Die Geschichte des Plattenabsorbers muss neu geschrieben werden

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SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 09. Feb 2012, 13:22
Liebe Gemeinde,

nach dem Studium diverser Raumakustikforen war es doch sehr auffällig, daß Plattenresonatoren selten die erhofften Effekte brachten. Sei es, daß die Zielfrequenz nicht getroffen wurde, die Bandbreite nicht stimmte oder der Schallabsorptionsgrad doch recht gering ausfiel.
Durch Zufall bin ich über eine Masterarbeit zum Thema 'improved membrane absorber' der University of Salford gestossen, die unter Aufsicht von Professor Cox geschrieben wurde (genau der Prof. Cox, der als 'Guru' unter den Raumakustikexperten gilt).

Die Studie setzt sich u.a. auch mit den oben bestehenden Problemen im Heimkino- bzw. Studiobereich auseinander. Demnach folgen Plattenabsorber aufgrund der üblichen Konstruktion mit festgeklebter oder geschraubter Membran eben NICHT den bekannten Formeln mit Fs=600/Wurzel(Flächengewicht*Tiefe) für ungedämpfte bzw. Fs=500/Wurzel(Flächengewicht*Tiefe) für bedämpfte Gehäuse.

Die Gründe liegen vor allem in der Randeinspannung der Platte, die ein freies, kolbenförmiges Schwingen der Membran verhindert. Zusätzliche 'Schmutzeffekte' wie z.B die unbekannte Steifigkeit der Aufhängung und der Membran lassen dann keine genaue Berechnung mehr zu. Im Grunde gelten die obigen Formeln nur für den idealen Kolbenschwinger und scheinen aufgrund der häufigen (aber falschen) Verbreitung in den Foren zum allgemeingültigen Gedankengut geworden zu sein. Auch wird darauf hingewiesen, daß eine Verkleinerung der Aussenmasse zwangsläufig zu einer Erhöhung der Resonanzfrequenz führt, es also einen zusätzlichen Parameter bei der Auslegung gibt.

Ausserdem ist die Annahme, die Membran könnte einfach dicker gemacht werden, um eine niedrigere Grenzfrequenz zu erreichen irreführend. Dadurch wird beim konventionellen Plattenschwinger (mit Randeinspannung) leider auch der Wirkungsgrad dramatisch reduziert, da die innere Dämpfung der Platte überproportional zunimmt. Laut Prof. Cox führen Flächengewichte über 5kg/m² in (hier in Bezug auf Sperrholzmembranen) schon zu einer deutlichen Reduktion des Absorptionskoeffizienten. Auch funktionieren die Zusammenhänge -Flächengewicht verdoppeln, dafür Bautiefe halbieren- nicht zu identischen Resultaten, obwohl es die o.g. Formeln suggerieren. Ein besseres Ergebis laut Prof. Cox' Messungen wird immer aus der Konstellation leichte Membran mit tiefem Gehäuse erreicht.

Soviel, so schlecht. Ich komme wieder auf die Masterarbeit zurück. Es wurden Versuchsaufbauten mittels Membranen realisiert die in Lautsprecher- Gummisicken aufgehangen waren, also mittels 'weicher' Randlagerung. Nun konnten bei Vergleichsmessungen tatsächlich Resonanzfrequenzen gemessen werden, die sowohl dem analytischen Modell, als auch den o.g. Formeln entsprachen. Eine leichte Abweichung stellt sich nach wie vor durch unkontrolierbare Eigenschaften dar Gummilagerung und der Membraneigenschaften ein. Der Fehler lag aber nicht mehr bei über 40% (wie für die geklebte Membran) sondern bei wenigen Prozent. Auch der Wirkungsgrad der Absorber gewann beträchtlich mit der freien Membranaufhängung. Im Versuchsaufbau hatte die Membran mit Randbefestigung bei 60Hz noch einen Absorptionsgrad von 20%, die mittels Gummisicke aufgehängte Membran einen von fast 100% (der Vergleich hinkt ein bisschen wegen verschiedener Resonanzfrequenz der beiden Systeme und bezieht sich nur auf vergleichbare Plattengrösse, Plattengewicht und Bautiefe).

Als wichtigste Maßnahme für die Konstruktion eines vorhersagbaren Plattenschwingers sollte also eine Lagerung der Membran/Platte in einer Gummisicke vorgesehen werden. Auch hier wird es wieder besser und schlechter funktionierende Designs geben.

Sollten die Erkenntnisse von Prof. Cox eine weitere Verbreitung finden, dürfte es in Zukunft zufriedenere Selbstbauer in diesem Bereich geben. Und bitte gebt die alten Formeln nicht mehr ungeprüft in Verbindung mit der herkömmlichen Konstruktionsweise von Plattenabsorbern weiter!

Viele Grüsse
Guido


P.S.: wer die englische Masterarbeit lesen will, sollte 'Improved Membrane Absorbers' von Robert Oldfield auf der Uni-Salford Seite als pdf-file herunterladen. Ansonsten das leider sehr teure Buch von Prof. Cox bei Amazon bestellen....
hesinde2006
Stammgast
#2 erstellt: 09. Feb 2012, 16:28
Das die Formel nicht funzt war mir aufgrund der vielen Variablen wie Einspannhärte, Größe, Gewicht, Steifigkeit usw schon lange klar.
Aber trotzdem danke für Info.
Wird einigen Leuten sicher eine Hilfe sein.
Rainer_2.0
Stammgast
#3 erstellt: 09. Feb 2012, 17:39
Interessanter Link, und schöne Zusammenfassung

Grüße
Rainer
SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 09. Feb 2012, 18:13
Hi Nik,

daß es aus vielen Forenberichten klar hätte sein müssen, hat leider nicht die ungehemmte und kritiklosen Verbreitung der falschen Formel verhindert.
Kritikmodus an: auch auf deiner Homepage existieren noch Links zu ebendiesen - Kritikmodus aus....

Ich denke, daß bald neue Threads eröffnet werden, um neue Konstruktionsweisen für Plattenresonatoren vorzustellen. Ich persönlich werde in den nächsten Wochen versuchen einen WAF-freundlichen PR zu bauen. Für die Membranaufhängung sind ein paar aufgeschnittene Fahrradschläuche angedacht, aber vielleicht finde im Baumarkt meines Vertrauens auch andere Gummiprofile für diese Aufgabe.

Grüsse
Guido
hesinde2006
Stammgast
#5 erstellt: 18. Feb 2012, 15:54
Hi Guido,
als kleine Hilfe für dich
http://www.visaton.de/vb/showthread.php?t=22190&highlight=keller


Kritikmodus an: auch auf deiner Homepage existieren noch Links zu eben diesen - Kritikmodus aus....

Die Frage wie ich damit verfahren soll....ganz löschen.......
SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 19. Feb 2012, 13:00
Hi Nik,

danke für den Link, ich war kurz davor Silikon zu verwenden....

Vielleicht mache ich vorher besser einen 'Klebetest' mit Abfallstücken!

Viele Grüsse
Guido
*Lawyer*
Neuling
#7 erstellt: 16. Jun 2013, 17:00
Hallo, Ihr Bastler,

hat jemand von Euch schon einen optmierten VPR gebaut, wie er im Ausgangspost beschrieben worden ist und kann ggfls. ein Bild posten?

Ich habe auch noch ein Verständnisproblem, was den Aufbau/die Aufhängung des VPR angeht.

Muss der VPR mit der 'Gummikonstruktion' komplett frei schwingen können wie eine Schaukel?

Oder reicht es aus, wenn beispielsweise durch eine Gummierung der Unterseite des Resonators und eine Monatge an der Wand mit gummierten Dämpfern das Schwingen ermöglicht wird?

Ich wollte mir zwei VPR mit Stahlplatte, dahinter 10cm Basotect und evtl. eine Sperrholzplatte bauen. ich bin jetzt unschlüssig wie und wo die Gummikonstruktion verbaut werden muss, damit der VPR vernünftig funktioniert.

Ich beschäftige mich erst seit ein paar Tagen mit Raumakustik, insofern bin ich unsicher, ob ich vielleicht schon grundlegend etwas nicht begriffen habe

Vielleich hat jemad Lust, mir ein paar Tipps zu geben.

Gruß,

Carsten
SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 17. Jun 2013, 05:44
Hallo Carsten,

der von mir verlinkte Artikel beschreibt das Verhalten von Plattenabsorbern, nicht das eines VPR!

Hier ist das Anbringen einer 'freien Aufhängung' kontraproduktiv. Die Stahlplatten werden beim VPR mittels eines viskosen Klebers auf das Basotect geklebt. Beim Plattenresonator geht es darum, eine frei schwingende Masse vor einem Luftvolumen, das als Federsteifigkeit dient, anzuregen. Mittels poröser Dämmaterialien im Hohlraum wird dann der Grad der Dämpfung eingestellt. Diese sollte beim Plattenresonator aber NICHT mit der schwingenden Masse Kontakt haben!

Viele Grüsse
Guido
LeoN.M
Ist häufiger hier
#9 erstellt: 17. Jun 2013, 08:36
Mensch, guuuter Fred!

Ich bin gerade dabei meinen künftigen Hörraum zu planen, dabei sollen gegen zu erwartende Raummoden auch Plattenresos eingebracht werden. Je mehr ich in die Materie eingestiegen bin (zB der Frisecke, Studio Akustik - insgesamt übrigens empfehlenswert!), umso kritischer fand ich die ja schon erwähnte Formel. Allein schon dass nur die Tiefe des Absorbers und nicht dessen Oberfläche (bzw der der Schwingplatte) berücksichtigt wird... Aufhängung ebenso, es muss doch einen Einfluss haben wie stark ich die Schwingplatte anbringe bzw. wie steif.


War das mit der Selbstbaupassivsicke ernstgemeint? Schade, dass die Bilder fehlen, kann mir das noch nicht recht vorstellen. Vor allem bei einem eckigen Gehäuse wären doch vorallem die Ecken kritisch, nicht?
Wie wäre es denn mit Kühlschrankdichtungen?

Ideen, Ideen!

Gruß, Leon
SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 17. Jun 2013, 08:48

und nicht dessen Oberfläche (bzw der der Schwingplatte) berücksichtigt wird...


Nun ja, die Oberfläche wird in der Formel über das Flächengewicht mit einbezogen. Der Wirkungsgrad geht aus der Formel nicht hervor, im Grunde kann ein sehr kleiner und sehr großer Absorber mittels der Formel berechnet werden, die jeweils die gleiche Fres besitzen. Die Wirksamkeit ist natürlich beim grösseren Konstrukt entsprechend besser.

Was die Abdichtung und Aufhängung angeht, ist leider noch kein konstruktiver Vorschlag gemacht worden!

Viele Grüsse
Guido
LeoN.M
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 17. Jun 2013, 09:06
Moment, die Oberfläche der Schwingplatte wird doch nur in kg/m² (in der Formel m) angegeben? (Bei Sperrholz zB 3,5 kg/m²). Hab ich das falsch verstanden - ich dachte somit sei m quasi eine Konstante oder müsste ich die Verdoppeln wenn ich einen zwei qm Schwinger baue? Klingt eigentlich logischer, ne?

Schade, ich finde man sollte sich wirklich Gedanken machen was man als Sicke benutzen kann - gibt es in der Originalpublikation dazu keine näheren Hinweise? Meinst Du (Kühlschrank-) Dichtungen seien zu steif? Zu Verarbeiten wäre das ja sehr dankbar, Montagekleber oder Pattex und zack...


[Beitrag von LeoN.M am 17. Jun 2013, 09:07 bearbeitet]
MicroMagic
Stammgast
#12 erstellt: 17. Jun 2013, 09:42
Fahrradschlauch ?
SonnyTucson
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 17. Jun 2013, 11:48

Hab ich das falsch verstanden - ich dachte somit sei m quasi eine Konstante oder müsste ich die Verdoppeln wenn ich einen zwei qm Schwinger baue?


Nein, es ist hier natürlich eine Konstante. Wie gesagt, für die Berechnung der Resonanzfrequenz braucht es keine Fläche!

Fahrradschlauch wäre ratsam, wenn er an den Eckstössen sehr gut abgedichtet wird. Damit hat man analog zum Lautsprecher eine Passivmembran mit weicher Aufhängung geschaffen. Dichtungsprofile könnten mMn entweder zu steif oder schlecht gegen die Membran abzudichten sein.
Bum666
Stammgast
#14 erstellt: 10. Apr 2018, 19:07
Ich weiß, der Thread ist aspach uralt. Habe trotzdem mal ne Frage. Beschäftige mich erstmalig mit dem Thema. Sehe ich es richtig, dass wenn ich die Stärke bzw die Masse der Schwingplatte verdopple, ich die Tiefe halbieren kann um auf die selbe Frequenz zu kommen??

Ich errechne zBsp bei einer 4mm Platte (1,53kg/qm) und 12,5cm Tiefe eine Frequenz von 36,87Hz.
Selbiges würde theoretisch für 8mm (3,06kg/qm) und 6,25cm Tiefe gelten...wäre zumindest laut Formel(mit Konstante 510) logisch.

Könnte mir nur vorstellen, dass die doppelt so starke Platte wesentlich uneffektiver arbeitet, da sie träger ist und mehr kraft benötigt wird, diese in Schwingung zu versetzen...

Letzte Frage. Wie soll das Verhältnis Dämmung zu Luft zwischen Dämmung & Schwinger sein? Reicht bei 12,5cm Tiefe 40mm Steinwolle, oder lieber mehr...

Danke vorab!


PS: Absorber soll 0,6m * 1,2m werden
Bum666
Stammgast
#15 erstellt: 10. Apr 2018, 19:10
ach so. Als Rahmen & Rückwand wollte ich 12mm MDF nehmen... alternativ wären 9mm Multiplex Birke im Angebot...
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