HIP Streichquartette?

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Kaddel64
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 25. Sep 2012, 10:47
Gibt es eigentlich Streichquartett-Formationen von einigermaßen bedeutendem Rang, die das klassisch-romantische Repertoire grundsätzlich auf historischen Instrumenten mit Darmsaiten spielen? Es fällt mir schwer, hierüber Informationen zu finden, und Streicherkammermusik bildet nicht gerade meinen Hörschwerpunkt.

Das Pleyel-Quartett Köln scheint so ein Ensemble zu sein, nur kenne ich von den wenigen Einspielungen nichts und kann deren Bedeutung nicht einschätzen.
Der Kuijken-Clan hat sich - teilweise unter dem Namen Kuijken-Quartett - an diverse Haydn- und Mozart-Quartette herangetraut, aber sind sie als Spezialisten zu sehen, oder musizieren sie doch eher durch die Brille des Barockmusikers?

Sind euch weitere, namhafte und empfehlenswerte Ensembles bekannt?
Frank1970
Stammgast
#2 erstellt: 25. Sep 2012, 12:52
Ein zumindest mir noch bekanntes HIP-Quartett, da mal in der Kölner Philharmonie gehört, ist das Quatuor Mosaïques, welches 1989 von den Stimmführern des Concentus Musicus Wien gegründet wurde. Ich weiß jetzt aber nicht, ob die wirklich nur auf Darmseiten spielen...

Viele Grüße
Frank


[Beitrag von Frank1970 am 25. Sep 2012, 12:52 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#3 erstellt: 25. Sep 2012, 14:45
Es gibt eine Reihe von HIP-Quartetten, wobei sich etliche dieser Ensembles wohl nur vorübergehend zusammengefunden hatten und nicht über längere Zeit Bestand haben oder hatten.

Die meisten Einspielungen gibt es von dem schon genannten Quatuor Mosaiques und dem ungarischen Festetics Quartett. Die Liste ist nicht vollständig, es gab schon eine Reihe von Quartetten u.ä. auf LP mit dem Quartett des Collegium Aureum (u.a. Haydns op.76 und Schuberts D 810) und es gibt sicher inzwischen auch einige jüngere Ensembles

Mosaiques: Haydn opp. 20, 33, 51, 64, 76, 77; von Mozart mindestens die "Haydn-Quartette, Klarinettenquintett, Beethovens op.18, Schuberts D 804 + das frühe Es-Dur, Mendelsohns op.12+13 (Naive/Astree)

Festetics: Haydn komplett ab einschl. op.9, Mozarts 4 späte + Klavierquartette, Schuberts D 804 + ein anderes frühes, etliche Aufnahmen mit weniger bekannten österreichischen/ungarischen Komponisten der Klassik. (teils Arcana, teils hungaroton)

Smithsonian Quartett/Ensemble: Haydn op.54,1+2, Beethoven op.18, Mozarts "Haydn"-Q., Boccherini (evtl. nur Quintette) (harmonia mundi)

Turner Quartett: Beethovens op.18; op.59/3+74 (harmonia mundi)

Apponyi Quartett (aus dem Freiburger Barockorchester) Haydns op.33 (u. eine Boccherini-CD)

Eroica Quartett: Schumann, Mendelssohn, sowie eine Beethoven-CD (harmonia mundi)

Schuppanzigh Quartett: Beethovens op.18/4 + 59/3 (Beethovenhaus); zwei CDs mit Haydn-Quartetten (accent), Quartette von Ries (cpo)

Bei cpo gibt es noch eine Reihe von Quartetten Boccherinis, sowie die von Cherubini und diverses weniger bekannter Zeitgenossen von HIP ensembles wie "The revolutionary drawing room"

Quintette von Mozart, Beethoven, Mendelssohn (+ Oktett) mit dem Ensemble Hausmusik auf Virgin
Diverse Streicherkammermusik von Trio bis Sextett mit "L'archibudelli" (um A. Bylsma) auf Sony Vivarte

Unter dem Kuijken-Clan firmieren, soweit ich weiß, unterschiedliche Ensembles, weil die Kinder in den Aufnahmen aus den 1980ern (Denon) wohl noch nicht mitspielen und von den neueren Einspielungen sind nicht alle auf alten Instrumenten).

Es gibt also bei Haydn, Mozart und Beethovens op.18 eine gewisse Auswahl (auch wenn manches schon wieder vergriffen oder schwer erhältlich ist), danach sieht es eher dürftig aus, auch wenn man insgesamt erstaunlich viele Werke auch der (Früh)romantik in "HIP" hören kann.


[Beitrag von Kreisler_jun. am 25. Sep 2012, 16:29 bearbeitet]
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 25. Sep 2012, 21:32
Danke euch, Frank und Johannes,

da kommt ja doch eine erstaunliche Menge zusammen. Auf das Quatuor mosaique war ich zwischenzeitlich auch schon gestoßen, der Name sagte mir aber nichts und dessen Ursprung aus dem CMW war mir auch unbekannt. Anner Bylsmas offenbar besetzungsmäßig wechselnde Formation auf Sony/Vivarte scheint sehr interessant zu sein, da gibt es eine ganze Menge an Veröffentlichungen. Die übrigen werde ich mir schrittweise ansehen bzw. -hören.

Ich fand bislang nie so recht den Zugang zur Streicherkammermusik ab Boccherini, während ich vieles aus dem (vor allem italienischen) Barock sehr gerne höre. Nur dort bevorzugt und fast ausschließlich auf HIP-Instrumentarium, dessen Klangwärme für mich in keinem Vergleich zu dem Klang moderner Instrumente steht. Ich vermute, dass dies EIN Grund für meine zurückhaltende Begeisterung bei klassisch-romantischem Repertoire sein könnte. Daher versuche ich jetzt über HIP-Ensembles mein Glück, mit Sicherheit in ganz kleinen Schritten einer Annäherung, erwartet also bitte nicht sofort Erfolgsmeldungen...

Vielen Dank für's Erste!

Gruß, Kaddel
Kreisler_jun.
Inventar
#5 erstellt: 25. Sep 2012, 21:54
Es gab letztes Jahr oder so eine sehr preiswerte Box, in der fünf Original-CDs des Mosaiques Q. drin waren, ca. je zwei Quartette von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Mendelssohn. (Ganz so billig ist sie nicht mehr, aber noch lieferbar). Andernfalls lohnte sicher auch eine ihrer Haydn-Boxen a 5 CDs

Mit dem Ensemble Hausmusik gab es eine günstige 5er-Box mit Quintetten und "gemischter" Kammermusik (wie Forellenquintett und Schuberts Oktett). Die wäre sicher auch ganz gut als Einstieg, zumal viele Hörer größere Besetzungen anscheinend zugänglicher finden als Streichquartett. Die sehr gute Einspielung von Beethovens op.18 mit dem Smithson(ian) SQ gibt es für EUR 5, da sollte man ebenfalls zugreifen.

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Ich habe auch nicht alles gehört, was ich weiter oben aufzählte, zumal etliches schon vergriffen ist, aber doch einiges und von den meisten Ensembles mindestens eine Scheibe (nichts vom "Eroica Qt")

Nicht wenige der Ensembles bestehen natürlich aus Musikern, die auch sonst in der HIP/Barock-Szene ziemlich aktiv sind. Beim Schuppanzigh-Qt. ist der Primarius Anton Steck, das (wohl in der Form nicht mehr aktive) Turner Qt. bestand teils aus Musikern, die in Herreweghes Barockorchester spielten usw.
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 26. Sep 2012, 07:13
Danke für die Empfehlungen! Beethovens Op. 18 mit dem Smithson Q habe ich mal direkt bestellt.

Die beiden Boxen mit den Kompilationen aus früheren Veröffentlichungen sind mir ehrlich gesagt zu gemischt. Nichts gegen die Werke oder ihre Interpretation und schon gar nichts gegen den Preis. Ich werde dennoch mal nachsehen, ob ich die Originaleditionen in kleineren Häppchen bekommen kann, die einen Komponisten und eine Werkgruppe behandeln, auch wenn ich u.U. draufzahle.

Und ja, die größere Kammerbesetzung empfinde ich tatsächlich als zugänglicher denn Quartette oder Trios.
flutedevoix
Stammgast
#7 erstellt: 26. Sep 2012, 08:27
Hallo,

interesant diese Zusammenstellung, ich kannte auch nicht alle Ensembles, die meine Namensvetter aufzählt.

Sehr empfehlenswert ist der Haydn mit den Fesetetics: klaglich sehr kompakt und trotzdem durchhörbar, mit viel sinn für feine klangliche Schattierungen.

Bei Cherubini kann ich "The revolutionary drawing room" sehr empfehlen, auch wenn das Quartett insgesamt klanglich weniger warm ud voll als die Festetics strukturiert ist.

Bei Boccherini habe ich eine sehr interessante und gute Einspielung mit dem Quartetto Esterhazy (u.a. Jaap Schröder und Wouter Möller), die klanglich sehr ausgewogen mit eher lyrischem Ansatz die Quartette spielen. Die Smithsonians in den Quinten sind hervoragend

Beethoven op.18 mit dem Quatuor Mosaiques ist sehr gut, ebenso wie der Ries mit dem Schuppanzigh-Quartett

______________________________

@Kreisler: Ich hatte vermutet, alle Aufnahmen des Kiujken-Clans wären auf jeweils zeitgenössischen Instrumenten. Neulich ist ein Debussy-Album erschienen, das wohl auf Instrumenten der Debussy eingespielt ist. Kannst du mir ein paar Alben auf modernen Instrumenten nennen, das würde mich sehr interessieren!


[Beitrag von flutedevoix am 26. Sep 2012, 08:30 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#8 erstellt: 26. Sep 2012, 09:13
Ich besitze von den Kuijkens auch nur die Debussy-Kammer-CD bei Arcana. Ich meine aber einige neuere Sachen (Beethoven op.59?) sei auf modernen Instrumenten gespielt. Vielleicht ist das aber auch einfach falsch. Jedenfalls kann allein aus Altersgründen das Ensemble der 1980er (s.u.) nicht mit dem aus zwei Generationen identisch sein.

jpc.de

Die kenne ich aber auch nicht. Ich besitze außer den drei abgebildeten Boxen noch Haydns opp.9,17,20,50, 54,55,64,71,74 und Schubert 804 mit Festetics, Haydn op.20, 51 und 76 mit Mosaiques, op.33 mit Apponyi, die Beethoven-CD, sowie eine mit Ries und eine mit Haydn vom Schuppanzigh, Beethovens op.18 mit Turner Q., noch eine Handvoll Archibudelli (Haydns op. 77, Mozarts 515, 516, 563, Beethovens Streichtrios, Schuberts Oktett, Klarinettenquintette von Weber u.a.) und vermutlich noch ein paar Sachen, u.a. von cpo, die ich nicht auswendig weiß.

Die Mosaiques-Box ist übrigens problemlos zu splitten; es sind, jedenfalls bei mir, einfach die Original-CDs in einem Pappschuber. Den habe ich weggeworfen und die CDs einzeln bei den jeweiligen Komponisten einsortiert. Bei der Hausmusik-Box geht das leider nicht, da eine 2er u. eine 3er Box mit unterschiedlichen Komponisten.
Joachim49
Inventar
#9 erstellt: 26. Sep 2012, 10:12
jpc.de
Ich versuche mal ein bisschen Ordnung ,in den Kuijken Clan zu bringen (wahrscheinlich nur unvollständig). Es gibt die 3 Brüder: der Geiger und Dirigent Sigiswald (1944), der Flötist Barthold (1949) und der gambist/Cellist Wieland (1938). Im alten Kuijkenquartett spielten 3 Kuijkens (Sigiswald, Wieland und Marleen Thiers, die Ehefrau Sigiswalds, die nach deutschem Namensrecht auch Kuijken hiesse, aber in Belgien behalten die Frauen offiziell ihre Mädchennamen. Zusammen mit Fernandez ist dies die alte Besetzung.
Sigiswald K. hat (mindestens) 3 Töchter, die musikalisch auffällig geworden sind. Die Bratschistin Sara, die Geigerin und Pianistin Veronica und die Sängerin Marie. Veronica hat sowohl CD-Aufnahmen als Pianistin, als auch als Geigerin im neuen Kuijkenquartett, das also aus Sigiswald und Veronica (Geige), Sara (Bratsche) und dem Bruder bzw. Onkel Wieland besteht.
Daneben gibt es noch einen Pianisten Piet Kuijken, das ist ein Sohn Wielands. Ob der Kiomponist Jan K. zum selben Clan zählt, weiss ich nicht.
Nach den Zitaten auf der jpc website spielt das Zweigenerationen Kuijken Quartett auf modernen Instrumenten.
La petite Bande - das Orchester Sigiswald Kuijkens, erhält ab 2013 keine staatlichen Zuschüsse mehr von der flämischen Gemeinschaft. Eine flämische Abgordnete hat dies mit dem Argument begrüsst, das Ensemble trage ja auch einen frz. Namen. (Ein trauriges Zeugnis für den Zustand Flanderns, wo die separatistischen Parteien (Vlaams Belang unf Nieuwe Vlaamse Alliantie) in Kûrze die Politik so dominieren werden, dass der belgische Staat völlig gelähmt sein wird. Der Belgische Weltrekord bei der letzten Regierungsbildung, mehr als 500 Tage, ist schon ein Vorzeichen. Aber gut, dies ist ein Musikforum.
Klassikkonsument
Inventar
#10 erstellt: 26. Sep 2012, 13:32
Ich hatte mal Mozarts 'Haydn'-Quartette mit dem "alten" Kuijken Kwartet (Denon). Was historische Informiertheit und Praxis an Transparenz herausgeholt haben mögen, wird durch die hallige Akustik der Aufnahme-Location, eine Kirche, leider mehr als wettgemacht. Wenn man daran interessiert ist, was 2. Violine & Bratsche spielen, während auch die anderen spielen, ist man mit dem Amadeus-Quartett (egal welche Aufnahme) wahrscheinlich besser bedient. Ganz schlimm.
Wenn ich mich recht entsinne, wird dann im Variationensatz des A-dur-Quartetts die letzte Variation irrtümlicherweise auch wiederholt. Das kann natürlich auch einfach ein Schnittfehler sein.

Vorbildlich in Sachen Transparenz dagegen die Debussy-Aufnahme des neueren Kuijken Kwartets, nicht zuletzt auch wegen der ungewöhnlichen Sitzordnung (die Violinen nicht beide links, sondern links und rechts einander gegenüber).
Die Violinsonate auf der selben Scheibe ist übrigens leider recht spannungslos gespielt, auch wenn diese Aufnahme von den Klangfarben her ein Gewinn sein mag. Ich höre jedenfalls die historische Aufnahme von Cortot & Thibaud (EMI, 1929), die wohl noch mehr oder weniger Kontakt zu Debussy und seinem Umfeld hatten, lieber.
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