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Über das Hören klassischer Musik+A -A |
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Autor |
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Martin2
Inventar |
#1 erstellt: 01. Aug 2012, 16:01 | |||||
Über das Hören klassischer Musik läßt sich vieles sagen. Soll man viel hören oder wenig? Soll man ein großes Hörrepertoire hören oder ein kleines? Musik ist etwas vielfältiges. Sie ist vor allem auch sinnliche Kunst - das unterscheidet sie von der Literatur, die wohl die Phantasie anregt, aber Druckerschwärze bleibt. Es ist dann vielleicht auch wichtig, sich immer wieder zu sagen, wie schön der Klang einer Violine oder Flöte ist und daß sich das nicht abnutzt, so wenig das Grün des Waldes oder das Blau des Himmels sich jemals abnutzen kann. Trotzdem ist die Musik nicht nur eine sinnliche Kunst, sie ist auch eine Erlebniskunst. Ich erlebe Musik und ich erlebe sie jetzt und es ist nicht gesagt, daß das Erlebnis, das ich einmal hatte, sich beim nächsten mal wieder einstellt. Ich mache in letzter Zeit oft die gegenteilige Erfahrung. Gestern etwa hörte ich Strawinskis Petruschka, Pulcinella und Feuervogel mit Abbado, eine wunderbare CD, aber es war dumm, die noch einmal hören zu wollen, bei diesem einen Erlebnis hätte ich es belassen sollen. Man könnte da fast religiös werden und sagen: Manche Erlebnisse werden einem geschenkt. Neulich etwa hörte ich Mahlers 6. und die Musik hat mich sehr begeistert, obwohl ich sie sehr gut kenne - so etwas empfinde ich als Geschenk, da habe ich fast das Bedürfnis, irgendjemandem dankbar zu sein. Wieder machte ich den Fehler, das Erlebnis unbedingt wiederholen zu wollen. Umgekehrt gind ich neulich in die Hamburger Musikhalle, die NDR Sinfoniker unter Blomstedt spielten Bruckners 5. Ich hatte mir ein großes Erlebnis versprochen, aber das war es nicht. Der Erlebnischarakter der Musik nimmt auch ab mit der Zeit. Als Kind kann auch noch ein Durdreiklang zum Erlebnis werden. Später wird man zu einem hartgesotteneren Klassikhörer. Dabei bin ich überhaupt kein analytischer Hörer, aber ich stelle fest, daß sich vieles in der klassischen Musik wiederholt und das vieles ähnlich klingt. Musik wird blasser mit der Zeit, ich erinnnere mich, daß fast jedes Klavierkonzert von Mozart für mich einmal in seinen eigenen Farben geleuchtet hat und daß dieses Gefühl irgendwie verloren gegangen ist. Vielleicht habe ich auch zuviel klassische Musik gehört. Dabei höre ich gar nicht soviel. Mendelssohns 5. etwa liegt seit Jahren auf meinem "zu hören" Stapel. Irgendwann hatte ich sie mal gehört und war enttäuscht, aber ich habe der Musik nie eine ernsthafte Chance gegeben. Deshalb brauche ich auch keine neuen CDs mehr - es reicht. Der Musikgeschmack entwickelt sich auch. Die schlichte Schönheit einer Haydn Klaviersonate hätte ich als Jugendlicher nicht verstanden, oder ich hätte sie vielleicht doch verstanden, aber geringgeschätzt und gesagt: In Mahlers Sinfonien klingt die Welt in kosmischen Schwingungen und da kommst Du dann so mit einer Haydn Klaviersonate. Gut, aber ich höre schon ein paar Wochen sowieso einiges weniger an klassischer Musik und das ist auch gut so. Es gibt die Literatur, es gibt den Film und das ist auch sehr schön und fordert den Verstand. Es ist nicht gesagt, daß man Klassik intensiver erlebt, wenn man viel davon hört - das Gegenteil kann richtig sein. Aber nun sollt ihr zu Wort kommen. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#2 erstellt: 04. Aug 2012, 05:55 | |||||
Hallo! Ich denke mal das man so viel hören soll wie es gerade passt, je nach Tages-/Wochenform höre ich relativ viel klassische Musiktbis gar keine. Es ist meiner Ansicht nach normal das immer wieder mal ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist und man bestimmte Zweige der klassischen Musik -wie auch jeder anderen Musik- weniger bis gar nicht mehr hört. Das heißt aber nicht das man damit endgültig durch uist sondern eher das Interessen die zeitweilig zu kurz gekommen sind jetzt Priorität gewinnen, -ob die nun musikalischer Natur sind oder auch nicht-. So habe ich mir z.B. in diesem Jahr bis heute so gut wie keine neuen CD´s mehr gekauft und meine Anlage steht die ganze Woche über stumm rum da ich gerade ganz andere Prioritäten habe. Allerdings gibt es immerhin am WE noch die eine oder andere Stunde in der ich mich nach wie vor bei Musik entspanne. Ganz missen möchte ich das Hobby nicht, -zumal ich weiß das nach einiger Zeit die klassische Musik wieder einen wesentlich breiteren Raum in meinem Leben einnehmen wird als gegenwärtig. MFG Günther |
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Martin2
Inventar |
#3 erstellt: 07. Aug 2012, 01:11 | |||||
Hallo Günther, es ist ungewöhnlich, als Stammhörer in einem Klassikforum so wenig Klassik im moment zu hören. Aber es geht mir im moment ähnlich wie Dir. Ich höre noch gelegentlich klassische Musik, aber meistens nur zur Entspannung. Ich höre selten neue Sachen, meistens enttäuschen sie mich. Aber zum Beispiel die Grieglieder CD3 hatte neulich mal wieder ungehören Charme. Oder die Beethovensschen Klaviersonaten Opus 2 mit Arthur Schnabel. Man muß das alles nicht vertiefen. Ich kenne aber auch die Ermüdung an der Musik. Es ist oft ganz merkwürdig, manche Musik begeistert an einem Tag und am nächsten Tag kannst Du sie nicht mehr hören. Man darf immer nicht vergessen, viele große Musik ist vor der Erfindung der Tonreproduktion entstanden. Sie ist nicht dafür geschrieben, 100 mal in zehn Wochen wiederholt zu werden. Für jetzt genug, morgen mehr. |
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Hüb'
Moderator |
#4 erstellt: 07. Aug 2012, 08:54 | |||||
Hallo zusammen, mir geht's da wie Günther. Das Hören von "Klassik" unterliegt auch bei mir gewissen Schwankungen, aber ich kehre immer wieder zur klassischen Musik zurück.
Diese Fragen halte ich für ziemlich *Banane*, da es abseits von professioneller Beschäftigung mit Musik eigentlich kein "Soll" geben sollte (:Y). Mit Musik sind für mich Begriffe wie Freizeit, Vergnügen, Genuss, Spass verbunden - und da kommt in den CD-Spieler bzw. auf den Plattenteller, wozu ich gerade Lust habe. Zur Frage der Breite und Tiefe des Hörrepertoires muss jeder auf Basis seines Geschmacks seinen eigenen Weg finden. Ich persönlich empfinde die Beschäftigung mit sog. "Kleinmeistern", moderneren Strömungen oder auch dem "Nischenrepertoire" oftmals sehr lohnend, da es hier IMHO ungeheuer viel sehr gute Musik gibt, die lediglich vergleichsweise unbekannt oder auch manchmal "sperrig" ist. Und selbst das Hören von "mittelprächtiger" Musik kann manchmal die Augen öffnen und den Blick auf die "wahren Meisterwerke" schärfen helfen. Grüße Frank [Beitrag von Hüb' am 07. Aug 2012, 13:41 bearbeitet] |
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kempi
Inventar |
#5 erstellt: 07. Aug 2012, 09:10 | |||||
Das Hören klassischer Musik ist einer Begrenzung eben durch die Klassifizierung unterworfen. Obwohl es sehr viel "klassische" Musik gibt, ist das Repertoire endlich. Es werden die immer gleichen Stücke immer wieder neu eingespielt -- was auch zu Klassik-Pop führt. Das ist imo sehr langweilig -- ich habe aber auch keinen Spaß daran zu Vergleichen, ob ein Klavierstück von Maier oder von Müller besser gespielt wurde. Spaß macht mir Musik in alle seinen Formen, und spannend finde ich neu komponierte Musik. Da gefällt mir auch nicht alles, aber ich habe den Reiz des Neuen, der Klänge, des noch nicht Gehörten. |
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Hörbert
Inventar |
#6 erstellt: 07. Aug 2012, 16:42 | |||||
Hallo! @kempi
Meinst du damit speziell zeitgenössische Musik (z.B. von Wolfgang Rihm oder Helmuth Lachenmann) oder einfach nur aktuelle Musik gleich welcher Sparte? Natürlich ist das Repertoire endlich aber alleine schon die Vielfalt der Stilepochen aus ca. 5 Jahrunderten läßt diese Endlichkeit vergessen. Dazu kommt das der Filter der Zeit gerade von den weniger bedeutenden Werken einen großen Teil verschluckt hat und du vor allem die wirklich bedeutsamen Werke präsentiert bekommst. MFG Günther |
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Kaddel64
Hat sich gelöscht |
#7 erstellt: 07. Aug 2012, 21:50 | |||||
Angesichts der Endlichkeit menschlichen Lebens muss die Fülle an klassischer Musik doch schier unendlich erscheinen.
Muss es nicht. Nur wenn ich der brüllend-lärmenden Werbeindustrie allzu viel Gehör schenke, besteht diese Gefahr, imo. Denn abseits des unaufhörlich Wiederholten gab es noch nie so viel bisher Wiederentdecktes und Ersteingespieltes wie derzeit, von unermüdlichen Musikforschern aus der Nische ans Tageslicht befördert und von mutigen Produzenten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter zahlreichen "Kleinmeistern" (welch überheblicher Ausdruck ) ein wahres Genie verbirgt, ist nicht eben gering.
Zumeist höre auch ich lieber "in die Breite", eigne mir neues Repertoire an. Was mich besonders anrührt, wird automatisch häufiger gehört, und dann beginnt recht schnell die Suche nach der mich noch stärker berührenden Interpretation. Ein objektivierendes "besser oder schlechter" treffe jedenfalls ich selten an; zumeist hat jede Interpretationen irgendwie ihren Reiz. Gruß, Kaddel |
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kempi
Inventar |
#8 erstellt: 08. Aug 2012, 06:58 | |||||
Ich unterscheide die Musiksparten nicht, höre aktuelle Musik gleich welcher Sparte. Allerdings kommt da keine Popmusik und sehr selten Jazz vor. Klassische Musik ist für mich überwiegend Musik zum Autofahren. Zuhause, mit Kopfhörer, höre ich seltener Klassik, da möchte ich mehr Energie -- ja ich weiß, die gibt es auch bei Klassik. Ich habe aber den Vorteil, dass ich am Sitz des Ensemble Modern lebe, so das ich auch in den Genuss zeitgenössischer Musik komme, die ja sonst eher seltener auf CD zu bekommen ist. [Beitrag von kempi am 08. Aug 2012, 15:08 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#9 erstellt: 10. Aug 2012, 14:03 | |||||
Hallo! @kempi Dank JPC und Amazon habe ich mit der Beschaffung neuer Musik keinerlei Probleme. Bei veergriffenen Tonträgern ist auch http://www.parallel-schallplatten.de/ eine gute Adresse. Nun ja, aktuelle Musik z.B. von Harald Genzmer oder Wilhelm Killmayer kann man ja nicht unbedingt als neue Musik ansehen. Ebenso ein Teil der Werke aussereuropääischer Komponisten wie z. B. Ned Rorem. Insoweit ergeben sich zumindestens zwei Sparten ganz von selbst wenn man Werke von z.B. Heinz Holliger oder Klaus Huber dagegenhält. Nur selten findet man jemanden der diese unterschiedlichen Richtungen unterschiedslos sammelt und hört. MFG Günther |
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flutedevoix
Stammgast |
#10 erstellt: 20. Aug 2012, 22:17 | |||||
Lieber Martin, an Deinen Gedanken zum Musik hören und zur Wirkung kann ich vieles nachvollziehen anderes wiederum nicht. Vermutlich bin ich einer derjenigen im Forum, die sich am meisten mit Musik beschäftigen, man könnte sagen, den ganzen llieben Tag lang, allein weil ich Musiker bin. Und dennoch ist für ich ein Durdreiklang etwa auf einem Cembalo aus dem 18. Jh. immer noch ein großes Erlebnis, dieser Klangfarbenreichtum, dem man bis in feinste Schattierungen nachlauschen kann aufregend. Ich gehöre auch zu der Spezies Mensch, den immer noch ein Dominantsept-Akkord in Unruhe zurückläßt, obwohl es nun in der Musik viel spannungsreichere Klänge gibt. Das Musik nicht jeden Tag gleich auf uns wirkt, ist ja nun ein lang bekanntes Geheimnis. Ich bin aber auch der festen Meinung, daß sie nicht immer gleich intensiv und eindringlich auf uns wirken kann und soll. Natürlich bleibt ein freudig-juchzendes Werk ein solches und wird nicht plötzlich am nächsten Tag tieftraurig, natürlich bleibt ein Meisterwerk ein Meisterwerk, auch wenn es uns an einem Tag nicht so tief berührt wie an einem anderen Tag. Ich versuche immer der Musik, die ich höre, offen entgegen zu treten und zwar ohne Erwartungshaltung in bezug auf eine bestimmte Wirkung. Ich höre, ich rezipiere, ich versuche mir meiner Stimmungen, meiner Emotionen, meiner Affekte beim Hören klar zuwerden und ich denke auch darüber nach, warum ich eine bestimmte Passage anders aufgenommen habe als vorher. Vielleicht höre ich analytischer, aber letztendlich ist es doch immer die emotionale Tiefe der Musik, die mich anrührt. Ich kann jedenfalls nicht behaupten, daß der Erlebnischarakter der Musik für mich abnimmt, daß alles schon einmal irgendwie dagewesen ist. Ganz im Gegenteil ich nehme oft ganz neue Farben, ganz neue Schattierungen wahr und empfinde das als ungemeine Bereicherung meiner Persönlichkeit. Ganz allgemein kann ich auch sagen, daß gerade die bildende Kunst und die Literatur mich ähnich stark berühren und ähnlich intensice emotionale Regungen hervorrufen wie die Musik. Wie Du richtig sagst, regen diese Künste die Phantasie an, aber dennoch wirken auch sie unmittelbar. Ich werde nie vergessen, wie die sixtinische Kapelle auf mich wirkte, als ich sie zum ersten Mal sah, ich werde niemals meine erste Begenung mit Munchs "Der Schrei" vergessen, niemals mein Kennenlernen von van Goghs Sonnenblumen: diese existentielle Beklemmung, dieser greifbare Geruch einer provenzalischen Pension mit Sonnenblumen, dieses Erschauern vor einer göttlichen Allmacht. All das war natürlich meine Phantasie aber es war in aller erster Linie meine Emotionalität in diesem Moment, die gerade so unmittelbar wirkte, wie der Schauer, der mir den Rücken hinunterläuft, wenn ich Händels Messias höre! Auch literarische Beispiele in diese Richtung kann ich benennen: etwa Kafkas Prozeß, Hesses Klingsors letzter Sommer, Zweigs "Schachnovelle", Tucholskys Schloß Gripsholm, Celans Todesfuge oder auch den Erlkönig, den ich zuerst als literariche Ballade und dann erst als Vertonung kennenlernte. Diese existentiellen Erfahrungen von bildender Kunst oder Literatur nutzen sich bei mir genausowenig ab wie musikalische Erfahrungen. Erst dieses Frühjahr erlebte ich bei der großen Renoir-Ausstellung in Basel einen solchen Zustand der tiefen ERfahrung und Entrückung, der noch lange in Gesprächen mit meiner Freundin nachhallen sollte. Vielleicht liegt das Geheimnis in der Rezeption von Kunst im Allgemeinen, ja vielleicht soger der Rezeption des eigenen Lebens, darin, jedem Moment möglichst offen gegenüber zu treten ohne bestimmte Erwartungen Daß das mal mehr mal weniger gelingt, ist selbstverständlich. |
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Martin2
Inventar |
#11 erstellt: 21. Aug 2012, 09:08 | |||||
Hallo Flutedevoix, ein wirklich sehr schöner Beitrag. Du schreibst davon, daß man in jedem Moment die Offenheit für das Schöne bewahren soll. Gut gesprochen, aber mir gelingt das eben nicht immer. Die sixtinische Kapelle, ja, da war ich auch drin, es war picke packevoll und man stand und daß ich mich auf eine Treppenstufe in der Kapelle setzen wollte, erregte die Empörung irgendeiner Ordnungskraft. Ich habe ein paar Bilder aus der sixtinischen Kapelle in meinem Schlafzimmer, da schaue ich gelegentlich darauf, der Besuch der Kapelle als solcher ist mir in weniger guter Erinnerung geblieben. Eher dann schon die Bilder von Boticelli in Florenz. Wer aber keinen Schönheitssinn hat, dem ist nicht zu helfen, weder in der Malerei, noch in der Literatur, noch in der Musik. Aber wie genieße ich das Schöne? Der ausübende Musiker wird sicher auch das Gefühl der Anspannung kennen, aber ich als genießender Kunstliebhaber möchte Kunst eigentlich entspannt genießen. Nicht, daß es mit der Entspanntheit gleich soweit geht, daß man dabei einschläft. Ist diese Entspanntheit nun gut, oder ist sie Zeichen einer bloß "konsumierenden" Haltung? Wir hatten das Thema vor einiger Zeit und ich reagierte etwas gereizt. In der Tat höre ich Musik wenig analytisch, aber ist das schon "Konsum"? Viele Merkwürdigkeiten gibt es hier, zum Beispiel die eigenartigen Wirkungen des Klangs. Gestern hörte ich etwa Verdis Otello mit Fritz Busch, live 1949. Ziemlich lausiger Klang, aber dieser fast rudimentäre Klang verstärkt fast noch den Erlebnischarakter der Musik. Ein absolutes Meisterwerk. So wie ich den Beethoven mit Schnabel auch immer noch sehr gerne höre. Was ich aber gar nicht mag ist Musik nebenbei zu hören. Ich mache das nicht mal mit Unterhaltungsmusik und bei Klassik ist das ein Sakrileg. Aber selbst wenn man Musik nicht nebenbei hört, man kann es kaum verhindern, daß man beim Musikhören irgendwie ins Sinnieren kommt, daß die Gedanken auf Abwege geraten, während die Musik vorrüberrauscht. Und man probiert immer neue Sachen aus. Ich im moment Albert Roussel. Die CD mit der 2. Sinfonie. Teilweise außerordentliche Klanglichkeiten, bestimmt beeinflußt vom französischen Impressionismus. Durchaus hörenswert - aber nun nicht gerade Debussys La Mer. Aber "auch gut" und dieses "auch gut" ist ein wichtiges Kriterium. Man soll in der Musik wie in anderer Kunst - ich schrieb es schon weiter oben - nicht die Wiederholung eines einmal gemachten Kunsterlebnisses suchen. Es ist immer wieder etwas anderes, man steigt nie zweimal in denselben Fluß, wie Heraklit sagt. Mal gewinnt man für etwas Bewußtsein, mal ist es gerade das nahezu extatische Unbewußte. Neulich etwa Mahlers 6. mit Bernstein, durchaus auch sehr interessant, nicht schlechter als meine Favoriten Szell und Abravanel und was mir auffiel, wie grandios dies instrumentiert ist. "Kuhglocken"!!! Mahler verwendet Kuhglocken als Orchesterinstrument, kann man das ernst nehmen? Man muß es wohl, denn Mahler kommt zu ganz außerordentlichen Wirkungen. Nielsens 6., ein ganz anderes Erlebnis in letzter Zeit. Ein sprödes Alterswerk will mir scheinen, ironischer, sarkastischer, aber bei weitem nicht so süffig wie die in kompositorischer Vollkraft erscheinende 5. Eine sparsamere Instrumentation, einige durchaus homophone Passagen, die nicht an den Klangrausch appellieren. Aber teilweise sehr gut und ich habe Zugang gefunden zu dieser schwierigen Sinfonie, die sarkastischerweise "Sinfonia Semplice" heißt, ein Witz, denn vom Zugang her ist sie die Herausfordernste - jedenfalls für mich - ich habe lange Zeit nichts mit ihr anfangen können. So komme ich sicher immer auch zu neuen Erlebnissen. Nielsens 6. Sinfonie regt mich etwa dazu an, mich mit dem Spätwerk Schostakowitschs wieder einmal auseinander zu setzen, da ich diese Sprödigkeit des Nielsenschen Spätwerks irgendwie mag, komme ich möglicherweise auch bei Schostakowitsch zu Umbewertungen? So bleibt man hoffentlich im Gespräch, lernt dabei den Geschmack anderer kennen, nimmt dabei etwa für sich mit und sei es auch nur die Erkenntnis, daß die Geschmäcker verschieden sind. Gruß Martin |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#12 erstellt: 21. Aug 2012, 21:31 | |||||
Hallo Martin, man muß ja Musik nicht unbedingt analytisch erfassen, viel wichtiger das sie emotional anspricht. Sicher ringt es umso mehr Bewunderung ab wenn man da noch auf gewisse kunstvolle Details aufmerksam wird aber das ist nicht notwendig um gewisse Musik geniessen zu können. Umgekehrt ist es viel schwieriger, wenn mich zB 12-Ton-Werke emotional kalt lassen aber durchaus manche Kunstfertigkeit darin bewundere dann werde ich mich nie dafür begeistern können. Das gedankliche Abschweifen kennt denk ich jeder, kann mir jedenfalls nicht vorstellen das die meisten Zuhörer einer Mahler-Sinfonie (an einem Stück) jede Sekunde in vollster Konzentration verfolgen. Bei mir ist es jedenfalls so das jedes Werk so Stellen hat die mehr zusagen, manche weniger und bei Zweiterem dann durchaus mal vorkommen kann an irgendwas anderes dabei zu denken. gruß Thomas |
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