Gibt es Aufnahmen von klassischer Musik in Kunstkopfstereo?

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 28. Aug 2010, 21:40
In meinen jungen Jahren war das Radio besser. Wo Kultur drauf stand, war auch noch Kultur drin - zumindestens beim Radio. Da hörte ich auch gerne mal Hörspiele und da gab es auch Hörspiele in "Kunstkopfstereo", die mir damals viel Freude machten - mit "Kunstkopfstereo" war man mitten drin im Geschehen - zumindestens akkustisch - wenn man sich einen Kopfhörer aufsetzte.

Nun weiß vielleicht nicht jeder, was "Kunstkopfstereo" ist. Beim Kunstkopfstereo sind die Mikrophone in einem "künstlichen Kopf" installiert und simulieren damit bei einer Wiedergabe über Kopfhörer eben jenen Klangeindruck und zwar sehr authentisch, den man als Hörer gehabt hätte, wenn man sich an der Stelle dieses Kunstkopfes befunden hätte.

Teuer "Dolbysurroundanlagen" hat nicht jeder - ich habe vermutlich nicht einmal eine ideale Aufstellung meiner Stereoboxen. Dagegen einen Kopfhörer hat jeder. Wenn ich zum Beispiel lese, daß Stockhausens "Gruppen" eine Raumklangkomposition sind, so hat es vermutlich wenig Sinn sie über schlecht positionierte Boxen zu hören in einem Raum, der voller Gerümpel steht und dabei den Raumklang ohnehin verfälscht.

Ich kann nur noch einmal sagen: Meine Erfahrungen mit Kunstkopfstereohörspielen in meinen jungen Jahren waren phantastisch; nie wieder hatte ich über Kopfhörer so den Eindruck mitten im Geschehen zu sein und es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, warum man in Sachen Musik mit "Kunstkopfstereo" anscheinend nicht einmal den kleinsten Versuch gemacht hat.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 29. Aug 2010, 00:20
Wikipedia hatte noch nicht einmal einen Artikel zu diesem Thema. Also habe ich meinen allerersten jungfräulichen, allerdings wenig informierten Artikel dazu geschrieben. Ich hoffe, er gefällt Euch. Auch gestrichen habe ich diesen einen Satz beim Artikel von Carl Ruggles, mit Begründung in der Diskussion.
Schneewitchen
Inventar
#3 erstellt: 29. Aug 2010, 08:42

Die "Neuaufnahme" der Goldbergvariationen mit Gould sind auch über Kopfhörer als Kunstkopfaufnahme anzuhören,wobei die Aufnahme in der Position erfolgte,von der aus der Pianist sie hätte hören können.

Zum Thema:
Kunstkopfaufnahmen


[Beitrag von Schneewitchen am 29. Aug 2010, 08:50 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#4 erstellt: 29. Aug 2010, 10:07

Martin2 schrieb:


Ich kann nur noch einmal sagen: Meine Erfahrungen mit Kunstkopfstereohörspielen in meinen jungen Jahren waren phantastisch; nie wieder hatte ich über Kopfhörer so den Eindruck mitten im Geschehen zu sein und es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, warum man in Sachen Musik mit "Kunstkopfstereo" anscheinend nicht einmal den kleinsten Versuch gemacht hat.

Gruß Martin


Ich habe wenig Ahnung von Aufnahmetechnik, aber trotzdem eine Vermutung. Kunstkopfaufnahmen lassen sich wegen der geringen Anzahl Mikrophone (vermutlich 2)weniger technisch manipulieren. Wenn viele Mikrophone verwendet werden kann man als Tontechniker wie der Dirigent selbst dafür sorgen, dass ein Instrument oder eine Instrumentengruppe hervorgehoben wird, dass man etwas deutlicher hört, was unterzugehen droht, oder für eine gewünschte (?) Balance zwischen Soloinstrument und Orchester sorgen. Wenn man die Sologeige nicht mehr hört, da sie im Orchester untergeht, kann man an einem Knöpfchen drehen ....Wenn bei der Kunstkopfaufnahme etwas mit der Balance nicht stimmt, dann gibt es vermutlich keine Eingriffsmöglichkeit.
Wie gesagt, dies ist eine Hypothese. Wenn sie stimmt, dann müssten Kunstkopfaufnahmen allerdings getreuer den Höreindruck im Konzertsaal wiedergeben, während andere Aufnahmen eine Art Eigenleben entwickeln, das von der Realität im Saal recht weit entfernt sein kann.
Freundliche grüsse
Joachim
enkidu2
Inventar
#5 erstellt: 29. Aug 2010, 13:09

Martin2 schrieb:
Wikipedia hatte noch nicht einmal einen Artikel zu diesem Thema. Also habe ich meinen allerersten jungfräulichen, allerdings wenig informierten Artikel dazu geschrieben. Ich hoffe, er gefällt Euch. Auch gestrichen habe ich diesen einen Satz beim Artikel von Carl Ruggles, mit Begründung in der Diskussion.

Welcher der beiden Artikel Kunstkopfstereofonie oder Kunstkopfstereo ist von Dir?

Gruß enkidu2
Thomas133
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 29. Aug 2010, 17:28

enkidu2 schrieb:
Welcher der beiden Artikel Kunstkopfstereofonie oder Kunstkopfstereo ist von Dir?


Der Eine wurde lt. Versionsgeschichte bei Wikipedia 2008 der Andere 2005 ins Leben gerufen, also scheinbar eine dritte Version von Martin. Außer ich hab ihn falsch verstanden und es lag schon länger zurück (?)
lg
Thomas
Martin2
Inventar
#7 erstellt: 29. Aug 2010, 17:41
Meine kurze Version ist die über Kunstkopfstereo, aber die werde ich wieder löschen. Bzw. auf jeden Fall einen Link zum anderen, viel versierteren Artikel setzen.

Gruß Martin
Klassikkonsument
Inventar
#8 erstellt: 30. Aug 2010, 13:48
Das japanische Hifi-Label Denon, das das Aufnehmen schon länger drangegeben hat, hatte etwa Mitte der 90'er u.a. eine Reihe von Kunstkopfstereo-Aufnahmen im Programm: One-Point Recording.

Es gab 2000 anscheinend mehrere Boxen (je 5 CDs?) mit Zusammenstellungen verschiedener klassischer Werke. Auf dem Marketplace gibt's gerade nur diese Ausgabe:

One Point Recording IV

Von den paar Denon-Aufnahmen in meinem Besitz fällt aber nur eine halbwegs in dieses Beute-Schema:

amazon.de

Mahlers 7. mit dem von Eliahu Inbal geleiteten RSO Frankfurt (1987 produziert). Außen auf der Box steht zwar bloß, dass es sich um eine digitale Aufnahme handelt. Im Booklet wird aber darauf hingewiesen, dass einige Passagen mit Stützmikrofon-Zumischungen entstanden sind. Im Wesentlichen sei aber nur mit einem Stereo-Mikrofonpaar aufgenommen worden. Von einem Kunstkopf steht da allerdings nichts.
Irgendwo meine ich mal zur Erläuterung der späteren One-Point-Aufnahmen gelesen zu haben, dass dabei eben auch ein Kunstkopf zum Einsatz komme. Ich habe aber so eine Aufnahme noch nie gehört.

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 30. Aug 2010, 13:55 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#9 erstellt: 02. Sep 2010, 21:14
Hallo Klassikkonsument,

so ganz klar, daß das Kunstkopfstereoaufnahmen sind, wird das allerdings nicht.

Insgesamt eine erbärmliche Ausbeute, gemessen an der Tatsache, daß dies hier ein Hififorum ist, und daß die reine Tatsache, daß es so etwas wie Kunstkopfstereophonie gibt, eigentlich jeden Hifiologen interessieren sollte.

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#10 erstellt: 03. Sep 2010, 08:09
Hi.

Also die Denon Aufnahmen wurden mit einer One-Point Technik gemacht (zumindest größtenteils), die mit einer Kunstkopfstereophonie vergleichbar ist. Es kursiert ja im Internet schon lange das Gerücht, dass sich beim ORTF Stereosystem (zwei Nieren mit einer Basis von 17cm) die Breiteder Basis am menschlichen Ohrabstand orientiert. Dem ist zwar nicht so, aber immerhin macht es das ORTF mit einer Kunstkopfstereophonie vergleichbar.

Ich bin jetzt zwar kein Kunstkopf Spezialist, aber ich nehme an, dass sich der Winkel zwischen den Mikrofonen bei um die 180° bewegen dürfte (was bei der Verwendung von Kugeln allerdings irrelevant wird). Werden die Mikros nicht auch auf einem "Kunstkopf" montiert?
Das heißt wir haben hier einen Trennkörper zwischen den Membranen. Alle Stereosysteme mit Trennkörper sind also für meine Begriffe prinzipiell mit Kunstkopfstereophonie vergleichbar (Jecklin-Scheibe/OSS-Technik oder noch eher vielleicht die KFM Kugel von Schoeps).

Warum ist die Ausbeute also so gering? Meistens steht auf CDs nicht dabei, welche Aufnahmetechnik zugrunde liegt. Man kann vielleicht noch am ehesten ausschließen: Fast alles was Decca macht oder gemacht hat, denn der Decca Tree ist vom Aufbau her grundverschieden. Außerdem scheidet alles aus, wo kräftig gestützt wurde. Denn reine Kunstkopfaufnahmen und alles Vergleichbare erfordern, dass nur zwei bis vier Mikrofone in einer Anordnung mit Trennkörper benutzt wurden. Das wird im Profibereich, v.a. bei großen Besetzungen heute so gut wie nie gemacht.


Viele Grüße,
Alex.


P.S. Echten Aufnahmespezialisten mag beim Lesen meines Beitrags eine Gänsehaut kommen, aber ich muss dazu sagen, dass ich versucht habe mich möglichst kurz und verständlich auszudrücken. Schlussendlich bin ich ja auch selbst kein absoluter Fachmann!


[Beitrag von Kings.Singer am 03. Sep 2010, 08:12 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#11 erstellt: 03. Sep 2010, 14:21

Klassikkonsument schrieb:
Auf dem Marketplace gibt's gerade nur diese Ausgabe:

One Point Recording IV

Lustig. Bei mir läuft gerade Dvorak 9 mit Neumann aus dieser Box.
EDIT: Übrigens eine Live-Einspielung.

Die klingt zwar sehr gut und wäre ohne wenn etwas für den "Audiophilen Sammeltherad", aber nicht so bemerkenswert, dass man nichts anderes mehr hören möchte.

Mich wundert ein bißchen, Martin, dass gerade Du ein solches Thema anschneidest, wo die Aufnahmegüte bei Dir zumeist nicht gerade auf Prio 1 rangiert :?.


[Beitrag von Hüb' am 03. Sep 2010, 14:49 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#12 erstellt: 03. Sep 2010, 14:49

Hüb' schrieb:
Mich wundert ein bißchen, Martin, dass gerade Du ein solches Thema anschneidest, wo die Aufnahmegüte bei Dir zumeist nicht gerade auf Prio 1 rangiert :?.


Zumal ich mich an meinen vorherigen Beitrag anschließend wundere, was echte Kunstkopfstereoaufnahmen für einen Vorteil haben sollen gegenüber den mittlerweile verbreiteten Aufnahmesystemen. (Abgesehen von Soloaufnahmen und kleinen Kammerensembles - da lässt sicherlich darüber diskutieren.)

Grüße,
Alex.
Martin2
Inventar
#13 erstellt: 03. Sep 2010, 20:09

Kings.Singer schrieb:

Hüb' schrieb:
Mich wundert ein bißchen, Martin, dass gerade Du ein solches Thema anschneidest, wo die Aufnahmegüte bei Dir zumeist nicht gerade auf Prio 1 rangiert :?.


Zumal ich mich an meinen vorherigen Beitrag anschließend wundere, was echte Kunstkopfstereoaufnahmen für einen Vorteil haben sollen gegenüber den mittlerweile verbreiteten Aufnahmesystemen. (Abgesehen von Soloaufnahmen und kleinen Kammerensembles - da lässt sicherlich darüber diskutieren.)

Grüße,
Alex.


Hallo Alex,

hast Du denn überhaupt schon mal Kunstkopfaufnahmen gehört? Ich erinnere mich wiegesagt an Hörspiele und die boten beim Hören über Kopfhörer einen ungeheuren Realismus. Ob das dann für klassische Musik so wichtig wäre, weiß ich nicht - möglicherweise auch nicht.

Gruß Martin
Schneewitchen
Inventar
#14 erstellt: 03. Sep 2010, 21:32
Mit Kunstkopfaufnahmen wollte man einen Surroundklang produzieren,der allerdings nur über Kopfhörer hörbar war.Das war noch zu Stereozeiten,als man mit 2 Kanälen experimentierte.Der Kunstkopf hatte ja nicht nur einfach 2 Mikrophone rechts und links,sondern auch 2 Ohren.Damit unterschied er sich von einem normalen Stereomikrophon,was Denon bei Onepoint-Aufnahmen einsetzte.Denon produzierte ja auch nicht für Kopf-Hörer sondern für Lautsprecher-Hörer.
Der Kunstkopf mit 2 Ohren und Gehörgängen,an deren Enden die Mikrophone saßen,war dem menschlichen Kopf mit Ohrmuscheln und Gehörgängen nachgebildet.Die Mikrophone ersetzten sozusagen das Trommelfell im menschlichen Ohr.Die Aufnahmen mußten daher auch nur mit Kopfhörer gehört werden,weil der linke Kanal ausschließlich für das linke Ohr und der rechte für das rechte Ohr bestimmt waren.Eine Vermischung der beiden Kanäle in den Ohren des Hörers -wie beim Hören mit Lautsprecher- durfte nicht erfolgen.
Somit sind Kunstkopfaufnahmen nicht für Lautsprecher geeignet.Der "Raumklang" würde sich mit Lautspechern nicht einstellen.
Ich nehme an,daß aufgrund geringer Nachfrage fast keine CDs mit Kunstkopfaufnahmen im Klassikbereich produziert werden.
Diese CDs wären ja ausschließlich für "Kopfhörer" bestimmt.
Heutige Surroundanlagen geben den Raunklang sicher besser wieder als Kunstkopfaufnahmen.
Ich erinnere mich,vor Jahrzehnten,Kunstkopfaufnahmen gehört zu haben.Vielleicht besaß ich eine Demoplatte?Ich habe damals einen Hubschrauber gehört,der um mich herumfliegen sollte,aber ich hatte nicht das Gefühl,daß er das tat.Der Bereich hinter mir war kaum wahrnehmbar.Man konnte aber gut unterscheiden,wenn Sprecher sich von der Seite meinem Kopf näherten und von 1 Meter oder wenige cm Entfernung in mein Ohr flüsterten.
Überzeugt hat mich die Kunstkopfstereophonie nicht.
Im Falle der oben vorgestellten SACD mit Glenn Gould ist genug Platz auf dem Medium,um neben der "normalen" Aufnahme noch eine zusätzliche Kunstkopfaufnahme unterzubringen.Sozusagen eine SACD mit Bonus.
Da aber nur ein Klavier gespielt wird,hat man leider nicht die Möglichkeit,mehrer Instrumente oder ein ganzes Orchester in Kunstkopfstereo zu hören.
Ansonsten könnte man Kunstkopfaufnahmen nur bei Spezialisten-Label finden.Ich kenne leider keines.Tacet scheint auch kein Treffer zu sein,da sie nur mit SACDs/DVD-Audios im Surroundbereich experimentieren.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 29. Okt 2010, 06:59
Hallo Martin,
eine CD in tatsächlichem Kunstkopf- Stereo ist mir bisher auch noch nie untergekommen.
Allerdings kenne ich zumindest eine LP, eine mit Sicherheit, das waren "Die sieben letzten Worte" Haydns in der Streichquartettfassung, an Label oder Interpreten erinnere ich mich nicht mehr.
Aber den von Dir geschilderten Klangeindruck kann ich nur bestätigen. Ging übrigens auch sehr gut über meine damalige Anlage zu hören, wobei die Bose 901 eben ja den Wohnraum ganz bewußt in das akustische Geschehen einbezieht und somit in der Mitte kein "Loch" entstanden ist, was es wohl über normale Direktstrahler tun würde.
Überragend jedenfalls war die absolute Klangfarbentreue und die Raumabbildung allemal, aber auch der Detailreichtum, wenn man denn Spielgeräusche mithören möchte.
Als Alternative existiert ja tatsächlich das oben erwähnte one point- Verfahren, bei dem tatsächlich nur zwei Mikros in relativer Nähe zueinander im Raum plaziert werden, ohne jegliche Stütze. Oder aber, für mich noch überzeugender, die Nutzung eines Kugelflächenmikrophons. Und da gibt es ein paar Aufnahmen. Das Label Raumklang produziert beinah ausschließlich so. Den Inhaber und Produzenten kenne ich persönlich, das ist wirklich fast eine Manie bei ihm, dann in einem größeren Ensemble solange den idealen Standpunkt zu suchen für die Kugel bis er das hat, was er sich wünscht an Balance und Raumtiefe, sowohl vorn als auch hinten.

Ebenso überragend die Divox- Aufnahmen, drei CDs, mit Carmignola un I Sonatori della gioiosa marca mit Vivaldi- Konzerten, die es inzwischen als Dreierbox bei Brilliant gibt für ca.6 Euro. Unbedingt reinhören! Großartig musiziert, die "Vier Jahreszeiten" eine Referenz und um Welten überzeugender als die Wiederaufnahme bei Sony, aber eben das Klangbild ist phänomenal, über Kopfhörer kann man nicht nur Entfernungen hören, sondern sogar oben und unten im Raum und das ist eine echte Rarität.

Auch die schon erwähnten Denon- Aufnahmen klingen sehr gut, allerdings für mich nicht ideal, was aber an den benutzten
Brüel& Kjaer- Mikrophonen liegt. Für viele heute nonplusultra, weil sie besonders in den Höhen so hochauflösend sind. Genau das ihr Manko für mich, denn sie entwickeln gerade dort einen "Silberhauch" an Eigenklang, der mich stört.
Raumklang dagegen hat in der Kugel zwei alte Neumann U47 Röhrenmikros drin, Klassiker und heute fast unbezahlbar, aber immer noch ungeschlagen an wirklicher Neutralität mit diesem eher unbeschreiblichen Hauch an Wärme, den die Röhre eben produziert.

Auch das Label Alpha hat unter den ersten hundert CDs manche one point produziert, ich kenne klanglich (und musikalisch) kaum eine natürlichere Aufnahme der Bachschen Sonaten und Partiten für Violine solo als die mit Helene Schmitt dort.
Alpha gibt jedes Jahr eine ihrer CDs als Katalog- CD heraus für ca.10 Euro, da unbedingt mal reinhören.

Hoffe, ich konnte etwas helfen.
Herzliche Grüße, Mike
homo_ludens
Neuling
#16 erstellt: 13. Apr 2011, 21:50
Hallo,

die einzige mir bekannte Musik-CD, die in Kunstkopftechnik mit einem echten Dummy produziert wurde ist eine Produktion von 1985, die allerdings eher in den Bereich New Age fällt: Robert Schröder "Brain Voyager". Sie wurde schon auf einem anderen Thread hier erwähnt. Neben Keyboards spielen auch klassische Gitarren und eine (zumindest klassisch intonierende) Sängerin mit. Auf Kopfhörer ein fantastischer Klangeindruck. Auch wenn Mitte der 80er Jahre Digitalproduktionen wie diese ("KUNSTKOPF-DIRECT-TO-DIGITAL-MASTERING", lt. Cover) meist einen etwas harten Klang hatten. Aber auch an dieser Aufnahme musste mit Sicherheit getrickst werden, um das endgültige Signal mono- bzw. stereotauglich zu machen. Bei einer reinen Kunstkopfaufnahme erzeugt man aufgrund des Mikrofonabstandes und der "Trennscheibe" Kopf ja eher eine Laufzeit(Phasen)-Stereoaufnahme und kein Intensitätsstereo, wie es im Rundfunk Verwendung findet, um das Signal monotauglich zu halten. Laufzeitstereo kann bei Monowiedergabe zu unschönen Phasenauslöschungen und damit einem unnatürlichen Klangbild führen. Interessieren würde mich daher schon, wie die früheren Hörspiel-Rundfunkproduktionen Anfang der 80er Jahre entstanden sind, da damals ja alle auch monokompatibel sein mussten.

Die Gründe, warum sich das unternehmerische Risiko einer solchen Produktion heute wahrscheinlich niemand antut, wurden ja bereits genannt. Man könnte Kunstkopf aber mit Hilfe der Multi-Layer SACD-Technik wahrscheinlich relativ unkompliziert aufleben lassen z.B. mit je einer Version CD-Stereo, Kunstkopfstereo und 5.1 Stereo auf einer SACD. Damit könnte man die Aufnahme auch überall abspielen. Macht aber so eine Produktion natürlich teuer, weil die Kunstkopfaufnahme zusätzlich seperat gefahren werden müsste.

Die besten Stereo-Klassikaufnahmen, die ich kenne, wurden nur mit 3 Mikrofonen (Stereo-Paar + Stütze) gemacht (RCA Living Stereo Serie, heute als 3.0 SACDs erhältlich). Und dafür sind die Tontechniker angeblich schon tagelang im Konzertsaal herumgekrabbelt, um die beste Aufstellposition der Mikrofone zu ermitteln. Bei einer Kunstkopf-Live-Aufnahme wäre das sicher noch schwieriger und hinterher trotzdem kaum noch in der Klangbalance nachzubearbeiten.

Da Musiker beim musizieren meist eher statisch agieren, wäre der Effekt einer Kunstkopfaufnahme bei einem Orchester auch etwas "langweiliger" einzuschätzen, als bei den häufigen Atmo-, Szenen- und räumlichen Wechseln von Klangeindrücken einer Hörspielproduktion. Allerdings wäre eine Opernaufnahme in dieser Technik sicherlich mal eine Überlegung wert, selbst wenn das Orchester dann wahrscheinlich auch "wie aus dem Graben" klingen würde und das Knarren der Bretter, die "die Welt bedeuten" wahrscheinlich irgendwann nerven könnte.


Liebe Grüße vom Uncle
Kings.Singer
Inventar
#17 erstellt: 14. Apr 2011, 06:53
Hallo.

Ich möchte noch einmal meinen Senf dazu geben. Ich habe mich mittlerweile verstärkt in die Materie der Aufnahmeverfahren eingelesen und habe selbst auch des öfteren damit experimentiert.

Kunstkopfstereofonie gehört im weiteren Sinne zu den Trennkörper-Aufnahmetechniken, ist also mit den o.g. one-point Verfahren wie sie z.B. Denon nutzte nur bedingt vergleichbar. Denon beispielsweise nutzte eine wesentlich größere Mikrofonbasis (Abstand der Mikrofonmembranen zueinander) als bei kopfbezogenen Aufnahmetechniken.

Wenn man anfangen möchte Verwandtschaften zuzuordnen, dann muss man also bei Trennkörperverfahren bleiben. Hier würde man schnell bei der Jecklin-Scheibe landen, die ja vergleichsweise hohe Popularität erlangt hatte. Mittlerweile ist aber auch sie wesentlich weniger en vogue als früher. Und was interessant ist: Die ursprüngliche Jecklinscheibe, wie sie von Jürg Jecklin etabliert wurde, hatte kopfbezogene Maße (also ein "Quasi-Kunstkopf", nur der Trennkörper sah anders aus). Auch diese Trennkörper-Aufnahmetechnik wurde mittlerweile von Jecklin zugunsten weniger kopfbezogener Maße verworfen.
Zum Weiterlesen: http://www.sengpielaudio.com/Jecklinscheibe.pdf

Wo soll das hinführen? Nun, ich bein kein Tonmeister, aber die professionellen Tonmeister sprechen bei der Jecklinscheibe durch die entstehenden Kanal-Unterschiede von einer nicht unbedingt natürlicheren Abbildung des Klanges gegenüber "normalen" AB Verfahren (sonst hätte sich die Jecklin-Scheibe ja auch flächendeckend durchgesetzt). Der Trennkörper wird da teilweise schon wertend als "Störkörper" bezeichnet.

Zuletzt ist die folgende Tatasache natürlich nicht von der Hand zu weisen. Eberhard Sengpiel, der u.a. schon zwei Grammys als Tonmeister erhielt, schreibt:

ebs schrieb:
Bei Stereo-Lautsprecherstereofonie gilt: "Kopfsignale sind keine Lautsprechersignale".

Bei einer Aufnahme gilt es also zuallererst die Aufnahme möglichst gut auf die heimischen Stereoanlagen zu bringen. In dieser Aufnahme-Wiedergabe-Kette müssen keine Trennkörper beteiligt sein, denn der beste Trennkörper kommt anschließend ins Spiel: Der menschliche Kopf. Anatomisch der perfekte Trenn-/Störkörper.
Warum sollte man etwas auf die Aufnahme bringen, was am menschlichen Kopf sowieso passiert? Um einen Höreindruck zu optimieren muss der Klang im Konzertsaal möglichst natürlich (ist natürlich Sache ästhetischer Auffassung), nicht wie es der Mensch hören würde, eingefangen werden. Die weiteren Phasendifferenzen und Frequenzgangunterschiede, die ein Kunstkopf oder Trennkörper imitieren soll, finden natürlicherweise am Kopf sowieso schon statt!

Das gilt nicht bei Wiedergabe über Kopfhörer. Weswegen ein Kunstkopf-Verfahren nur bei Wiedergabe über Kopfhörer geeignet ist (der menschliche, natürliche Kunstkopf ist durch Kopfhörer ja quasi "ausgeschaltet"). Aber welcher Tonmeister kann es sich leisten eine Aufnahme zu produzieren, die nur über Kopfhörer optimal zu hören ist?! Die Tonmeister stehen heute vor der Herausforderung Aufnahmen produzieren zu müssen, die vom MP3-Handy bis zur Highend-Anlage überall gut klingen sollen. Ein Kunstkopf schließt per se einen Großteil der Eventualitäten aus!

Viele Grüße,
Alexander.

P.S. Das sagt uns alles die Theorie. Ich habe nach wie vor nicht bewusst nach Kunstkopfaufnahmen gesucht. Aber die Theorie erklärt ja auch nicht den oft diagnostizierten Kabelklang und rechtfertigt damit auch nicht Kabel für 1000€. Die Leute meinen aber trotzdem dadurch etwas "schöneres" zu hören...


[Beitrag von Kings.Singer am 14. Apr 2011, 07:00 bearbeitet]
Roham
Ist häufiger hier
#18 erstellt: 24. Apr 2011, 10:31
Hallo,
für alle die noch nie eine Binaurale Tonaufnahme gehört haben:
http://www.youtube.com/watch?v=IUDTlvagjJA

Ich finde es schon sehr beeindruckend und wünschte es würde sowas in Position des Dirigenten geben. Leider bin ich auch nach längerer Suche noch unfündig.

http://www.youtube.com/watch?v=1Q1G8H7CV0k

Leider habe ich noch keine hochwertigen klassikaufnahmen gefunden!
Ansonsten kann ich http://www.binaural.com empfehlen.

Hoffe ihr könnt mir doch noch n paar Tips geben


[Beitrag von Roham am 24. Apr 2011, 10:38 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#19 erstellt: 24. Apr 2011, 13:08

Roham schrieb:
Ich finde es schon sehr beeindruckend und wünschte es würde sowas in Position des Dirigenten geben.


Ist die noch die Frage was du dir davon erhoffst?
- Jedes noch so sorgfältig ausgearbeitete kopfbezogene Aufnahmeverfahren kann keinen natürlichen Höreindruck schaffen. Das liegt einfach in der Natur der Sache: Der Prozess der Signalverarbeitung (Aufnahme-Wiedergabe) läuft einfach anders ab als der menschliche Hörprozess.
"Wie der Dirigent hören" wirst du auch durch eine Technik nicht, die den Schall am Dirigierpult abgreift.

Das ist auch der Grund warum es keine solchen Aufnahmen gibt. Es ist schlichtweg nicht sinnvoll.

Natürlich kann es interessant sein so ein Signal mal aufzuzeichnen und wiederzugeben. Aber man muss sich dabei eben bewusst sein, dass es nicht das "natürliche Hören" ist, das reproduziert wird. Mikrofone ersetzen keine Ohren!

Viele Grüße,
Alexander.
Kreisler_jun.
Inventar
#20 erstellt: 24. Apr 2011, 14:32
Ich finde den Friseurbesuch witzig, aber für Musik scheint mir das tendenziell nervig, ablenkend und, wie schon gesagt wurde, ziemlich unrealistisch zu sein. Zwar muss und kann eine Aufnahme nicht in jeder Hinsicht den Konzertsaalklang reproduzieren (allein weil selbst ein 80 m^2-Wohnzimmer mit 3,80 Altbauhöhe winzig gegenüber einem solchen Saal ist). Aber die Kunstkopfeffekte haben sehr wenig damit zu tun, wie man Musik von einem guten Platz in einem guten Konzertsaal hört.
Roham
Ist häufiger hier
#21 erstellt: 25. Apr 2011, 19:58
danke für eure meinungen im bezug auf klassische musik.

Mag sein, dass ich ein wenig vorbelastet bin, da ich aus der effektreichen extremen elektronischen Musik komme. (Minimal, NuRave, Electro, wie mans auch immer nennen will)

Ich bin eben immer auf der Suche nach dem neuen Kick der mir ein Höreindruck bietet. Ich gehöre nicht zu denen die nur die Musik genießen sondern sie auch gerne in besonderer Weise erleben wollen.

Das Interesse für klassische Musik widerspricht diesen Interessen natürlich deutlich. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Musik Spaß machen muss und nicht unbedingt die Prioritäten auf Natürlichkeit der Wiedergabe liegen sollte.

Ich schweife ab. Bin mal gespannt ob ich noch irgendwo was finde
Kings.Singer
Inventar
#22 erstellt: 25. Apr 2011, 22:52
Hallo Roham.

Nun, gerade bei der Klassik ist das mit Kunstkopf-Aufnahmen natürlich so eine Sache. Das hast du richtig erkannt! - Einerseits schränkt einen die Kunstkopftechnik auf die Wiedergabe per Kopfhörer ein und andererseits gibt es keine beweglichen Schallquellen, die sich des Trennkörper-Effekts in besonderer Weise bedienen könnten. (Mal abgesehen von André Rieu und anderen Rumpelstilzchen... )
Die 1. Violine ist nunmal für gewöhnlich links und bleibt dort von Anfang bis Ende, wenn man manch missglückte Aufnahme russischer Techniker außen vor lässt (nicht dass die Russen nicht aufnehmen könnten, aber von denen habe ich eben schon Missglücktes gehört - da wurde schön mit den Panpots gespielt und die Instrumente wandern im Laufe der CD, oder das Stereopanorama bricht am Ende ganz zusammen).

Im Bereich Hörspiel sind die Kunstkopf-Techniken natürlich weiter verbreitet. Da kann man auch schon mit den erreichbaren Effekten spielen (vgl. dein Youtube-Link). Und die Minimal Music und elektronische Musik usw. - da kenne ich mich nicht aus, als schonmal vorweg "Sorry" für die Pauschalisierungen - könnten genau davon natürlich auch profitieren. Aber dabei sind Effekte zu erzielen, die in der klassischen Musik natürlich nur äußerst selten wünschenswert sind.

Viele Grüße,
Alexander.


[Beitrag von Kings.Singer am 25. Apr 2011, 22:53 bearbeitet]
sofastreamer
Inventar
#23 erstellt: 17. Mai 2011, 08:29
ich habe diese aufnahme von strauss gefunden und bin schwer ebeindruckt:
cd
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#24 erstellt: 17. Mai 2011, 09:22
Aus der gleichen Serie gibt es eine Aufnahme mit Rachmaninoffs Sinfonischen Tänzen und Strawinskys Sacre:

amazon.de

Ich weiß allerdings nicht, wie sie klingt...
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