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ECM - ein Label wird langweilig?+A -A |
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Autor |
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Mr._Lovegrove
Inventar |
#1 erstellt: 23. Jul 2011, 05:53 | |
Nachdem ich in letzter Zeit wieder öfters ECM Sachen aus den 70er und 80ern höre und mich das Label schon seit vielen Jahren beschäftigt und ich mich eigentlich als Fan von Manfred Eichers Gesamtkunstwerk bezeichne, stelle ich leider schon seit ein paar Jahren fest, das (zu) viele Veröffentlichungen einem gewissen stilistischen Gleichschritt folgen. Und der ist leise, leiser am leisesten. Eicher scheint gefallen an der vertonten Stille gefunden zu haben und bringt mehrheitlich Alben heraus, die auf verschiedenartige Weise ruhig, manchmal gar meditativ daherkommen. Seien es nun Julia Hülsmann, Cyminology, Iro Haarla, Wolfrad Brederode, Keith Jarretts letzte Scheibe oder Marcin Wasilewski, um nur einige zu nennen. Ich möchte diesen Platten ihre vorhandene Qualität nicht absprechen; darum geht es hier nicht; aber mir scheint es, dass Eicher der Mut vergangener Tage anhanden gekommen ist. Früher hat Eicher neben den durchaus EDM prägenden Leuten wir Garbarek oder Jarrett auch solche Sachen wie das Art Ensemble of Chicago oder Rypdals wilde Ritte veröffentlicht und so ein breites und doch schlüssiges Spektrum an weniger mainstreamigem Jazz angeboten. Heute setzt Eicher neben wenigen Ausnahmen, wie Nik Bärtsch's Ronin, auf eher ruhige und weniger grenzauslotende Musiker, die zwar in sich schlüssige Platten machen, aber den Ruf des ECM Labels in eine zumindest in meinen Augen falsche Richtung lenken. Ich habe fast den Eindruck, das Eicher seinem Alter und vielleicht auch dem kommerziell über die Jahre größer gewordenen Druck, dem auch er unterliegt, Tribut zollt und so sein Label in eine andere Richtung lenkt. Gut heißen kann ich das nicht, denn so geht ein Stück europäische Labeltradition ganz langsam verloren, bzw. verrät sich schleichend an den Massengeschmack. Dass es bei Eicher auch immerschon gewisse "Hitalben" gab, ist dabei nicht der springende Punkt. In den Siebzigern waren dass das "Köln Concert" und "Belonging", später dann "Officium" und heute halt Manu Katché. Aber leider bekomme ich bei ECM heute zu wenig Aha Erlebnisse, die einer gewissen dramturgischen Dynamik entspringen, sondern zu oft werde ich mit in sich gekehrten Musiken konfrontiert, die, so unterschiedlich sie sind, nicht mehr durch neue Sounds begeistern. Zudem auch die Covergestaltung, einstmals weltweit ein einmaliges Gesamtkunstwerk, in den letzten Jahren an kreativer Dynamik und Intelligenz eingebüßt hat. Zu oft wird man mit verschwommenen pseudokünstlerischen Fotos konfrontiert, die anscheinend nur durch ihre Bearbeitung ihre Wirkung erzielen. Eine Identifikation mit der Platte an sich findet nicht mehr so häufig statt, sondern Eicher scheint (auch durch die jetzt serienmäßgen Slipcases) sich zwanghaft vom Rest der Plattenwelt absetzten zu wollen, nur damit man eine ECM CD sofort im Regal erkennt. Das funktioniert sogar, kommt aber einer künstlerischen Gleichschaltung innerhalb seines Labels nahe. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. Für mich ist das leider nicht der richtige Weg für dieses Label.....schade! |
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arnaoutchot
Moderator |
#2 erstellt: 25. Jul 2011, 10:02 | |
Kann ich ansatzweise verstehen und unterschreiben. Auch bei mir sind im Regal die Nummern 1000 - 1300 wesentlich dichter vertreten als alles, was danach kam. In den letzten Jahren habe ich kaum mehr neue ECM-Platten gekauft. Die neueren Produktionen sind mir auch oft zu formlos, irgendwo schwebend zwischen Neuer Musik, Weltmusik und Improvisation, ohne dass man noch einen roten Faden darin erkennt. Ich frage mich allerdings, in welche Richtung Eicher das Label entwickeln sollte ? Ich glaube, in dem Bereich, in dem sich ECM bewegt ist einfach schon sehr vieles gesagt, es gibt kaum mehr Möglichkeiten. |
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Hörbert
Inventar |
#3 erstellt: 25. Jul 2011, 18:53 | |
Hallo! Dabei sollte man allerdings nicht aus den Augen verlieren das sich Manfred Eicher mit der "New ECM Series" gerade recht weit aus dem Fenster lehnt. Zwar ist hier weniger der Jazz, -eher die neue Musik- vertreten aber ein Blick auf des Programm dieses Zweiges lohnt allemal. Einige interessante Fusionsprodukte sollten sich finden lassen. Ich denke mal das er nicht auf zwei Schultern zugleich solche Projekte stemmen kann. MFG Günther |
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arnaoutchot
Moderator |
#4 erstellt: 25. Jul 2011, 20:36 | |
Das sehe ich nicht als das Problem. Das hat er eigentlich schon seit den 80er Jahren gemacht, man denke nur an Keith Jarretts Ausflüge in die klassische Musik oder die Platten mit den Hilliards. Ich glaube in der heutigen musikalischen Vielfalt ist es wahnsinnig schwierig, noch ein markantes Profil zu bewahren. Es gibt eigentlich keine Grenzen mehr. |
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Mr._Lovegrove
Inventar |
#5 erstellt: 26. Jul 2011, 05:09 | |
Das ist eben ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist die Vielfalt der Jazzmusiken auf anderen Labels massivst angestiegen, aber genau darin liegt ja auch die Chance. Gerade das was bei Act z.B. in den letzten Jahren passiert ist, spricht Bände über die Vielfalt an brillanten neuen Köpfen, die nicht in Stille ersticken. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass sich Eicher keine Demos anhört und dann einfach nicht die richtigen Innovatoren des Jazz findet. Mag kein Hauptgrund sein, ist aber in meinen Augen bezeichnend dafür, dass man heute vcielleicht anders suchen muß, als vor 30 Jahren. |
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Micha_L
Stammgast |
#6 erstellt: 26. Jul 2011, 08:21 | |
Mein Eindruck ist, daß ECM, wenn auch geringer, schon immer diese Tendenz hatte. Man vergleiche nur aus der gleichen Zeit MPS. Die waren schon damals nicht so "ätherisch". |
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arnaoutchot
Moderator |
#7 erstellt: 26. Jul 2011, 09:20 | |
Also auf die ersten 300 Katalognummern lasse ich bei ECM nichts kommen, das war enorm kreative Musik mit einem weiten Horizont und ich finde auch heute praktisch nichts langweilig. Danach - wie schon diskutiert - wurde es langsam schwächer. Ein Vergleich mit MPS hinkt etwas. MPS gab es gut 10 Jahre (Ende der 60er bis Ende der 70er), ECM gibt es seit über 40 Jahren. Ausserdem war MPS doch stilistisch sehr eingegrenzt (Kriegel, Mangelsdorff, Dauner, Cicero, Gulda etc.), ich wüsste nicht so recht, wie diese Musik bis heute weiterentwickelt worden wäre. |
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Micha_L
Stammgast |
#8 erstellt: 26. Jul 2011, 14:04 | |
Mir ging es um die frühere Zeit. Und dabei scheint mir der Vergleich zu MPS weniger zu hinken als der zum späteren Label ACT. MPS war außerdem breiter gefächert: Bei mir im Schrank stehen Platten von Alphonse Mouzon und St. Goldberg/L. Coryell/L. Subramaniam. Außerdem wären noch Oscar Peterson, George Duke und Lee Konitz zu nennen. Aber wie gesagt, es ging mir nicht um die Nachwirkung, sondern um die frühen Jahre. |
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Hörbert
Inventar |
#9 erstellt: 26. Jul 2011, 18:02 | |
Hallo! Na ja, Jörg Widmann´s Elegie oder Heinz Holligers Violinkonzert sind ein wenig andere Hausnummern als Jarret´s "The Celestial Hawk" oder ein Luminessence mit Gabarek und den Südfunkstreichern (oder auch Terje Ripdal´s "Wenever i seem to be far away") womit ich nichts gegen die Kopositionen gesagt haben möchte, -mir geht es hier um die Anzahl der Hörer die diese Musik überhaupt kauft. Jarrets und Ripdals Konzerte waren sicher leichter verkäuflich als die Musik von Holliger oder Widmann. Der gesamte Jazzmarkt ist zwar eher klein aber der Markt für neue Musik nachgerade winzig. Manfred Eicher hat schon damals mit seinem Programm Pionierarbeit geleistet, m.E. tut er es heute halt auf einem andern Sektor. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 26. Jul 2011, 18:03 bearbeitet] |
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Mr._Lovegrove
Inventar |
#10 erstellt: 27. Jul 2011, 06:00 | |
Das erstaunliche dabei ist ja, das die New Series auch weiterhin auf einem hohen Niveau gehalten wird, Eicher also dort kaum in Versuchung kommt, zu kommerziell zu werden. Übrigens: sowohl "Luminessence" als auch"Whenver I seem to be far away" sind beide im übrigen keine New Series Alben, sondern Nummern aus dem Jazzkatalog. Das nur nebenbei. Aber die beiden Scheiben sind ein exzellentes Beispiel von den früheren Mut von ECM. Ich gebe arnaoutchot recht und würde das bis zu den 500ern noch ausweiten, denn die frühen Jahre kann man praktisch blind kaufen und stößt fast immer auf aufregende, spannenden, stilsicherer und innovative Musik, die den "Test of time" locker besteht und teilweise heute noch bahnbrechend wirkt. Ich höre gerade "Mostly Coltrane" von Steve Kuhn (eine der neueren ECM Platten) und so schön die Scheibe auch ist, sie spiegelt nicht das wieder, was ECM eigentlich ausmacht. Auch wenn gerade Eichers Pressemann Steve Lake abgewiegelt hat, dass es einen ECM Sound gibt, so läßt sich doch gerade bei den frühen Geschichten feststellen, dass gewisse charakterliche Eigenarten durch viele ECM Platten ziehen und einige Künstler das musikalische Grundauftreten durchaus in eine gewisse Richtung gelenkt haben (Rypdal, Garbarek, Towner, Jarrett, Abercrombie, Burton...). Das liegt aber sicher auch an der Masse deren Veröffentlichungen. Was ich vermisse, dass die Musik des Labels heute kaum noch im positiven polarisiert. Ich rede hier nicht davon, ob Manu Katché schon Pop ist oder ob Garbarek nur noch Schmalz, sondern darüber, dass diese oder jende Platte Grenzen auslotet, bzw. diese überschreitet. Rypdals "Whenever I seem to be far away" ist da sogar ein echt gutes Beispiel für. Und dies findet bei ECM heute fast nicht mehr statt. Folkloristische Mixturen und schon dagewesene Weltmusik- Clashes wie The Gurdjieff Folk Instruments Ensemble oder Alina Aloui tragen zu diesem Diskurs leider überhaupt nicht bei. |
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Hörbert
Inventar |
#11 erstellt: 27. Jul 2011, 17:13 | |
Hallo!
Da kann ich schlecht wiedersprechen, neue, dieser ECM-typischen Aufnahmen im Grenzbereich des Jazz gibt es seit geraumer Zeit nicht mehr. Allerdings wird m.E. ähnliches mit anderen Mitteln doch gerade von Manfred Eicher mit der neuen Musik versucht. Ich denke mal das sich sicher hier noch einiges tun wird. MFG Günther |
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dietmar_
Inventar |
#12 erstellt: 27. Jul 2011, 18:53 | |
Ich höre zur Zeit Dave Hollands Extended Play – Live At Birdland. Und unter dem Einfluss eines Konzerts des Dave Holland Quintetts vor 11 Tagen lese ich diesen Thread. Holland hat bis vor wenigen Jahren seine Alben bei ECM veröffentlicht - über 30 Jahre!, das muss man sich mal vorstellen. Ich kenne die Gründe nicht, warum er es jetzt selbst produziert bzw. sein eigenes Label gegründet hat. Den Wunsch, die Fäden möglichst umfassend selbst zu ziehen, kann ich nachvollziehen, es müssen sich ja nicht immer Partner aus Uneinigkeit trennen. Das ist nicht Thema meines Posts. Mir fiel halt ein, dass Holland nicht dem hier beklagten „Gentle Listening“, wenn ich das mal so benennen darf, zuzuordnen ist. Ist Holland fortgegangen weil er sein eigenes Label wollte oder passte er nicht mehr ins Konzept – ich denke nicht, dass Eicher leichtsinnig eines der „Zugpferde“ gehen lassen würde? Wenn ich genanntes Album höre, und wenn ich mir vergegenwärtige, was ich in der Vergangenheit an neueren Alben aus der ECM-Schmiede wahrnahm, muss ich Lovegrove zustimmen. Zu oft habe ich bei neueren Produktionen – mir fiel es bei Prods der 2000er Jahre besonders auf – gedacht, wann legt die Combo endlich los? - etwas übertrieben ausgedrückt. Wobei ich nix gegen stillere Produktionen sagen möchte. Zum Beispiel Abbuehls April zeigt mir genügend Präsenz, da stimmt es voll meines Erachtens, obwohl es ein stilles Album ist. Aber zum Beispiel bei den Wasilewski-Trio-Produktionen denke ich jedes Mal, da steckt doch mehr drin. Ich mag die Alben des Wasilewski Trio trotzdem, doch ich habe die Vermutung, dass ich die Band Live sehen sollte, um näher an ihr wahres Potential zu gelangen. Bei Dave Hollands Quintett hatte ich dieses Gefühl nie, und das erwähnte Konzert fügte sich sehr nahtlos an Extended Play an, obwohl zwischen Aufnahme und selbst Erlebtem fast 10 Jahre liegen. |
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Mr._Lovegrove
Inventar |
#13 erstellt: 03. Aug 2011, 12:29 | |
Kann man so nicht ganz stehen lassen, da alle ECM Künstler Verträge von Album zu Album machen und sich somit relativ schnell anderweitig umgucken können. Es gibt bei Eicher keine Exklusivverträge. Was haltet ihr eigentlich vom RE:ECM Album? Ich habe da mal reingehört und mein Ding war es nicht. Und auch wenn Eicher immer wieder mit experimentellen Künstlern gearbeitet hat, kam mir das doch arg ECM fremd vor. |
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Hörbert
Inventar |
#14 erstellt: 03. Aug 2011, 18:05 | |
Hallo! Na ja, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, zur Zeit ist das halt ncht so ganz mein Ding, Remixing und Techno-Elemente werden wohl mehr und mehr Einzug in gewisse Bereiche des Jazz halten, vor 20 Jahren hatte wohl "Furture Shock" von Herbie Hancock für viele einen ähnlichen Stellwert, einge sind durch solche Sachen erst zum Jazz gekommen. MFG Günther |
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Detektordeibel
Inventar |
#15 erstellt: 04. Aug 2011, 00:32 | |
Herbie Hancock ist da sowieso eine der Schlüselfiguren schon alleine mit dem Headhunters-Album und dem Einfluss auf die Djs der "Detroit-Techno" Szene. Gerade da gibts nen haufen Berührungspunkte zum Jazz was sampels etc. angeht. http://www.youtube.com/watch?v=tkjDI_9sSz0 http://www.youtube.com/watch?v=1x_LjS4tfW4 |
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