Blitzschutz: Fangstange und Yagi

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Radiowaves
Inventar
#1 erstellt: 07. Dez 2012, 17:52
Hallo in die Runde,

heute sah ich beim Besuch in einer öffentlichen Einrichtung (höhere Bildungseinrichtung, Neubau aus 2-geschossigen Kästen mit Flachdach) eine für mich befremdliche Installation auf dem Dach. Ich habe das mal unter Verwendung des beim VDE eingestellten Fotos einer Satschüssel mit Fangstange nachgezeichnet. Ein Foto konnte ich nicht machen, ich war dort auf Bewerbungsgespräch.

Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage installiert, in einzelnen Reihen stehen da die Module mit der üblichen Neigung aufgeständert. Das Dach ist voller Fangstangen, deren Höhe und Abstand ich nicht beurteilen kann. Dann war da aber noch eine Satschüssel an einem Standrohr. Wie beim VDE zu sehen, war am Standrohr mittels isolierender Verbindungsstangen eine Fangstange montiert - höher als die umgebenden.

Und dann hatte man eine UKW-Yagi montiert, witzigerweise nur Dipol und Direktoren, der Reflektor fehlte. Das Ding ragte... nunja, irgendwie mit seinen Direktoren und dem Längsstab faktisch um die Fangstange herrlich herum. Sah also in etwa so aus:

Yagi trotz Fangstange am Satschüssel-Standrohr

Die Fangstange ging dabei - soweit von meiner Perspektive aus beurteilbar - beinahe durchs Eck aus Längsstab und einem Direktor.

(Rhetorische) Frage: wo wird der Blitz zumindest teilweise langlaufen?

Und ernstgemeinte Frage an die Fachleute: wie schützt man solche weit ausladenden Yagis? Ringsum 4 Fangstangen mit ausreichend Trennungsabstand und so hoch, daß eine Blitzkugel nie auf irgendeinen Abschnitt der Yagis treffen kann? Gibt es elegantere Lösungen?

Das Thema dürfte u.U. durchaus einige Anlagen betreffen, wenn man DVB-T-Yagis und/oder UKW-Antennen HF-technisch sinnvollerweise oberhalb der Schüssel anbringt.

Ach so: der Eigner des Gebäudes ist von mir informiert worden, er soll da mal eine Blitzschutzfachkraft draufschauen lassen.


[Beitrag von Radiowaves am 07. Dez 2012, 17:55 bearbeitet]
Dipol
Inventar
#2 erstellt: 07. Dez 2012, 19:59

Radiowaves schrieb:
(Rhetorische) Frage: wo wird der Blitz zumindest teilweise langlaufen?


Wo der äquivalente Trennungsabstand "s" unterschritten ist gibt es einen Lichtbogenüberschlag.

Da war dann wohl keine qualifizierte Blitzschutzfachkraft sondern ein Eisenbieger am Werk. Terrestrische Antennen sind zumeist einfacher mit HVI-Systemen wie z.B. DEHNcon-H zu schützen. Der Fangstangenmontage mit billigeren GFK-Abstandshaltern sind wegen der erheblich größeren Statikbelastung Grenzen gesetzt.

Egal welches System verwendet wird, der äquivalente Trennungsabstand und Schutzwinkel- bzw. Blitzkugelverfahren müssen eingehalten werden.
http://www.youtube.com/watch?v=UDY1Qt0uSns
http://www.youtube.com/watch?v=pBNUO7hxWh4&feature=related (Bitte ab 1:40 die Gewinderichtung beachten)

Auf dem VDE-Foto verläuft die Ableitung mit zu großem Abstand zur Dachkante. Das ist selbst dann zu kritisieren, wenn das Dach weit über die Hauswand übersteht. Fachgerechter wäre es m. E. gewesen die Ableitung an der Dachkante zu installieren und der Fangstange einen eigenen Erdleiter vertikal zur Dachrinne zu spendieren.

Radiowaves schrieb:
Und ernstgemeinte Frage an die Fachleute: wie schützt man solche weit ausladenden Yagis? Ringsum 4 Fangstangen mit ausreichend Trennungsabstand und so hoch, daß eine Blitzkugel nie auf irgendeinen Abschnitt der Yagis treffen kann? Gibt es elegantere Lösungen?

Besonders elegant sehen abgesetzt montierte Fangstangen nicht aus.

Terrestrische Antennen mit langer Fangstange_[Fo1_rmm] Terrestrische Antennen mit langer Fangstange_[Fo2_rmm]

Diese getrennte Fangeinrichtung hat nur dem Blitzschutzbauer genutzt, denn die ist am Fußpunkt mit dem Antennenmast verbunden. Das war auch ein Eisenbieger! Alle Fangleitungen wunderbar rechtwinklig verlegt, "nur" mit der Trennungsabstandberechnung hat es gehapert!

Wenn eine Fangstange nicht ausreicht dann eben mehrere und in Extremfällen wie bei Weltraumraketen üblich vier mit Fangseilen verbundene Fangmasten.

Isolierter Blitzschutz für Ariane-Rakete


[Beitrag von Dipol am 07. Dez 2012, 20:25 bearbeitet]
Radiowaves
Inventar
#3 erstellt: 07. Dez 2012, 23:14

Dipol1 schrieb:
Terrestrische Antennen sind zumeist einfacher mit HVI-Systemen wie z.B. DEHNcon-H zu schützen.

Das kannte ich noch nicht. Wirkt "genial einfach" und sichert nahezu mittige Platzierung der terrestrischen Antenne im Schutzraum der Fangstange.


Dipol1 schrieb:
http://www.youtube.com/watch?v=pBNUO7hxWh4&feature=related (Bitte ab 1:40 die Gewinderichtung beachten)

Das Video ist genial! Ein paar Fragen für mehr Klarheit habe ich dazu noch:

1:15
Diese Dachsparrenhalter sind doch nicht isoliert? Bringen sie damit nicht hohe Spannungen unters Dach und bräuchten dort Trennungsabstand zu anderen metallischen Installationen sowie Berührungsschutz?

1:40
Ist das wirklich Linksgewinde oder hat man da falsch animiert?

2:05 - 2:20
Dieser "Draht" auf dem First, ist das in voller Länge eine Art "Fangstange"? Wie wird verhindert, daß er sich mit nach oben abgekantenen Enden irgendwann verdreht und die Enden nicht mehr nach oben zeigen?

3:00
Die Dachrinne wird eingebunden, das ist mir verständlich. Was geschieht mit der Dachrinne auf der anderen Gebäudeseite?

5:20
Trennungsabstände an allen Antennen sind klar erkennbar. Ist der nun in LPZ 0B befindliche Metallschornstein im Keller nun noch an die HES anzuklemmen?

5:25
DEHNcon-H kannte ich noch nicht. Elegant! Was ist das für Material, das die HV-Isolation sicherstellt?

6:15
Nun ists dem armen Häuslebauer zu teuer geworden und er hat seine Kupferdachrinnen verkaufen müssen...

6:30
Was bedeutet dieser "Schutzzylinder" (>90 cm x >17.5 cm)?


Dipol1 schrieb:
Fachgerechter wäre es m. E. gewesen die Ableitung an der Dachkante zu installieren und der Fangstange einen eigenen Erdleiter vertikal zur Dachrinne zu spendieren.

Nur bis zur Dachrinne? Ab dort dann Leitung über die Dachrinne zum Erder an der Hausecke? Muß die Dachrinne dann verlötet werden?


Dipol1 schrieb:
Diese getrennte Fangeinrichtung hat nur dem Blitzschutzbauer genutzt, denn die ist am Fußpunkt mit dem Antennenmast verbunden.




Dipol1 schrieb:
Wenn eine Fangstange nicht ausreicht dann eben mehrere und in Extremfällen wie bei Weltraumraketen üblich vier mit Fangseilen verbundene Fangmasten.

Ich werde der Einrichtung empfehlen, 4 solche Masten aufzustellen.

(Kommende Woche bin ich vermutlich nochmal dort, dann versuche ich mal ein Foto zu machen.)


Nachtrag: meine MP3-Sammlung spielte mir gerade The James - "Sometimes", netten britischen Pop aus den frühen 90ern. Der Text war mir schon einmal aufgefallen. Er hat Themenbezug und ist irgendwie ein wenig befremdlich:

There's a storm outside, and the gap between crack and thunder
Crack and thunder, is closing in, is closing in

The rain floods gutters, and makes a great sound on the concrete
On a flat roof, there's a boy leaning against the wall of rain
Aerial held high, calling "Come on thunder, come on thunder"

Sometimes, when I look deep in your eyes, I swear I can see your soul
Sometimes, when I look deep in your eyes, I swear I can see your soul

It's a monsoon, and the rain lifts lids off cars
Spinning buses like toys, stripping them to chrome
Across the bay, the waves are turning into something else
Picking up fishing boats and spewing them on the shore

The boy is hit, lit up against the sky, like a sign, like a neon sign
And he crumples, drops into the gutter, legs twitching
The flood swells his clothes and delivers him on, delivers him on

Sometimes, when I look deep in your eyes, I swear I can see your soul
Sometimes, when I look deep in your eyes, I swear I can see your soul

There's four new colors in the rainbow
An old man's taking polaroids
But all he captures is endless rain, endless rain
He says listen, takes my head and puts my ear to his
And I swear I can hear the sea

Somtimes, when I look in your eyes I can see your soul
(I can reach your soul)
(I can touch your soul)
Sometimes


(Daß mir der Refrain unendlich weh tut, ist eine andere Geschichte und völlig untechnisch...)


[Beitrag von Radiowaves am 08. Dez 2012, 01:20 bearbeitet]
Dipol
Inventar
#4 erstellt: 08. Dez 2012, 00:32

Radiowaves schrieb:
1:15
Diese Dachsparrenhalter sind doch nicht isoliert? Bringen sie damit nicht hohe Spannungen unters Dach und bräuchten dort Trennungsabstand zu anderen metallischen Installationen sowie Berührungsschutz?

1:15 = Dachleitungshalter.

Durch den liegt zwangsläufig ein Blitzstrompotenzial auch an der Unterkante der Dachlatte an, was bei der Elektroinstallation bedacht werden muss. Elis denen dein Problembewusstsein für Trennungsabstand abgeht klatschen noch heute in ausgebauten Dachgeschossen 16 mm² Cu-Erdleiter auf die Sparren.


Radiowaves schrieb:
1:40
Ist das wirklich Linksgewinde oder hat man da falsch animiert?

Gönn mir den Joke, das ist natürlich ein Animationsfehler.

Radiowaves schrieb:
2:05 - 2:20
Dieser "Draht" auf dem First, ist das in voller Länge eine Art "Fangstange"? Wie wird verhindert, daß er sich mit nach oben abgekantenen Enden irgendwann verdreht und die Enden nicht mehr nach oben zeigen?

Da dreht sich nichts, die Firstleitung wird insbesondere durch die Kreuzklemmen genug fixiert.

Radiowaves schrieb:
3:00
Die Dachrinne wird eingebunden, das ist mir verständlich. Was geschieht mit der Dachrinne auf der anderen Gebäudeseite?

Wenn das Gebäude eine Blitzschutzanlage hat: Siehe DEHN Blitzplaner 5.1.2. Ist z. B. nur die Antenne in den Schutzraum einer Fangstange gestellt, werden auch nur die metallischen Bauteile an den Erdleiter angebunden, die dazu keinen ausreichenden Trennungsabstand haben.

Radiowaves schrieb:
5:20
Trennungsabstände an allen Antennen sind klar erkennbar. Ist der nun in LPZ 0B befindliche Metallschornstein im Keller nun noch an die HES anzuklemmen?

Der muss ebenso wie eine Antenne in LPZ 0B an den Schutzpotenzialausgleich angeschlossen werden. Liegt er in LPZ 0A müsste er auf Potenzialausgleichsebene mit mind. 16 mm² Cu geerdet werden.

Radiowaves schrieb:
5:25
DEHNcon-H kannte ich noch nicht. Elegant! Was ist das für Material, das die HV-Isolation sicherstellt?

Siehe DEHN CUI: http://www.google.de...5U01tqjz_Au-F3KEkV_w

Radiowaves schrieb:
6:30
Was bedeutet dieser "Schutzzylinder" (>90 cm x >17.5 cm)?

Das ist ein sog. Abschluss, eine absolute Tabuzone für was auch immer. Auch beim Abschluss an der DEHNcon-H-Fangstange sind Abstandsräume zu beachten. Da kann man viel falsch machen, das ist ein Aufgabenbereich für wirklich qualifizierte Blitzschutzfachkräfte.

Radiowaves schrieb:
Nur bis zur Dachrinne? Ab dort dann Leitung über die Dachrinne zum Erder an der Hausecke? Muß die Dachrinne dann verlötet werden?

Blitzstromtragfähig genietet, hart verlötet oder überbrückt. Nur nicht gesteckt.
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