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Wie wichtig ist Euch der Klang von Klassikeinspielungen ?

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 24. Mrz 2004, 13:27
Hallo Forianer,

Manche Themen entstehen sozusagen "von selbst"
BigBerlinBear anwortete auf eine Kritik am Klang einer von ihm empfohlen Platte folgendermaßen:


Für mich ist die Aufnahmetechnik keine Heilige Kuh, denn das würde bedeuten, das ich etliche meiner Lieblingsaufnahmen unter diesem Kriterium betrachtet, schlechthin "in die Tonne" treten müsste. Ich denke da z.b. an die "Kindertotenlieder" mit der unvergleichlichen Kathleen Ferrier unter Bruno Walter aber auch etliches andre, was z.b. Furtwängler dirigierte ! Ich hab mich deswegen auch ein wenig über die Reaktion zu meinem Thread Mahler 10/Barshai, geärgert, der eigentlich fast unisono die zweifelos unüberhörbaren klanglichen Defizite zum Inhalt machte und meine Frage nach der Musik weitgehend ignorierte. Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn eine vorzügliche Tontechnik mit dem Referenzcharakter einer Aufnahme zusammenfallen, aber der eigentliche Maßstab werden für mich immer das Werk selber uns seine Interpretation bleiben. Die von dir erwähnte Aufnahme der Sechsten von Mahler mit Boulez hat. m.E. sowohl in klanglicher wie auch interpretatorirscher Hinsicht Referenzcharakter. Grüsse aus Berlin


Ich wollte ihm antworten, sah aber dann schon Statements von anderen Forianern voraus, was das eigentliche Thema "zerstört" hätte. Und habe mich daher entschlossen,
einen eigenen Thread über dieses Thema zu eröffnen.

Die Fragen sind deshalb sehr wichtig, weil wir einander ja gelegentlich Aufnahmen empfehlen.

Worauf legt ihr beim Klang wert ?
Stört euch analoges Rauschen und wenn ja, wie sehr ?
Stört euch "Dumpfer Klang" oder "Schriller Klang"
Wie stehts mit mono ?
Wie stehts mit der Schellack-Zeit ?
Sonstige klangmindernden Faktoren.
Jeder braucht nur das erwähnen was er für relevant hält.

Hier möchte ich zugleich meine Prämissen erklären, als auch
Fragen die BBB anriß beantworten.

Meine Sammlung ist in mehrere Teile unterteilt.
Jedoch die wichtigste Unterteilung innerhalb der Klassik ist "Historisch-NichtHistorisch" So eine Grenze ist natürlich willkürlich. Bei mir gilt alles als "nicht-historisch" was bereits Stereo ist.

"Historische" Aufnahmen gibt es bei mir von Enrico Caruso, Nelly Melba bis hin zu Jan Kiepura und Peter Anders, allerdings wenig instrumentales. Solche Aufnahmen, die ich für unverzichtbar halte geniessen "Narrenfreiheit", ich mag sie eher ungefiltert (oder schwach gefiltert, wenn nicht anders möglich) als überfiltert. Diese Aufnahmen sind für mich von historischem Interesse, mehr nur in Einzelfällen.
(Hotter, Rosvaenge, Anders, ua,)

Es gibt bei mir kaum "edles Mono", also Aufnahmen aus den fünfzigern, die dann zumeist mit gleichen Künstlern in den sechzigern erneut in Stereo eingespielt wurden.

Bei Analogaufnahmen ab ca 1956 ist ein (auch vernehmliches) Rauschen bei mir kein Beinbruch, Aufnahmen die jedoch "mulmig" klingen und den Klang bestenfalls erahnen lassen, sind nicht vorhanden, beispielsweise keine "Livemitschnitte" wo alles rummst und scheppert.

Und nun kommen wir ins Digitalzeitalter:
Hier bin ich besonders streng. Ich sehe nicht ein, wenn eine Digitalaufnahme von heute (oder von 1995) unmusikalischer, synthetischer oder unräumlicher klingt, als eine analoge Einspielung vor 30 Jahren. (!)
Ich bin kein "audiophiler" der eine Aufnahme mit einem unbekannten drittklassigen Interpreten nur deshalb akzeptiert, weil der Klang so super ist. Auf der anderen Seite sind technisch dilettanische Aufnahmen (oder solche, die ich so beurteile) aus der Digitalära, mit welchem Künstler auch immer, inakzeptabel. Was habe ich davon zu wissen, daß der Geiger XY seiner Violine besonderen Schmelz entlockt, wenn ich es jedoch nicht hören kann ?

Aber natürlich setzt jeder andere Präferenzen.

Ich glaub das könnte ein spannender Thread werden:
Beispiele sind gern gesehen.


Gruß
aus Wien

Alfred
Tantris
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 24. Mrz 2004, 13:49
Hallo,

Bei der Gestaltung von Klassikaufnahmen lege ich vor allem wert auf ein gut durchhörbares, nicht zu trockenes Klangbild, wobei die Lautstärkeverhältnisse zwischen den Instrumentengruppen ausgewogen gestaltet werden sollten - bei Vokalmusik überdies Textverständlichkeit. Eine Sache des persönlichen Geschmacks ist es ferner, daß die Aufnahme wenigstens ansatzweise "räumlich" klingen sollte, sofern dies nicht zu lasten der anderen Parameter geht, zu trockene Aufnahmen schätze ich persönlich ebensowenig wie "audiophile" Aufnahmen, wo nur noch Hall drauf ist. Bei Liveaufnahmen ist mir überdies die möglichst weitgehende Unterdrückung von Störgeräuschen wichtig.

Darüberhinaus ein Mindestmaß an technischer Qualität - ich höre auch mal eine ältere Aufnahme, die deutlich rauscht, aber das darf nicht störend werden, sonst macht es keinen Spaß und verhindert die Konzentration auf die Musik. Die meisten von mir öfter gehörten Klassikaufnahmen sind deshalb >1970 entstanden. Verzerrungen lösen bei mir auch starke Ablenkung von der Musik und damit letztendlich Verlust des Hörspaßes aus.

Mono empfinde ich besonders bei komplexen Werken und größeren Klangkörpern als sehr störend. Seit Jahren habe ich hier einen kompletten Furtwängler-"Ring" hier liegen und ihn noch nie komplett durchgehört.
Alfred, ich lese bei Dir auch in Ansätzen einige Vorurteile gegenüber modernen Digitalaufnahmen heraus. Ich frage mich ernstlich, woher das kommt, in der heutigen Zeit ist das technische Niveau doch wirklich extrem hoch und ein Großteil der Aufnahmen ist auch aus gestalterisch-musikalischer Sicht mehr als überzeugend.

Gruß, T.

PS: Am liebsten natürlich Klassik in 5.1, aber das Repertoire ist da noch so erschreckend gering...
Oliver67
Inventar
#3 erstellt: 24. Mrz 2004, 14:00
Nun gibt es hier doch noch einen High-Fidelen Thread

Stört euch analoges Rauschen und wenn ja, wie sehr ?
Nein, es sei denn es ist wirklich extrem (30er Jahre), so dass man die Musik nur noch verdeckt hört.

Stört euch "Dumpfer Klang" oder "Schriller Klang"
Auch hier in gewissen Grenzen nicht. Fehlen natürlich die Höhen "völlig", so daß die Geigen nicht mehr erkernnbar sind ...

Wie stehts mit mono ?
Besser eine gute Mono-Aufnahme als eine schlechte Stereo-Aufnahme.

Wie stehts mit der Schellack-Zeit ?
Da ist bei mir (im klassischen) die Grenze. Ich verzichte und höre lieber jüngere Einspielungen. Für meinen Geschmack fehlt bei Schellack so viel (ausklingende Töne, Pianissimo-Stellen, etc.), dass eine Beurteilung/ein Genuß nicht mehr uneingeschränkt möglich sind.

Sonstige klangmindernden Faktoren.
Was mich ungemein stört sind Geräusche bei denen dem Großhirn zwar klar ist, dass sie nicht zur Musik gehören, dies aber nicht im Unterbewußtsein automatisch geschieht (Laufgeräusche, anstoßen an Mikro, etc. so dass man es ständig als Paukengrummeln einstuft, etc.)

Was nicht stört: Huster, Schneuzen im Publikum, Nebengeräusche der Musiker (Mitsummen, Stuhlknarren), falsche Noten (viel besser als zusammengeschnipselte Schönklangaufnahmen),

Ganz allgemein: erst kommt die Musik, dann die Aufnahme. Auch neue Digitalaufnahmen sind teilweise schlecht, ältere Analogaufnahmen (gerade die 60er Jahre) hingegen oft sehr gut.

Oliver
cr
Inventar
#4 erstellt: 24. Mrz 2004, 14:04
1) anaolges Rauschen stört mich sehr (digitales von frühen Digitalaufnahmen noch mehr, weil schotterig). Daher kaufe ich kaum CDs, die vor 1970 aufgenommen wurden.

2) Übersteuerungen oder ähnliche Effekte. Hier gibt es etliche Opern der DG aus den frühen 80ern (Stellen sind zB in Nabucco/Sinopoli; Aida - Ballettmusik/Abbado; ...)

Die 3. Bruckner mit Karajan (Digitaleinspielung) gab ich wegen des übersteuerten Finales zurück.
Die 2. Mendelsohn/Abbado klingt gräßlich an einzelnen Chorstellen, kann ich nicht anhören (Umtasch war nicht möglich, da ich alle 5 Symphonien in einer Ausgabe habe)
Händel: Die Wahl des Herakles/Capriccio ist eine aufnahmetechnische Katastrophe

3) Brummen:
Die 10. Schubert unter Bartholomee ist in 2 Sätzen nicht anhörbar.

4) hörbare Schnitte: Bei einigen Decca-Aufnahmen, die in den frühen 80ern geschnitten wurden

5) Genauso stört mich die Husterei oder Klatscherei, daher vermeide ich ungeschnittene (echte) Live-Aufnahmen.
Hilda
Stammgast
#5 erstellt: 24. Mrz 2004, 14:19
Hallo,

von offensichtlichen Fehlern wie Übersteuerungen o.ä. abgesehen ist mir die Klangqualität dann schnuppe, wenn mich die Aufnahme packt.

Eine langweilige Aufnahme ist auch durch perfekte Tontechnik nicht zu retten. Und eine richtig gute mit mässiger Aufnahmetechnik ist trotzdem eine richtig gute

Allerdings ist es auch so, daß der Spass an der Aufnahme schon mit der Tontechnik wächst - vor allem bei Stücken, die ich nicht kenne.

Im Grunde gehe ich konform mit Tantris, daß in den letzten Jahren so gut wie keine richtig 'schlechten' Aufnahmen auf den 'Klassik'-Markt kamen. Ich denke wir diskutieren da schon eher im Bereich Ästhetik als Qualität was die Tontechnik betrifft. Hier gibt es sicherlich mehr als einen Ansatz.

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#6 erstellt: 24. Mrz 2004, 14:46
Alfred schrieb dankenswerterweise:
Worauf legt ihr beim Klang wert ?
Jeder braucht nur das erwähnen was er für relevant hält.

und steckte damit ein weites Feld ab.
Spontan erst mal Folgendes:

Stört euch analoges Rauschen und wenn ja, wie sehr ?

Kann man nicht einfach nur mit "Ja" beantworten.
Allgemein ermüdet Rauschen.
Es stört:
- wenn es einen so hohen Pegel hat, daß es wichtige Klänge verdeckt,
- wenn es in Pegel &| Spektrum schwankt (durch unsensibles Entrauschen)
- wenn es als Modulationsrauschen gemeinsam mit Tönen auftritt (bei allen analogen Tonbandaufnahmen, Querflöte solo ist da ganz kritisch)
- wenn es als dynamischer (analoger) Kompanderfehler auffällt, wie bei einigen Aufnahmen in den späten 70ern (zur Illustration ein Beispiel: Schostakowitsch 15. Roshdeswensky, Melodya, da steht zwar DDD drauf aber es klingt sehr analog, bei den Schlägen der Trommel springt der Rauschpegel als häßliches Geräusch hoch) (oft bei dbx- und TelComC4-Aufnahmen, das sollten Dolby-A Konkurrenzprodukte (TelCom von Telefunken) sein, waren aber Fehlkonstruktionen wg. mangelnder hörphysio-/psychologischer Kenntnisse)

Es kann sogar nützlich sein, wenn es nicht vorhandene Brillanz vortäuscht.

Stört euch "Dumpfer Klang" oder "Schriller Klang"

Aber sicher. schrill: z.B. CBS LPs der 61000er Serie (Dvorak 9. Szell)
allgemein die dünnen baßlosen DG-Aufnahmen (Kubelik: Mahler 5.)

Wie stehts mit mono ?

Ist auch qualitätsmindernd, besonders bedauerlich bei Bartok: Konzert f. Orchester, Fricsay DG.

Wie stehts mit der Schellack-Zeit ?

In kleinen Dosen <45 min bei guter Aufbereitung und dem Wissen daß es nichts besser klingendes gibt erträglich (z.B. alte Melba, Caruso, Schnabel u. Gieseking-Aufnahmen.) An das Knistern kann man sich gewöhnen, wenn es konstant bleibt.

Sonstige klangmindernden Faktoren.

Eine Menge:
wilde, nicht konstruktive Mischpultaktionen wie bei Jürg Jecklins Mahler 10/5 Mix,
*** edit anm s.u. ***
der Einsatz von Noisegates (ebd.),
unnatürlicher Raumhall, (ebd.)
unsensible Dynamikkompression,
typische Mischfehler/-korrekturen wie in Harnoncourts Aida, Gergievs Verdi Requiem (Bocelli),
auch in Wands letzter Bruckner 8. mit den Berlinern (schlimm: die leisen Pauken)
(harte) Schnitte (Karajan: Tristan Schluß, EMI)
Montagefehler u. harte Übersteuerungen muß ich vielleicht nicht erst erwähnen

Gruß

edit Anm: Bez. der 10. Mahler hat Jürg Jecklin a.a.o dargestellt, dass er für Schnitt, Mischung & Mastering dieser Patchwork-Aufnahme nicht verantwortlich ist.


[Beitrag von op111 am 25. Mai 2009, 16:13 bearbeitet]
Antracis
Stammgast
#7 erstellt: 24. Mrz 2004, 16:06
Tag zusammen,
bei mir charakterisiert es sich wohl am besten so:

Wenn ich hier im Forum etwas von herausragender Aufnahmequalität lese, nehme ich das eher untergeordnet war. Lese ich dagegen eine Warnung wegen Rauschen oder schlechtem Klangbild, klingeln bei mir schon die Alarmglocken.

Ich habe nie eine einzige Schallplatte besessen, was wohl eine ziemlich Abneigung gegen das Rauschen erklärt (und mich darüberhinaus die Diskussion Analog vs. Digital immer ziemlich kopfschüttelnd-unverständig verfolgen lässt ). Allerdings ziehe ich eine künstlerische Referenz immer der klanglichen vor.
Nur gibt es aus meiner Sicht nur sehr wenige Fälle, wo diese in der Mono-Ära zu suchen ist.
Am problematischsten ist es sicher bei Chören. Verdis Otello unter Toscanini mag eine Referenzaufnahme sein, aber sie würde sicher nie mein Erstkauf werden, weil ich für die erste Wahl eigentlich immer Aufnahmen kaufe, die auch klanglich gewisse qualitative Grenzen erreichen.Die remasterten Aufnahmen, die als "Referenz", Great Recordings ect. auf den Markt geworfen werden, reichen mir klanglich eigentlich immer aus.

Fazit: Aufnahmen wie den berühmten Furtwängler-Tristan von 1959(51?) besitze ich zwar, sie nehmen aber nie den Platz einer Lieblingsaufnahme ein, dienen gleichsam nur einer Erweiterung des Horizontes und nur sehr selten ist der Genuß solch einer Aufnahme vergleichbar oder gar größer, als einer "klanglich-zeitgemäßen".

Die einzige Monoaufnahme, die ich liebe ist eine Einspielung der h-Moll-Sonate von Liszt mit Gilels. Salzburg live 1970. Aber das ist halt schon Luxus-Mono.

Gruß
Anti
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 24. Mrz 2004, 17:10
Hallo:

Vielleicht noch eine kurze Begriffserklärung

Akustische Aufnahme:
War vor 1925.
Extremes Rauschen. Trötiger Klang
Es wurde in einen Trichter mehr hineingeschrien als gesungen.
-----------------------------------------------------
Elektrische Aufnahme 78 UPM (Schellack)
etwa ab 1925.Blüte in den dreißigern und vierzigern.
Vereinzelt noch nach 1950

Diese Aufnahmen waren natürlich mono
Sie rauschten relativ stark hatten aber etwa ab 1936
(durch die Entdeckung der Vormagnetisierung bei Tonbändern)
oft schon einen brauchbaren Hochtonbereich.
Techniker bemühten sich (leider !!) bei Überspielungen stets
das Rauschen zu unterdrücken und handelten sich im Gegenzug dafür höhenarmen verwaschenen Klang ein, was IMO noch schlechter klingt. Auch neueste, computeroptimierte Rauschunterdrückungsverfahren nutzen da nichts.
-------------------------------------------------------
Mono Langspielplatte 33 Upm (früher sagte man Microrille)
Markteinführung schleichend, aber ca um 1950
Rauschte leicht, aber vernehmlich weniger als alles bisherige,im Idelfall voller Frequenzumfang, tendenziell weicher als Heutiges und, wie alles Bisherige auch, dynamisch begrenzt (Störabstand ca 50-55 dB)
Es entsprach der damaligen Auffassung von gutem Klang, daß Sänger und Solisten nah am Mikrophon, also präsent waren.
Gegen Ende des Lebenszyklus waren Mono-LPs sehr rauscharm für damalige Verhältnisse.
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Stereo- Langspielplatte 33 UPM
Räumlicher Klangeindruck. Rauschen und Knistern nahm aber gegenüber mono geringfügig zu, weil es "räumlich geworden war !! Der Frequenzumfang war, intaktes Equipment vorausgesetzt, wie heute.
Und von gerade diesem Rauschen rede ich, wenn ich frage ob das akzeptabel ist.
Es ist jenes Rauschen, das ihr auf Karajans Beethoven von 1961 gehört habt, auf den Klemperer-Aufnahmen, jenen von Böhm, Szell und Jochum.
Nicht alle sind gleich stark rauschend, aber es ist da.
Normales Analograuschen der Stereoära.
In den siebzigern erneut verringert durch feinere Magnetpartikel auf den Bändern, die sich aber dann leider als nicht so alterungsstabil entpuppt haben wie ihre rauschenden Kollegen
Ich vermag das nicht mehr zu beurteilen, weil ich dieses Rauschen seit meiner Kindheit gewohnt war, und weil es jetzt auf CD weniger ist. (Es fällt der Anteil des Nadelrauschens weg, und das Zusatzrauschen welches vom analogen Mastering herrührt). Tja und last but not least lässt die Empfindlichkeit für höhere Töne ab 30 rapide nach....

Das wars

Gruß aus Wien
Alfred
Oliver67
Inventar
#9 erstellt: 24. Mrz 2004, 18:30
Das Rauschen einer normalen 60er-Jahre Aufnahme (z.B. Beethoven-Symphonien, 1962 DG, Berliner PH, Karajan) ist deutlich vernehmbar, stört mich aber nicht im geringsten.

Furtwängler 1940-1950: stört auch nicht, dafür sorgt Furtwängler

Oliver
driesvds
Ist häufiger hier
#10 erstellt: 24. Mrz 2004, 22:44
sehr guter thread.

da ich mich bei klassik hauptsächlich mit klaviermusik auskenne, kann ich nur hierzu etwas sagen.

ein klavier muss klar, dynamisch und ohne zuviel raum und reverb aufgenommen sein. viele moderne aufnahmen nerven, weil sie auf steinway und mit viel zu viel raum und reverb - weich klingend - aufgenommen werden. auch die gewaltige klavier dynamik wird auch oft so weit compressed, dass es vielleicht wohnzimmer tauglicher, aber sicher nich realistischer wird.

ich habe einige richter aufnahmen - primitiv russisch aufgenommen - die fantastisch ortbar, klar und dynamisch klingen.

es scheint mir hier, das desto einfacher die aufnahmetechnik ist, desto natürlicher das ergebnis.

klavierkonzerte gefallen mir am besten wenn der natürliche dynamik im saal beibehalten wird und ton-techniker nicht andauern instrumentgruppen oder das klavier nach vorne und hinten stellen.

generell gilt den klang des instrument zu respektieren und nicht in die trick-kiste zu greifen - wissen eigentlich alle hier wie verdammt laut es rauscht in einem konzertsaal? für die räumliche und natürliche wirkung ist es wichtig dass so zu lassen und nicht wegzufiltern.

auf den besten solo-klavieraufnahmen ist es alsob das klavier ca. 5 meter vor mir steht mit den solist links von der mitte - der saal atmet das publikum hustet nicht und eine komplett natürliche bühne baut sich auf. an manche momente kommt die aufname sehr nah an das live-erlebnis heran. (edinburg concert: murray perahia).

ok, eine gute anlage braucht man da natürlich schon.
embe
Stammgast
#11 erstellt: 24. Mrz 2004, 23:40
Hi,
also ein gewisses Maß an Klang sollte schon vorhanden sein.
Wenn ich eine Interpretation nicht mehr verfolgen kann weil schlicht alles in Nebengeräuschen versinkt, ist die Aufnahme für mich gestorben, egal wer interpretiert.
Bin auch kein überzeugter Monofreund, einzig als Hintergrundmusik ertrag ich Mono länger.
Gemein sind auch Übersteuerungen und Verzerrungen an den schönen Stellen, oder Knackser bei Klavier solo.
Fürchterlich empfinde ich auch mp3 files, wer sich das antut ist selber Schuld.
Auch der Digitalklang einiger Radiostationen via Satellit
klingt
Da ich viel kopfhöre ist man dem Grauen sehr nahe.
Nach einem gewissen Level ist aber vieles erträglicher.

Gruß
embe
gaspard
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 25. Mrz 2004, 00:51
Ob was wirklich stört, entscheidet sich bei mir von Fall zu Fall.

Grundsätzlich bevorzuge ich rauschfreie, klare Studioaufnahmen. Nebengräusche seitens des Interpreten nehme ich notfalls in Kauf (Glenn G. seelig):D
Auf Konzerte für Huster und Orchester kann ich allerdings verzichten.
Leider liefern einige moderne digitale Studioaufnahmen Rauschfahnen und Pumpgeräusche gratis dazu. Sowas nervt mich dann gewaltig, insbesondere bei leisen Klavierpassagen.
Bei älteren Aufnahmen liegt die Schmerzgrenze entsprechend höher. Die Debussy- Doppel-CD von Robert Casadesus (Sony) hat für mich einen besonderen Interpretationswert. Ich höre sie trotz klanglicher Beeinträchtigung mit dem selben Genuss wie die absolut perfekt klingenden Preludes von Zimerman.

g
Markus
Inventar
#13 erstellt: 25. Mrz 2004, 06:40
Hallo driesvds,

mit Deiner Beschreibung hast Du mich sehr neugierig gemacht. Es ist zwar ein wenig offtopic, aber mich würden schon einige Beispiele interessieren, die die von Dir beschriebenen klanglichen Eigenschaften besonders gut zeigen.

Gruß,

Markus.
driesvds
Ist häufiger hier
#14 erstellt: 25. Mrz 2004, 08:05
hallo markus:

so einfach kann eine gute aufnahme sein:
sviatoslav richter: bach, das wohltemperierte klavier - olympia, 1970, 501077 a+b

musikalisch hervorragend:
sviatoslav richter: scriabin, debussy, prokofiev - deutsche grammophon, 1965, 423 573-2

live-aufnahme mit sehr viel "saal" (achtung nr. 10 opus 25, leise passage - da schreit einer irgendwo weit im hintergrund - kannst's es hören?):
elisso wirssaladze, chopin etudes op. 10&25, live classics, 1998, LC 5954

augen zu, es ist alsob ich in der 2 reihe vor'm klavier sitze: sogar die höhe stimmt:
murray perahia, the aldeburgh recital, sony, sk46437

wie in andere threads schon gesagt; es geht hier um musikalisch hören.

was meiner anlage betrifft; das steht eh in meinem "profil".

Tantris
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 25. Mrz 2004, 08:28
Hallo Dries,



es scheint mir hier, das desto einfacher die aufnahmetechnik ist, desto natürlicher das ergebnis.


Ich meine, Du bist hier im Irrtum - weder macht generell eine "einfache Aufnahmetechnik" Sinn noch gibt es bei Stereo in irgendeiner Weise "natürliche Aufnahmen". Auch die Aufnahmen, die Du als natürlich empfindest, sind stark gestaltet (auch eine 2-Mikrofon-Aufnahme ist per se stark gestaltet, etwa durch Wahl der Mikrofontypen und des Aufstellungsortes). Das ist letztendlich Geschmackssache, ich halte aber Deinen Ansatz, Klaviermusik generell "trockener" abzumischen, für richtig.



wissen eigentlich alle hier wie verdammt laut es rauscht in einem konzertsaal? für die räumliche und natürliche wirkung ist es wichtig dass so zu lassen und nicht wegzufiltern.


Das kommt sehr stark auf den Konzertsaal an - ich besuchte vor einigen Wochen die Lindenoper in Berlin, da rauscht es tatsächlich sehr stark, vermutlich weil das Gebäude gegen Windgeräusche/Straßengeräusche/Luftströme etc. anfällig ist. Allerdings vermag das menschliche Gehör dsa typische Grundrauschen eines Saales aufgrund seines Ortungsvermögens - das Rauschen kommt i.A. gleichmäßig aus allen Raumrichtungen - erheblich besser auszublenden (selektive Wahrnehmung), als das Rauschen bei einer Stereoaufnahme, daß aus derselben Richtung kommt wie die eigentliche Musik. Insofern hat Rauschen auf Stereoaufnahmen - selbst wenn es sich um das originale Raumgeräusch handelt - keinerlei "natürliche Wirkung" und ist IMHO vom Toningieur deutlich zu reduzieren.

zu Anti:

Furtwänglers berühmte "Tristan"-Aufnahme ist von 1952, er starb 2 Jahre später (übrigens kurz nachdem er mit Ludwig Suthaus in Wien "Die Walküre" aufgenommen hatte, was demnach seine letzte Aufnahme darstellt).

Gruß, T.
Albus
Hat sich gelöscht
#16 erstellt: 25. Mrz 2004, 10:04
Tag,

von Fall zu Fall wähle oder variiere ich meine Höreinstellung. - Nehme ich mir vor, mich auf die Ästhetik des Werks zu konzentrieren oder zu geniessen, dann interessieren mich nicht Schellackknistereien oder Mono-Grenzen des Historischen (Emanuel Feuerman, Cello oder Artur Schnabel, Klavier oder Bruno Walter mit den New Yorker Philharmonikern und Beethoven oder ...). Begebe ich mich in der Höreinstellung fiktiv in die Galerie, dann kommt es auch auf die Pracht des Klanges nicht an. Es kommt selten vor, dass ich in meiner Höreinstellung von dem Tonträger quasi 'Alles' haben möchte, Parkett mit idealem Platz im Raum der Aufführung; selbst dann weiß ich noch stets, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen können. Zum Ideal gehörte für mich, dass der Klang der Wiedergabe vom Sinn des Werkes überformt wird. Summa: Klang ist nachrangig.

Von der Galerie grüßt
Albus


[Beitrag von Albus am 26. Mrz 2004, 09:38 bearbeitet]
driesvds
Ist häufiger hier
#17 erstellt: 25. Mrz 2004, 10:46

Hallo Dries,



es scheint mir hier, das desto einfacher die aufnahmetechnik ist, desto natürlicher das ergebnis.


Ich meine, Du bist hier im Irrtum - weder macht generell eine "einfache Aufnahmetechnik" Sinn noch gibt es bei Stereo in irgendeiner Weise "natürliche Aufnahmen". Auch die Aufnahmen, die Du als natürlich empfindest, sind stark gestaltet (auch eine 2-Mikrofon-Aufnahme ist per se stark gestaltet, etwa durch Wahl der Mikrofontypen und des Aufstellungsortes). Das ist letztendlich Geschmackssache, ich halte aber Deinen Ansatz, Klaviermusik generell "trockener" abzumischen, für richtig.



wissen eigentlich alle hier wie verdammt laut es rauscht in einem konzertsaal? für die räumliche und natürliche wirkung ist es wichtig dass so zu lassen und nicht wegzufiltern.


Das kommt sehr stark auf den Konzertsaal an - ich besuchte vor einigen Wochen die Lindenoper in Berlin, da rauscht es tatsächlich sehr stark, vermutlich weil das Gebäude gegen Windgeräusche/Straßengeräusche/Luftströme etc. anfällig ist. Allerdings vermag das menschliche Gehör dsa typische Grundrauschen eines Saales aufgrund seines Ortungsvermögens - das Rauschen kommt i.A. gleichmäßig aus allen Raumrichtungen - erheblich besser auszublenden (selektive Wahrnehmung), als das Rauschen bei einer Stereoaufnahme, daß aus derselben Richtung kommt wie die eigentliche Musik. Insofern hat Rauschen auf Stereoaufnahmen - selbst wenn es sich um das originale Raumgeräusch handelt - keinerlei "natürliche Wirkung" und ist IMHO vom Toningieur deutlich zu reduzieren.

Gruß, T.


Ich glaube Du weißt schon was ich meine mit "einfach" und "aufwendig" - wie deutsche grammophon jetzt klavieraufnahmen macht; da glaubt man ein 25 köpfiches chirurgen-team ist gerade dabei eine multi-organ-transplantation durch zu führen. ;-D

Rauschen auf Stereoaufnahmen kommt nur aus einer Richtung??
Also bei der perihia aufnahme auf meiner Anlage ist dieses Rauschen nicht ein nervendes white noise, sondern angenehm, natürlich und absolut RÄUMLICH. Der Saal "atmet", bildet eine perfekten raum in 3D wo ich z.B. bei der perihia aufnahme ganz leise hinten die klimatisierung höre - links von der mitte spielt der pianist - das klavier ist fast greifbar - mehr vorne sitzen leute man hört sie manchmal leise bewegen.

Und ja, Du kannst es vielleicht kaum glauben - zwischen alle geräusche hört mann auch noch die Musik; sehr natürlich, dynamisch - von sehr leise bei der der liszt consolation - bis kraftvoll bei beethovens variationen.

Mein Rezept? Probiers mal mit Röhren, Silberkabel und NULL dämpfung!!!
( Du weißt schon - SE Class A, 2x10watt, >90dB lautsprecher) - da hört man sogar jeden furz im Publikum. :-O

Voodoo Ohren? vielleicht, aber ich bin froh darüber.
walter_f.
Hat sich gelöscht
#18 erstellt: 25. Mrz 2004, 11:54

Rauschen auf Stereoaufnahmen kommt nur aus einer Richtung??


Hallo Andreas,
das verstehe ich auch nicht, denn normalerweise liegt's breitbandig hinter dem Musiksignal und stört mich überhaupt nicht. Einige alte Callas-Aufnahmen sind in Mono (unbearbeitet) so gut, dass es kaum jemand merkt - allein die Basis ist etwas schmaler.
Ich habe früher nach Interpret und Klang gekauft. Living Stereos und Deccas bis 68 waren immer ein Garant für sehr natürliche Wiedergabe. Lyrita, Harmonia Mundi oder Erato kann man auch dazurechnen. Bei EMi gibt's u.a. zwei Beispiele für ähnlich guten Klang: Elgar/ duPré Cellokonzert und Mahler/Wunderhorn/Schwarzkopf, Fischer- Dieskau/Szell. Bis vor einigen Jahren hatte ich einen ausgebauten Dachboden  in einem Altbau als Hörraum und konnte liveähnliche Pegel hören. Heute wohne ich in einem 70er Jahre "Papp-Neubau", bei dem man im 3ten Stock die Haustür zufallen hört. Ich weiss, wie man sich fühlt, wenn man mit Musik belästigt wird, die man nicht mag, also habe ich die Anlage abgebaut und benutze jetzt ein Teac-Radio mit eingebautem CD-Player. Die Grundsubstanz der Musik bleibt erhalten, ich kann auch neuere Aufnahmen von der "Intensivstation" hören ohne mich zu sehr zu grämen und störe meine Nachbarn nicht. Nur wenn die "Hunde" den Kanal zudrehen, bevor die Musik verklungen ist, könnte ich sie nach wie vor durch meinen "Ghettoblaster" erwürgen. Ich habe lange nicht mehr soviel CD's gekauft wie seit dem Kauf des Teacs, denn seitdem ist mir der Klang der Software ziemlich egal und wenn ich darin "baden" will, höre ich live. Alles andere sehe ich genauso wie Du.

Grüsse
Walter
Tantris
Hat sich gelöscht
#19 erstellt: 25. Mrz 2004, 15:06
Hallo Dries,

Nein, ich weiß nicht, was Du meinst - vielleicht erklärst Du es mir durch eine Beschreibung des Klangbildes.

Rauschen kommt bei einem Livekonzert buchstäblich von allen Richtungen gleichmäßig. Auf Stereoaufnahmen ist aber üblicherweise mehr oder minder dekorreliertes Rauschen drauf, d.h. die Rauschanteile der einzelnen Kanäle haben keine nennenswerten Phasenbeziehungen zueinander (Ausnahmen: Rillenrauschen LP, Grundrauschen UKW-Tuner, Mikrofonrauschen bei M/S-Hauptmikrofonie etc.). Bei solchen Rauschanteilen entsteht dann die Wahrnehmung, daß das Rauschen im wesentlichen genau aus der Richtung der beiden Lautsprecher kommt, oder zumindest ungleichmäßig auf der Stereobasis verteilt ist - das empfinde ich persönlich als sehr störend, es klingt wie eine "zusätzliche Rauschquelle" und nicht wie ein Raumrauschen.

Mal davon abgesehen, daß ich meine Schwierigkeiten mit dem Begriff "der Saal atmet" habe (Pendant zu "die Wüste lebt"???), ist es auch schlicht nicht möglich, daß bei Stereoaufnahmen eine genaue Ortung von Rauschanteilen hinten existiert.

Mein Rezept: Besuche mal ein Livekonzert oder höre eine gut gemachte 5.1-Aufnahme auf einer guten 5.1-Anlage (Mein Tipp wäre da: Wagner "Die Walküre" unter Mehta, Farao Classics).

zu Walter:



Living Stereos und Deccas bis 68 waren immer ein Garant für sehr natürliche Wiedergabe.


Oh, da kenne ich aber etliche Gegenbeispiele, z.B. den (tontechnisch) unsäglichen Solti-"Ring". Fast alle mir bekannten Aufnahmen von diesen Firmen weisen eine sehr stark gestaltete, auf Klangeffekte hin optimimerte Gestaltung der Aufnahme auf und keineswegs eine "natürliche Wiedergabe", so es denn diese gäbe. Bei Decca gibt es hingegen etliche sehr positive Beispiel aus den späten 70ern/frühen 80ern.

Gruß, T.

Gruß, T.
walter_f.
Hat sich gelöscht
#20 erstellt: 25. Mrz 2004, 17:04

Fast alle mir bekannten Aufnahmen von diesen Firmen weisen eine sehr stark gestaltete, auf Klangeffekte hin optimimerte Gestaltung der Aufnahme auf


Hallo Malte,

den Solti Ring habe ich zuletzt (ganz) etwa Anfang 1970 gehört und anschliesend vielleicht Ausschnitte bei Freunden - und fand's immer gut (meine Ausgabe habe ich schon seit 3 Jahren verliehen). Ich meine mit "natürlich klingen " nur eine einigermassen authentische Klangfarbe der Instrumente und nicht, dass z.B. eine Harfe wie'n Eierschneider klingt, was durchaus vorkommt. Um das zu verdeutlichen, brauchen wir uns gar nicht im "elitären" Klassik-Bereich zu bewegen. Früher stand in jeder Kneipe 'ne "Seeburg-Musikbox" oder ähnliches und alles klang "voll und satt" (auch in mono). Heute quieken einem unzählige JBL Control One ins Bier und unter'm Tresen sabbert ein "Bumbum" - nervtötend! Ich denke, das ist einfach Zeitgeist.

Klanggestalterische Massnahmen haben mich noch nie interessiert. Einige heutige Effekte, dass z.B. "dünne Holzbläser" 50 cm über den Lautsprechern, exakt in der Mitte zentriert in der Luft hängen, finde ich genauso albern wie Ping-Pong Stereo bei Popaufnahmen Anfang der 60er. Ein Orchester ist für mich immer noch EIN Klangkörper mit "sattem" Fundament. Die alten Living Stereos und Mercurys sind übrigens immer 3-Mikrofon-Aufnahmen. Wenn ich in erster Line Wert auf "Klang" legen würde, müsste ich Jazz hören, aber das mag ich nun einmal nicht so sehr. Ansonsten sind das alles persönliche Vorlieben, worüber sich im Grunde nicht die geringste Diskussion lohnt. Es ist so wie's ist - hat was ähnliches wie 'ne Diskussion über's Wetter, denn es kommt über uns und keiner kann was daran ändern.

Grüsse
Walter
driesvds
Ist häufiger hier
#21 erstellt: 25. Mrz 2004, 17:21

Hallo Dries,

Nein, ich weiß nicht, was Du meinst - vielleicht erklärst Du es mir durch eine Beschreibung des Klangbildes.

Rauschen kommt bei einem Livekonzert buchstäblich von allen Richtungen gleichmäßig. Auf Stereoaufnahmen ist aber üblicherweise mehr oder minder dekorreliertes Rauschen drauf, d.h. die Rauschanteile der einzelnen Kanäle haben keine nennenswerten Phasenbeziehungen zueinander (Ausnahmen: Rillenrauschen LP, Grundrauschen UKW-Tuner, Mikrofonrauschen bei M/S-Hauptmikrofonie etc.). Bei solchen Rauschanteilen entsteht dann die Wahrnehmung, daß das Rauschen im wesentlichen genau aus der Richtung der beiden Lautsprecher kommt, oder zumindest ungleichmäßig auf der Stereobasis verteilt ist - das empfinde ich persönlich als sehr störend, es klingt wie eine "zusätzliche Rauschquelle" und nicht wie ein Raumrauschen.

Mal davon abgesehen, daß ich meine Schwierigkeiten mit dem Begriff "der Saal atmet" habe (Pendant zu "die Wüste lebt"???), ist es auch schlicht nicht möglich, daß bei Stereoaufnahmen eine genaue Ortung von Rauschanteilen hinten existiert.

Mein Rezept: Besuche mal ein Livekonzert oder höre eine gut gemachte 5.1-Aufnahme auf einer guten 5.1-Anlage (Mein Tipp wäre da: Wagner "Die Walküre" unter Mehta, Farao Classics).

Gruß, T.


Dolby Surround?????????!!!!!!!!!!!!

Warum nicht gleich BOSE.

Jetzt hast Du die Katze aus dem Sack gelassen.

Viel gelernt, nichts kappiert.

Und ich habe geglaubt es gibt hier richtige High-End-Leute.

Fucking waste of Time here.
Markus
Inventar
#22 erstellt: 25. Mrz 2004, 17:37
Bitte keine gegenseitigen Beschimpfungen! Wenn man anderer Meinung ist, kann man das immer auch sachlich vortragen.

Gruß,

Markus.
driesvds
Ist häufiger hier
#23 erstellt: 25. Mrz 2004, 18:12
Damit hat sich die Diskusion im Allgemein Thread analog vs. digital mit Tantris auch erübrigt - ich rede über High End er über Dolby Surround.

Hilda
Stammgast
#24 erstellt: 25. Mrz 2004, 18:15
Definiere bitte 'High End'

Gruss
Klaus
Heinrich
Inventar
#26 erstellt: 25. Mrz 2004, 20:23
Hallo Dries,

Dolby Surround ist NICHT 5.1! Und die Qualität einer Aufnahme nicht per se abhängig von der Anzahl der Kanäle. High End kann Stereo, Quadrophonie und 5.1 sein. Und dies gilt für die Aufnahme ebenso wie für die Wiedergabe...


@Walter:


Die alten Living Stereos und Mercurys sind übrigens immer 3-Mikrofon-Aufnahmen.


Auch bei RCA wurden schon sehr früh Stützmikrophone eingesetzt. Für die "Gaîté Parisienne" von 1954 kamen neben dem Hauptsystem aus zwei Mikrophonen zwei Stützmikrophone für das Holz und Blech hinzu. Und diese Aufnahme ist aus dem Jahr 1954.
Und für "The Pines Of Rome" (1959) sah die Mikrophonierung dann schon so aus: Hauptsystem L/R mit zwei Mikrophonen (Neumann U47), dazu ein "centerfill" zwischen dem linken und rechten Mikrophon des Hauptsystems - und zwar das Stereo(!)mikrophon SM-2 ebenfalls von Neumann. Also hatte hier bereits das Hauptsystem 4(!) Kanäle. Dazu kommen noch vier Stützen im Orchester: zweite Violinen, Celli, Holz, Harfe...

Ich stimme Dir allerdings zu, daß man sich damals für die Mikrophonierung in der Regel deutlich mehr Zeit ließ (und lassen konnte) - und damit auch mehr Möglichkeiten hatte, auch mit wenigen Mikrophonen zu einem guten Ergebnis zu kommen (und ja, das geht!).


Gruss aus Wien,

Heinrich
driesvds
Ist häufiger hier
#27 erstellt: 26. Mrz 2004, 09:39
streiten?? hallo, dafür bin ich wenig zu alt und gelassen, aber mr. T. hat wohl al zu deutlich seine maske abgelegt und die katze raus gelassen. da darf man doch wohl seine enttäuschung zeigen oder? ansonsten bitte nichts persönlich nehmen, es gibt schon genug streit auf diesen planeten. ein jeder macht einfach aus seinem hobby das wo seine fähigkeiten liegen, ganz normal.

ich habe nicht eindruck dass es techniker um die musik an sich geht - nur dB's, dämpfungsfaktoren, watts, bits, kabelstärke, mircofarrad (siebleistung), platinenlayout, kanäle, chasisaufbau, s/n ratio, etc. etc. - also alles was man aus bücher lernen kann - das sagt aber nichts über die klangqualität.

wie oft bin ich nicht im hifi-laden gestanden und hat mir den verkäufer die ein accuphase verstärker aufgeschraubt: "wenn technik SOOOOOOO schon aussieht, muss es auch gut klingen" - ein horror.

genauso wie B&O - viele meiner bekannten haben eine nobel-anlage jeseits von 15.000 euro aus denemarken. und ich sage immer ganz höflich "ja, klinkt wirklich super, aber vorrallem das design gefällt mir!"

also nichts für ungut freunde, jeder sein ding.

peace.
Markus
Inventar
#28 erstellt: 26. Mrz 2004, 10:50
Hallo Dries,

dass kein Techniker sich wirklich für Musik interessiert, kann man ganz sicher nicht verallgemeinernd sagen. Nicht umsonst sind die besten Studentenorchester an technischen Hochschulen.

Gruß,

Markus.
op111
Moderator
#29 erstellt: 26. Mrz 2004, 11:34
Hallo zusammen.
Heinrich schrieb:
Auch bei RCA wurden schon sehr früh Stützmikrophone eingesetzt. Für die "Gaîté Parisienne" von 1954 kamen neben dem Hauptsystem aus zwei Mikrophonen zwei Stützmikrophone für das Holz und Blech hinzu.
Und für "The Pines Of Rome" (1959) ... Also hatte hier bereits das Hauptsystem 4(!) Kanäle. Dazu kommen noch vier Stützen im Orchester: zweite Violinen, Celli, Holz, Harfe...

Vielen Dank Heinrich für deinen informativen klärenden Beitrag aus Profisicht.
Eine gute Quelle für Aufnahmetechniken und -philosophien sind auch die zusätzlichen Beihefte (die leider nicht jeder CD beiliegen) zur Decca-Legends-Serie und der CBS/Sony Masterworks-Heritage-Serie.
Dem kann man entnehmen, daß sogar bei alten Ansermetaufnahmen bis zu 15 Kanäle zum Einsatz kamen, leicht verdeckte Instrumente durch Zusatzmikrophone gestützt werden mußten. Anders ist auch die z.T. hervorragende Balance dieser Aufnahemen auch nicht zu erklären.
Eine Problematik liegt ja darin, daß man Aufnahmen herstellen muß die nicht nur auf den Studiomonitoren gut klingen, sondern auch beim Endkunden. Dessen Equipment variiert, der Abhörraum reicht vom Kopfhörer bis zum 200qm Saal.

Womoglich ist's wie beim Film, damit es im Kino oder Fernseher natürlich wirkt, muß man ein ganz surreales artifzielles Set beim Dreh aufbauen.

Die dogmatisch gebetsmühlenhaft wiederholten Formeln: "musikalisch nicht technisch, so einfach wie möglich", also 2 Mikros am ohne Pult am Harddiskrecorder angeschlossen, führt kaum zu anhörbaren Ergebnissen.
Eher philosophisch weniger technisch begründete Aufnahmeaufstellungen führen auch selten zu befriedigenden Ergebnissen, wie frühe Telarc Orchesteraufnahmen (Sacre mit Maazel) erschreckend vor Ohren führen.
So einfach wie es minimal "nötig" ist,
wäre da eher eine tragfähige Prämisse. Nicht jedes Effektgerät, das im Studio Studio Strom frisst, muß man auch wirklich benutzen, und wenn werkgerecht per Technik nachgeholfen wird, ist das in Ordnung.

Der Gegensatz zw. technisch und musikalisch will mir in diesem Zusammenhang nicht einleuchten. Eine Aufnahme ist nun einmal ein technischer Vorgang.
Wer Musik ohne technische Vermittlung hören möchte, kann das in vielen Konzertsälen doch in bester Qualität tun und muß nicht in seiner Dachkammer hocken.
Die Verbreitung von dogmatischen Ressentiments gegen Technik und Verkäufer und mindestens eine bestimmte (ausgesprochen gute) Marke sagen auch gar nichts Hilfreiches über den Gegenstand genau dieses Themas "CD-Klang" aus.
Also bitte etwas mehr Themennähe, Andreas.
Gruß
Franz
walter_f.
Hat sich gelöscht
#30 erstellt: 26. Mrz 2004, 12:59

damit auch mehr Möglichkeiten hatte, auch mit wenigen Mikrophonen zu einem guten Ergebnis zu kommen (und ja, das geht!).



Hallo Heinrich,

danke für die Information. Ich habe den Offenbach als Hongkong-SACD oder Original LP und hab' nochmal auf's Aufnahmedatum geschaut - das hätte ich nicht gedacht. Mich fasziniert an diesen Aufnahmen, dass man immer den kompletten Klangkörper hört (oder wahrnimmt), auch wenn grad' nur der Flötist spielt. Während bei vielen "modernen" Aufnahmen der Hintergrund wie 'ne Leerstelle "klingt". Man hört nicht mal wenn die Kanäle aufgezogen werden. Ich denke das ist das, was ich als tote Musik bezeichne und das Gegenteil bezeichnet Andreas mit "der Raum atmet". Diese , bereits von Franz angesprochenen "Noisegates" sind für mich eines der grössten Übel überhaupt. Mir hat mal ein Kunde beim anhören einer solchen Aufnahme gesagt, er hätte das Gefühl zu ersticken, daher finde ich Andreas' Synonym "der Raum atmet" gar nicht so verkehrt und weiss genau, was er damit meint.

Liebe Grüsse
Walter
op111
Moderator
#31 erstellt: 26. Mrz 2004, 13:58
Walter schrieb:
... Mich fasziniert an diesen Aufnahmen, dass man immer den kompletten Klangkörper hört (oder wahrnimmt), auch wenn grad' nur der Flötist spielt. Während bei vielen "modernen" Aufnahmen der Hintergrund wie 'ne Leerstelle "klingt"...

Hallo Walter,
genau mein Empfinden.
Hier wäre auch mal der Profi gefragt, ob irgeneine Absicht dahintersteckt. Ich könnte mir vorstellen, daß eine geräuschfreier "toter" Hintergrund die Montage einzelner Takes einfacher macht, also der Produktionsökonomie dient.
Wenn ich per Kopfhörer solche Aufnahmen abhöre, nehme ich häufig einen unangenehmen Druck wahr, der auch im reflexionsfreien ("schalltoten") Meßräumen geradezu schmerzhaft wirkt.
Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 26. Mrz 2004, 13:58 bearbeitet]
op111
Moderator
#32 erstellt: 26. Mrz 2004, 15:30
Hallo,
hier für alle Interessierten noch ein Nachtrag mit Link:
Die Decca macht es auf der Website schwer, an technische Informationen über die Legends-Serie zu kommen,
http://www.deccaclassics.com/music/legends/
Der Klick auf Releases öffnet manchmal etwas widerwillig ein Popup window, wenn nicht, gehts auch so:
es gibt aber "versteckte" Informationen zu einzelnen CDs
Beispiel: Ansermet, Debussy: La Mer engl: Catalogue number: 470 255 DM, Universal: # 00 289 470 255 2

http://www.deccaclassics.com/music/legends/470255.html

Der Dateiname der html Seite wird aus den zentralen Ziffern der Katalog-/Bestellnummer gebildet:
hier 00289 470255 2 Suffix .html

Sony verrät etwas auf einer eigenen Wesite:
http://www.masterworksheritage.com/

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 26. Mrz 2004, 15:44 bearbeitet]
walter_f.
Hat sich gelöscht
#33 erstellt: 26. Mrz 2004, 15:57

daß eine geräuschfreier "toter" Hintergrund die Montage einzelner Takes einfacher macht


Hallo Franz,

ich habe früher immer die Analogie zum Bild benutzt: Es ist als ob man aus einem Photo alle Häuser, Bäume und Menschen ausschneidet um sie auf einen weissen Hintergrund zu kleben.

Mir ist es auch vollig rätselhaft, warum so etwas gemacht wird. Alles andere würde ich nie verallgemeinern können und wollen. Ich habe gute Mehrmikrofon-Einspielungen und auch gute Zweimikrofonaufnahmen, wobei letztere natürlich schnell den Bach runtergehen können. Ich habe eine hier aus dem Kölner Dom, wo nur der Winkel der Mikrofone zu steil war - als ich's sah, wusste ich schon wie's klingt. Ist zwar noch recht gut gelungen, aber der Chor singt am anderen Ende der Stadt. - o.k., is ja auch ein grosses Etwas, dieser Dom.

Nur diese toten "Hintergründe" machen mich krank - ich fühle mich wirklich unwohl beim hören und das kann ja nicht Sinn der Sache sein. Ausserdem gehen die meistens einher mit verschobenem Ein- und Ausschwingverhalten diverser Instrumentengruppen - das gibt dann z.B. diese Cembali, die wie Nähmaschinen klingen. Das dumme ist, dass es auch noch über's Teac Radio auffällt. Dafür muss ich mir wahrscheinlich noch was kleineres kaufen.

Grüsse und ein schönes Wochenende
Walter
Heinrich
Inventar
#34 erstellt: 26. Mrz 2004, 22:10
Hallo,


Mich fasziniert an diesen Aufnahmen, dass man immer den kompletten Klangkörper hört (oder wahrnimmt), auch wenn grad' nur der Flötist spielt. Während bei vielen "modernen" Aufnahmen der Hintergrund wie 'ne Leerstelle "klingt". Man hört nicht mal wenn die Kanäle aufgezogen werden. Ich denke das ist das, was ich als tote Musik bezeichne und das Gegenteil bezeichnet Andreas mit "der Raum atmet". Diese , bereits von Franz angesprochenen "Noisegates" sind für mich eines der grössten Übel überhaupt.


Heutzutage ist es oft ein Problem, daß auch klassische Musik mit den Mitteln sog. moderner Technik produziert wird - und diese genau falsch eingesetzt wird.

Zwei Beispiele:

Bei klassischen Aufnahmen arbeitet man oft mit einem sog. Hauptsystem (eine wie auch immer geartete Stereomikrophonierung) und sog. Stützmikrophonen, die vor Instrumenten/Instrumentengruppen positioniert werden, die sonst bei der Aufnahme untergehen könnten. Ein Problem dabei stellt jedoch die unterschiedliche Phase des eingehenden Signals beim Stützmikrophon und dem Hauptsystem dar. Denn klarerweise steht das Stützmikrophon ja nahe am Instrument, das Hauptsystem weiter weg (um den Gesamtklang einzufangen), der Schall trifft also früher auf das Stützmikrophon als auf das Hauptsystem, was in Folge zu einem "phasigen" Klang führen kann.

Man hat nun verschiedene Möglichkeiten dies auszugleichen.

Einerseits kann man die Stütze so pegeln (in der Lautstärke einstellen), daß sie deutlich leiser ist als das Hauptsystem. Dies bedeutet aber, daß man in Abhängigkeit der Dynamik der gespielten Passage die Stützen immer "mitfahren" (also im Pegel nachjustieren) muß, und selbst dann läßt sich eine gewisse Phasigkeit nicht immer vermeiden.

Die andere Möglichkeit: man "verzögert" die Stützmikrophone. Dazu wird ein Delay für die Stützen exakt so eingestellt, daß das aufzunehmende Signal für die Stützen und das Hauptsystem wieder "zeitgleich" ist. Das ist an sich die bessere Methode. In der Theorie.
In der Praxis aber hat das Ohr in diesem Falle gar nichts gegen eine geringe Phasigkeit (ich bin mir bewußt, daß ich in einem HighEndForum schreibe, und hoffe nun nicht für diese Aussage "gesteinigt" zu werden!), sondern interpretiert diese als "Räumlichkeit" (zumindest in gewissen Grenzen). Diesen Eindruck kann man sich hinterher zwar wieder gezielt holen (entweder mit einem Raummikrophon oder mittels Hallgerät), nur muss man's dann auch tun...


Ein anderes Manko vieler moderner Klassikaufnahmen: es wird mit den Produktionsmitteln der Popmusik gearbeitet (Mehrspuraufnahme, Kompressoren, Noisegates, Halls, etc...), allerdings ohne deren Ästhetik und Ziele in der Popmusik zu verfolgen. Das heißt: man weiß zwar sehr genau, wie diese ganzen Geräte funktionieren, allerdings versucht man nicht, dann mit Hilfe dieser Geräte der Produktion einen eigenen klanglichen Stempel aufzudrücken (ein Ziel in der Popmusik).

Aber hallo - Klassik und eigener klanglicher Stempel? Sollte man nicht einfach nur das Geschehen transportieren, so gut als eben möglich? Eben nicht. Denn ein eigener klanglicher Stempel kann ja auch bedeuten, daß ich mit modernen Produktionsmitteln die Aufnahme wieder akustisch klingen lasse. Im besten Falle sogar akustischer als akustisch. Und dann wird jeder schwören, wie "echt" und "live" diese Aufnahme doch klingt...


Ich möchte dies am Beispiel des Halls verdeutlichen. Vorneweg ein wenig Theorie: Ein natürliches Schallfeld setzt sich zusammen aus

1.) Direktschall: der Schall, der direkt den Zuhörer erreicht

2.) erste/frühe Reflexionen: Schall der nur über eine/wenige Reflexionen (zum Beispiel die Decke, Seitenwände) den Zuhörer erreicht

3.) Diffusschall: das Schallfeld, das eine Schallquelle im Raum erzeugt durch fortlaufende Brechungen und Reflexionen an den Raumbegrenzungen.

Die frühen Reflexionen und der Diffusschall geben dem Gehör eine Auskunft über Größe und Beschaffenheit des Raumes.

Nun werden mit immer aufwendigeren Messungen/Forschungen immer bessere Hallgeräte gebaut, die in der Lage sind, dieses natürliche Schallfeld nachzubauen.
Aber: in der Regel klingt's nicht...

Warum?

Ein leises Instrument wird in der Regel nicht in der Lage sein einen großen Konzertsaal akustisch anzuregen. Es klingt also "trocken". Besucht man ein Konzert, ist dies nicht störend, denn alle anderen Sinne vermitteln einem ja den Konzertsaal. Ein Fortissimo hingegen wird jeden Konzertsaal anregen, es kann sogar ein wenig unangenehm werden (je nach Qualität des Saals), der Saal "geht also mit der Musik mit". Und genau deshalb funktioniert es nicht, wenn ich nun den künstlichen Hall
"wirklichkeitsgetreu" einstelle - es fehlen bei der Wiedergabe daheim dann subjektiv Informationen...

Damit's daheim gut klingt, sollte man die akustischen Tatsachen sogar umdrehen: eine leise Passage verträgt - gut eingestellt - deutlich mehr Hall als eine laute. Schon ist es wieder da, das angenehme Gefühl der "Umhüllung"... Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen, und selbst bei einer Orchesteraufnahme verschiedene Instrumente(ngruppen) an veschiedenen Stellen UNTERSCHIEDLICH verhallen und diese Halls wieder miteinander mischen. Gut gemacht, steigert es das subjektive Empfinden des "live"-Erlebnisses enorm (obwohl es dann ja eigentlich NICHTS mehr damit zu tun hat)...


Was daraus lernen?

JEDE Aufnahme lebt von der Gestaltung. Egal mit welchen Mitteln man dies tut (und auch eine Mikrophonierung mit nur zwei Mikrophonen ist bereits eine Gestaltung!), man muß es allerdings BEWUSST tun. Dann sollte es eigentlich nur noch gute Aufnahmen geben. Ob die nun JEDEM IMMER gefallen, sei dahingestellt. Doch ließen sich einige Mankos so zumindest leicht vermeiden...


Gruss aus Wien,

Heinrich


P.S.: Ich möchte nun nicht meine Kollegen schlecht machen. Denn es gibt darunter auch viele, die sich dieser Tatsachen völlig bewußt sind. Und es gerne besser machen würden. Doch dann kommen sie wieder an einen Punkt, an dem schon oft große tontechnische Taten gescheitert sind: dem Rotstift...
op111
Moderator
#35 erstellt: 27. Mrz 2004, 11:36
Hallo Heinrich,
vielen Dank für deine ausführliche und hochinformative Antwort, die mal einiges über eher unbekannte Bereiche der Musikreproduktion beleuchtet.


...Ein Problem dabei stellt jedoch die unterschiedliche Phase des eingehenden Signals beim Stützmikrophon und dem Hauptsystem dar.
...
Die andere Möglichkeit: man "verzögert" die Stützmikrophone. Dazu wird ein Delay für die Stützen exakt so eingestellt, daß das aufzunehmende Signal für die Stützen und das Hauptsystem wieder "zeitgleich" ist. Das ist an sich die bessere Methode. In der Theorie.


Das ist wohl das was die DG Anfang der 90er als einen Teil des 4D Recording bezeichnete.
Zusätzlich haben die ja direkt am Mikrofon A/D Wandler angebracht, um die qualitätsmindernde Analogverkabelung zu vermeiden.
Von 4D hört man nichts mehr, entweder ist das Standard geworden oder ein Flop.
Gruß
Franz
driesvds
Ist häufiger hier
#36 erstellt: 27. Mrz 2004, 11:51
ja, ja wir sind da!!! jetzt geht es um die wurst!!!



Aber hallo - Klassik und eigener klanglicher Stempel? Sollte man nicht einfach nur das Geschehen transportieren, so gut als eben möglich? Eben nicht. Denn ein eigener klanglicher Stempel kann ja auch bedeuten, daß ich mit modernen Produktionsmitteln die Aufnahme wieder akustisch klingen lasse. Im besten Falle sogar akustischer als akustisch. Und dann wird jeder schwören, wie "echt" und "live" diese Aufnahme doch klingt...


das "geschehen" ?? also warum nicht gleich alle geiger usw. einzeln aufnehmen und "zusammenmixen"

techniker "zerhacken" alles um es dann wieder "perfekt" auf zu bauen. gott spielen im studio ohne die zusammenhänge der kunstform zu verstehen.

noch ein deutliches statement von franz, er mag das wort "tot" in bezug auf klang: bitte zählen sie wie oft das wort gebraucht wird, genau so wird es klingen:



Hallo Walter,
genau mein Empfinden.
Hier wäre auch mal der Profi gefragt, ob irgeneine Absicht dahintersteckt. Ich könnte mir vorstellen, daß eine geräuschfreier "toter" Hintergrund die Montage einzelner Takes einfacher macht, also der Produktionsökonomie dient.
Wenn ich per Kopfhörer solche Aufnahmen abhöre, nehme ich häufig einen unangenehmen Druck wahr, der auch im reflexionsfreien ("schalltoten") Meßräumen geradezu schmerzhaft wirkt.
Gruß
Franz


also, unser profi "tötet" die lebende, "atmende" saalakustik; entfernt alle "unsauberkeiten" damit die kunst in seine augen "rein" wird, was er nicht weiß er zerstört damit alles.

höhepunkt dieses zitats das wort "produktionsökonomie". ich muss jetzt aufpassen keine historische vergleichen zu ziehen, aber mir wird aus künstlerische sicht ein wenig schlecht.

warum es geht, ein vergleich:

das licht bei bilder von rembrandt zieht man nur weil es auch dunkelheit auf seine bilder gibt (sogar über 70%) , entfernt man die dunkelheit, verschwindet auch das licht.

musik - bildende kunst - malerei - grafik - fotografie - architektur - ballet - etc.

alle passt zusammen, alles ist eine einheit.

schönen tag noch.
op111
Moderator
#37 erstellt: 27. Mrz 2004, 12:10
driesvds schrieb:
das "geschehen" ?? also warum nicht gleich alle geiger usw. einzeln aufnehmen und "zusammenmixen"
techniker "zerhacken" alles um es dann wieder "perfekt" auf zu bauen. gott spielen im studio ohne die zusammenhänge der kunstform zu verstehen.


Hallo zusammen,
das ist doch gar keine schlechte Idee!
In einem anderen Medium gibt's das.
schau dir mal moderne Kinofilme an, da ist das an der Tagesordnung.


noch ein deutliches statement von franz, er mag das wort "tot" in bezug auf klang: bitte zählen sie wie oft das wort gebraucht wird, genau so wird es klingen:

Na das reine Wörterzählen bringt inhaltlich gar nichts, außer vielleicht statistisch.
Du zitierst mich hier aus dem Zusammenhang, das bezieht sich auf ganz spezielle Extremfälle (z.B. Barshais 5./10. Mahler u.a. von Jürg Jecklin abgemischt.), und den Einsatz inadäquater Mittel.


alle passt zusammen, alles ist eine einheit.

Die zusammengezwungenen Pseudoanalogien ergeben keinen Sinn.
Mit Technikfeindlichkeit kommt man der Sache auch nicht näher. Wer Technik nicht mag, könnte allenfalls Musik in Konzerten hören (aber gibt's da nicht sowas wie Spieltechnik?) und müßte Tonträger meiden wie der Teufel das Weihwasser und könnte nebenbei auch noch eine Menge Geld am überflüssigen Audioequipment sparen.

Gruß
Franz
driesvds
Ist häufiger hier
#38 erstellt: 27. Mrz 2004, 14:00
was wird der Franz-J. beruflich wohl machen, da bin ich jetzt wirklich gespannt....
walter_f.
Hat sich gelöscht
#39 erstellt: 27. Mrz 2004, 14:03

Stützmikrophonen, die vor Instrumenten/Instrumentengruppen positioniert werden, die sonst bei der Aufnahme untergehen könnten


Hallo Heinrich,

danke für die Ausführungen. Da wird schon einiges klarer. Ich habe grad' eine neue gestylte Aufnahme gehört, wo man die Kante der Querflöte beim Anblasen hörte - nicht die typische schwingende Luftsäule, sondern exakt die Kante. Sowas hört man normalerweise nur, wenn man selbst spielt - in einigen Metern Entfernung ist es unhörbar. Ich kann nicht gleichzeitig am Kopf des Solisten und in einiger Entfernung hören. Der "Raum" dieser Aufnahme klingt auch künstlich, aber das ganze macht trotzdem Spass, weil die Verhältnisse stimmen. Die Sache mit der Flöte fällt mir wahrscheinlich nur auf, weil ich selbst eine Zeit gespielt habe. Das finde ich allenfalls witzig und kann's leicht überhören. Trotzdem gefallen mir die alten Sachen besser. Norbert Lehmann (der mit dem Phonoverstärker) hat mir mal eine Klavieraufnahme geschenkt. Nachdem ich sie gehört habe rief ich ihn an und fragte ihn wie er das gemacht hat. Man hört wirklich einen kompletten Steinway und nicht nur "dicke und "dünne" Töne mit Leerstellen dazwischen. Er meinte, er hätte nach der WDR-Sendung den Pianisten gebeten noch eine Stunde zu spielen und alle Geräte herausgestöpselt, und hätte nur 2 Mikrofone mit Mikrofonverstärker direkt auf DAT benutzt. Wenn man das hört, kommt man schon sehr ins Grübeln. Es ist offensichtlich, dass mehr machbar ist, als man allgemein glaubt. Ich fürchte nur, dass der Zeitfaktor heute nicht mehr bezahlbar ist. Und ich kaufe definitiv keine Aufnahme nach Klang - die Opus3 Aufnahmen funktionieren auch (zumindest die alten), allerdings nimmt die Wahrscheinlichkeit eines guten Klanges scheinbar mit der Blödsinnigkeit der Musik zu, und Maultrommel in der Tropfsteinhöhle mit Gänsehauteffekt zu hören, gelingt mir einfach nicht.

Herzliche Grüsse
Walter
op111
Moderator
#40 erstellt: 27. Mrz 2004, 14:07
driesvds schrieb:
was wird der Franz-J. beruflich wohl machen, da bin ich jetzt wirklich gespannt....


Darf ich vor dem nächsten flamewar mal an unser Thema erinnern: (s.o. gut lesbar)
"Thema: Wie wichtig ist Euch der Klang von Klassikeinspielungen ?"

Schönen Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 27. Mrz 2004, 14:18 bearbeitet]
Heinrich
Inventar
#41 erstellt: 28. Mrz 2004, 17:58
Hallo driesvds,

nun beruhige Dich mal

Also der Reihe nach:




das "geschehen" ?? also warum nicht gleich alle geiger usw. einzeln aufnehmen und "zusammenmixen"


Auch wenn Du dies ironisch meinst - trotzdem eine Antwort:
weil es technisch nicht realisierbar wäre (Phasenprobleme von zuvielen Mikrophonen), und viel wichtiger: weil es musikalisch nicht sinnvoll wäre. Denn Ziel einer Stütze ist es, Instrumente oder Instrumentengruppen aufzunehmen, die sonst möglicherweise "untergehen". Sollten also die Violinen (I., II., Konzertmeister, oder alle...) zu leise sein, werde ich die Gruppen stützen. Ohne Stütze bleibt's naturbelassen, aber musikalisch nicht sinnvoll.



techniker "zerhacken" alles um es dann wieder "perfekt" auf zu bauen. gott spielen im studio ohne die zusammenhänge der kunstform zu verstehen.


Die Zusammenhänge der Kunstform werden während des Studiums zum Tonmeister sogar als Schwerpunkt verdeutlicht. Das reicht von Partiturlesen über Instrumentation (inkl. selbst Partituren zu schreiben), Instrumentenkunde, Kompositionslehre, Musikgeschichte,...
Aber vielleicht kannst Du mir noch andere Zusammenhänge der Kunstform vermitteln... Noch eines: zumindest alle "großen" Einspielungen (also mit bekannten Künstlern) werden von diesen zumindest einmal gegengehört. Und sollte es ihnen gar nicht gefallen, auch nicht frei gegeben. Und zumindest den Musikern wirst Du doch hoffentlich ein Wissen über musikalische Zusammenhänge zugestehen...



also, unser profi "tötet" die lebende, "atmende" saalakustik; entfernt alle "unsauberkeiten" damit die kunst in seine augen "rein" wird, was er nicht weiß er zerstört damit alles.


Wenn er das damit anrichtet, versteht er schlicht sein Handwerk nicht. Das allerdings ist eben kein Argument gegen das Handwerk per se - auch eine "zerhackte", "reine" Aufnahme kann zu musikalischem Leben erweckt werden... Und dann eben - RICHTIG GEMACHT - musikalisch sinnvoller und damit besser sein. Und RICHTIG GEMACHT sogar besser klingen. Und ich behaupte mal, daß nur die allerwenigsten einen gut eingestellten Kunsthall von einer natürlichen Saalakustik unterscheiden können. Und gehe noch weiter zu behaupten, daß in den meisten Fällen die natürliche Akustik musikalisch und klanglich der viel größere Kompromiss ist!



höhepunkt dieses zitats das wort "produktionsökonomie". ich muss jetzt aufpassen keine historische vergleichen zu ziehen, aber mir wird aus künstlerische sicht ein wenig schlecht.


Dies kann ich zu einem Teil sogar nachvollziehen. Wenn zuviele künstlerische Kompromisse gemacht werden (müssen), stellt sich die Frage nach dem Sinn der Aufnahme überhaupt. Aber: auch die klassischen Label sind schlicht Unternehmen, und haben - Kunst hin oder her - schwarze Zahlen zu schreiben. Tun sie's nämlich nicht, werden sie auch nicht sehr lange in der Lage sein, künstlerisch kompromisslose Aufnahmen auf den Markt zu bringen. Jede Aufnahme wird also auch immer unter dem Gesichtspunkt der "Produktiosökonomie" entstehen. So einfach ist das auch in der Welt der Kunst...



Gruss aus Wien,

Heinrich (der, der die Musik zerhackt )
AH.
Inventar
#42 erstellt: 28. Mrz 2004, 19:11
Hallo Heinrich,

zur Diffusivität bzw. Halligkeit von Tonaufnahmen eine anmerkende Frage:

Ich beobachte, daß seit den letzten zwei Dekaden der Hallanteil bei Klassikaufnahmen tendenziell wächst. Dies empfinde ich v.a. bei Kammermusik als diesem Genre nicht angemessen. Es gibt nicht wenige Kammermusikaufnahmen, wo eine :?Kirche:? als Aufnahmeort gewählt wurde, oder wo durch entsprechende Nachverhallung eine vergleichbare Wirkung erzielt wurde.
Musikalisch wichtige Feinheiten der Rhythmik, Artikulation und Phrasierung werden hierdurch überdeckt. Meiner Ansicht nach sollte bei Kammermusik-Aufnahmen Hall im engeren Sinne nicht zu hören sein. Sind "trockene" Aufnahmen nicht vermarktbar, liegt es also am Käuferverhalten, oder wo sind die Ursachen für die aktuelle Entwicklung zu sehen?

In einem abgeschwächten Maße kann man dies auf größere Besetzungen übertragen. Ein erheblicher Teil der Wiener Klassik oder auch Romantik verlangt meiner Ansicht nach deutlich kleineren Sälen mit kürzerer NHZ, als heute üblich (z.B. altes Gewandhaus Leipzig: 500 Sitzplätze, RT60 < 2s).

Kurzum: Woher kommt dieses Streben nach "Umhüllung", wenn die Musik darunter leidet? Ich will ja als Hörer nicht umüllt werden, sondern die Musik hören. Was nicht bedeutet, daß ich mir wünschte, Sakralmusik fürderhin in Besenkammern aufzuführen

Gruß

Andreas
Heinrich
Inventar
#43 erstellt: 28. Mrz 2004, 22:22
Hallo Andreas,


Kurzum: Woher kommt dieses Streben nach "Umhüllung", wenn die Musik darunter leidet? Ich will ja als Hörer nicht umüllt werden, sondern die Musik hören. Was nicht bedeutet, daß ich mir wünschte, Sakralmusik fürderhin in Besenkammern aufzuführen


Gute Frage - ich kenne leider auch keine Antwort darauf!
An sich spricht bei einer entsprechenden Akustik auch bei Kammermusik nichts gegen eine Kapelle/kleinere Kirche - wenn man dann richtig mikrophoniert...

Ich denke, es ist tatsächlich zur Zeit wieder eine Modeerscheinung, "verhalltere" Aufnahmen zu machen. Gerade bei nachträglich/künstlich verhallten Aufnahmen kann ich diese Ästhetik allerdings ebensowenig nachvollziehen wie Du. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter - gerade einen künstlichen Hall kann man ja so einstellen, daß er nicht wie ein "Hall", sondern eher nach "Räumlichkeit" / "offen" / "Luft" klingt. Dies erreicht man zum Beispiel durch ein langes Predelay (also die Zeit ehe der Hall zu wirken beginnt) oder indem man den Hall (am besten den Hall-Send) komprimiert. Die Kompression des Halls ist ein alter Trick: dadurch kann man relativ viel Hall dazumischen, ohne die Musik zu verwischen, ohne "Davonschwimmen" bei lauten Passagen - und trotzdem mit dem subjektiv angenehmen Klang einer "Umhüllung"...

Aber auch die Musikindustrie unterliegt Moden - und momentan geht eben der Trend in Richtung Hall.

Auf die gut klingende Besenkammer namens Lexicon 480 (der große "Klassiker" unter den Hallmaschinen),

Gruss aus Wien,

Heinrich
AH.
Inventar
#44 erstellt: 29. Mrz 2004, 08:30
Hallo Heinrich,

Eine Kirchenakustik fand ich für Kammermusik unabhängig von der Mikrofonstellung eigentlich immer deplaziert. Man vergleiche z.B. die Aufnahmen der Mozart-Streichquartette des Amadeus-Quartettes (DGG, versch. Tonmeister) mit dem Alban Berg Quartett (EMI, Johann Nikolaus Matthes). Bei den Amadeus-Leuten ist viel mehr an artikulatorischen Feinheiten zu hören, als bei dem fast sinfonischen, meiner Ansicht nach nicht stilgerechten Klangbild der Aufnahmen des ABQ mit seiner Kirchenakustik.

Für das Räumlichkeitsgefühl ist eher das Muster an diskreten Reflektionen verantwortlich. Ein großes initial time delay gap (bzw. predelay beim Hallgerät) führt hierbei zu einem Eindruck eines "akustisch großen" Ursprungsraumes. Auch dies würde meiner Ansicht nach nicht wirklich zu Kammermusik passen. Viele moderne Säle sind meiner Ansicht nach zu breit, deshalb sind seitliche Reflektionen zu stark verzögert (großes ITDG), was zu einem "leeren, luftigen" Klangbild führt. Ältere, schmale Säle mit hohem Seitenschallgrad wirken in meinen Ohren sehr viel besser. Das Klangbild ist intensiver, man fühlt sich stärker in die Musik hineingezogen (siehe z.B. Jürgen Meyer, Akustik und musikalische Aufführungspraxis).
Ich habe bisher immer gefunden, daß ein starker Hallanteil (damit ist jetzt echter, diffuser Hall gemeint) den Räumlichkeitseindruck eher stört, da besagte diskrete Reflektionen vom Nachhall maskiert werden. Wer mit offenen Ohren ein Konzert in einer Kirche hört und dies mit einem eher trockenen Saal vergleicht, wird feststellen, daß die Raumwirkung im trockenen Saal sehr viel ausgeprägter ist.

Das merkwürdigste aber: Ich persönlich habe bei halligen Zweikanalaufnahmen noch NIE ein Umhüllungsgefühl festgestellen können, eher ist das Gegenteil der Fall

Gruß

Andreas
die5katzen
Hat sich gelöscht
#45 erstellt: 29. Mrz 2004, 08:39
Thema: Wie wichtig ist Euch der Klang von Klassikeinspielungen ?

Ich habe diesen Beitrag (leicht abgeändert) auch in den Stereo-Forums gepostet.
In der letzten Zeit bin ich immer mehr an live Konzerte gegangen, da ich u.a. immer wieder einen Vergleich zwischen Stube-Musik und Live festellen möchte. Ich sitze meistens zwischen den 8ten bis 15. Reihe und ich stelle immer wieder, dass der Klang viel wenig 'spetakulär' sei, als aus einigen CD-Aufnahmen. Natürlich bei den Fortissimi mit grossem Orchester ist Live sehr beeindrückend aber auch in diesen Passagen irgendwie die Digitaltechnik bringt eine andere Art von Spetakularität (vielleicht Reinheit?).
Ich bin überzeugt, dass bald mehrere Labels merken werden, dass super gute und spetakuläre Aufnahmequalität eine gute Verkaufsargument sein wird.
Digital ist dafür sehr geeignet.
Wir sind in eine Phase, wo die Vorschritte der Elektronik unsere Klang-Geschmack bestimmen wird: Ein Geschmack, der mehr und mehr auf die 'technischen', physischen Aspekte der Musik sich konzentrieren wird und weniger auf den inneren Werte.
Obwohl wir sagen 'wir lieben die Musik' , lassen wir uns immer mehr von diesen Tecknik verführen. Wir beschweren uns immer mehr auf den 'Störungen' im Saal (Bonbon-Papier, Husten, usw), auf die Hintergrund-Geräusche der Aufnahmen, auf die fehlende Dynamik und auf die fehlende technische 'Reinheit' der Digitaltechnik.
Das is unsere 'Liebe' für die Musik!
Heinrich
Inventar
#46 erstellt: 29. Mrz 2004, 09:16
Hallo Andreas,

willkommen im Club der unterschiedlichen Geschmäcker!

Ich zum Beispiel mag die frühen Reflexionen gar nicht (für meine Ohren immer klangverfärbend...) und schätze die eigentlich unsinnige Mischung aus direktem Klang und viel "Luft"... Und da empfinde ich dann eben das, was ich als "Umhüllung" bezeichnet habe (ist an sich nicht ganz korrekt, denn "Umhüllung" wird ja hauptsächlich bei Surroundaufnahmen als ein Kriterium des Klangs verwendet...).

Natürlich wird's dann auch bei Kammermusik schnell "symphonisch" - siehe ABQ. Das Wesentliche für mich bei einer Aufnahme ist, daß sie in sich schlüssig ist. Sowohl musikalisch, als auch klanglich. Und ob man den "Sound" des ABQ mag oder nicht - die Aufnahmen sind in der Regel ohne Fehl und Tadel und ein Paradebeispiel für einen in sich stimmigen Klang.

Nun sind wir wieder bei der Ausgangsfrage:

Ich denke Klang ist ein durchaus wichtiger Aspekt von Aufnahmen. Daß die Interpretation an erster Stelle steht, versteht sich von selbst (nichts schlimmeres, als zahlreiche "audiophile", aber musikalisch belanglose Scheiben!). Aber "guten" Klang zu beurteilen ist ein schwieriges Unterfangen - da jeder seine eigenen geschmacklichen Vorlieben hat, und sich von diesen auch nie ganz befreien kann. Für mich bedeutet guter Klang in der Klassik bestmögliche Transparenz in der Musik, sprich Partiturverständlichkeit. An zweiter Stelle die Frage, ob der Klang zur Musik "passt" (das ist eine sehr subjetive Bewertung) und ob es in sich dann gut ausgeführt wurde.

Gruss aus Wien,

Heinrich
AH.
Inventar
#47 erstellt: 29. Mrz 2004, 09:58
Hallo Heinrich,

frühe Reflektionen färben den Klang, d´accord. Ich bin auch kein unbedingter Freund von starken Frühreflektionen, ein beträchtlicher Seitenschallgrad wirkt bei Konzertsälen aus meiner Sicht jedoch subjektiv oft günstig. Mit dieser Auffassung bin ich offenbar auch nicht alleine, wie man z.B. im - meiner Ansicht nach sehr guten - Buch von Prof. Meyer (PTB Braunschweig) nachlesen kann.

Auf der Wiedergabeseite habe ich mit meßbar wie subjektiv gutem Erfolg daran gearbeitet, Frühreflektionen zu unterdrücken, denn im Wiedergaberaum sind diese im Regelfall wirklich sehr früh und überlagern das aufnahmeseitige Muster an diskreten Reflektionen, was zu unplausibler Mehrräumigkeit und einem zu "dichten" Klang führt.

Die von Dir bevorzugte Mischung, bestehend aus direktem Klang mit viel Luft wirkt auf mich jedoch tendenziell "leer", das Gehör kann sich im Schallfeld des Ursprungsraumes nicht einklinken (ich bitte, mir die ungewohnt blumige Beschreibung nachzusehen).

Unbedingt zustimmen möchte ich bezüglich des Primates der Musik vor der Aufnahmetechnik. Darum geht es mir hier auch, denn die "Umhüllungsversuche" verunklaren meiner Ansicht nach nicht selten die Musik.
Das ABQ kenne und schätze ich von mehreren Aufführungen her. Die Aufnahmen haben mich dagegen mit ihrem meiner Ansicht nach wenig stilgerechten, hallig-sinfonischen Klangbild mehrfach enttäuscht. Eben weil Artikulation, Phrasierung, schlimmmer noch biweilen sogar der polyphone Satz, beeinträchtigt werden.

Gruß

Andreas
AH.
Inventar
#48 erstellt: 29. Mrz 2004, 10:06
ein etwas humorvoller Nachtrag:

Sandor Vegh hat einmal kritisch angemerkt, daß Geiger heutzutage das Vibrato meist wie eine gute Generalsauce über die Musik gössen (was ich sehr treffend finde).
Genau diesen Eindruck habe ich bei nicht wenigen Tonaufnahmen bezüglich des Halles
driesvds
Ist häufiger hier
#49 erstellt: 29. Mrz 2004, 10:14
mann bedenke bei klassik, dass während ein konzert alle musiker und solisten und dirigent komplett in der raum/saal akustik integriert sind.

wenn er dirigent gruppen hervorhebt oder leise deutet, sollte man das meiner meinung im studio so lassen. ok, ich gebe zu dass es schwierig wird so "konstante qualität" zu liefern - jede aufnahme klingt durch die saalakustik dann anders, aber warum nicht! ich mag es auf jeden fall.

ein jeder erwartet von einer aufnahme etwas anders. "spektakulär" wird ein solo-klavier konzert wohl nie werden. (für mich schon, aber dann rein-musikalisch gesehen).

vor 2 wochen haben ich hier in wels mal wieder ein solo-klavier-konzert besucht - ich sas in der 2e reihe vorne - auffallend immer wieder wie "lautspielen" live klingt - es klingt räumlicher,voller, aber niemals störend laut. beim leise spielen wird der saalaktustik inkl. störgeräusche natürlich deutlicher, so what? auch die akustik reflektionen nehmen mit dem fortissimo zu. es wirk sehr natürlich. bei einem großen konzert fällt mir das auch immer auf - die akustik und das orchester vormen eine einheit. natürlich geht das klavier ein wenig "unter" in z.B. amsterdam "konzertgebouw", aber warum nicht? muss man da im studio nachhelfen und das klavier oder andere solo-gruppen nach vorne bringen? nicht für mich.

für mich klinkt eine aufnahme perfekt wenn ich zuhause genau das gleiche wie im saal höre; dass heißt inklusive alle unperfektheiten.

Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#50 erstellt: 29. Mrz 2004, 11:40
Die Moderation wurde von usern auf folgendes Statement hingewiesen:


höhepunkt dieses zitats das wort "produktionsökonomie". ich muss jetzt aufpassen keine historische vergleichen zu ziehen, aber mir wird aus künstlerische sicht ein wenig schlecht.


Die Moderation bittet eindringlichst solche Vergleiche tatsächlich nicht zu ziehen, wo sie offenbar nicht angebracht sind, und zwar weder explizit noch implizit.

Jeder weitere "Ausrutscher" in dieser Hinsicht zieht unweigerlich eine Verwarnung nach sich.


Bis auf weiteres wird dieser Thread wieder moderiert.

Gruß
Alfred, Moderation
Tantris
Hat sich gelöscht
#51 erstellt: 29. Mrz 2004, 21:45
Hallo Dries,

auch wenn es kaum sinnvoll erscheint, werde ich eine sachliche Antwort versuchen:

Die Forderung, die Tontechnik möge "alles so lassen wie es ist", ist nicht zu erfüllen. Der Einsatz von nur 2 Mikrofonen für eine Stereoaufnahme stellt bereits eine sehr starke Gestaltung dar, wobei insbesondere Lautstärkeverhältnisse zwischen unterschiedlich weit vom Mikrofon entfernten Instrumenten gegenüber dem Liveschallfeld recht stark verzerrt werden (ich konnte das gerade am Wochenende bei einer Aufnahme wieder nachvollziehen, wo über 130 Musiker und Choristen mitwirkten, die von der Aufstellung her sehr stark in der Tiefe gestaffelt waren - ein Vergleich des Liveeindruckes mit dem reinen Signal des Hauptmikrofons hätte auch Dich schnell davon überzeugt. BTW war der Einsatz von weiteren 24 Stützmikrofonen notwendig).

Ich sprach übrigens nicht von Dolby Surround, sondern von kanaldiskretem 5.1, in diesem Fall sogar unkomprimiert via DVD-Audio. Davon ab, was Du auch immer mit Deinen diffusen Hinweisen auf Bose und "High-End" meinst, besteht ja hoffentlich Einigkeit, daß Klangqualität nichts mit der Anzahl der Wiedergabekanäle zu tun hat. Ich weise nochmals darauf hin, daß bei DVD-A und CD unter Einhaltung einschlägiger Normen/Empfehlungen bzgl. der Abhöranlage für Stereo wie für 5.1 im wesentlichen die gleichen Übertragungsmechanismen und dieselben Anforderungen an die Wiedergabeanlage existieren.

zu Heinrich und AH:

Sicher sind die Geschmäcker verschieden und sollen dies sein. Ich persönlich würde mich für den goldenen Mittelweg bei der Frage nach viel oder wenig Raumhall entscheiden. Wenn die Musik es zuläßt, habe ich es gerne mit etwas mehr Räumlichkeit, solange da nichts "untergeht". Übertrieben "trockene" Aufnahmen schätze ich persönlich nicht so, ebenso solche, bei denen offensichtlich Musikgenre und Art des Raumklanges nicht zusammenpaßt - da fällt mir spontan Webers "Freischütz" unter Kleiber ein, der hörbar in einer sehr lang nachhallenden Kirche aufgenommen wurde.
driesvds
Ist häufiger hier
#52 erstellt: 30. Mrz 2004, 09:26
hallo tantris,

das einzige was ich sagen wollte ist, dass ich zuhause aufnahmen präferiere wo ich dass höre was ich gerade live gehört habe - also inklusive raum und original akustik; mir ist bewußt dass dass ein kompromis ist - bei manche orgelkonzerte hört mann 50% kirchenakustik und 50% orgel - aber ich finde das besser als aufnamen wo alles einzeln aufgenommen wird, und nachher im studio wieder mit künstilichen hall, lautstärke und positionierung zusammengesetzt wird. that's all.

so, und jetzt peace!

prost!

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