Imitation und Plagiat bei klassischer Musik

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Frith
Neuling
#1 erstellt: 26. Mai 2009, 14:03
Liebe hifi-forum user,
ich bin zugegebenermaßen kein Profi in Sachen klassischer Musik, jedoch mache ich derzeit eine Untersuchung bzgl Imitation und Piraterie bei klassischer Musik.
Hierbei interessiert mich besonders, wie das damals im 17./18. Jahrhundert bei Bach & Co. so war. Leider ist es sehr schwer hierüber Informationen zu sammeln, daher meine
Bitte: Weiß jemand wo ich hierzu Informationen bekommen kann (z.B. wer von wem abgeschrieben hat und mit welchem Erfolg bzw. Schaden und ähnliches)?
vielen Dank für eure Antworten!
Klassikkonsument
Inventar
#2 erstellt: 26. Mai 2009, 16:46
Hallo Frith,

Quellen weiß ich keine. Gehört habe ich immer wieder, dass noch in J.S. Bachs Zeit das "Klauen" fremder Musik anders betrachtet wurde als heute.

Z.B. dieses bekannte Menuet BWV Anh. 114 aus dem Clavier-Büchlein für Anna Magdalena Bach ist wohl eigentlich von einem Christian Petzold komponiert worden.

Wie weit das unterschieden ist von den Bearbeitungen von z.B. Vivaldi-Konzerten für Orgel, bei denen der Komponist des Originals wohl genannt wurde, weiß ich allerdings nicht.

Außerdem kann ein Klauen ja in Wirklichkeit ein Verwenden sein und nicht ein bloßes Abschreiben.
Das machte aber heute wahrscheinlich keinen Unterschied. Ob ein Plagiat vorliegt wird, glaube ich, stumpf quantitativ nach Übereinstimmung entschieden.

Entschuldigung, das sind alles nur Vermutungen.

Viele Grüße
Joachim49
Inventar
#3 erstellt: 26. Mai 2009, 21:05
Ich bin kein Kenner dieser Materie. Für die Vor-Bach'sche Zeit findet man viel Informationen unter dem Stichwort "Parodiemesse" (15/16Jhdt). Ein kurzer aber informativer Artikel in wikipedia informiert über diverse Formen der Parodie.
Wenn das Interesse seriös ist, empfiehlt es sich die grossen musikalischen Nachschlagwerke zu Rate zu ziehen, also MGG (Musik in Geschichte und Gegenwart) oder die Englische New Grove Enzyklopädie (dafür benötigt man aber eine solide wissenschaftliche Bibliothek). Hier findet man gewiss weiterführende Literatur.
Ich bin nicht sicher ob der Ausdruck 'Imitation' der richtige Term für die gesuchte Sache ist, da Imitation in der Musik die Wiederholung eines Motivs durch andere Instrumente innerhalb desselben Musikstücks bezeichnet.
In der Geschichte der klassischen Musik haben sich manche Themen grosser Beliebtheit erfreut und wurden von verschiedenen Komponisten verwendet. Ein typischer Fall sind die vielen Kompositionen die das 'Folia' Motiv verwenden und bearbeiten. (Das folia-Thema ist wahrscheinlich unbekannter Herkunft - ein bisschen wie die Volkslieder).Ich glaube nicht, dass die wirlich grossen Komponisten plagiiert haben. Das transkribieren anderer bekannter Kompositionen (etwa bei Bach) ist gewiss kein Plagiat, wenn zum Plagiat gehört, dass die Herkunft verborgen bleiben soll. Bearbeitungen, Variationen, Zitate etc. sind ja völlig legitime Verfahren. Das kompositorische können zeigt sich ja auch nicht so sehr in den musikalischen Themen, sondern in dem, was man mit ihnen anstellt.
Freundliche grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#4 erstellt: 28. Mai 2009, 20:16
Ich bin auch kein Kenner der Materie. Ich weiß aber, daß Händel ziemlich viel abgeschrieben hat. Wobei er die Sachen dann teilweise auch verändert hat. Dazu gehört das schöne Zitat von Händel zu diesem Thema: "Ja, wenn die Schweine nichts mit ihren Ideen anzufangen wissen."

Konkret bekannt ist es mir bei Jephta, wo es wohl einige, im übrigen nicht sehr bedeutende Füllsel gibt, die Händel wohl ganz einfach frech kopiert hat, bei einem Komponisten, der heute nicht mehr bekannt ist. Da geht es aber dann weniger darum, jemandem anderen seine besten Ideen zu klauen, als vielmehr darum, sich etwas Arbeit zu ersparen. Also Händel hat geklaut, aber die großen Ideen, die begnadeten Werke, sind alle von ihm und darüber ist mir auch nie etwas anderes bekannt geworden.

Bei wem hätten die wirklich großen Komponisten auch wirklich klauen sollen, was bringt es schon einem erstklassigen Komponisten, bei einem zweitklassigen zu klauen?

Ich zitiere da aus dem Buch von Leichtentritt über Händel von 1924 ( nie wieder aufgelegt):

"Erst neuerdings ist bekannt geworden, daß Händel im Jephta eine ganze Reihe Entlehnungen aus 1747 erschienen Messen des um zwei Jahrzehnte jüngeren böhmischen Komponisten Johann Habermann verwendet hat. Max Seiffert hat im Kirchenmusikalischen Jahrbuch 1903 die Beweisstücke geliefert, Sidley Taylor hat in seinem Buch: "The indebtedness of Handel to works of other composers" das Material anschaulich zusammengestellt und kommentiert.

Vielleicht hilft Dir das bei Deiner Untersuchung ja ein bißchen weiter zumindestens bei Händel, obs neueres gibt, weiß ich nicht.

Daß das Barock in all diesen Dingen lockerer dachte, ist jedenfalls bekannt, vermutlich auch weil Sachen wie Copyright nicht existierten. Inwieweit so etwas überhaupt juristisch verfolgt wurde, weiß ich nicht. Nur ein Komponist, der einem anderen eine großartige Idee geklaut hätte, meinetwegen dem Händel seinen Halleluhjachor, hätte sich einfach vollkommen lächerlich gemacht.

Bei Mozart gibts im Figaro auch diese eine Stelle, wo er ein Stück eines anderen Komponisten zitiert, und dann heißt es: Ein bißchen Mozart bitte und dann kommt was von Mozart. Ich glaube, auch da hätte niemand an Copyright gedacht.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 28. Mai 2009, 20:33 bearbeitet]
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