Ab wieviel ms unterscheidet das Ohr Direktschall und Diffusschall?

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Cale
Stammgast
#1 erstellt: 03. Aug 2005, 17:54
Hallo!

Zur Zeit lese ich zwei Bücher zu Lautsprechern und Beschallungstechnik. Dabei bin ich auf zwei unterschedliche Aussagen gestoßen.

Berndt Stark - Lautsprecher Handbuch:

"Sowohl sehr laute als auch um weniger als zwei Milisekunden verzögerte Reflexionen kann das Gehör nicht vom Direktschall unterscheiden,..."

Daraus wird gefolgert, dass ein Wandabstand von mindestens 70cm ausreicht, um eine tonale Ausgewogenheit(Frequenzgang) zu erzielen.


Siegfried Wirsum - Praktische Beschallungstechnik:

"Das menschliche Ohr kann Schallreflexionen mit einer Laufzeitdiffernz von <50ms vom Direktschall nicht unterscheiden."

Ab wann kann das Ohr denn nun unterscheiden? Meine LS stehen 80cm von der hinteren Wand entfernt. Macht es Sinn diese entsprechend zu dämpfen? Kommen dafür nur teure Materialien in Frage, oder auch das was für das Lautsprechergehäuse verwendet wird?
SV650
Stammgast
#2 erstellt: 03. Aug 2005, 20:45
1,6 - 2ms sind meines wissens die gängigsten Theorien.
Mit 80cm bist du schon ganz gut dabei.
Ich denke nicht das Nachhilfe von nöten ist.
Ich nehme eigendlich immer 1m als richtwert.
Würde mir da keinen großen Stress machen.

Gruss Ralph
raw
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 04. Aug 2005, 01:25
Ich las >30ms.

Was nun?
Cale
Stammgast
#4 erstellt: 04. Aug 2005, 10:27
Hallo!

Erst einmal danke für eure Antworten, auch wenn sich dadurch die Frage noch nicht geklärt hat. Habt ihr vielleicht Quellenangaben zu euren Daten? Kann es sein, dass die Unterscheidungszeit von der Frequenz abhängig ist?
trench
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 04. Aug 2005, 10:40

Cale schrieb:
Kann es sein, dass die Unterscheidungszeit von der Frequenz abhängig ist?


Gut erkannt! Die Unterscheidungszeit liegt in einem sehr weiten Bereich von ca. 1-100 ms, abhängig von Frequenz, Pegel, Signalform, Dauer etc. Deshalb sind absolute Aussagen, wie die beiden von dir zitiereten Quellen immer sehr mit Vorsicht zu geniessen.

Aber eigentlich ist das auch gar nicht das Thema. Es geht letztlich nämlich nicht darum, ob das Gehör Reflexionen von Direktschall unterscheiden kann oder nicht. In optimierten Abhörumgebungen, will man bei Lautsprecherwidergabe frühe Reflexionen generell unterbinden, weil sie durch die Interferenz zu Klangverfärbungen führen.

In der Praxis stellt sich natürlich immer die Frage wie und mit welchem Aufwand man frühe Reflexionen unterbinden will bzw. inwieweit sie zu Hause stören.
Cale
Stammgast
#6 erstellt: 04. Aug 2005, 11:01
Die Sache die hinter der Frage steckt, ist, dass ein Bekannter bei mir den Frequenzgang am Hörplatz gemessen hat, wobei folgendes herauskam: http://www.stud.fh-hannover.de/~boehmel/F-Gang.jpg

Da quasi die Überlagerung des Diffusschalls mit dem Direktschall gemessen wurde, frage ich mich, ob der gehörte Frequenzgang durch den erwähnten Effekt nicht glatter ist, und ob mir eine Dämmung an der Wand hinter den Lautsprecher weiter helfen würde, den Klang zu verbessern, bzw, zu linearisieren.
trench
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 04. Aug 2005, 13:20

Cale schrieb:
und ob mir eine Dämmung an der Wand hinter den Lautsprecher weiter helfen würde, den Klang zu verbessern, bzw, zu linearisieren.


Deine Frage wird dir niemand guten Gewissens beantworten können. Anhand eines einzigen Messergebnisses, dessen Zustandekommen noch nicht einmal bekannt ist, wäre jede Aussage reine Spekulation.


Cale schrieb:
Da quasi die Überlagerung des Diffusschalls mit dem Direktschall gemessen wurde


Und solange man nicht weiss, welche Anteile vom Direkt- und welche vom Diffusschall verursacht werden ist jede weitere Diskussion darüber nicht zielführend.
snah
Stammgast
#8 erstellt: 05. Aug 2005, 10:28
Hi,
wenn ich den Meßschrieb richtig lese, ist das der Amplitudenpegel. Den wirst du wohl nie linear bekommen, weil schon die Boxen nicht linear sind.
Um deinen Raum richtig beurteilen zu können, muß der Nachhall des Frequenzspektrum gemessen werden. Das ist ein großer Unterschied, denn hier setzt die Messung erst ein, wenn die Leutsprecher kein Signal mehr abgeben. Deshalb Nachhall.

Gruß

Hans
Cale
Stammgast
#9 erstellt: 07. Aug 2005, 18:35
Hallo!

@snah: Die Boxen (Canton Ergo 900) sind natürlich nicht absolut linear, aber für HiFi Boxen ist der Frequenzgang doch schon sehr gerade und bestimmt nicht so wie der gemessene Amplitudenfrequenzgang auf dem Diagramm.
Für den Nachhall:

http://www.stud.fh-hannover.de/~boehmel/wasserfall.jpg

Sehr schön zu erkennen sind natürlich die Raummoden bei denen der Bassbereich ordentlich nachsschwingt. Ich möchte mich aber eigentlich erst einmal mit dem Mittel- und Hochtonbereich beschäfftigen.
Ein Problem ist daher, dass gar keine Nachhallzeiten im Wasserfalldiagramm über 1600 Hz angezeigt werden.

Für die Messung wurde ein Behringer ECM8000 plus Mikrofonverstärker und eine Terratec DMX X-Fire eingesetzt. Ich werde mir aber versuchen DLSA oder etwas anderes zu besorgen um prezisere Messungen machen zu können.
Gemessen wurden beide Lautsprecher auf Hörplatz.


[Beitrag von Cale am 07. Aug 2005, 18:37 bearbeitet]
Inspiron
Stammgast
#10 erstellt: 17. Aug 2005, 08:25

"Das menschliche Ohr kann Schallreflexionen mit einer Laufzeitdiffernz von <50ms vom Direktschall nicht unterscheiden."


Das hier ist die korrekte Aussage. Der Diffusschall dürfte sogar noch um etwa 6db lauter sein, und würde von Direktschall nicht zu unterscheiden sein.
Das ist der Grund warum Delay Lines funktionieren.


Cale schrieb:
Kann es sein, dass die Unterscheidungszeit von der Frequenz abhängig ist?


Gut erkannt! Die Unterscheidungszeit liegt in einem sehr weiten Bereich von ca. 1-100 ms, abhängig von Frequenz, Pegel, Signalform, Dauer etc. Deshalb sind absolute Aussagen, wie die beiden von dir zitiereten Quellen immer sehr mit Vorsicht zu geniessen.


Nein Frequenzunabhänig, auch der Pegel und Signalform ist weitgehend unrelevant!
Nicht im Bereich von 1-100ms
trench
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 25. Aug 2005, 19:54

Inspiron schrieb:
Nein Frequenzunabhänig, auch der Pegel und Signalform ist weitgehend unrelevant!
Nicht im Bereich von 1-100ms :cut


Wenn du schon glaubst mir virtuell den Kopf abtrennen zu müssen, dann nenne bitte wenigstens eine Quelle für deine (falsche) Behauptung.

Für meine Aussage gibt es unzählige Dokumente. Unter anderem gibt es umfangreiche Publikation von Blauert ("Räumliches Hören") oder auch von Zwicker ("Psychoacoustics - Facts and Models") welche klar besagen, dass die Bandbreite den von mir genannten 1-100 ms entpricht und dass die erwähnten Signalcharakteristiken darüber bestimmen. Diese Angaben decken sich auch mit der Erfahrung (übrigens gerade auch beim Einstellen von Delaylines).
Inspiron
Stammgast
#12 erstellt: 26. Aug 2005, 06:39

Für meine Aussage gibt es unzählige Dokumente. Unter anderem gibt es umfangreiche Publikation von Blauert ("Räumliches Hören") oder auch von Zwicker ("Psychoacoustics - Facts and Models") welche klar besagen, dass die Bandbreite den von mir genannten 1-100 ms entpricht und dass die erwähnten Signalcharakteristiken darüber bestimmen. Diese Angaben decken sich auch mit der Erfahrung (übrigens gerade auch beim Einstellen von Delaylines).


Sehr interessant.

Die deutlich als eigenständiges Hörereignis auftretende Reflexion ist natürlich sehr stark von ihrer Intensität abhängig. 1ms ist allerdings überhaupt nicht wahrnehmbar (Vorverdeckung) selbst wenn das nachfolgende Erreignis um einiges lauter ist.
Bei 20ms kommen wir in den interessanten Bereich. Von der Signalform ist es insofern abhängig, dass bei einzelnen Impulsen darauffolgend der Pegel gegen null geht und somit leichter erkannt werden kann.
Als guter Kompromiss für durchschnittl. Musik sind 30-50ms ganz akzeptabel. Wobei die Delayline dann um 8db lauter sein darf, und das Signal trotzdem von der Hauptbühne geortet wird.
Gelscht
Gelöscht
#13 erstellt: 28. Aug 2005, 06:59
vismars
Stammgast
#14 erstellt: 10. Sep 2005, 17:06
Hab grad nochmal bei Blauert nachgelesen:

Trifft der Primärschall gleichzeitig mit dem Echo mit gleicher Amplitude ein, so kommt es zu einer Summenlokalisation. Die Schallquelle wird zwischen der primären Schallquelle und der das Echo erzeugenden Begrenzung wahrgenommen. Das Echo beeinflusst dabei bis zu einem Abstand von etwa 1ms die Hörereignisrichtung.
Man kann also nicht behaupten, dass das Echo garnicht hörbar wäre, es beeinflusst ja die Wahrnehmung.
Ab 1ms Delay ist dann nurnoch der primäre Schall für die Richtungswahrnehmung verantwortlich. Gleichermaßen wird in diesem Bereich aber das Echo noch nicht als getrennt wahrgenommen, es entsteht nur ein einziges Hörereignis, die Wahrnehmung des Echos wird gehemmt.
Natürlich ist das Echo nicht vollkommen unhörbar, solange es laut genug ist. Die Primärschallquelle erscheint größer und lauter, als wenn kein Echo vorhanden wäre. Erst wenn der Echopegel abgesenkt wird, wird die Hemmung zur vollkommenen Unterdrückung führen, bei der zwischen dem Experiment mit Echo und ohne Echo kein Unterschied mehr wahrnehmbar ist.
Erst wenn das Echo einen zeitlichen Abstand von etwa 30-40ms hat, wird es getrennt wahrnehmbar. Je nach Art des Schalles sind sogar noch größere Zeiträume von der Hemmung betroffen, insbesondere wenn die Zwischenzeit von anderen Echos aufgefüllt ist, verlängert sich die Wirkung der Hemmung durch den Primärschall.
In Extremfällen kann der Präzedenzeffekt bis zu 300 ms anhalten.
Desweiteren bleibt zu beachten, dass sich die Inhibition nicht sofort einstellt, sondern erst nach einiger Zeit (Grössenordnung 3 Sekunden), in der sich das Gehör auf die Raumsituation einstellen muss.
Nach längerem Ausbleiben der Echos wird die Hemmung auch erst langsam wieder Reduziert.
Die 1ms für die Summenlokalisation lässt sich auch leicht mit Stereo nachvollziehen, 1ms auf den linken Speaker und alles kommt von rechts. Der Pegel um 0.5 ms Laufzeitdifferenz auszugleichen ist bei +-30° Aufstellung rund 2dB bei Kopfhörerwiedergabe rund 7 dB, siehe Trading bzw Haas bei Sengpiel.

Die frühen Echos werden im Übrigen nicht als Diffusschall bezeichnet, denn sie haben ja eine Orientierung im Raum, sie kommen nämlich aus Richtung der reflektierenden Raumbegrenzung.
Diffusschall ist Schall, der nicht mehr geortet werden kann, eben Diffus ist, von Überall kommt, also der Nachhall / die Reverberation.
Der Diffusschall entsteht durch das quadratische Ansteigen der Anzahl der Echos pro Zeiteinheit mit der Zeit nach dem Primärschall. Irgendwann sinds so viele Echos, dass das Ohr nicht mehr sagen kann woher der Schall kommt.

Wichtig ist letztlich vor allem der Pegelunterschied zwischen diesem Diffusschall und dem Direktschall. Wenn der Diffusschall Pegel sehr hoch ist, dann wird die Lokalisierung von Schallquellen sehr schwer, es erscheint alles weit entfernt und unscharf.

Hoffe die Literatur in diesem Zusammenhang richtig verstanden zu haben.

mfg Tom
Hal_Jam
Neuling
#15 erstellt: 21. Sep 2005, 08:09
Um mal etwas Klarheit zu schaffen mach ich's kurz: Beide Werte sind richtig!
Erst nach etwa 50 ms kann man bewusst(!) Direkt- vom Reflektivschall unterscheiden, d.h. 2 getrennte Geräusche wahrnehmen (Echo, Slapback).
Allerdings funktioniert unser Gehirn deutlich besser, es reichen nur wenige Millisekunden Verzögerung, um die Richtungswahrnehmung auszulösen.
Praktisches Beispiel aus der Stereomikrofonie: Wenn zwei Mikrofone 20 cm nebeneinanderstehen und ein Geräusch gleichlaut, aber mit einer abstandsbedingten Laufzeitverzögerung aufzeichnen, nimmt später der Hörer die Richtung wahr, aus der das Geräusch kam.
George_Lucas
Inventar
#16 erstellt: 29. Sep 2010, 14:01
Diesen alten Thread hab ich mal bewusst wieder herausgekramt, weil meine Fragen daran anschließen.

Es gibt einen ca. 20 m² großen Raum ohne Fensterfronten. Die Wände und der Fußboden sind komplett mit Teppich bedeckt.

Der gemessene Frequenzverlauf zeigt nun zwischen 6 kHz und 15 kHz bis zu 15 dB "Abfall" (-10 dB bei 10 kHz).
Der Klang geht mit der Messung einher. Die Feinauflösung ist sehr gering ausgeprägt. Es fehlen ganz einfach subjektiv wahrgenommen die "Höhen".

Nun möchte ich keine Diskussion lostreten bezüglich der Messmethode, sondern pauschal folgendes wissen.

Wenn nun der gefensterte Frequenzverlauf gemessen wird, wie wirkt sich das auf den Klang aus? - Immerhin wird dann ja nur der Direktschall gemessen, ohne die Reflektionen der Wand.

Durch diese gefensterte Messung des Frequenzverlaufen wird der "Hochtonverlust" durch die starke Dämpfung wegen der Teppiche doch nicht ausgeglichen...?!

1. Wie wirken sich hier Messwerte und subjektiver Höreindruck aus?

2. Wenn nur die gefensterte Messung für die Raumakustik herangezogen wird, wird sich zwischen einem "nackten" Raum und dem "überdämpften" Raum ein messtechnischer Unterschied im Frequenzverlauf ergeben?


[Beitrag von George_Lucas am 29. Sep 2010, 14:06 bearbeitet]
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