Früher war alles besser (Aufnahmen und Dirigenten)?

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Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 05. Nov 2007, 08:01
Hallo,

mir fällt auf, dass viele hier immer wieder altes Material empfehlen. Da muss es bei Beethoven unbedingt Furtwängler sein, oder es werden generell alte Analog-Aufnahmen rund um die 60er empfohlen. Meine Vermutung ist: Das sind Aufnahmen, zu deren Zeit der Empfehlende in der Blüte seines Lebens stand.

Ja waren denn die alten Aufnahmen per se besser? Die Dirigenten und Orchester fähiger?

Ich glaube, was die Dirigenten angeht, ist ein großer Teil romantische Rückschau am Werk, Konservativismus. Man hat in der Vergangenheit die Wahrheit gefunden und sieht keinen Anlass mehr, andere Wahrheiten neben der bereits gefundenen neu zu erarbeiten; deren Verneinung oder zumindest Mißachtung ist einfacher. Was ich im Übrigen für menschlich halte. Konservativismus als Ausdruck von Menschlichkeit

Das andere Thema ist die Aufnahmetechnik, und das ist es, was mich eigentlich zu diesem Thema treibt. Ich bin nun 35 und mein Problem in der Vergangenheit war eigentlich immer das Rauschen (bzw. schlecht eingestellte Tonköpfe). Was das Rauschen angeht, wurde es ja von Dolby B bis nach S immer besser. C war schon sehr genial.
Dadurch bin ich geprägt. Das heißt, heutzutage lege ich Wert darauf, dass Aufnahmen möglichst neuesten Datums sind. Wenn die Tontechniker es richtig machen, erfreue ich mich heute an hoher Dynamik und an den leisen Stellen trotzdem geringen Rauschens. Herrlich, wenn im Finale Mahlers 6ter rauschfrei die letzten leisen Töne anklingen und dann am anderen Dynamikende die Wände wackeln.
Mal davon abgesehen, dass es immer hirntote Mastering-Leute gibt, die zuviel EQ, Kompression anwenden oder übersteuern: So dramatisch finde ich die Lage heutzutage nicht. Meine mir liebsten Anschaffungen, bspw. Sibelius/Blomstedt (Decca) oder Chailly/Mahler oder die Sachen von Sibelius bei BIS leiden nicht an Übersteuerungen o.ä. Vielleicht habe ich kein darauf trainiertes Ohr, ist ja möglich.

Und wenn schon: Nichts ist schlimmer als permanentes Rauschen, durch das man die kleinen aber feinen Dinge nicht mehr durchhört, von zarten Blasinstrumenten bis hin zu rutschenden Stühlen.
Das ist freilich subjektiv

Michael


[Beitrag von Gantz_Graf am 05. Nov 2007, 08:04 bearbeitet]
Thomas133
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 05. Nov 2007, 09:15
Hallo,

Ich denke das es sicher einige richtungsweisende Interpretationen aus den Anfängen der Tonaufzeichnung gibt. Ich vermute aber auch das manches vielleicht auch eher aus einer Art Tradition und Gewohnheit immer wieder weiterempfohlen wird. Wie man weiß kann ein erster Höreindruck immer massgeblich sein, man hört das Werk zum ersten Mal und auch wenn es keine Referenzeinspielung ist, wird diese jedoch in gewisser Weise prägend und da man noch keine Vergleiche hat oft auch die Interpretation nicht hinterfragt.
So denke ich das einige ältere Aufnahmen, wo man noch nicht die große Anzahl an Vergleichsmöglichkeiten die man heute zur Verfügnung hat, auch aus dieser immer wiederkehrenden Weiterempfehlung und Mund-zu-Mund-Propaganda durch Generationen hinweg lebt. Die älteren, schon erfahrenen Klassiksammler sind mit diesen Aufnahmen womöglich aufgewachsen - auf ihre Erfahrung und Urteil legt man dann in der Regel wert, ihr Urteil ist aber womöglich durch den oben genannten ersten Höreindruck auch mit beeinflußt.
Man merkt ja auch klar die Modetrends, viele von denen die in diesen Zeiten neu zur Klassik kommen und sich erstmal ohne Empfehlungen in die Materie einarbeiten entwickeln eine Vorliebe für HIP-Einspielungen während viele die mit Böhm,Karajan,Wand usw. aufgewachsen sind auch meist bei diesem Interpretationsstil bleiben oder zum. bevorzugen.
Natürlich möchte ich wie oben gesagt nicht behaupten das alle alten Referenzeinspielungen darin begründet sein könnten, aber ein gewisser Teil sicher aus einer Art Tradition.

Ich wäge auch immer ab, inwieweit ich dann die schlechtere Tonqualität in Kauf nehmen kann. Mono-Einspielungen lehne ich strikt ab, da hab ich dann einfach keinen Genuss mehr dabei. Bei älteren Stereo-Aufnahmen kommt es drauf an, manche sind noch durchaus hörenswert wenn zu dem meist vorhandenen höhrerem Grundrauschen wenigstens noch eine gewisse "analoge wärme" (durch einen gekonnten Einsatz mit der Bandmaschine) vorhanden ist. Aber manches ist auch da eher bescheiden (wie zB die früheren Aufnahmen aus der Bernstein-Tschaikowsky-Sinfonien-Box)
Ab ca.1970 habe ich in der Regel in gewisses Vertrauen (obwohl es da auch mitunter schwarze Schafe geben kann - auch bei manchen Digitalaufnahmen in den frühen 80ern) bei den 60er-Aufnahmen bin ich dann aber schon vorsichtiger und kaufe da meist nur wenn man um diese Interpretation scheinbar nur schwer herumkommt.

gruß
Thomas
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 05. Nov 2007, 09:20
Mein Vertrauen beginnt sogar erst mit den späten 80ern :P. Davor höre ich schon genau hin.
teleton
Inventar
#4 erstellt: 05. Nov 2007, 11:27
Hallo GanzGraf,

es gibt sicher auch heute eine ganze Menge neuer Aufnahmen, mit Künstklern und Orchestern, die wenig bekannt sind und TOP-Leistungen bringen.

Da ist sogar bei NAXOS manchmal einiges an Neuaufnahmen der leztzten 10Jahre zu finden, das man schonmal als AHA-Erlebnis feststellen kann.

Doch gibt es heute Dirigenten und große Namen die Bernstein, Karajan, Solti, Roshdestwensky, Mrawinsky, Kondraschin, Swetlanow, Fricsay, Ansermet .... (wohlgemerkt bei ihren jeweiligen Schwerpunkten im Repertoire) ersetzen könnten ?
Ich sage im Moment - nein !!!
Und deshalb greife ich zu diesen großen Namen auf älteren CD-Veröffentlichungen in STEREO und bin so bestens bedient.
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 05. Nov 2007, 11:33

teleton schrieb:
Doch gibt es heute Dirigenten und große Namen die Bernstein, Karajan, Solti, Roshdestwensky, Mrawinsky, Kondraschin, Swetlanow, Fricsay, Ansermet .... (wohlgemerkt bei ihren jeweiligen Schwerpunkten im Repertoire) ersetzen könnten ?
Ich sage im Moment - nein !!!

Und ich sage im Moment - ja !!!
Zumindest in den Bereichen, die mir wichtig sind.
Mahler - Chailly.
All die Nordmänner (Sibelius, Rautavaara, etc. etc.) - Vänskä, Segerstam, Järvi, Salonen.
Bruckner - OK, Wand ist tot, aber die letzten Aufnahmen sind nicht so alt.


[Beitrag von Gantz_Graf am 05. Nov 2007, 11:36 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#6 erstellt: 05. Nov 2007, 15:37
Ich weiß das ehrlich gesagt alles nicht so genau. Ich gebe allerdings zu, eher konservativ zu sein. Na ja, andererseits habe ich nun auch einige Naxos CDs in meiner Sammlung und die waren oft druckfrisch, also wirklich neueren Datums, als ich sie kaufte.

Für mich ist glaube ich auch der Preisfaktor nicht unerheblich. Die neuesten Spitzenproduktionen sind oft sehr teuer. Aufnahmen aus den 50ern und 60ern warten oft mit berühmten Interpreten auf und sind billig zu haben.

Der Klangfaktor ist bei mir nicht so entscheidend. Auch Aufnahmen aus den 50er können noch ganz gut klingen. Das Rauschen ist etwas, auf das ich nie geachtet habe. Vermutlich weil ich damit aufgewachsen bin.

Nur bei sehr alten Aufnahmen bin ich teilweise befremdet. Ich habe eine Furtwänglerbox, die im übrigen sehr billig war, das war mal ganz interessant, aber Aufnahmen aus den 40ern finde ich ehrlich gesagt nur noch historisch interessant. Sie können einen Einblick geben, aber sie haben einfach einen lausigen Klang. Und seit ich den Gulda mit den Beethovenschen Klaviersonaten habe, höre ich den Schnabel ( aus den 30ern) praktisch auch nicht mehr. Na ja, irgendwann werde ich den Schnabel vielleicht noch mal hören.

Ich finde nur, manche junge Hififanatiker sind in Bezug auf Klang, Rauschen etc. einfach zu anspruchsvoll. Muß das denn alles immer so perfekt sein? Es ist doch wirklich in erster Linie eine Frage der Aufmerksamkeit, wenn Du auf diese Dinge nicht sonderlich achtest, stören sie Dich absolut nicht.

Man muß nur damit leben, daß Menschen verschiedener Generationen auch vollkommen verschiedene Maßstäbe haben. So mußte ich ein bißchen schmunzeln, als ich die Markewitschbox erwarb und ins Textheft hineinschaute und die Schallplatten aus den mittleren und frühen 50ern waren da abgebildet. Da war dann eine Monoplatte aus den frühen 50er "Hifi", so stand es auf dem Plattencover. Also Hifi gab es offensichtlich schon in den frühen 50ern. Und die Leute waren schon damals überwältigt und begeistert von dem tollen Klang. Sie hatten eben andere Vergleichsmaßstäbe.

Gruß Martin
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 05. Nov 2007, 20:13
Ich lehne eine Glorifizierung von Interpreten der Vergangenheit, insbesondere aber eine des "golden age of sound", was sich in der Bevorzugung von gar nicht selten rauschigen, schrillen, grellen, überdirekten Living Stereo oder Living Presence-Aufnahmen äußert, ab.
Aber ebenso halte ich es für kurzsichtig, Aufnahmen seit dem frühen Stereozeitalter Ende der 50er zu vernachlässigen. Sehr viele davon (und nicht nur die irgendwie legendären sonic spectaculars) klingen nämlich sehr gut. Jedenfalls nicht schlechter als die meisten Digitalaufnahmen (und besser als vieles aus den 80ern).
Über eine vernünftige Anlage mit ca. 2m Hörabstand zu den Lautsprechern höre ich hier auch normalerweise kein Rauschen, selbst wenn das über Kopfhörer deutlich zu vernehmen wäre.
Auch viele Einspielungen der "Mono-Hifi"-Zeit von ca. 1948-57 halte ich für gut anhörbar. Klar hier gibt es auch einiges, was dünn, trocken oder sonstwie suboptimal klingt. Aber viele Aufnahmen sind durchaus dynamisch, transparent und vom timbre her realistisch, nur halt unräumlich.

Es hängt von vielen Faktoren ab, wenn man hauptsächlich über KH hört, sehe ich eher ein, dass Rauschen stört. Aber auch daran kann man sich sehr gut gewöhnen. Ich habe jahrelang auch fast nur per KH gehört, nach ein paar Minuten kann man das Rauschen ausblenden.

Woran man sich zugegeben etwas gewöhnen muß und solche würde ich daher auch nicht ohne weiteres empfehlen, sind Überspielungen von Schellacks. Häufig sind die dumpf gefiltert, oder man muß eben das Geknister mental ausblenden. Hinzu kommen natürlich dann auch mehr Verzerrungen. Dennoch gibt es auch hier gelungene Überspielungen, die erstaunlich gut klingen. Digitale Bearbeitungstools können hier, wenn von Könnern eingesetzt wahre Wunder wirken. Sehr viele Beispiele (häufig komplette Sätze) findet man bei:

http://www.pristineclassical.com/

viele Grüße

JK jr.
Joachim49
Inventar
#8 erstellt: 05. Nov 2007, 23:03
Ich will mich mal hier als jemand "outen" der zur "Glorifizierung" der Vergangenheit neigt. Wenn ich eine Bestenliste machen müsste, dann wären es oft alte Aufnahmen, die in der Spitzengruppe rangieren. Ich schaue mit einem gewissen Misstrauen auf die Jetset-Dirigenten, die gleich bei drei Orchestern in verschiedenen Weltteilen die Chefposition innehaben, die zugegeben oft perfekte Orchester leiten, die also wenig Probezeit beanspruchen - und irgendwie oft eine Art musikalischer Konfektionsware produzieren.

Nehmen wir mal Beethoven: da geht doch Scherchen über alles (frühe 50-er Jahre), soll ich auf den formidablen Toscanini aus den 30-ern verzichten nur weil eine Aufnahme von heute weniger rauscht? Ich habe es hier schon oft gesagt: das Rauschen stört mich gar nicht, weil ich halt in meinem Gehirn einen Rauschfilter habe.

Oder Brahms: ich bin doch nicht blöd und verschmähe Bruno Walters New Yorker Brahms (5Oer) und ich wüsste nicht warum ich irgendeine andere Aufnahme des "Liedes von der Erde" seiner Aufnahme mit Walter & Ferrier vorziehen sollte. Spielt da vielleicht eine Art 'Glorifizierung' oder 'Mystifizierung' eine Rolle? Wahrscheinlich. Na und?

Oder nehmen wir Hermann Abendroth (der ja immerhin mal des Gewandhausorchester leitete, allerdings zur falschen Zeit). Ich wüsste nicht, wer je seine Bruckner 9 übertroffen hätte.

Die Bachtranskriptionen Stokowskis höre ich noch immer am iebsten mit Stokowski selbst und zwar aus den 30-ern mit dem Philadelphia Orchester (Ja, das rauscht und knackt ganz schön, aber es ist halt Stokowski und niemand kann mich überzeugen, das Barmert mit dem BBC besser klingt.

Die Liste könnte ganz schön lang werden: frühe Szell-aufnahmen etwa Beethoven mit Hubermann oder Moissewitsch sind immer noch unter meinen Favoriten.

Ich bin zwar schon etwas ergraut, aber doch nicht in einer Altersklasse, dass die erwähnten Aufnahmen nostalgische Jugenderinnerungen sind. Als ich klassische Musik entdeckte waren meine Favoriten Szell-Cleveland und das Julliardquartett. Für viele High-Tech-fanatiker ist das wahrscheinlich auch schon unakzeptabel. Den Charme der 30er, 40er und 50-er Jahre habe ich erst spät entdeckt.

Wenn ich wählen müsste zwischen all meinen Aufnahmen von vor 1970 und denen danach, ich würde wirklich keine Sekunde zögern (obwohl ich manches natürlich schmerzlich vermissen würde, z.B. Abbados Mahler.

Freundliche Grüsse
Joachim
Hörbert
Inventar
#9 erstellt: 06. Nov 2007, 10:23
Hallo!

Es ist doch ganz natürlich daß das Groß der guten Interpretationen schon etwas älter ist, schließlich hat ja schon alleine die Zeit dafür gesorgt das schlechte Interpretationen längst in der Versenkung verschwunden sind und allenfalls in Vinylform auf Plattenbörsen und in Second-Hand Läden wieder auftauchen. Bei Zeitgenössischen Aufnahmen ist dieses Filter nicht gegeben, demzufölge stehen mittelprächtige bis schlechte Interpretationen neben künftigen maßstabsetzenden Aufnahmen einträchtig im Regal nebeneinander und harren eines Käufers. Es werden im Verhältniss zu früher weder mehr noch weniger gute wie schlechte Interpretationen auf Tonträgern veröffentlicht, was davon bleich wird auch bei ihnen der Filter der Zeit zeigen.

MFG Günther
arnaoutchot
Moderator
#10 erstellt: 06. Nov 2007, 14:02
Die Legende sagt ja auch, daß die früheren Aufnahmen besser waren, weil wesentlich mehr Sorgfalt auf Auswahl der Musiker und Solisten, Proben und Aufnahmequalität verwendet wurde. Teilweise kann ich es nachvollziehen. Allerdings darf man dabei natürlich nicht unterschätzen, daß auch heute hervorragende Aufnahmen entstehen, die technisch und interpretatorisch auf dem neuesten Stand sind. Ich denke man muss hierbei berücksichtigen, daß ein Dirigent heute 100 Jahre Interpretationsgeschichte auf Tonträgern im Rücken hat. Das hatten die Interpreten der Frühgeschichte nicht, sie waren dadurch aus meiner Sicht freier in der Interpretation. Das hört man mancher Aufnahme vielleicht heute noch an.

Neulich habe ich mir die Klavierkonzerte von Rachmaninoff vom Komponisten selbst gespielt gekauft. Die Aufnahmen stammen von 1929 - 1940, alles Schellack mono. Trotzdem ich von der authentischen Interpretation Rachmaninoffs sehr beeindruckt war, hat sich ein wirklicher Genuss durch die doch sehr historische Klangqualität nicht einstellen können.

Viele Grüße Michael
Thomas133
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 06. Nov 2007, 14:18
Es wird immer nur vom Rauschen bei älteren Aufnahmen gesprochen.
Man darf nicht vergessen das zum Einen auch der Dynamikumfang geringer war, der Klirrfaktor höher und natürlich bei Mono keine räumliche Auftrennung bzw. Positionierung mehr.
Man versucht zwar heute durch mastern solche alten Aufnahmen so weit es geht zu restaurieren aber das hat natürlich auch seine Grenzen, versucht man zB das Rauschen zu unterdrücken greift man auch unwillkürlich in Frequenzbereiche der gewünschten Musikaufnahme ein und bringt wieder andere unerwünschte Nebeneffekte mit sich.
Für mich hat eine gute Aufnahmequalität immer den Vorteil das es für mich einem live-Eindruck am nähesten kommt und ich mir mit Fantasie wenn ich in der Idealposition im "sweet spot" des Stereodreiecks vor den Lautsprechern sitze dieses auch viel eher vorstellen kann als würde mir schon allein irgendein schlechter Aufnahmeklang nicht die geringste Chance für diese Vorstellung lassen. (ganz zu schweigen davon das man das Rauschen über Kopfhörer umso mehr wahrnimmt)
Natürlich ist eine Interpretation auch sehr wichtig aber ich suche dann immer den Kompromiss zu finden. Außerdem ist alles relativ, wenn es sich lediglich um ein geringes Grundrauschen handelt muß es nicht zwangsläufig störend wirken (bei live-Konzerten ist ja zwischen musikalischen Pausen ja auch nicht die Totenstille) mehr stört mich da eigentlich wenn der Klang der musikalischen Quelle weit hinter dem heutigen Standard liegt, der Frequenzbereich nicht so ausgeglichen klingt oder gar in den Höhen/Tiefen abgeschnitten. Wenn ich dann vergleiche was ich an Klang von meinen besten CD-Aufnahmen aus der Anlage rausholen kann komm ich mir fast vor wie Perlen vor die Säue zu werfen - oder sinngemäß auch umgedreht. Da kann dann die Interpretation noch so gut sein aber wenn dann zB ein moderner Konzertflügel nach einem spitzen, klirrenden Hammerklavier klingt oder eine Violine zu einem schrillen, jaulenden Instrument verkommt geht mein persönlicher Genuss baden - aber ich finde es schön wenn es Anderen nicht so stören sollte - ist halt meine Affinität.
Thomas
lydian
Stammgast
#12 erstellt: 06. Nov 2007, 17:28

Gantz_Graf schrieb:
[...] oder es werden generell alte Analog-Aufnahmen rund um die 60er empfohlen. Meine Vermutung ist: Das sind Aufnahmen, zu deren Zeit der Empfehlende in der Blüte seines Lebens stand.


Abgesehen davon, dass man die "Blüte des Lebens" sehr unterschiedlichen Lebensaltern zurechnen kann, möchte ich diese Vermutung - für mich - ganz klar von mir weisen. Als in den 60er Jahren geborener habe auch ich einen Hang zu älteren Aufnahmen, ohne von den neuen gänzlich zu lassen.

Es ist sicher ein gehöriges Stück Fortschritts-Skepsis, der mich in den vergangenen etwas über 2 Jahrzehnten geprägt hat. Weder die digitale Aufnahmetechnik an sich noch die Produkte CD und SACD haben mich überzeugen können, dass ein Fortschritt in signifikantem Maße statt fand. Ich gehörte zumindest in meinem Bekanntenkreis zu den ersten, der in der Hoffnung auf deutliche Verbesserungen zu diesen neuen Geräten und Produkten griff. Die Technik ist einfacher, komfortabler und zum beliebigen Verfielfältigen problemlos geeignet; entspricht also mehr den Anforderungen eines Massenmarktes, wobei dieser ja seit einigen Jahren kräftig dabei ist, seine eigenen Kinder zu fressen. Seit etwa 7 Jahren kaufe ich mehr LPs als CDs. Und über eine mäßig klingende LP ärgere ich mich viel weniger als wenn das bei einer CD der Fall ist.

Der letzte Quantensprung in der Aufnahmetechnik war meines Erachtens die Erfindung des sog. FFRR-Verfahrens von Decca Ende der 40er Jahre sowie dessen Perfektionierung in den Jahren danach. Niemand wird ernsthaft bestreiten dass es auch danach Verbesserungen gab. Aber Rauschfreiheit mit hoher Qualität gleichzusetzen ist doch arg dürftig. Dolby und ähnliche Verfahren haben nicht nur postive Aspekte.

Zur Frage der Interpretationen: Man hat schlicht und ergreifend mehr Auswahl, wenn man auch die alten Aufnahmen in Erwägung zieht. So sind mir die liebsten Aufnahmen der Sibelius-Sinfonien die von Anthony Collins (Anfang der 50er, auf LP) und die von Leif Segerstam (recht neu). Zudem liegt man wohl nicht falsch, wenn man behauptet, dass frühere Interpreten der Musik in höherem Maße ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben als heutige. Ob man das im Einzelfall mag oder nicht, ist wieder etwas anderes.

Gruß,
Steff
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 07. Nov 2007, 07:50

lydian schrieb:
Aber Rauschfreiheit mit hoher Qualität gleichzusetzen ist doch arg dürftig.


Rauschfreiheit als absoluter Qualitätsmaßstab, das möchte ich doch von mir weisen. Ich denke ich habe angedeutet, dass das Rauschproblem mein persönliches Steckenpferd war und ist, mehr nicht.
Andere werden beispielsweise bei der kleinsten Übersteuerung hellhörig usw...
Kings.Singer
Inventar
#14 erstellt: 07. Nov 2007, 21:21
Hi.

Also da ich erst vor ein paar Jahren zur Klassik gekommen bin und auch sonst noch recht jung, sage ich einfach einmal wie sich der Klassikmarkt mir momentan präsentiert:

Dürfte ich nur ein Wort benutzen, Nichts würde es besser treffen als: luxuriös!
Da hat man auf der einen Seite die "alten Meister" zur Auswahl, deren Aufnahmen oft schon alleine wegen ihres 'Flairs' bestechen (analoger Klang - man meint etwas aus der "goldenen Zeit" zu Ohren zu bekommen).
Und auf der anderen Seite die Dirigenten aktueller Generationen.

Was da besser ist? Nichts!
Warum sollte ein Musiker in einem Weltklasse-Orchester heute schlechter sein als vo 50 Jahren (sofern es nicht der gleiche ist ^^)?! Und warum soll das nicht auch für die Dirigenten gelten?

Wenn ich mir meine stetig wachsende Sammlung anschaue, ergibt sich ein gesunder Querschnitt. Da haben wir am einen Ende 1942 und am anderen 2007. Und wenn ich mir das dazwischen anschaue, kann ich nicht behaupten, dass die älteren Sachen grundsätzlich besser sind.
Klanglich hat sich in dem Zeitraum viel getan, aber die musikalische Qualität nimmt nicht ab... Warum auch?!
Es wird immer Dirigenten geben, denen der Zugang zum einen Komponisten besser gelingt als zum anderen. Und irgendwann ist jeder "Altmeister" fällig.


Ich denke auch, dass ältere Aufnahmen grundsätzlich noch die größere Rolle spielen, weil sie einfach traditionell sind. Ich habe zum Beispiel in Reiners Zarathustra (1954) meinen Liebling gefunden und werde nicht weiter suchen. Und so geht es IMO vielen, die heute Aufnahmen empfehlen.


Viele Grüße,
Alex.
Thomas133
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 08. Nov 2007, 09:08

Und auf der anderen Seite die Dirigenten aktueller Generationen.


Das meinte ich, das Manche generell den Hang zur Philosophie "früher war Alles besser" haben. Vergessen wir nicht das es heute auch noch Interpretationen von lebenden Dirigenten gibt die unter den Besten mithalten können (vereinzelt zu gewissen Werken Referenzeinspielungen eingespielt haben) oder zum. eine spannende Alternative bieten, nur um paar zu nennen wie zB Zinman,Chailly,Gergiev,Jacobs,Rattle,Herreweghe,Pinnock,...neuere Aufnahmen von Altmeistern wie zB die Mozart-Klavierkonzerte unter Mackerras/Brendel. Die früheren Dirigenten hatten ihren anderen persönlichen Stil, die Heutigen auch, aber das heißt nicht das generell das das Eine besser als das Andere ist. Es gab bzw. gibt damals wie heute gute und schlechte Einspielungen und oft ist die Tendenz zu gewissen Dirigenten auch eine subjektive Geschmackssache.
Thomas
op111
Moderator
#16 erstellt: 08. Nov 2007, 15:19
Hallo zusammen,
da hat Gantz_Graf ein Thema aufgegriffen, das ähnlich polarisiert wie HIP (=historically informed performance).


Gantz_Graf schrieb:
Ich glaube, was die Dirigenten angeht, ist ein großer Teil romantische Rückschau am Werk, Konservativismus. Man hat in der Vergangenheit die Wahrheit gefunden und sieht keinen Anlass mehr, andere Wahrheiten neben der bereits gefundenen neu zu erarbeiten;

Konservativismus ist anscheinend gerade in Mode.
Aber der wird nicht allein die Ursache sein.
Kaum etwas ist so sehr eine Sache der puren Gewöhnung wie Musik. Altvertrautes hat es einfach leichter, zu gefallen. Einige werden das als Hörfaulheit oder Nostalgie werten.


Hörbert schrieb:
Es ist doch ganz natürlich, daß das Groß der guten Interpretationen schon etwas älter ist, schließlich hat ja schon alleine die Zeit dafür gesorgt das schlechte Interpretationen längst in der Versenkung verschwunden sind...

und gleichzeitig die Menge und Auswahl an guten Aufnahmen zunimmt.


Kings.Singer schrieb:
Warum sollte ein Musiker in einem Weltklasse-Orchester heute schlechter sein als vor 50 Jahren (sofern es nicht der gleiche ist ^^)?! Und warum soll das nicht auch für die Dirigenten gelten?

In meiner Wahrnehmung spielen die Orchester heute häufig besser als noch in den 1960ern und davor. Man höre einfach mal Aufnahmen von Strawinskys Sacre in zeitlicher Abfolge. Das gleiche gilt für Mussorgskys Bilder, während die Berliner unter Karajan sich 1966 mehr torkelnd durch das Stück lavierten, spielten sie in den späteren Aufnahmen von Giulini und Abbado hervorragend präzise - was natürlich auch mit der Qualität der Dirigenten zu tun haben könnte.
Die Orchesterpräzision mag früher auch nicht einen solchen Stellenwert gehabt haben wie heute, da Aufnahmen nur so etwas wie ein Nebenprodukt neben dem flüchtigen Eindruck des Konzerts waren, dazu Mängel gnädig durch den hohen Nebengeräuschpegel und die mangelnde Transparenz alter Geräte verdeckt wurden.


Kreisler_jun. schrieb:
Ich lehne eine Glorifizierung von Interpreten der Vergangenheit, insbesondere aber eine des "golden age of sound", was sich in der Bevorzugung von gar nicht selten rauschigen, schrillen, grellen, überdirekten Living Stereo oder Living Presence-Aufnahmen äußert, ab.

Diese Glorifizierung scheint mir zu einem großen Teil von esoterisch-nostalgisch angehauchten Magazinen (mit den entsprechenden Anzeigenkunden) gläubigen Fans eingeredet zu werden. Vielleicht ist es gar nicht so sehr überspitzt zu vermuten: Womöglich empfiehlt man zu den verfärbten Aufnahmen passende Geräte mit ähnlichen nur aber inversen Verfärbungen, die diese Aufnahmen wieder erträglich machen. Aber das ist ein Thema für das Voodoo-Forum.


Gantz_Graf schrieb:
Das andere Thema ist die Aufnahmetechnik ... mein Problem in der Vergangenheit war eigentlich immer das Rauschen (bzw. schlecht eingestellte Tonköpfe).

Ordentliche Tonbandaufnahmen (Profimaschine mit Rauschunterdrückung) empfinde ich nicht so sehr als problematisch, die Schwierigkeit lag darin, für eigene Aufnahmen an bezahlbare Aufnahmegeräte zu kommen.
Ich habe noch die Schallplattenära, zumindest deren Ende, erlebt. Neben den technologietypischen Mängeln (Klirr, Rumpeln, Knistern, Knacken, kurze ununterbrochene Spielzeit) habe ich mich auch über die umständliche Handhabbarkeit geärgert und aus diesem Grunde dieses Format von den für mich ernstzunehmenden Speichermedien ausgeschlossen.


Kreisler_jun. schrieb:
Auch viele Einspielungen der "Mono-Hifi"-Zeit von ca. 1948-57 halte ich für gut anhörbar. ...

Auch dem kann ich nur zustimmen, wie überhaupt deinem ganzen Beitrag, auf manche Aufnahmen (Toscanini, Gieseking, Flagstad, di Stefano ...) möchte ich nicht verzichten.

Die Ausgangsfrage des Threads beantworte ich klar mit einem "Nein".


[Beitrag von op111 am 14. Nov 2007, 12:52 bearbeitet]
Adri
Stammgast
#17 erstellt: 16. Nov 2007, 17:58
Hi,

"Früher war alles besser?"
Was für eine Fragestellung!
Hinter dieser Floskel steckt die typische Angst der (deutschen?) Möchtegernkonservativen, die Dinge könnten sich verändern und man müsste neues hinzulernen, sich gar weiterentwickeln. Aus der gleichen fortschrittsfeindlichen Mottenkiste stammen auch die innersten Prinzipien dieser Haltung:
- Das haben wir schon immer so gemacht.
- Wenn das jeder machen würde.
- Wo kämen wir denn da hin?

Fortschritt, Abwechslung und Verbesserung sind aber gerade Motoren der Musik, sonst wäre sie auf dem Stand irgend eines urzeitlichen Geräuschs stehen geblieben.
Das betrifft auch die Interpretationen - wem würde nicht langweilig, müsste er die 5. Bruckner ausschließlich in einer altmodischen Schalk-Bearbeitung oder anderen obsoleten Partiturausgaben aus den 1940ern hören, die Brandenburgischen Konzerte nur im Tschaikowsky-Sound von Karajans 100 Philharmonikern?

Ich will meinen Horizont nicht einengen um neue Musik und aktuelle Interpretationen alter Werke, die neuere musikwissenschaftliche Erkenntnisse realisieren, auszublenden.


lydian schrieb:
Zudem liegt man wohl nicht falsch, wenn man behauptet, dass frühere Interpreten der Musik in höherem Maße ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben als heutige.

Das kann ich nicht unterschreiben. Wo endet die Epoche "früher"? Am Ende der Monoära, 1956? Bei Schnabel, Gould, Gulda, Argerich, Pollini, Zimerman, Mustonen, Montero, Lang-Lang; Furtwängler, Celibidache, Bernstein, Kleiber, Gielen, Norrington, Gardiner, Thielemann, Dudamel ...???


lydian schrieb:
Der letzte Quantensprung in der Aufnahmetechnik war meines Erachtens die Erfindung des sog. FFRR-Verfahrens von Decca Ende der 40er Jahre.

Die Entwicklung der Tontechnik und Speicherung hat in den letzten Jahrzehnten vielfältige Qualitätssprünge zu verzeichnen:
1946 DECCA Schallplattentechnik ffrr,
1958 Stereo-Schallplatte (LP)
1970 Dolby Noise Reduction
nach 1980 digitale Aufnahme- und Wiedergabetechnik
CD, DAT, hard disc recording, DVD, etc.
Surround Sound in diskreter Technik SACD

Die erste Aufnahme mit ffrr war Strawinskys "Petruschka" mit Ernest Ansermet.
Der Qualitätssprung von Aufnahmen aus der Ära davor -Toscanini, Furtwängler - zu dieser ist gering im Vergleich zum enormen Sprung von Ansermets zur aktuellen Petruschka CD von Boulez auf DG, wovon sich jeder überzeugen kann.

Die Zitate habe ich willkürlich aus lydians Posting genommen, da sie die Fragestellung/en griffig auf den Punkt brachten.
@lydian
Pardon, dass du dafür herhalten musstest! - ich respektiere deinen Fortschrittspessimismus, kann ihn aber in dieser Sache nicht teilen.

@Franz-J.: Es muß nicht immer Nostalgie sein, kann auch Liebe zur Technik sein.


"Früher war alles besser!"
Wohl kaum.


[Beitrag von Adri am 16. Nov 2007, 18:00 bearbeitet]
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#18 erstellt: 16. Nov 2007, 18:10

Adri schrieb:
Hinter dieser Floskel steckt die typische Angst der (deutschen?) Möchtegernkonservativen

Sind "deutsch" und "möchtegern" für Dich negative Verstärker einer von Dir mißliebigen Grundhaltung, oder wie darf ich das verstehen? Ich rieche Vorurteile, angeblich eine Domäne der Konservativen!

Prinzipiell gebe ich Dir bezüglich der Musik recht. Gerade die "um Gottes Willen" und "wo kämen wir dahin"-Musikstücke sind doch immer wieder diejenigen, die einmal in späteren Jahren besser verstanden werden, vielleicht auch mit Genuß gespielt werden oder zumindest als Einfluß wirken.


[Beitrag von Gantz_Graf am 16. Nov 2007, 18:13 bearbeitet]
Adri
Stammgast
#19 erstellt: 16. Nov 2007, 18:50

Gantz_Graf schrieb:
Sind "deutsch" und "möchtegern" für Dich negative Verstärker einer von Dir mißliebigen Grundhaltung, oder wie darf ich das verstehen?


deutsch ist kein Verstärker, ich habe diese Haltung bisher am deutlichsten im deutschsprachigen Raum vorgefunden, die Frage ist: ist sie global?
möchtegern möchte ich eher so verstanden haben, dass dies eine unreflektierte Haltung kennzeichnet.
Der Zeitbegriff "früher" schliesslich ist so schwammig wie "besserverdienend".

Milo_Minderbinder
Inventar
#20 erstellt: 17. Nov 2007, 21:07
...

Adri schrieb:
Die erste Aufnahme mit ffrr war Strawinskys "Petruschka" mit Ernest Ansermet.

...die ersten Aufnahmen mit Arthur Haddy´s FR-1 Mikrophon(ffrr) erschienen schon Ende der 40er und wurden auf 78rpm Mono LPs gepresst.

...die erste Stereoaufnahme wurde im Februar 1957 von Cyril Windebank in der Kingsway Hall, London gemacht. Je nach Label und Pressung bezeichnet mit "ffrr stereophonic" oder "ffss". Es handelt sich hierbei um Mendelssohn: Sommernachtstraum / Maag, LSO.

Stravinsky: Petroushka / Ansermet, Orchestre de la Suisse Romande wurde erst im Mai 1958 in der Victoria Hall, Genf von Roy Wallace aufgenommen.
Beide Aufnahmen benutzten die MS-Mikrophon-Technik.


MfG - Milo
lydian
Stammgast
#21 erstellt: 18. Nov 2007, 00:52
Bezüglich Ansermet und Petruschka habt ihr beide recht. Es war die erste Aufnahme in FFRR-Technik und ca. 10 Jahre später wurde von den gleichen Protagonisten nochmal eine Stereo-Einspielung vorgenommen. Vergleiche ich sowohl das Speakers Corner-Reissue und die originale Mono-LP (gilt beides für die 57er Aufnahme) mit aktuellen Produktionen, vermag ich keinen Quantensprung wahrzunehmen.

Bei Digitaltechnik, Dolby, Stereo kann ich keinen Quantensprung erkennen. Viele Monos klingen besser als Stereos, viele Analog-Aufnahmen besser als digitale - natürlich gilt dies auch umgekehrt - und Dolby hat nicht nur positive Aspekte.

Aber das ist nicht das Forum, um so etwas breit auszudiskutieren. Nur zur Präzisierung: Ich meine Aufnahmetechnik - nicht die Techniken, aus diesen Aufnahmen kommerziell verwertbare Tonträger zu machen.

Gruß,
Steff

PS: Deccas erste Stereo-Aufnahme wurde 1954 von Roy Wallace in Genf gemacht; Rimsy-Korsakovs "Antar", der jedoch erst sehr spät in stereo veröffentlicht wurde. Borodins Sinfonie Nr. 2 und Ravels "L´enfant et les sortilèges" wurden im weiteren Verlauf des Jahres stereophon aufgenommen und ab 1958 als SXL veröffentlicht.

Quellen:
"Putting the Record Straight" - die Autobiographie von John Culshaw
Booklet-Text zur ersten Stereo-Veröffentlichung des "Antar" in Deccas CD-Reihe "Decca Legends"


[Beitrag von lydian am 18. Nov 2007, 01:13 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#22 erstellt: 18. Nov 2007, 00:55

Milo_Minderbinder schrieb:
...

Adri schrieb:
Die erste Aufnahme mit ffrr war Strawinskys "Petruschka" mit Ernest Ansermet.

...die ersten Aufnahmen mit Arthur Haddy´s FR-1 Mikrophon(ffrr) erschienen schon Ende der 40er und wurden auf 78rpm Mono LPs gepresst.

...die erste Stereoaufnahme wurde im Februar 1957 von Cyril Windebank in der Kingsway Hall, London gemacht. Je nach Label und Pressung bezeichnet mit "ffrr stereophonic" oder "ffss". Es handelt sich hierbei um Mendelssohn: Sommernachtstraum / Maag, LSO.


Dieser Sommernachtstraum ist immer noch sehr empfehlenswert!

Aber es gab natürlich schon etliche Jahre vorher Stereo-Aufnahmen. Experimentell bereits während des Krieges und ab 1954 von RCA.
Ich weiß daher nicht genau, worauf sich das "erste" oben bezieht. Ich hatte bisher auch immer Kleibers Figaro-Aufnahme von 1955 für echtes Stereo gehalten (klingt nicht besonders, aber schon wie stereo) und die ist auch bei Decca erschienen.
Wien Redoutensaal, Juni 1955
Producers Olof & Andry
Rec. Engineers Brown & Windebank

und würde eigentlich vermuten, dass auch in den anderthalb Jahren dazwischen ein paar Stereo-Aufnahmen gemacht wurden.

viele Grüße

JK jr.
op111
Moderator
#23 erstellt: 18. Nov 2007, 00:59
Nur kurz zu Ansermets Petruschka Aufnahmen:
m.W. hat er das Werk nach 1940 mehrfach aufgenommen,
davon müßten mindestens 2 Aufnahmen bei Decca erschienen sein,
- mono in der 2. Hälfte der 1940er (LSO/LPO) und
- stereo um 1958.

@Adri: mit nostalgisch waren auch bestimmte Zeitschriften-Artikel gemeint, nicht pauschal alle LP-Sammler.
op111
Moderator
#24 erstellt: 18. Nov 2007, 01:18
Hallo Steff,

lydian schrieb:
Nur zur Präzisierung: Ich meine Aufnahmetechnik - nicht die Techniken, aus diesen Aufnahmen kommerziell verwertbare Tonträger zu machen.


Was du damit meinst, verstehe ich nicht.
Allein die Stereophonie ist bereits ein Qualitätssprung, der unabhängig von der Verwertung existiert.

Mich als Endkunden interessiert nur das klangliche Ergebnis, das der endgültige Tonträger mir bietet, auf andere, vorhergehende Stadien der Herstellung (Studio, Session Tapes, Masterbänder) habe ich keinen Zugriff. Bei historischen Aufnahmen wäre mir das altersbedingt ohnehin nicht möglich.

Da liegen für mich Welten (nicht nur minimale Zustandsänderungen wie Quantensprünge) zwischen der 1946?er Petrushka-Aufnahme (trotz guter Aufbereitung, ich habe eine ältere CD) und der neuen Boulez-Aufnahme zugunsten der neueren.

Gruß


[Beitrag von op111 am 19. Nov 2007, 09:39 bearbeitet]
Milo_Minderbinder
Inventar
#25 erstellt: 18. Nov 2007, 06:55
... meine Entschuldigung an Adri - es gibt eine 1946 ffrr-Aufnahme von Ansermet/LPO und eine 1949 Ansermet/OSR (diejenige welche - LLP 130).

...meinen Dank an lydian für die Richtigstellung - mir war nicht bewußt, da die London CS 6001 immer als die "Erste" bezeichnet wurde, daß, z.B., die CS 6126 2,5 Jahre vorher aufgenommen wurde.


MfG - Milo
lydian
Stammgast
#26 erstellt: 19. Nov 2007, 11:32
@Milo_Minderbinder
Die Nummerierung als SXL oder CS sagt über das Aufnahmedatum nichts aus. Allein die Masterbänder (ZAL bzw. ARL-Nummern auf den Matritzen) wurden fortlaufend nummeriert.

@Franz-J
Man könnte jetzt trefflich über die eigentliche Bedeutung der Begriffe "Quantensprung" und "Qualität" sowie ihre oft gegensätzliche umgangssprachliche Verwendung diskutieren.

Jetzt mal eine klare Aussage meinerseits zur Ausgangsfrage: Nein. Aber es macht ungeheuer Freude, in die Vergangenheit reinzuhören. Und je undurchsichtiger und unzuverlässiger die Technik wird (Stichworte: Krieg und Zukunft der verschiedenen Formate und was hatte ich schon Ärger mit meinen CD- und SACD-Playern) umso mehr rücke ich, zumindest gefühlsmäßig, von neuen Techniken ab.

Klar interessiert sich der Endkunde nur für das, was er erworben hat. Aber das kann in vielen Fällen - von der gleichen Aufnahme - eine 78er, eine LP, eine lieblos überspielte CD, ein presstechnisch hervorragendes LP-Reissue und eine sorgfältig gemasterte CD sein. Da werden große Unterschiede hörbar.

Gruß,
Steff


[Beitrag von lydian am 19. Nov 2007, 12:17 bearbeitet]
op111
Moderator
#27 erstellt: 19. Nov 2007, 12:03
Hallo zusammen,


lydian schrieb:
Aber es macht ungeheuer Freude, in die Vergangenheit reinzuhören.

entièrement d'accord!
An alle die um altes Klangmaterial lieber einen Bogen machen: einfach das Wagnis eingehen!

Allerdings empfinde ich es als sehr anstrengend über längere Zeit Aufnahmen aus der Epoche der rein mechanischen, also vor der elektromagnetischen/-optischen Aufzeichnungstechnik zu hören. (Beispiel: Beethovens 5. 1913 (Nikisch/Berliner Ph.)

Ich ergänze mal in meinem Sinn

lydian schrieb:
Und je undurchsichtiger und unzuverlässiger die Technik wird
desto spannender die Beschäftigung damit.
Wenn ich allein an die Stunden denke, die zu jenen Zeiten, als es noch keinen PC gab und ich zum UNI-Rechenzentrum laufen musste, bei der Berechnung (relativer Spurfehlwinkel) und Realisation eines ordentlichen Kompromisses der Tonarmjustage draufgegangen sind...

Da ich mit digitaler Signalverarbeitung sozusagen aufgewachsen bin, sind CD und SACD für mich alles andere als undurchsichtig - eher das, was Marketing u.a. nichttechnischen Einflußfaktoren daraus gemacht haben.

Gruß
teleton
Inventar
#28 erstellt: 19. Nov 2007, 14:45

Der Zeitbegriff "früher" schliesslich ist so schwammig wie "besserverdienend".

Um mal einen zeitlichen Rahmen für meine begriffe abzustecken.

Neuaufnahme heißt bei mir:
Alles was in dere letzten Zeit von heute bis in den letzten 3Jahren aufgenommen wurde.

Früher heißt bei mir:
Alle Aufnahmen vor 2004 !

Da ich mich nur in Außnahmefällen für MONO-Aufnahmen interessieren könnte, gehen meine früheren Aufnahmen, die ich oft und gerne wegen der zu dieser Zeit noch lebenden Dirigenten bevorzuge, von 1957 bis 2004.

Da habe ich bis heute genau 50Jahre Aufgnahmegeschichte in Stereo zur Verfügung und das reicht voll. Kaum ein Werk wurde nicht auch in diesen 50Jahren in einer brauchbaren klanglich guten Stereoaufnahme aufgenomnmen.
Und wenn mir jetzt einer eine von ihm favorisierte MONO-Aufnahme nennt, dann kann ich ihm ohne mit der Wimper zu zucken eine Stereo-Aufnahme gegenüberstellen, die ich der MONO-Aufnahme wegen der räumlichen und dafür für mich in Frage kommenden Klangtechnik vorziehen würde.
Kommt mir jetzt nicht mit dem Monowängler............
ich finde auch schade das er nicht länger Aufnahmen machen konnte.


-------------------------


Original von arnaoutchot:
Neulich habe ich mir die Klavierkonzerte von Rachmaninoff vom Komponisten selbst gespielt gekauft. Die Aufnahmen stammen von 1929 - 1940, alles Schellack mono. Trotzdem ich von der authentischen Interpretation Rachmaninoffs sehr beeindruckt war, hat sich ein wirklicher Genuss durch die doch sehr historische Klangqualität nicht einstellen können.

Die hatte ich auch mal als LP-Box, weil ich Rachmaninoff mal Live hören wollte.
Klanglich ein Grauß, den ich nie wieder hören wollte.
Schlimmer noch - der Interpretation konnte ich gar nichts abgewinnen ! War das für damals zeitgemäß !?!
s.bummer
Hat sich gelöscht
#29 erstellt: 19. Nov 2007, 18:29
Nur ein paar Anmerkungen:
Viele neuere Aufnahmen (dieses Jahrtausend) sind grandios! Vor allem manche Liveaufnahmen. Da merkt man, dass die Orchester eigentlich immer besser werden.
Viele neue Aufnahmen werden allerdings marketingmäßig extrem gehypt, da folgt dann beim Zuhören die Ernüchterung.
Früher waren manchmal!! die Aufnahmebedingungen besser, da wurde das Ensemble noch zusammen aufgenommen und nicht einzeln eingeflogen oder im fremden Studios aufgenommen und zusammengeschnitten.
Sehr empfehlenswert dazu sind Suvy Rai Grubbs Erinnerungen, der immerhin fast 30 Jahre bei EMI als Produzent tätig war.

Wenn man allerdings Scherchens Bemerkungen über die Situation in Wien um 1950 hört (Musiker noch halb betrunken vom Vorabend, manchmal da, manchmal nicht), oder die anderer Dirigenten über manche Situation im UK,- man probte ein Stück mehrfach und in der Aufführung saßen dann andere Musiker, weil die aus der Probe schichtfrei hatten-, dann ist es damals wirklich nicht besser gewesen.

Mein Interesse gilt aber nun mal den 50iger und 60iger Jahren, ich habe viele Aufnahmen aus der Zeit und doch ist es mir zwar nicht völlig wurscht, wie es klingt. Die damals aufkommende Sachlichkeit finde ich für mich recht überzeugend und bei allem Respekt: So wie Dr. Willem konnte keiner dem Affen Zucker geben, nicht mal Lennie, der alte Tausendsassa .
Doch ein sauberes Mono sollte es schon sein und die Interpretation mir gefallen.

So weit wie Wolfgang würde ich auch sonst nicht gehen. Denn Aufnahmegeschichte ist keine Rezeptionsgeschichte und wer daran interessiert ist, kommt an lausig klingenden Aufnahmen aus den 30igern und 40igern nun mal nicht vorbei.
Abgesehen davon müßte ich ohne Casals, Feuermann, Solomon, und Lipatti auskommen, undenkbar!
Das ist ja beinahe so, als würde man aus der Automobilgeschichte all die Duesenbergs, Talbots, alten Ferraris, Alfas, Bugattis, Bentleys, Austin Healeys, Borgwards und so weiter ausblenden, nur weil die Automobilgeschichte für manchen erst mit dem Airbag beginnt.
Gruß S.


[Beitrag von s.bummer am 19. Nov 2007, 22:29 bearbeitet]
op111
Moderator
#30 erstellt: 20. Nov 2007, 16:07
Hallo Wolfgang,

teleton schrieb:
Und wenn mir jetzt einer eine von ihm favorisierte MONO-Aufnahme nennt, dann kann ich ihm ohne mit der Wimper zu zucken eine Stereo-Aufnahme gegenüberstellen, die ich der MONO-Aufnahme wegen der räumlichen und dafür für mich in Frage kommenden Klangtechnik vorziehen würde.

das ist kein Problem, da drehst du dich ja argumentativ im Kreise oder dein Text oben ist unvollständig , Mono fehlt es ja wie der Name sagt an der Räumlichkeit ...
Schwieriger wird's, wenn man die Qualität der Interpretation mit zum Kriterium macht.
Nimm allein mal die mono-Aufnahmen von Maria Callas, Walter Gieseking, Vladimir Horowitz, Y. Menuhin, Jussi Björling usw.

teleton schrieb:
Kommt mir jetzt nicht mit dem Monowängler............

Doch! Der hatte einen persönlichen Stil, den die Imitatoren nicht erreicht haben - auf dessen Aufnahmen möchte ich nicht verzichten müssen. Da nehme ich den Sound zähneknischend in Kauf.
Und komm mir jetzt nicht mit Lenny Bernstereo ...

Und der Monocanini?
Um nur ein Beispiel zu nennen: Welche musikalisch stringentere Deutung des "un ballo in maschera" willst du der legendären Aufnahme von 1954 entgegensetzen?


Franz


[Beitrag von op111 am 24. Nov 2007, 10:27 bearbeitet]
Adri
Stammgast
#31 erstellt: 24. Nov 2007, 13:30
Hi,


reflection schrieb:
Man merkt ja auch klar die Modetrends, viele von denen die in diesen Zeiten neu zur Klassik kommen und sich erstmal ohne Empfehlungen in die Materie einarbeiten entwickeln eine Vorliebe für HIP-Einspielungen während viele die mit Böhm,Karajan,Wand usw. aufgewachsen sind auch meist bei diesem Interpretationsstil bleiben oder zum. bevorzugen.


damit hat reflection einen für mich wichtigen Punkt angesprochen - wie ist es um die Aufführung selbst bestellt.
Bisher war hauptsächlich von Werken ab 1850 die Rede.
Aktuelle Aufführungen berücksichtigen neuere Erkenntnisse und modernes Notenmaterial.
Aufnahmen alter Musik vor grob geschätzt 1970 haben heute allenfalls historische Bedeutung als Kuriositäten und rufen bei an historisch informierter Aufführungspraxis und aktuellem Notenmaterial gewöhnten Hörern Kopfschütteln hervor.
Monteverdis Orfeo in einer Aufnahme des "golden age of sound", nein danke!
Die 4 Jahreszeiten mit 50 Streichern im Saint-Saens-Dauervibrato?
Wer möchte heute noch Beethovens Sinfonien nach einer veralteten Partiturausgabe für zeitgemäß halten?
Oder Schumann, die großartige Szell-Aufnahme der retuschierten Sinfonien ist seitens des Notenmaterials obsolet.

Grüsse
lydian
Stammgast
#32 erstellt: 27. Nov 2007, 14:46

Adri schrieb:

Aufnahmen alter Musik vor grob geschätzt 1970 haben heute allenfalls historische Bedeutung als Kuriositäten und rufen bei an historisch informierter Aufführungspraxis und aktuellem Notenmaterial gewöhnten Hörern Kopfschütteln hervor.


Auch dafür habe ich ein Lieblingsbeispiel: Händels "Messiah", dirigiert 1959 von Sir Thomas Beecham, u. a. mit Jon Vickers. Schon der damalige Produzent John Culshaw fand die Aufnahme sehr kurios.
Eine weitere Stimme dazu:

Sir Thomas Beecham's Messiah has become notorious among baroque purists (like this writer) for embodying the worst excesses of pre-1960 Handel performance: ponderous tempos, stentorian opera singers, huge lumbering choruses and orchestras, crashing cymbals, clanging triangles.... Well, we'll need a new straw man: this performance is WONDERFUL. Jon Vickers and Giorgio Tozzi negotiate Handel's writing surprisingly well; Jennifer Vyvyan takes to it naturally. The chorus and orchestra (yes, including trombones, tuba, triangle, and cymbals) may obscure the part-writing, but they fill the music with power, grandeur, and faith. If Mozart could re-orchestrate Messiah, why not Beecham? This may not be Handel's Messiah as such, it may even be a period piece itself--but it's magnificent. --Matthew Westphal


Gruß,
Steff
op111
Moderator
#33 erstellt: 27. Nov 2007, 16:58
Hallo zusammen,

seit wann existieren LP-Serien wie "Das alte Werk" oder "Archivproduktion", weiß das jemand?
Der kommerzielle Durchbruch der historischen Aufführungspraxis auf Tonträgern fand m.W. erst Mitte-/Ende der 1970er statt, bei Musik der "Klassik" erst nach 1985, als die EMI Norringtons Beethovenzyklus herausbrachte.

Adri schrieb:
Monteverdis Orfeo in einer Aufnahme des "golden age of sound", nein danke!

Das ist vielleicht ein nicht so glückliches Beispiel.
Es gibt eine HIP-Aufnahme von 1955 von den "Sommerlichen Musiktagen Hitzacker" unter Leitung von August Wenzinger, der sich bereits seit den 1930ern mit historischer Aufführungspraxis beschäftigte.

Barockmusik überlässt man heute auch in Abokonzerten nicht mehr dem hauseigenen Sinfonieorchester, sondern Spezialensembles - schade -, ab und zu wäre das ganz originell.
Kreisler_jun.
Inventar
#34 erstellt: 28. Nov 2007, 18:41

Franz-J. schrieb:

seit wann existieren LP-Serien wie "Das alte Werk" oder "Archivproduktion", weiß das jemand?
Der kommerzielle Durchbruch der historischen Aufführungspraxis auf Tonträgern fand m.W. erst Mitte-/Ende der 1970er statt, bei Musik der "Klassik" erst nach 1985, als die EMI Norringtons Beethovenzyklus herausbrachte.

Adri schrieb:
Monteverdis Orfeo in einer Aufnahme des "golden age of sound", nein danke!

Das ist vielleicht ein nicht so glückliches Beispiel.
Es gibt eine HIP-Aufnahme von 1955 von den "Sommerlichen Musiktagen Hitzacker" unter Leitung von August Wenzinger, der sich bereits seit den 1930ern mit historischer Aufführungspraxis beschäftigte.


Archiv hatte heuer 60jähriges Jubiläum, 1947 ins Leben gerufen. Der historische Anspruch war anfangs natürlich noch nicht ganz so streng, Originalinstrumente eher die Ausnahme. Es ging wohl eher darum, Musik des Barock (und besonders noch früherer Epochen) jenseits einer Handvoll Schlachtrösser von Bach und Händel zu repräsentieren. Wenn man sich die alten nüchternen Hüllen mit ihrer wissenschaftlichen Ordnung ansieht, dürften nicht zuletzt Unis, Bibliotheken usw. zu den angezielten Kunden gehört haben.
DAS ALTE WERK dürfte nur wenige Jahre später die ersten Scheiben herausgebracht haben, ich meine die hätte auch schon 50jähriges gefeiert. Falsch, ich sehe gerade, das ist erst nächstes Jahr:

http://www.dasaltewerk.com/

Das allgemeine Interesse an Alter Musik hatte sich seit den 20er und 30er schon deutlich verstärkt. (Die Explosion dieses Gebiets in den letzten 40 Jahren war indes wohl nicht vorherzusehen)
Die Händel-Festspiele wurden damals begonnen, dort Barock-Opern zwar oft stark bearbeitet (Bariton statt Alt), aber immerhin aufgeführt. Orff erstellte Aufführungsversionen von Monteverdi-Opern.

Eine der vermutlich ältesten Montverdi-Aufnahmen enstand unter der Leitung der berühmten Kompositionslehrerin Nadia Boulanger:

http://www.pristineclassical.com/LargeWorks/Vocal/PACO011.php

(zwar modernes Klavier und der Gesang teils naja, aber das Stück ist m.E. fast unzerstörbar )

JK jr.
uem
Stammgast
#35 erstellt: 14. Dez 2007, 16:05
Kolleginnen & Kollegen,

ich gestehe, dass ich nicht den ganzen Thread in voller Länge gelesen (bzw. studiert) habe.

Ich habe diverse ältere Aufnahmen, sowohl als LP wie auch als CD, und das Format an sich ist mir gleichgültig, solange die Musik stimmt.

Grundsätzlich tendiere ich zur "These", dass in den späteren 50-er & anfangs 60-er Jahren (noch ältere Sachen habe ich quasi nichts) eine Aufnahme / LP noch als Ereignis galt: Die Künstler / Musiker waren auf der Bühne und beim (Konzert) Publikum etabliert und bekannt.
Eine Aufnahme wurde als Kunstwerk & "Beweis" des musikalischen Schaffens verstanden, und nicht primär als PR Aktion, um einen Star zu kreieren.

Die Technik-Crews hatten Zeit ( und Geld ?) hervorragende Arbeit zu machen (...sicher gab's auch Mist - aber den findet man heute eh nicht mehr....)
(...Heute haben die Label zwar kein Geld, aber jeder Möchte-Gern Star hat trotzdem schon seine Debütanten-CD lautstark verbreitet...., um bald dem nächsten Platz zu machen)
Herausragende Ausnahmen gibt's da natürlich auch...!!

Fazit: die "statistische ?" Chance, dass eine ältere Aufnahme künstlerisch und technisch auf hohem Niveau ist, ist gross.

Zum Rauschen: als "bekennender Analogie" (Platte und Tuner) ist mir eine lebendige, räumliche "natürliche" Wiedergabe lieber, trotz ETWAS Rauschen oder Knistern, als eine sterile Digitale, wo alles weggeputzt oder elektronisch verändert wurde.

Musik: Klassische Musik LEBT: jede Interpretation - ob neu oder alt - hat seine künstlerische Berechtigung, solange sie als Kunstwerk so auch im Konzert - wenn immer möglich - aufgeführt wurde (es gibt da sicher viele hochkarätige Ausnahmen)

Nur schon die Entwicklung der Interpretationen - "Original-Klang Bewegung & Historische Aufführungspraxis lässt grüssen - ist spannenden: Man braucht alt, wie neu, um vergleichen zu können !

Gruss

Urs


[Beitrag von uem am 14. Dez 2007, 16:06 bearbeitet]
cr
Inventar
#36 erstellt: 02. Sep 2008, 23:38

mir fällt auf, dass viele hier immer wieder altes Material empfehlen. Da muss es bei Beethoven unbedingt Furtwängler sein, oder es werden generell alte Analog-Aufnahmen rund um die 60er empfohlen. Meine Vermutung ist: Das sind Aufnahmen, zu deren Zeit der Empfehlende in der Blüte seines Lebens stand.


1) Klar ist das ein wesentlicher Grund

2) Früher war alles besser, sogar die Zukunft (Karl Valentin)

Für mich fangen brauchbare Aufnahmen in den 60ern an. Barocknusik habe ich einiges aus dieser Zeit (Karl Richter zB).
In den 70ern (auch schon den frühen) ist die Qualität oft schon sehr gut und praktisch ohne Einschränkungen mit neuen Aufnahmen vergleichbar.
Ein Problem sind dann einige frühe Digitalaufnahmen (späte 70er/frühe 80er), entweder weil es nur 13-bit-logarthmisch Aufnahmen sind oder weil die Toningenieure das digitale Aufnehmen nicht verstanden haben (es gibt gräßlich übersteuerte Aufnahmen, gerade auch bei den Major Labels!, die sich oft durch die ganze CD ziehen - eine der übelsten ist Mendelssohn: Sym. 2/Abbado/DGG: Sämtliche Chorpassagen sind untragbar, eigentlich eine Frechheit, so was zu veröffentlichen!)
Joachim49
Inventar
#37 erstellt: 03. Sep 2008, 19:55
Lies sich nicht löschen - die neue Version ist im nächsten Beitrag. (Warum lässt sich ein gerade verschickter Beitrag nicht löschen, da er schon vor zu langer Zeit geschrieben wurde?)


[Beitrag von Joachim49 am 03. Sep 2008, 20:00 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#38 erstellt: 03. Sep 2008, 19:58

cr schrieb:

mir fällt auf, dass viele hier immer wieder altes Material empfehlen. Da muss es bei Beethoven unbedingt Furtwängler sein, oder es werden generell alte Analog-Aufnahmen rund um die 60er empfohlen. Meine Vermutung ist: Das sind Aufnahmen, zu deren Zeit der Empfehlende in der Blüte seines Lebens stand.


1) Klar ist das ein wesentlicher Grund


Da ich hier schon oft historische Aufnahmen empfohlen habe möchte ich ein wenig widersprechen. Als Scherchen, Hermann Abendroth, Schnabel, Hubermann und der Prä-Columbia Bruno Walter ihre Aufnahmen gemacht haben, war ich noch ein Kind oder noch inexistent. Dennoch sind für mich Beethoven-Aufnahmen mit den Genannten erste Wahl, obwohl ich sie erst kennengelernt habe, als ich schon viele andere Aufnahmen kannte. Zugegeben gibt es auch manche Aufnahmen, die ich heiss liebe, und die zur Zeit der 'Blüte meines Lebens' entstanden, falls mit dieser Zeit die reiferen Teen und Twenjahre gemeint sind. Die Beethovenquartette mit Julliard aus den 6o-er Jahren, das Trio Fleisher-Szell-Cleveland oder Barenboim-Mozart-English Ch. O. sind für mich unübertroffen, aber die Regel ist es nicht, dass meine Referenzaufnahmen mit meinen 'Blütejahren' zusammenfallen.
Mit freundlichen Grüssen
Joachim

(Es wäre überhaupt ein interessantes Thema ob unsere 'Referenzaufnahmen' die Aufnahmen sind, durch die wir die Werke kennengelernt haben, oder ob sich unsere Präferenzen geändert haben, je mehr Interpretationen wir kennengelernt haben.)
grobifrank1976
Ist häufiger hier
#39 erstellt: 15. Feb 2019, 19:31
Also ich bin erst letzte Woche (!) auf die Idee gekommen, mir mal ein paar alte Mono-Aufnahmen der DGG zu kaufen und anzuhören. Die hatte mir jemand empfohlen, der selbst sehr davon angetan ist.
Ich bin sehr begeistert! Ich empfinde den Klang als überraschend klar, gut durchhörbar und auch die Bässe kommen gut durch. Die fehlende Räumlichkeit stört mich erstaunlicherweise nicht. Ich denke, es liegt daran, dass das Grundrauschen geringer ist als bei mancher frühen Stereopressung, z.B. Fricsay mit Beethovens Neunter (...vielleicht bilde ich mir das auch nur ein?!)
Ein Problem habe ich wohl damit, wenn Schallplatten hartnäckig verschmutzt oder verkratzt sind und das Knistern nicht wegzukriegen ist.
Andererseits liebe ich auch die guten, neueren (Digital-) Aufnahmen (z.B. Chailly´s Mahler oder Gardiners Beethoven). Aber auch Günter Wand´s Bruckner, sowie Soltis Mahler hab ich im Schrank (auf Vinyl).

Ich habe für mich den Entschluss getroffen, jede Platte oder CD immer mit Blick auf ihre Entstehungsszeit betrachten. Wenn ich nämlich dann eine alte Aufnahme auflege und mir dabei sage:"Jetzt werde ich gleich ein Stück Schallplattengeschichte hören mit allen Ecken und Kanten", bin ich immer wieder überrascht, wie gut doch manche alte LP klingt.
Ich werde mir künftig sicherlich noch einige Mono-Pressungen zulegen
(jedoch nur in NM ;-) UND auch aktuelle CDs.
Frank
-rowo-
Stammgast
#40 erstellt: 15. Feb 2019, 20:16
@grobifrank1976

auch wenn ich keine Experte für Klassik, deren Interpretation, bedeutende Dirigenten, Kompositionen/Aufnahmen bin.
Bei Deinem Kommentar
Jetzt werde ich gleich ein Stück Schallplattengeschichte hören mit allen Ecken und Kanten
denke ich, ein Stück Historizität (also quasi die bewusste Wahrnehmung des Kontextes, der geschichtlichen Hintergründe und des Wissenstandes) würde uns allen gut tun, um wertschätzend und gewaltfrei zu kommunizieren, Einstellungen einordnen zu können, aber auch bestimmten Aussagen und Attitüden entschieden entgegen zu treten.
Und wenn manche Aufnahmen im Blues/Jazz oder in der Klassik trotz veralteter Technik immer noch unübertroffen sind, sollten wir uns nicht auf die Suche nach neuen, ausgefeilten Versionen des Perfekten machen, sondern die Originale in ihrer Historizität genießen und bewahren - und trotzdem mindestens ein Ohr am Neuem haben und dafür offen bleiben.
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