen Aufnahme: Wirklich sehr schön, auch wenn ich dort ein paar Längen fest stelle. Im Begleitheft stand, daß zu jener Zeit Ballettmusik mehr von Spezialisten minderer Qualität erstellt wurde, daß ein so großer Komponist wie Tschaikovksi sich dieser Kunstforum annahm, war ein Glücksfall für die Geschichte des Balletts, nachwievor gehören diese Ballette zu den beliebtesten ihrer Gattung. Und dann aber machte das Ballett im 20. Jahrhundert, wohl ausgehend von Tschaikovski eine für unmöglich gehaltene Karriere. Sehr viele, sehr bedeutende Komponisten widmeten sich dieser Kunstforum. Natürlich Ravel, Strawinkski, Prokoview, Bliss, Chatschaturian, auch Schostakwowitsch hat Ballette geschrieben vor allem dieses Fußballballett. Man stellt also fest, daß das Ballett im 20. Jahrhundert sein Schmuddelimage los geworden ist und daß die größten Komponisten wetteiferten, für diese Kunstform Werke zu schreiben. Am besten wohl gleich für diesen Diagilev oder wie der Mann hieß, der Anfang des 20. Jahrhunderts die berühmtesten Inszenierungen lieferte. Ein kleiner Nebengedanke, der mir heute gekommen ist, ist, ob es eigentlich ein Zufall ist, daß diese absolute Glanzzeit des Balletts mit der Hochzeit des Stummfilms zusammenfällt. Der Stummfilm ist allerdings eine ganz eigene Kunstform, die seelische Zustände mit den Mitteln der Pantomime darstellt, wer zum Beispiel einen Chaplinfilm sieht, bekommt einen Eindruck für die außergewöhnlichen ästhetischen Möglichkeiten einer solchen Kunstform. Ob also Ballett nur "Tanz" ist, oder ob es nicht auch die künstlerischen Weihen der Pantomime hat, der Gestik, dazu fehlt mir der Überblick, mit scheint allerdings, daß Ballett zu mehr geworden ist als einem Schaulaufen "guter Tänzer", sondern daß es im 20. Jahrhundert zu einer ganz eigenen Kunstform geworden ist und der Tänzer zu etwas mehr wird als einem guten Artisten, sondern zu einem Künstler. Dies soll es für den Einstieg sein, wir kommen wohl noch ins Gespräch. Gruß Martin |
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Schnuckiputz
Stammgast |
#2 erstellt: 20. Jan 2012, 07:23 | |
Die Geschichte des Balletts ist hier sehr schön zusammengefaßt: http://www.ballet-wo...llettgeschichte.html Ob man von daher von einem "künstlerischen Schmuddelimage" reden kann, weiß ich nicht. Vielleicht liegt das künstlerische Problem eher darin, daß es eigentlich einer guten Abstimmung zwischen Komponisten und Choreographen bedarf, um ein gutes oder gar perfektes Ballett hinzubekommen. Das Schmuddelimage scheint eher von ganz anderen Vorbehalten zu kommen, nämlich davon, daß ein tanzender Mann jedenfalls aus der Sicht bornierter Zeitgenossen irgendwie "schwul" rüberkommt und ihm von daher etwas "Verruchtes" anhaftet. Der Mann wurde anscheinend lange Zeit allenfalls als Partner der Frau im Ballett akzeptiert, aber kaum als Solotänzer. Es mag zwar sein, daß es prozentual betrachtet relativ viele schwule Tänzer gibt (vielleicht weil diese nicht selten sensibler und mit mehr Körpergefühl agieren als die Normalos?). Ein Blick in die Natur zeigt aber, daß es eigentlich gerade die männlichen Tiere sind, die sich beim Balzen präsentieren und durch allerlei Kunststückchen, Tänzeleien usw. ihre Partnerinnen beeindrucken wollen. Von daher ist das Schmuddelimage des Balletts also höchst unnatürlich und wohl auch Ausdruck einer von der Kirche geprägten verklemmten Sexualmoral und einer gewissen Körperfeindlichkeit. |
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Martin2
Inventar |
#3 erstellt: 20. Jan 2012, 08:15 | |
Hallo Schnuckiputz, danke für die Verlinkung dieses sehr interessanten Textes. Gefällt mir besser als das, was bei Wikipedie steht. Bezüglich des "Schmuddelimages" wirst Du sicher sicher recht haben, nur habe ich da sicherlich auch in die falsche Wortkiste gegriffen, was möglicherweise eine aus christlicher Soziliasition geborene Freudsche Fehlleistung war. Was ich eigentlich mehr meinte, war eben auch, daß das Ballett sozusagen künstlerisch doch nicht so recht ernst genommen wurde. Also Ballett gewissermaßen als "seichte Unterhaltung". Es ist ja offensichtlich, daß es im 19. Jahrhundert eben zunächst Leute wie Delibes und es gibt da noch ein paar andere Ballette geschrieben haben. Nun will ich gegen Delibes ganz und gar nichts sagen, nur wer von uns hört schon Delibes? Und da ist Tschaikovski schon eine ganz andere Hausnummer. Und im 20. Jahrhundert hat die Creme de la Creme sich dieser Musikgattung gewidmet. Das mit dem Schmuddelimage, was ich unbeabsichtigterweise gebracht habe, mag aber auch interessant sein. Das mit der Kirche, die wir im Dorf lassen wollen, kann ich so recht nicht nachvollziehen. Man müßte dann schon Butter bei die Fische tun und gucken, wo sich die Kirche denn tatsächlich gegen das Ballett positioniert hat. Ich möchte hier eigentlich keine weltanschauliche Diskussion, empfinde das mit der "verklemmten Sexualmoral" der Kirche aber doch etwas billig. Allerdings weiß ich gerade von meinen katholischen Großeltern, daß die wirklich extrem verklemmt waren. Nur ist der Mensch im "Naturzustand" vermutlich eine reine Chimäre. Das ist dann der "Wilde", der im Zustand nackter paradiesischer Unschuld lebt, was ich aber für eine bloße Projektion halte, denn auch die "primitiven" Gesellschaften hatten ihre Moral und ihre Gesetze, für die sich der arrogante Weiße aber sowieso nie interessiert hat, ihn interessierten nur die Südseeschönheiten am Strand. Meiner Meinung nach, gehört eine gewisse Verklemmtheit sozusagen natürlicherweise zum Menschen dazu. Da würde ein Mann einer Frau gerne mal an den Busen fassen, aber er macht es natürlich nicht. Er würde gerne mal sprachlich derb sein und er unterläßt ist. Das sind die Schmerzhaftigkeiten des Sozialisationsprozesses und wer hier allzusehr über die Strenge schlägt, unterliegt gesellschaftlichen Sanktionen. Ich habe da das christliche Millieu teilweise auch mehr als "verzeihend" empfunden und ich kenne umgekehrt einen durchaus unchristlichen Puritanismus, der aus einer moralischen Arroganz aus agiert. Aber genug davon, ich denke daß das Ballett durchaus zu unserer auch christlich geprägten Kultur gehört. So wie der Karneval und viele andere Dinge mehr. Jedenfalls gibt es das Ballett, wie mich Dein Link ja aufklärt, schon zu einer Zeit, als die Kirche noch der unangefochtene Taktgeber der Moral war. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#4 erstellt: 20. Jan 2012, 08:35 | |
Hallo! Immerhin gehörte eine Balletteinlage lange Zeit zu fast jeder Oper, -zumindestens zwischen Mozart und Wagner-. Der heutige Stellwert des Ballettes als bedeutende autonome Kunstform dürfte -ganz allgemein gesehen-, auf den veränderten Stellwert der Körperlichkeit überhaupt zurückzuführen sein die sich seit Mitte/Ende des 19. Jahunderts etabliert hat. MFG Günther |
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Schneewitchen
Inventar |
#5 erstellt: 20. Jan 2012, 18:16 | |
Ballette waren in Frankreich auch schon im Barock sehr beliebt.Paris war sozusagen die "Hauptstadt des Balletts".Aber auch in Deutschland/Österreich wurden im Barock Ballette aufgeführt. Lully und Rameau z.B. komponierten zahlreiche Ballette und Ballettopern. |
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Martin2
Inventar |
#6 erstellt: 20. Jan 2012, 22:06 | |
Ja man lernt nie aus. Ein paar von diesen Barock Balletten habe ich möglicherweise sogar, aber das Fehlen jeglicher Dokumentation in großen Boxen führt dann meistens auch zu Fehleinschätzungen. Wie gut, daß wir darüber gesprochen haben. |
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